Fristlose Kündigung wegen des Fehlverhaltens einer Hilfsperson eines Handelsvertreters (§ 89 a HGB i.V.m. § 278 BGB) – Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB ausnahmsweise auch wegen eines Fehlverhaltens einer Hilfsperson des Handelsvertreters, wenn diese Hilfsperson nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien ausschließlich die Handelsvertreteraufgaben gegenüber dem Unternehmer wahrnehmen soll.

Handelsvertreterrecht

Eine außerordentliche Kündigung gegenüber einem Handelsvertreter ist dann gem. § 89 a Abs. 1 HGB gerechtfertigt, wenn dessen Hilfsperson Dritten gegenüber geschäftsschädigende Äußerungen über das vertretene Unternehmen abgegeben hat. Dieses Fehlverhalten muss sich der Handelsvertreter als Vertriebspartner des Unternehmens nach dem Rechtsgedanken des § 278 BGB zurechnen lassen, weil er sich bei der Erfüllung des Handelsvertretervertrages der Hilfsperson bedient. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 89 a Abs. 2 HGB, die darauf abstellt, ob die Kündigung durch ein Verhalten des Handelsvertreters veranlasst wurde, das dieser zu vertreten hat (BGHZ 29, 275, 278).

Zum Verlust des Ausgleichsanspruchs führt eine vom Unternehmer aus wichtigem Grund ausgesprochene Kündigung aber nur dann, wenn für diese Maßnahme ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag (§ 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB). Hierfür ist ein eigenes Verschulden des Handelsvertreters erforderlich. Das Fehlverhalten einer Hilfsperson ist dem Handelsvertreter, soweit es um den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB geht, nicht nach § 278 BGB zuzurechnen; die Vorschrift des § 278 BGB findet insoweit keine Anwendung.

Der Grundsatz, dass ein Verschulden von Hilfspersonen eines Handelsvertreters nicht geeignet ist, den Ausgleichsanspruch auszuschließen, greift allerdings ausnahmsweise dann nicht ein, wenn ein Dritter, der nicht Vertragspartner des Unternehmers ist, nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien ausschließlich die Aufgaben eines Handelsvertreters für den Unternehmer wahrnehmen soll. In einem solchen Fall kann sich der Handelsvertreter nicht darauf berufen, dass der Dritte nur sein Erfüllungsgehilfe gewesen sei.

Anmerkungen zum Urteil des BGH vom 18.07.2007, VIII ZR 267/05
Mit seiner Entscheidung vom 18.07.2007 bestätigt der BGH die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass ein Handelsvertreter sich das Fehlverhalten einer von ihm in Erfüllung seiner Aufgaben und Pflichten gegenüber dem Unternehmer eingesetzten Hilfskraft über § 278 BGB mit der Folge zurechnen lassen muss und dass eine außerordentliche Kündigung des Unternehmers wirksam ist, wenn das Fehlverhalten der Hilfsperson einen wichtigen Grund im Sinne des § 89 a Abs. 1 HGB darstellt. Der BGH hat ferner klargestellt, dass das Fehlverhalten einer Hilfsperson dem Handelsvertreter nicht nach § 278 BGB zuzurechnen ist, soweit es um den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB geht. § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB fordert vielmehr nach seinem eindeutigen Wortlaut ein eigenes Verschulden des Handelsvertreters.

Auch die Feststellung des VIII. Zivilsenats, dass der Grundsatz, nach dem das Verschulden einer Hilfsperson eines Handelsvertreters nicht geeignet ist, den Ausgleichsanspruch auszuschließen, dann ausnahmsweise nicht gelten soll, wenn diese Hilfsperson, die zwar nicht selbst Vertragspartner des Unternehmers ist, aber nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien ausschließlich die Aufgaben und Pflichten eines Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer wahrnehmen soll, ist ebenfalls nicht neu. Sie geht auf die Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH vom 23.01.1964 (BB 64, 409 = DB 64, 582 = HVR Nr. 310 = LM Nr. 21 a zu § 89 b HGB) zurück. In einem solchen Fall soll sich der Handelsvertreter, der mit Wissen und Wollen des Unternehmers seine Aufgaben und Pflichten auf eine nur mit ihm in vertraglichen Beziehungen stehende Hilfsperson delegiert hat, nicht darauf berufen können, dass diese Hilfsperson nur sein Erfüllungsgehilfe gewesen sei.

Leider hat VIII. Zivilsenat des BGH die Gelegenheit nicht genutzt, sich mit der Entscheidung aus dem Jahr 1964 kritisch auseinanderzusetzen und diese Ausnahmeentscheidung stichhaltig zu begründen. Rechtsdogmatisch lässt sich diese Ausnahme von dem anerkannten Grundsatz, dass ein Ausgleichsausschluss nur bei eigenem Fehlverhalten des Handelsvertreters in Betracht kommt, nicht begründen. Damit liefert der BGH für die tägliche Beratungspraxis erneut mehr Steine als Brot.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war der Sohn des Handelsvertreters mit Wissen und Wollen seines Vaters und des von ihm vertretenen Unternehmers in das Vertragsverhältnis an die Stelle des Vaters eingetreten. Diese Sachverhaltsdarstellung im Tatbestand des BGH-Urteils legt die Vermutung nahe, dass die Parteien sich auf eine Nachfolgevereinbarung im Sinne des § 89 b Abs. 3 Nr. 3 HGB mit der Folge geeinigt hatten, dass das Vertragsverhältnis zwischen Vater und Unternehmer endete und anschließend der Sohn die Vertretung des Vaters übernahm.

Selbst wenn die Parteien des zuletzt bestehenden Vertragsverhältnisses – Sohn und vertretener Unternehmer – sich in diesem Zusammenhang auch darauf geeinigt haben sollten, dass der ehemalige Vertragspartner des Unternehmers – der Vater – weiterhin ausschließlich die Aufgaben und Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag des Sohnes mit dem Unternehmer wahrnimmt und er dies auch getan hat, ändert es nichts daran, dass der Vater ab diesem Zeitpunkt rechtlich als Untervertreter oder angestellter Reisender seines Sohnes dessen Erfüllungsgehilfe war. In dieser Funktion hat er dann offenbar Dritten gegenüber die geschäftsschädigenden Äußerungen über den Unternehmer abgegeben. Da die rechtliche Konstruktion – Vater als Erfüllungsgehilfe des Sohnes – mit Wissen und Wollen aller Beteiligten entstanden ist, gibt es für die vom BGH geschaffene Ausnahmerechtsprechung zu Gunsten des Unternehmers und zu Lasten des Handelsvertreters keinen Grund, im Gegenteil:

Warum soll ein Handelsvertreter, der mit Wissen und Wollen des Unternehmers nicht selbst tätig ist, sondern seine Aufgaben und Pflichten vollständig durch einen Untervertreter oder angestellten Reisenden erfüllt, sich im Hinblick auf den Ausgleichsausschlusstatbestand des § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB nicht – wie jeder andere Handelsvertreter, der seine Aufgaben und Pflichten durch Hilfspersonen erfüllen lässt – darauf berufen können, dass ihn kein eigenes Verschulden trifft, weil er das Verhalten seines Untervertreters weder veranlasst, noch wissentlich geduldet hat und es auch nicht verhindern konnte? Gerade in dem vom BGH entschiedenen Fall wusste der Unternehmer über die Konstellation und deren Konsequenzen Bescheid. Eine Berechtigung, ihn mehr zu schützen, als einen Unternehmer, der über die Erfüllungsgehilfen seines Handelsvertreters keine genauen Kenntnisse hat oder der mit einem Handelsvertreter zusammenarbeitet, der seine Pflichten gegenüber dem Unternehmer nur teilweise und/oder auf mehrere Hilfspersonen überträgt, ist nicht erkennbar.

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Handelsvertreter in der Situation, die der BGH entschieden hat, weniger schutzwürdig im Hinblick auf seinen Ausgleichsanspruch wäre, als ein Handelsvertreter, der nur zum Teil Aufgaben auf Hilfspersonen überträgt oder nicht das ausdrückliche Einverständnis des Unternehmers hat. Was passiert im Übrigen, wenn der Handelsvertreter mit Zustimmung des Unternehmers alle Aufgaben und Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag nicht auf eine, sondern auf zwei oder mehrere Hilfspersonen überträgt? Hat dies dann auch – teilweise? – Auswirkungen auf seinen Ausgleichsanspruch, wenn sich eine der Hilfspersonen vertragswidrig gegenüber dem Unternehmer verhält?

In der täglichen Beratungspraxis schafft das BGH-Urteil ebenfalls nur Rechtsunsicherheit. Sie führt dazu, dass man in vergleichbaren Fällen zukünftig in aller Heftigkeit darüber streiten wird, ob die Voraussetzungen für die Ausnahmerechtsprechung erfüllt sind oder nicht. Nach den Feststellungen des BGH soll der Grundsatz, dass ein Verschulden von Hilfspersonen eines Handelsvertreters nicht geeignet ist, den Ausgleichsanspruch auszuschließen, dann ausnahmsweise nicht eingreifen, wenn die Hilfsperson nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten ausschließlich für den Unternehmer tätig sein soll. Wie sollen in der Praxis diese Tatbestandsvoraussetzungen zweifelsfrei festgestellt werden? Möglich wäre dies nur dann, wenn die Parteien ihren diesbezüglichen Willen eindeutig schriftlich fixiert hätten. Dies dürfte aber in den seltensten Fällen gegeben sein. Es steht allerdings zu befürchten, dass Unternehmen, die bei Vertragsverhandlungen nach wie vor die stärkere Position inne haben, in Zukunft vor dem Hintergrund der Ausnahmerechtsprechung des BGH die aus anderen Gründen bereits häufig angetroffene Praxis forcieren werden, den Vertrag „pro forma“ z.B. mit der Ehefrau abzuschließen und dann die ausschließliche Tätigkeit des Ehemanns als Untervertreter ausdrücklich zu vereinbaren, um später gegebenenfalls dem Ausgleichsanspruch entgehen zu können.

Offen ist auch die Frage, wann ein Erfüllungsgehilfe ausschließlich für den Unternehmer tätig ist. Entfällt die Ausschließlichkeit schon dann, wenn z.B. die Ehefrau, die Vertragspartner des Unternehmers ist, ihrem an sich tätigen Ehemann stundenweise im Showroom, auf Messen, als Anlaufstelle im häuslichen Büro für fernmündliche oder schriftliche Anfragen von Kunden oder bei der Vereinbarung bzw. der Koordination von Kundenterminen behilflich ist?

Darüber hinaus ist der Weg, den der BGH nunmehr eingeschlagen hat, in Fällen wie dem entschiedenen für den Handelsvertreter äußerst nachteilig. Er hat normalerweise im Rahmen einer Nachfolgevereinbarung gem. § 89 b Abs. 3 Nr. 3 HGB, die den Ausgleichsanspruch des ausscheidenden Handelsvertreters (hier des Vaters) von Gesetzes wegen ausschließt, eine entsprechende Zahlungsverpflichtung gegenüber dem ausscheidenden Handelsvertreter übernommen, die er zu erfüllen hat. Lediglich in der vom BGH jetzt entschiedenen Fallkonstellation mag deshalb noch ein akzeptables Ergebnis herauskommen, weil der Sohn gegenüber dem Vater aufgrund dessen Verschuldens die eingegangene Zahlungsverpflichtung wohl nicht wird erfüllen müssen. In dem Moment, in dem der im Rahmen der Nachfolgevereinbarung ausscheidende frühere Handelsvertreter aber nicht anschließend als Hilfsperson für den übernehmenden Handelsvertreter tätig wird, sondern – was viel wahrscheinlicher ist – ein Dritter, wächst sich die Ausnahmerechtsprechung des BGH zu einem eklatanten Nachteil für den das Vertragsverhältnis übernehmenden Handelsvertreter aus. Er verliert aufgrund des Fehlverhaltens einer Hilfsperson entgegen den allgemeinen Grundsätzen seinen Ausgleichsanspruch, bleibt aber gegenüber seinem Vorgänger zur Zahlung verpflichtet.

Gleiches gilt in Fällen, in denen zuvor keine Nachfolgevereinbarung im Sinne des § 89 b Abs. 3 Nr. 3 HGB getroffen wurde. Der Handelsvertreter wird durch die Ausnahmerechtsprechung für ein Fehlverhalten einer von ihm eingesetzten Hilfsperson verantwortlich gemacht, das er im Hinblick auf seinen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung eigentlich nicht zu vertreten hat. Der Umfang, in dem eine Hilfsperson die Aufgaben und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis des Handelsvertreters mit dem Unternehmer übernimmt, kann kein Maßstab dafür sein, ob dem Handelsvertreter ein Fehlverhalten der von ihm eingesetzten Hilfsperson im Rahmen des § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB zuzurechnen ist, oder nicht.

Der BGH hat mit seiner Entscheidung weder Rechtssicherheit noch Rechtsklarheit geschaffen, sondern neue Streitfälle vorprogrammiert.

v. Manteuffel/Dr. Christoph, Rechtsanwälte

Rechtsprechung zur Besprechung
VIII ZR 267/05 – Eigenes Verschulden des Handelsvertreters für den Ausschlusstatbestand; kein Zurechnen des Fehlverhaltens einer Hilfsperson