Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB
Rechtstipp Ausgleichsanspruch, HandelsvertreterrechtBei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle. Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB soll den Handelsvertreter für den Vorteil entschädigen, den der Unternehmer durch die von ihm geworbenen Kunden auch nach Vertragsende weiterhin hat.
Die Berechnung erfolgt in zwei Schritten:
Erster Schritt: Berechnung des Rohausgleichs nach § 89b Abs. 1 HGB
Zweiter Schritt: Begrenzung des Anspruchs durch den Höchstbetrag nach § 89b Abs. 2 HGB
Was ist der Rohausgleich nach § 89b Abs. 1 HGB und wie wird er berechnet?
Der Rohausgleich ist der Betrag, der sich aus den wirtschaftlichen Vorteilen ergibt, die der Unternehmer durch die Fortführung der Kundenbeziehungen mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden hat.
Bestimmung der ausgleichspflichtigen Kunden
- Der Handelsvertreter muss neue Kunden geworben oder bestehende Kundenbeziehungen intensiviert haben.
- Diese Kunden müssen dem Unternehmer nach Vertragsende weiterhin Umsätze bringen.
- Entscheidend ist, ob die Geschäftsbeziehung ohne weiteres Zutun des Handelsvertreters fortbesteht.
Ermittlung der Unternehmervorteile und Berechnung der Provisionsverluste
Da die Unternehmervorteile mit den entgangenen Provisionen des Handelsvertreters gleichgesetzt werden, erfolgt die Berechnung dieser beiden Aspekte in einem Schritt.
- Es wird geprüft, welche Provisionen der Handelsvertreter hypothetisch verdient hätte, wenn das Vertragsverhältnis fortgeführt worden wäre.
- Die Berechnung basiert auf den weiter fortbestehenden Kundenbeziehungen und den daraus resultierenden Provisionen.
- Die Höhe der Unternehmervorteile entspricht den entgangenen Provisionen des Handelsvertreters für diese Kunden.
- Es werden nur Provisionen aus Kundenbeziehungen berücksichtigt, die der Unternehmer weiterhin ohne weiteres Zutun des Handelsvertreters aufrechterhält.
Ergebnis: Die prognostizierten Provisionsverluste des Handelsvertreters = Unternehmervorteile des Unternehmers.
Ausgleichsprognose (Abwanderungsquote & Prognosezeitraum)
Nach der Ermittlung der fortbestehenden Kundenbeziehungen erfolgt die Berechnung des voraussichtlichen Ausgleichszeitraums und der Abwanderungsquote.
- Der Prognosezeitraum bestimmt, für wie viele Jahre nach Vertragsende die Vorteile des Unternehmers aus den geworbenen Kunden noch bestehen.
- Die Abwanderungsquote gibt an, wie viele der ursprünglich vom Handelsvertreter geworbenen Kunden in jedem Jahr voraussichtlich wegfallen.
- Diese Quote basiert auf branchenspezifischen Erfahrungswerten, Marktdaten oder unternehmensinternen Kundenanalysen.
- Eine niedrige Abwanderungsquote spricht für eine längere wirtschaftliche Nutzung der Kundenbeziehungen, was den Ausgleichsanspruch erhöht.
- Eine hohe Abwanderungsquote deutet darauf hin, dass die Kundenbeziehung schnell an Wert verliert, was den Ausgleichsanspruch reduziert.
Ergebnis: Die Höhe der entgangenen Provisionen wird für den Prognosezeitraum unter Berücksichtigung der Abwanderungsquote angepasst.
Abzinsung auf den Gegenwartswert
Da der Ausgleichsanspruch für zukünftige entgangene Provisionen berechnet wird, muss er auf den Gegenwartswert abgezinst werden.
- Die Abzinsung erfolgt nach finanzmathematischen Methoden, um den heutigen Wert der künftigen Erträge zu ermitteln.
- Sie berücksichtigt marktübliche Zinssätze und die voraussichtliche Dauer der Kundenbeziehung.
- Dadurch wird sichergestellt, dass der Handelsvertreter nicht mehr erhält, als die tatsächlichen künftigen Vorteile des Unternehmers wert sind.
Ergebnis nach Abzinsung: Der berechnete Rohausgleichsbetrag, der in den nächsten Schritt übergeht.
Billigkeitsprüfung
Nach der Abzinsung wird geprüft, ob das Ergebnis der Berechnung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände der Billigkeit entspricht.
Mögliche anspruchsmindernde Faktoren:
- Hohe Fixum oder Sonderzahlungen während der Vertragslaufzeit
- Kundenbindung beruht eher auf der Sogwirkung der Marke als auf der Tätigkeit des Handelsvertreters
- Wegfall von ungewöhnlich hohen Betriebskosten nach Vertragsende
- Aufnahme von nachvertraglichem Wettbewerb
- Günstige Vertragsbedingungen
Mögliche anspruchserhöhende Faktoren:
- Langjährige Geschäftsbeziehung mit aufwendiger Kundenakquise
- Absehbare umfangreiche Geschäfte
- Vorübergehender Provisionsverzicht (z.B. Krise)
- Vom Unternehmer zu verantwortende Abwanderung von Kunden
Ergebnis: Der nach Billigkeitsprüfung angepasste endgültige Rohausgleichsbetrag.
Begrenzung durch den Höchstbetrag nach § 89b Abs. 2 HGB
Nach der Ermittlung des Rohausgleichs wird geprüft, ob der Anspruch die gesetzlich zulässige Höchstgrenze überschreitet.
Maximal darf der Ausgleichsanspruch die durchschnittliche Jahresprovision der letzten fünf Jahre nicht übersteigen.
Falls das Vertragsverhältnis kürzer als fünf Jahre bestand, wird der Durchschnitt der tatsächlichen Vertragsdauer berechnet.
Endgültiger Ausgleichsanspruch ist der abgezinste Rohausgleich, solange er den Höchstbetrag.
Fazit: Berechnung erfordert individuelle Prüfung
Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs erfolgt grob in zwei Schritten:
Schritt 1: Berechnung des Rohausgleichs nach § 89b Abs. 1 HGB
- Ermittlung der ausgleichspflichtigen Kunden
- Berechnung der Unternehmervorteile anhand der Prognose der Provisionsverluste
-
Ausgleichsprognose (Abwanderungsquote & Prognosezeitraum)
- Abzinsung auf den Gegenwartswert
- Billigkeitsprüfung
Schritt 2: Begrenzung auf den Höchstbetrag nach § 89b Abs. 2 HGB
- Der endgültige Anspruch beträgt maximal die durchschnittliche Jahresprovision der letzten fünf Jahre.
Da die Berechnung stark vom Einzelfall abhängt, ist eine detaillierte Prüfung aller relevanten Faktoren erforderlich.