Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs unter Berücksichtigung der seit dem 05.08.2009 geltenden Neufassung des § 89 b Abs. 1 HGB; Berechnung des Prognosezeitraums

Handelsvertreterrecht

Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs kann auch in Ansehung des geänderten § 89 b Abs. 1 HGB nach wie vor im Wege einer Prognose anhand der Provisionen vorgenommen werden, die der Handelsvertreter aus Geschäften mit den von ihm geworbenen (Stamm-)Kunden im letzten Vertragsjahr erzielt hat. Mit der Änderung des § 89 b Abs. 1 HGB sind allerdings in Fällen, in denen der Handelsvertreter für seine Akquisitionstätigkeit nur sehr geringe Provisionen oder nur eine Einmalprovision erhalten hat, Ausgleichsansprüche nicht mehr von vornherein ausgeschlossen, wenn der Unternehmer aus Geschäften mit den neu geworbenen Kunden nach Vertragsende erhebliche Vorteile zieht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nun in jedem Einzelfall die Ausgleichsberechnung völlig von der gebräuchlichen Methode abweichen muss. Im Regelfall, d.h. dann, wenn dem Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung Provisionsverluste entstehen, kann die bisherige Berechnungsmethode weiterhin angewandt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der klagende Handelsvertreter nicht geltend macht hat, dass die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten wären, als seine Provisionsverluste.

Maßgeblich für den der Berechnung zugrunde zu legenden Prognosezeitraum ist die Dauer der Geschäftsbeziehungen, wie sie aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Branche, den Marktgegebenheiten und der Kundenfluktuation erfahrungsgemäß zu erwarten ist. Grundsätzlich ist von einer Prognosedauer von zwei bis drei Jahren auszugehen, wobei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei entsprechender Begründung auch Zeiträume von 4 bis 6 Jahren akzeptiert werden, so lange es sich hierbei im konkreten Einzelfall um eine überschaubare und in ihrer Entwicklung noch einschätzbare Zeitspanne handelt. Im Fall eines Verlages, der amtliche Telefonbücher und Branchenverzeichnisse herausgibt, reicht es für die Begründung eines Prognosezeitraums von 6 Jahren nicht aus, dass sich der klagende Handelsvertreter auf die Entscheidung des BGH vom 28.04.1966 stützt, ohne im Einzelnen darzulegen, warum die dort zugrunde liegende Situation der in seinem Fall vergleichbar ist. Ein vom Handelsvertreter angebotener Sachverständigenbeweis läuft ohne entsprechenden Sachvortrag auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.

Es bestehen durchgreifende Bedenken, die vom Landgericht auf der Grundlage der Berechnungen des beklagten Verlages angenommene Abwanderungsquote von 24,4 % der Ausgleichsberechnung gem. § 89 b Abs. 1 HGB zugrunde zu legen, weil die Berechnungen nur einen Zeitraum von 2 Jahren umfassen und daher nicht aussagekräftig sind. Darüber hinaus sind sie fehlerhaft, weil unstreitig auch 2-Jahresverträge abgeschlossen wurden, bei denen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die betroffenen Kunden im Folgejahr wiederum einen Abschluss tätigen. Die Einbeziehung solcher Kunden als „abgewandert“ verfälscht das Ergebnis der Berechnungen.