Händler-/Vertriebspartnervertragsverhältnis: Voraussetzungen für die analoge Anwendung des § 89 HGB; zur Unwirksamkeit einer in einem Formularvertrag vereinbarten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB

Vertragshändlerrecht

Als Vertragshändlervertrag wird ein auf gewisse Dauer gerichteter Rahmenvertrag bezeichnet, durch den sich der Händler verpflichtet, Waren des Herstellers/Lieferanten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben und durch den der Vertragshändler in die Verkaufsorganisation des Herstellers/ Lieferanten eingegliedert wird. Ein siebenstufiges Vertriebssystem steht einer entsprechenden Anwendung von Handelsvertreterrecht nicht entgegen. Ausreichend ist vielmehr eine Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Vertriebspartners für die erzielten Umsätze, die sich in der Zahlung einer Superprovision niederschlagen kann. Für die Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers/Lieferanten spricht ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbs- und Abwerbeverbot, die Erlaubnis, autorisierte Kennzeichen und Ausstattungen zu Werbezwecken zu nutzen, die Reglementierung der Kommunikation, Verpflichtungen für ein nach außen hin einheitliches Auftreten, die Verpflichtung zur Teilnahme an Schulungs- und Systemkonzepten, sowie die gegenseitige Unterrichtungspflicht über geschäftliche Vorgänge. Gegen eine Eingliederung in die Absatzorganisation spricht allerdings das Fehlen einer Absatzförderungspflicht. Eine solche kann sich zwar aus den zwischen den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarungen ergeben. Indes hat die Steigerung von Rabatten nach Maßgabe des wirtschaftlichen Erfolges lediglich Anreizcharakter und begründet noch keine Absatzförderungspflicht. Gegen eine Einbindung in die Absatzorganisation spricht ferner der Umstand, dass der Vertriebspartner in der Preisgestaltung gegenüber dem Endkunden frei war und keine Weisungs-, Kontroll- oder Überwachungsrechte des Unternehmers bestanden. Ohne eine handelsvertretertypische Absatzförderungspflicht kann nicht von einer Einbindung in die Absatzorganisation ausgegangen werden, die für eine analoge Anwendung des § 89 HGB erforderlich ist.

Eine in einem Vertriebspartnervertrag vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende kann wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Verwender durch die Klausel seine Interessen auf Kosten des anderen Teils durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange angemessen zu berücksichtigen oder ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Wenngleich eine Unangemessenheit sich nicht allein schon aus der Unterschreitung der in § 89 Abs. 1 HGB vorgesehenen sechsmonatigen Kündigungsfrist ergibt, weil der Vertragspartner nicht vergleichbar einem Handelsvertreter in die Absatzorganisation eingegliedert war, kann im Einzelfall die Anwendung einer besonderen, längeren Kündigungsfrist geboten sein, wenn dies aufgrund von Besonderheiten der beteiligten Kreise ausnahmsweise zum Schutz eines Beteiligten erforderlich ist. Ein solcher Fall liegt namentlich dann vor, wenn der Vertriebspartner nach den konkreten Umständen der vertraglichen Situation eine Umstellungsfrist benötigt, um für die Zeit nach Vertragsbeendigung eine Tätigkeit für andere Unternehmen aufzunehmen oder um sein Geschäftsfeld umzustellen, weil sein Geschäftsbetrieb zuvor weitgehend auf das Vertriebskonzept des Vertragspartners zugeschnitten war. Ein solcher Fall ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Vertriebspartner 15 Jahre ausschließlich für den Hersteller/Lieferanten tätig war und diese Tätigkeit seine alleinige Einnahmequelle bildete. Bei einer so langen Dauer des Vertragsverhältnisses sehen anderweitige gesetzliche Regelungen, (so u.a. § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB, § 624 oder § 89 Abs. 1 Satz 2 HGB) eine Verlängerung der Kündigungsfrist vor. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Gekündigte im Hinblick auf das längerfristige Bestehen der vertraglichen Bindung häufig auch einer längeren Umorientierungsphase bedarf, um sich auf die neue Situation einzustellen und ggf. eine neue Existenzgrundlage zu schaffen.

Die Unwirksamkeit der vertraglichen Kündigungsregelung hat gem. § 306 Abs. 2 BGB zur Folge, dass sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Ob eine angemessene Kündigungsfrist für Lieferverträge die nicht unter §§ 84 ff. HGB (analog) fallen, nach § 624 oder § 723 BGB zu bestimmen oder durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen ist, kann dahinstehen. In jedem Fall ist die angemessene Frist bei einer Laufzeit von deutlich mehr als fünf Jahren mit mindestens sechs Monaten zu bemessen.