In seinem Urteil vom 31. März 2025 (Az. 19 U 126/24) hat das Oberlandesgericht Köln wichtige Klarstellungen zum Handelsvertreterausgleich im Mobilfunk getroffen. Die Entscheidung betrifft viele Handelsvertreter, die Mobilfunk- oder Festnetzverträge vermitteln, insbesondere im stationären Einzelhandel wie z. B. sogenannten „Partner-Shops“. Das Urteil befasst sich mit der Frage, wann ein Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung Anspruch auf eine Ausgleichszahlung hat – und wann eben nicht. Dabei legt das Gericht besonderes Gewicht auf die tatsächlichen Provisionsverluste, die konkrete Geschäftsbeziehung zu Mehrfachkunden sowie auf die Anforderungen an den Parteivortrag des Handelsvertreters.

Hintergrund: Handelsvertreterin fordert Ausgleich nach Vertragsende

Die Klägerin war über Jahre hinweg als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig und betrieb mehrere Mobilfunkshops. Nach der schrittweisen Beendigung der Verträge an verschiedenen Standorten machte sie einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geltend. Sie forderte ursprünglich rund 693.000 EUR und berief sich dabei auf Provisionsverluste aus Folgegeschäften mit von ihr angeblich geworbenen oder betreuten Kunden, insbesondere bei Vertragsverlängerungen und sogenannten Family Cards. Solche Folgegeschäfte wertete sie als Beleg für eine dauerhafte Kundenbindung, die nach Ende der Vertragsverhältnisse wirtschaftlich der Beklagten zugutekomme.

Die Beklagte wandte unter anderem ein, dass die Klägerin ausgleichspflichtige Kundenbeziehungen nicht ausreichend belegt habe. Viele der angeblichen Folgegeschäfte seien nicht provisionspflichtig gewesen oder Kunden nicht von der Klägerin selbst vermittelt worden.

Die Entscheidung: Kein Handelsvertreterausgleich im Mobilfunk ohne konkrete Folgeprovisionen

Das OLG Köln erkannte der Klägerin schließlich einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 77.998,17 EUR zu – und wies den überwiegenden Teil der Klage ab. Die Begründung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und enthält wichtige Hinweise für Handelsvertreter im Bereich Mobilfunk und darüber hinaus.

Zunächst stellt das Gericht klar, dass allein die Vermittlung eines Mobilfunkvertrags – also eines typischen Dauerschuldverhältnisses – noch keine ausgleichspflichtige Geschäftsverbindung im Sinne von § 89b HGB begründet. Eine Ausgleichspflicht entstehe nur dann, wenn es zu weiteren, provisionspflichtigen Geschäften mit demselben Kunden komme. Entscheidend ist also, dass der Handelsvertreter einen sogenannten Mehrfachkunden geworben hat, der auch im letzten Vertragsjahr ein provisionspflichtiges Geschäft abgeschlossen hat.

Beweislast beim Handelsvertreter – reine Behauptungen reichen nicht

In diesem Zusammenhang kam der prozessualen Darlegungslast eine zentrale Bedeutung für die Entscheidung des OLG zu: Die Klägerin sei verpflichtet darzulegen, bei welchen Kunden es sich um echte Mehrfachkunden handelt. Dazu hätte sie konkret angeben müssen, welche Kunden sie geworben hat, welche Verträge wann und in welchem Shop geschlossen wurden und dass für diese Verträge Provisionen angefallen wären. Die bloße Angabe, dass es sich um eine Vertragsverlängerung handelte, genüge nicht. Insbesondere – so das OLG – dürfe sich der Handelsvertreter nicht darauf beschränken, pauschal zu behaupten, alle VVLs („Vertragsverlängerungen“) oder Wechselverträge beträfen zuvor von ihm betreute Kunden. Vielmehr sei erforderlich, dass der Handelsvertreter darlegt, dass er selbst das Erst- und auch das Folgegeschäft vermittelt hat – und dass für weitere Geschäfte auch tatsächlich eine Provision angefallen wäre. Das OLG betonte ausdrücklich, dass es nicht darauf ankomme, ob der Kunde dem Unternehmen treu geblieben sei, sondern darauf, ob durch die Fortsetzung der Kundenbeziehung konkrete Umsätze im Shop der Handelsvertreterin entstanden wären, auf die bei fiktiver Fortführung des Handelsvertretervertrages ein Provisionsanspruch bestanden hätte.

Das OLG betont außerdem, dass pauschale Aussagen zu vermeintlich ausgleichspflichtigen Kunden nur dann erheblich seien, wenn die Kunden eindeutig identifiziert werden können. Ohne konkrete Kundennamen oder sonstige eindeutige Zuordnungen können solche Angaben nicht Grundlage eines Ausgleichsanspruchs sein.

Abwanderungsquote: Gericht musste schätzen – wegen fehlender Zahlen

Ein weiterer Aspekt betrifft die sogenannte Abwanderungsquote – also die Frage, wie viele Kunden nach Vertragsende voraussichtlich der Beklagten erhalten bleiben. Weil weder Klägerin noch Beklagte zu diesem Punkt belastbare Daten geliefert hatten, sah sich das Gericht gezwungen, eine Schätzung vorzunehmen (§ 287 ZPO). Die Abwanderungsquote wurde pauschal auf 10 % pro Jahr geschätzt. Das OLG wies ausdrücklich darauf hin, dass eine fundierte Schätzung nur möglich sei, wenn die Parteien konkrete Tatsachen vortragen – was hier nicht der Fall war.

Vertragsgestaltung entscheidend: Kein Ausgleich für ausgeschlossene Provisionen

Schließlich betont das Gericht, dass vertraglich ausgeschlossene Provisionsansprüche, die dem Handelsvertreter auch bei einer Fortsetzung seines Vertrages mit dem Unternehmer nicht zugestanden hätten, nicht über den Ausgleichsanspruch „zurückgeholt“ werden können. Die Klägerin hatte argumentiert, dass alle im Basisjahr verdienten Provisionen berücksichtigungsfähig seien – auch solche, die nach dem Vertrag im Folgejahr gar nicht mehr gezahlt worden wären. Das OLG erteilt dieser Auffassung eine klare Absage: Der Ausgleichsanspruch bemesse sich an den realistisch entgangenen Provisionen – nicht an theoretischen oder vertraglich ausgeschlossenen Vergütungen.

Fazit: Was Handelsvertreter aus dem Urteil lernen sollten

Das Urteil des OLG Köln schafft wichtige Orientierungshilfen für Handelsvertreter, insbesondere im Bereich des Mobilfunkvertriebs. Es macht klar, dass ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB kein Automatismus ist, sondern stets eine substanzielle Darlegung im konkreten Einzelfall voraussetzt.

Wer einen Ausgleich beansprucht, muss konkret belegen, dass und in welchem Umfang er durch die Vertragsbeendigung wirtschaftlich benachteiligt wurde. Es reicht nicht aus, auf die bloße Verlängerung von Verträgen oder die hohe Markentreue der Kunden zu verweisen. Entscheidend ist, ob der Handelsvertreter konkrete Provisionsverluste bei nachgewiesenen Mehrfachkunden erlitten hat – und ob diese Geschäfte im eigenen Shop zustande gekommen wären.

Damit sendet das OLG Köln ein klares Signal an alle Beteiligten im Vertrieb: Substanz vor Spekulation – auch und gerade bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs.

Rechtsprechung zur Besprechung
19 U 126/2 – OLG Köln: Handelsvertreterausgleich im Mobilfunk
Schlagwörter
Mobilfunk (2) Handelsvertreter (47) Ausgleichsanspruch (100) § 89 b HGB (1)