Folgeprovisionen und Buchauszug trotz Abstimmungen und vertraglichen Regelungen
HandelsvertreterrechtDas OLG Naumburg hat mit Urteil vom 20.11.2024 wesentliche Klarstellungen zur Pflicht eines Unternehmens zur Erteilung eines Buchauszugs sowie zur Berechnung von Folgeprovisionen getroffen. Das Gericht wies die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurück und sprach der Handelsvertreterin sowohl den verlangten Buchauszug zu und bestätigte einen umfassenden Anspruch auf Folgeprovisionen, und zwar auch bei unterjähriger Beendigung eines vermittelten Vertrags.
Sachverhalt
Die Klägerin war als Handelsvertreterin für die Beklagten tätig und vermittelte Strom- und Gaslieferverträge im Rahmen mehrerer aufeinanderfolgender Vertriebspartnerverträge. Die Zusammenarbeit war durch befristete Vertragslaufzeiten und eine vertraglich festgelegte auflösende Bedingung geprägt: Das Vertragsverhältnis endete automatisch, sobald eine bestimmte Anzahl an Verträgen vermittelt war. Neben einer einmaligen Vermittlungsprovision erhielt die Klägerin Folgeprovisionen für Vertragsverhältnisse, die über die Erstvermittlung hinaus bestanden.
Zwischen den Parteien entbrannte Streit über die Berechnung und Abrechnung dieser Provisionen. Insbesondere war strittig, ob die Beklagten zur Zahlung von Folgeprovisionen verpflichtet waren, auch wenn die vermittelten Verträge vorzeitig endeten. Ein weiterer zentraler Punkt war die Frage, ob die auflösende Bedingung eine wirksame vertragliche Regelung darstellte oder eine unzulässige Umgehung der Kündigungsschutzvorschriften des § 89 HGB bedeutete.
Die Streitigkeiten betrafen im Kern folgende Punkte:
- Anspruch auf Buchauszug: Die Klägerin forderte einen detaillierten Buchauszug zu allen vermittelten Verträgen.
- Folgeprovisionen: Strittig war, ob und in welchem Umfang Folgeprovisionen auch bei unterjähriger Vertragsbeendigung geschuldet sind.
- Schadensersatzanspruch: Die Klägerin machte geltend, dass sie durch eine unrechtmäßige Vertragsbeendigung Provisionsverluste erlitten habe.
- Auflösende Bedingung: Die Verträge enthielten eine Klausel, wonach das Vertragsverhältnis automatisch endete, sobald die Klägerin 1.000 Verträge vermittelt hatte. Dies wurde von den Beklagten als wirksame Beendigungsregelung verteidigt, während die Klägerin argumentierte, dass sie eine Umgehung der Kündigungsschutzregeln im Handelsvertreterrecht darstelle.
Rechtliche Bewertung durch das Gericht
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Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 87c Abs. 2 HGB
Das OLG bestätigte den Anspruch der Klägerin auf Buchauszüge. Die Beklagten hatten argumentiert, dass die Handelsvertreterin bereits monatliche Abrechnungen erhalten und nicht beanstandet habe. Zudem beriefen sie sich darauf, dass zwischen den Parteien ein aufwändiger Abstimmungsprozess zu den Abrechnungen stattgefunden habe, wodurch die Klägerin die Möglichkeit hatte, Unklarheiten zu beseitigen. Das OLG stellte jedoch klar:
- Die Provisionsabrechnungen ersetzen den Buchauszug nur, wenn sie alle erforderlichen Angaben enthalten, was hier nicht der Fall war.
- Auch eine wiederholte Abstimmung zu Abrechnungen führt nicht zum Erlöschen des Anspruchs, da die Klägerin nicht explizit auf die Erteilung eines vollständigen Buchauszugs verzichtet hat.
- Der Anspruch war nicht durch jahrelange Praxis verwirkt; vielmehr bleibt das Recht auf Buchauszüge auch nach Vertragsende bestehen.
- Datenschutzrechtliche Bedenken (DSGVO) stehen der Erteilung nicht entgegen.
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Folgeprovisionen auch bei unterjähriger Vertragsbeendigung
Bereits das Landgericht hatte entschieden, dass die Beklagten zur Zahlung von Folgeprovisionen verpflichtet sind, obwohl sie dies bestritten. Das OLG bestätigte diese Entscheidung und präzisierte darüber hinaus, dass Folgeprovisionen nicht nur für vollständige Lieferjahre geschuldet sind, sondern auch anteilig bei vorzeitiger Beendigung eines Vertrages. Damit stellte das Gericht klar, dass Handelsvertreter für bereits geleistete Vermittlungstätigkeiten nicht benachteiligt werden dürfen.
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Kein Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung
Das OLG wies den Anspruch auf Schadensersatz zurück. Die auflösende Bedingung im Handelsvertretervertrag (Beendigung nach Vermittlung von 1.000 Verträgen) wurde als wirksam angesehen. Die Klägerin hatte argumentiert, dass diese Bedingung gegen § 89 HGB verstoße, weil sie einer Kündigungsfrist gleichkomme. Das Gericht sah jedoch keine unzulässige Umgehung der gesetzlichen Schutzvorschriften.
Bedeutung für die Praxis
- Buchauszüge sind zu erteilen Auch detaillierte und mit dem Handelsvertreter besprochene Provisionsabrechnungen reichen in der Regel nicht aus, um den Anspruch nach § 87c Abs. 2 HGB zu erfüllen. Nur in wenigen Fällen ist ein Buchauszug tatsächlich im Vorwege erfüllt oder haben sich die Parteien tatsächlich abschließend über die Provisionen geeinigt und der Buchauszug hat seine Funktion als Kontrollrecht verloren.
- Folgeprovisionen Aus § 87 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. HGB ergeben sich auch Provisionsansprüche des Handelsvertreters für Folgegeschäfte. Während dieser gesetzliche Anspruch abdingbar ist, wird er in der Praxis oft übersehen oder unzureichend vertraglich geregelt. Unternehmer sollten daher explizit prüfen, ob sie Folgeprovisionen vertraglich ausschließen oder beschränken wollen, da sonst erhebliche finanzielle Verpflichtungen entstehen können. Insbesondere unwirksame Regelungen, was nach Beendigung der Zusammenarbeit an Provisionsansprüchen verbleiben soll, können zu teuren Überraschungen führen.
- Unternehmer sollten Befristungen und automatische Vertragsenden gut überdenken. Eine auflösende Bedingung führt zur Vertragsbeendigung und kann unter Umständen einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB auslösen, wenn der durch die Beendigung verbleibende Unternehmervorteil im Rahmen eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB auszugleichen wäre.