Fristlose Kündigung wegen Konkurrenzvertretung oder Vertretungserweiterung – worauf müssen Handelsvertreter achten?
Rechtstipp Wettbewerbsverbot und KonkurrenzverbotViele Handelsvertreter erweitern regelmäßig ihr Produktsortiment oder übernehmen neue Marken, um ihre Marktposition zu stärken und Umsatzpotenziale besser auszuschöpfen. Was aus wirtschaftlicher Sicht durchaus nachvollziehbar und oft sogar notwendig ist, kann jedoch rechtlich schnell zum Problem werden. Denn wer ohne vorherige Zustimmung des vertretenen Unternehmens eine Konkurrenzvertretung übernimmt oder eine eigenmächtige Vertretungserweiterung vornimmt, riskiert eine fristlose Kündigung – mit schwerwiegenden Folgen, unter anderem dem Verlust des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB sowie möglichen Schadensersatzforderungen. Eine vermeintliche Chance kann so schnell zum existenziellen Risiko werden.
Wann liegt ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vor?
Ein solcher Verstoß liegt nicht nur bei der Vertretung eines direkten Wettbewerbers vor, sondern auch dann, wenn der Handelsvertreter ohne Zustimmung weitere Produkte oder Marken in einem ähnlichen Marktsegment aufnimmt. Das gilt selbst dann, wenn kein schriftlicher Handelsvertretervertrag existiert.
Das Wettbewerbsverbot ergibt sich direkt aus dem Gesetz – genauer gesagt aus der Interessenwahrungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 und 3 HGB. Es schützt das Vertrauen des vertretenen Unternehmens und verhindert, dass Handelsvertreter gegensätzliche Interessen vertreten.
Ist eine Vertretungserweiterung immer genehmigungspflichtig?
Nicht jede Vertretungserweiterung ist per se unzulässig – sie wird aber problematisch, wenn sie ohne Rücksprache erfolgt. Viele Verträge enthalten Regelungen, wonach die Aufnahme weiterer Vertretungen genehmigungspflichtig ist. Wird diese Pflicht ignoriert, kann allein das eigenmächtige Verhalten den wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Handelsvertreter vertreibt Damenhosen und nimmt ohne Genehmigung zusätzlich Damenoberbekleidung ins Sortiment auf. Obwohl es sich formal um unterschiedliche Produkte handelt, liegt eine relevante Vertretungserweiterung vor – denn die Zielgruppen und Vertriebskanäle können sich überschneiden.
Können auch mittelbare Vertretungen zur Kündigung führen?
Ja. Der Versuch, das Wettbewerbsverbot durch Dritte (z. B. Familienmitglieder) zu umgehen, ist in der Rechtsprechung als unzulässiger Umgehungsversuch anerkannt. Auch in solchen Fällen kann das Vertrauensverhältnis so stark beeinträchtigt sein, dass dem vertretenen Unternehmen die Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist.
Muss vor einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erfolgen?
Bei Wettbewerbsverstößen – insbesondere bei unzulässiger Konkurrenzvertretung oder unerlaubter Vertretungserweiterung handelt es sich nach wie vor um eine der „Todsünden“ des Handelsvertreters bei der in der Vergangenheit regelmäßig keine vorherige Abmahnung notwendig war. Der Grund liegt im Vertrauensbereich des Vertragsverhältnisses: Ein derartiger Pflichtverstoß lässt berechtigte Zweifel an der Loyalität des Handelsvertreters und kann das Vertrauen des Unternehmers unwiederbringlich zerstören, was die Abmahnung sinnlos machen kann.
Welche Rolle spielt die zeitliche Reaktion des Unternehmens?
Auch wenn § 626 BGB zur Zwei-Wochen-Frist für Arbeitsverhältnisse nicht direkt auf Handelsvertreterverhältnisse anwendbar ist, gilt dennoch: Das Unternehmen darf sich nicht zu lange Zeit lassen, nachdem es vom Wettbewerbsverstoß Kenntnis erlangt hat. Wenn der Unternehmer sich mit der außerordentlichen Kündigung länger als zwei Monate Zeit lässt, dann sieht die Rechtsprechung die Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit als widerlegt an.
Auch gilt: Wurde die Wettbewerbstätigkeit schon längere Zeit geduldet, ohne dass gekündigt wurde, kann die fristlose Kündigung als verwirkt gelten. Dann wird unterstellt, dass der Verstoß nicht als so gravierend empfunden wurde, dass eine sofortige Vertragsbeendigung nötig war.
Was bedeutet das für den Ausgleichsanspruch?
Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – etwa wegen unzulässiger Vertretungserweiterung – führt in der Regel zum Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB. Der Handelsvertreter verliert somit seinen Handelsvertreterausgleich für den aufgebauten Kundenstamm, was wirtschaftlich äußerst relevant sein kann.
Wie können Handelsvertreter und Unternehmen Risiken vermeiden?
Für Handelsvertreter gilt:
- Vor jeder neuen Vertretung oder Sortimentserweiterung schriftliche Genehmigung einholen
- Zweifel immer vorab mit dem Unternehmen klären
- Dokumentieren, wann und wie die Zustimmung erteilt wurde
- Bei Konflikten: Nachweisen, wann das Unternehmen informiert wurde
Für Unternehmen gilt:
- Bei Hinweisen auf eine unerlaubte Vertretungserweiterung oder Konkurrenzvertretung sofort reagieren
- Beweise sichern und zeitnah entscheiden, ob fristlos gekündigt wird
- Verzögerungen vermeiden, um keine Verwirkung zu riskieren
Fazit: Wann ist eine Vertretungserweiterung riskant?
Eine Vertretungserweiterung ohne Genehmigung oder die Vertretung eines Konkurrenzunternehmens kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen – ggf. auch ohne Abmahnung. Sowohl Handelsvertreter als auch Unternehmen sollten umsichtig handeln, dokumentieren und frühzeitig juristisch prüfen, ob Risiken bestehen.
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