Ablehnung eines neuen Vertragsangebotes stellt keine Eigenkündigung im Sinne des § 89 Abs. 3 Nr. 1 HGB dar

19 U 139/05 Urteil verkündet am 31. März 2006 OLG Köln Vertragshändlerrecht

Oberlandesgericht Köln
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das am 24.06.2005 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 90 O 208/04 – auf die Berufung der Klägerin wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 69.832,14 € nebst 5 Zinsen seit dem 31.01.2003 bis zum 12.07.2004 sowie Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2004 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerin 17 % und die Beklagte 83 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klägerin, die mit der Beklagten seit 1968, zuletzt aufgrund des D.-Händlervertrages vom 02.01./10.03.1997 (Anlage K 1 Leitzordner), als Vertragshändlerin verbunden war, macht die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b HGB nach der Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses geltend.

Mit Schreiben vom 19.01.2001 (Anlage K 2 Leitz-Ordner) kündigte die Beklagte den Vertragshändlervertrag mit der Klägerin gemäß Ziffer X.2 des Vertrages ordentlich mit Wirkung zum 31.01.2003. Der Kündigung waren zwei Rundschreiben der Beklagten jeweils vom 04.01.2001 vorausgegangen. In dem einen Schreiben (Bl. 29 f. Anlagenheft) teilte die Beklagte ihren Vertragshändlern mit:

„Wir haben Sie bereits darüber informiert, dass unser Ziel eine schnelle Steigerung des Marktanteils in Deutschland ist, um damit der Marke D. auch in Deutschland einen Platz zu geben, welcher der Stellung der Marke in der Gesamtheit der europäischen Länder entspricht.

Zu diesem Zwecke haben wir den Plan Allemagne erarbeitet, der Ihnen bereits Anfang 2000 im Detail präsentiert wurde.

Die ersten Aktionen dieses Planes, die wir bereits umgesetzt haben – Verstärkung der Mannschaft der… und Marketingaktionen – haben uns bereits im Jahre 2000 den Beginn einer Verbesserung der Marktanteile ermöglicht, die jedoch noch weit hinter unseren Erwartungen in Deutschland liegen. Wir müssen nun die anderen im Plan Allemagne vorgesehenen Aktionen umsetzen. Hier vor allem:

– Umstrukturierung des Händlernetzes, um für das Erreichen der Marktanteilsziele der Marke besser gerüstet zu sein.

– Modifizierung des Margensystems um eine bessere Wettbewerbsfähigkeit der Marke zu ermöglichen und um besser auf die aktuellen und künftigen Gegebenheiten des immer härter umkämpften Automobilmarktes reagieren zu können.

Wir haben feststellen müssen, dass es uns das aktuelle Margensystem aufgrund seiner fehlenden Flexibilität nicht ermöglicht, unsere Ergebnisse in gewünschter Geschwindigkeit zu verbessern. Ohne größere Flexibilität wird es uns nicht möglich sein, unsere Ziele zu erreichen.

Aus diesem Grunde sehen wir keine Möglichkeit, eine Kündigung aller D.-Händlerverträge zum 31. Januar 2003 zu vermeiden.

Diese Kündigung bedeutet nicht das Ende Ihrer Zugehörigkeit zum D.-Händlernetz sondern wird die Fortführung Ihrer Zusammenarbeit mit unserer Marke auf einer neuen Basis ermöglichen.

Um diese neue Basis zu definieren, werden wir umgehend die Gespräche mit dem Vorstand der Vereinigung der D.-Händler Deutschlands e. V. über die notwendigen Veränderungen beginnen, vor allem bezüglich des neuen Margensystems.“

In dem weiteren Rundschreiben vom 04.01.2001 (Bl. 111 Anlagenheft), das die Beklagte denjenigen Händlern zusandte, die nach ihrem Willen auch nach dem 31.01.2003 Vertragshändler bleiben sollten, schrieb sie:

„Um die Umstrukturierung unserer Vertriebsorganisation in Deutschland durchführen zu können, haben wir alle D.-Händlerverträge zum 31. Januar 2003 gekündigt.

Noch vor diesem Zeitpunkt verpflichtet sich die D. DEUTSCHLAND AG bereits jetzt, Ihnen einen neuen, den künftigen europäischen Richtlinien entsprechenden A-Händlervertrag sowie ein neues Vergütungssystem für Vertragshändler zur Unterschrift anzubieten und zwar unter der Voraussetzung, dass

1. Sie bis dahin die Bestimmungen des aktuell zwischen uns geltenden Händlervertrags einhalten

2. Sie zu diesem Zeitpunkt die von D. DEUTSCHLAND AG bis dahin festgelegten Auswahlkriterien für die D.-Händler erfüllen.“

Mit Schreiben vom 13.09.2002 (Bl. 3 f. Anlagenheft) sandte die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf die „neue Gruppenfreistellungsverordnung bezüglich der Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor“ (EG-Gruppenfreistellungsverordnung – GVO – Nr. 1400/2002 vom 31.07.2002) Mustertexte der europäischen Vertragsentwürfe und Auswahlkriterien und kündigte in Kürze „als Ersatz für ihren aktuellen Händlervertrag“ die Übersendung der Verträge „D.-NW-Vertragshändler“, „Offzieller D.-ET-Händler“ sowie „Zugelassene D.-Reparaturwerkstatt“ an. Am 22.01.2003 schickte die Beklagte der Klägerin sodann Verträge für D.-Vertragshändler, D.-Vertragswerkstätten und D.-T+Z Großhändler zur Unterschrift. Diese Verträge, mit denen u. a. ein neues Margensystem unter Berücksichtigung der am 17.12.2002 bekannt gegebenen D. Organisationsprämie (…) und neue Standards zur Auswahl der Händler eingeführt wurden, unterschrieb die Klägerin nicht, weil sie – wie in ihrem Schreiben vom 23.11.2004 (Bl. 114 Anlagenheft) angegeben – aus privaten Gründen eine Veräußerung des Geschäftes geplant hatte. Nachdem sich diese Veräußerungspläne wegen mangelnder Liquidität des Kaufinteressenten zerschlagen hatten, bewarb sich die Klägerin ab Januar 2004 um einen neuen Servicevertrag, woraufhin die Parteien am 06.05./07.06.2004 einen D.-Vertragswerkstattvertrag (Bl. 12 ff. Anlagenheft) schlossen.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung eines Ausgleichsanspruches in Höhe von 83.798,57 €, den sie mit Schreiben vom 24.11.2003 (Anlage K 7 Leitz-Ordner) dem Grunde nach anmeldete, mit weiterem Schreiben vom 29.06.2004 (Anlage K 8 Leitz-Ordner) bezifferte und mit Schreiben vom 18.08.2004 (Anlage K 11 LeitzOrdner) unter Fristsetzung bis zum 31.08.2004 anmahnte.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, ihr stehe analog § 89 b Abs. 1 HGB ein Ausgleichsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu, der auch nicht deswegen ausgeschlossen sei, weil sie den Abschluss neuer Verträge im Januar 2003 abgelehnt habe. Der Abschluss der neuen Verträge sei weder im Hinblick auf die Neufassung der GVO Nr. 1400/2002 erforderlich noch sei diese für die Beklagte das Motiv für die Vertragsänderung gewesen. In den angebotenen Verträgen sei zudem eine inhaltliche Anpassung an die Neufassung der GVO gar nicht erfolgt. Ihr sei der Abschluss der neuen Verträge zum Einen deshalb nicht zumutbar gewesen, weil der Vertrag unwirksame Klauseln enthalten habe, zum Anderen weil sich dadurch ihre Position für sie untragbar verschlechtert hätte. Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs hat sie behauptet, dass ihr, auf der Grundlage der sogenannten „Rohertragsmethode“ berechnet, ein Betrag von 83.798,57 € zustehe. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Ausgleichsanspruches wird auf den Inhalt der Klageschrift, Seite 4 ff. (Bl. 4 ff. GA), sowie die ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz vom 08.04.2005 (Bl. 50, 51, 68 ff. GA) Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, ein Ausgleichsanspruch sei ausgeschlossen. Der Klägerin sei, wie bereits vor der Kündigung angekündigt und noch vor Wirksamwerden ihrer ordentlichen Kündigung, ein an zwingende europarechtliche Vorgaben angepasster neuer Händlervertrag angeboten worden, dessen Abschluss ihr nach den Umständen, auch hinsichtlich der geänderten Margen und Standards, zumutbar gewesen sei. Dagegen sei sie, die Beklagte, wegen der neuen GVO Nr. 1400/2002 zur Kündigung gezwungen gewesen. Nach ihrer Auffassung fehle es damit an sich schon an einer Vertragsbeendigung im Sinne des § 89 b Abs. 1 HGB; zumindest sei die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs entgegen § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB unbillig. Außerdem sei der Anspruch gemäß § 89 b Abs. 1 HGB schon deshalb nicht entstanden, weil der Klägerin keine Provisionsverluste entstanden seien. Sie betreibe die Vertragswerkstatt weiter und könne deshalb ihren als Vertragshändlerin geworbenen Kundenstamm weiter nutzen. Zudem bestehe für die Klägerin die Möglichkeit, über die Werkstatt weiterhin für ihre Kunden Neuwagenkäufe zu vermitteln. Auch deshalb sei aus Billigkeitserwägungen eine erhebliche Reduzierung des Ausgleichsanspruchs, wenn nicht sogar ein vollständiger Ausschluss geboten. Darüber hinaus sei die Ablehnung der Klägerin, den neuen Händlervertrag abzuschließen, wie eine Eigenkündigung im Sinne des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB anzusehen, dies insbesondere deshalb, weil die Klägerin aus persönlichen Gründen ohnehin vorgehabt habe, den Betrieb nicht fortzuführen. Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs hat die Beklagte unter anderem eingewendet, der Ausgleichsanspruch sei schon deswegen nicht hinreichend dargelegt, weil die Klägerin keine Bilanzen und Steuererklärungen vorgelegt habe. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 01.06.2005 (Bl. 77 ff. GA) hat sie zudem beanstandet, dass bei den für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs angegebenen Mehrfachkunden zwei Kunden berücksichtigt seien, die ersichtlich keine Mehrfachkunden seien.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der einem Vertragshändler grundsätzlich entsprechend § 89 b Abs. 1 HGB zustehende Ausgleichsanspruch in (doppelter) Analogie zu § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen sei. Die Kündigung der Beklagten sei aufgrund der durch die GVO Nr. 1400/2002 notwendig gewordenen Umstrukturierungen gerechtfertigt gewesen. Die Klägerin habe dagegen die ihr von der Beklagten zu zumutbaren Bedingungen angebotene Weiterführung des Betriebes abgelehnt. Sie müsse sich daher so behandeln lassen, als ob sie das Vertragsverhältnis ohne begründeten Anlass der Beklagten gekündigt hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 102 ff. GA) Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das Urteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel, mit dem sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt, ordnungsgemäß begründet.

Neben der Rüge von Verfahrensfehlern rügt die Klägerin in materieller Hinsicht, dass das Landgericht die Vorschrift des § 89 b Abs. 3 HGB rechtsfehlerhaft angewendet habe, da die Ausschlusstatbestände in dieser Vorschrift nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng auszulegen seien. Von diesem Grundsatz sei auch aufgrund der von der Kammer herangezogenen so genannten „Kettenvertragsurteile“ (BGH NJW 96, 848; BGH NJW 99, 2668) keine Ausnahme zu machen. Für eine analoge Anwendung des § 89 b Abs. 3 HGB fehle es an einer der im Gesetz geregelten Eigenkündigung vergleichbaren Interessenlage. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Kündigung der Beklagten vor dem Hintergrund der GVO Nr. 1400/2002 erfolgt und notwendig gewesen sei; insoweit hätte eine Vertragsanpassung genügt. Selbst wenn die analoge Anwendbarkeit der Vorschrift zu bejahen sei, habe sie, die Klägerin, im Sinne der Erhaltung ihres Ausgleichsanspruchs begründeten Anlass gehabt, den angebotenen neuen Vertrag nicht abzuschließen. Dieser hätte ihr nämlich deutlich verschlechterte Konditionen gebracht, namentlich eine unzumutbare Erhöhung des Absatzziels auf 120 Fahrzeuge im Jahr sowie eine um 3 %-Punkte geringere Händlerspanne, die zu einer Reduzierung der Marge um 22 % geführt hätte und die angesichts einer durchschnittlichen Rendite von 0,4 % des Gesamtumsatzes für sie nicht hinnehmbar gewesen sei. Diese Nachteile seien durch die vom Landgericht zu Unrecht angenommenen Verbesserungen, etwa durch die Möglichkeit des Mehrmarkenvertriebs, die sie schon aus finanziellen Gründen wegen der damit verbundenen weiteren Investitionen nicht nutzen könne, in keiner Weise ausgeglichen worden. Eine Kompensation habe sie auch nicht durch die „…“-Marge erreichen können, weil ihr die erforderlichen Kapazitäten zur Erfüllung der Voraussetzungen fehlten. Schließlich sei unerheblich, aus welchen Gründen sie den Abschluss des neuen Vertragshändlervertrages abgelehnt habe. Wie bei einer Kündigung müsse es ausreichen, dass die Gründe für die Ablehnung objektiv vorgelegen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung vom 10.10.2005 (Bl. 137 ff. GA), und den Schriftsatz vom 20.01.2006 (Bl. 292 ff. GA) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2006 (Bl. 321 ff., 323 GA) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 24.06.2005 (Aktenzeichen: 90 O 208/04) die Beklagte zu verurteilen, an sie 83.798,57 € zuzüglich 5 % Zinsen p.a. seit dem 31.01.2003 bis zum 12.07.2004 sowie 8 Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, das Landgericht habe zu Recht den Ausschlusstatbestand des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB angenommen. Die Klägerin sei aus freien Stücken ausgeschieden. Sie habe der Klägerin zuvor mehrfach erklärt, sie im Vertriebsnetz behalten zu wollen, und habe ihr bereits sämtliche Vertragsunterlagen zugeschickt. Daher sei es im Ergebnis richtig, dass das Verhalten der Klägerin wie eine Eigenkündigung, zu der sie keinen Grund gegeben habe, angesehen werde und sie gleichermaßen wie bei der Ablehnung eines Kettenvertragsverhältnisses keinen Ausgleichsanspruch erhalte. Die von ihr ausgesprochene Kündigung sei vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der GVO Nr. 1400/2002 unumgänglich gewesen, da es unter anderem zu vermeiden gegolten habe, zwei Kategorien von Händlern zu haben, nämlich solche mit – wegen § 306 Abs. 3 BGB unwirksamen – Altverträgen und solche mit Neuverträgen. Der Klägerin sei es, ebenso wie 93 % der Händler, die die neuen Vertragshändlerverträge abgeschlossen hätten, auch nicht unzumutbar gewesen, sich auf den angebotenen Folgevertrag einzulassen. Der neue Vertrag hätte ihr aufgrund der Stärkung der Händlerpositionen nach EG-Recht ganz überwiegend Vorteile verschafft. Die Änderung des Margensystems auf einen Durchschnittssatz von jetzt 14,56 %, der zudem noch die fixe durchschnittliche Marge der Klägerin von 13,64 % auf die unverbindliche Preisempfehlung (UPE) im letzten Vertragsjahr übersteige, stelle dagegen keinen wirklichen Nachteil dar, denn dieser könne vom Händler im Rahmen der sogenannten „…“-Bestandteile der Marge leistungsbezogen auf 17,56 % aufgestockt werden. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass sie den Händlern die „…“-Marge im 1. Halbjahr 2003 ohne Prüfung „geschenkt“ habe. Die Einführung dieses Teils der Provision hänge durchaus auch mit der GVO Nr. 1400/2002 zusammen. Schließlich sei es die selbstverständliche Pflicht eines jeden Vertragshändlers, sich um den Absatz der Fahrzeuge seines Herstellers nach Kräften zu bemühen. Jedenfalls sei es von der Klägerin treuwidrig, sich auf eine Unzumutbarkeit der Vertragsbedingungen zu berufen, wenn – wie hier – Grund für die Ablehnung allein persönliche Gründe gewesen seien. Selbst wenn das Verhalten der Klägerin nicht als Eigenkündigung gewertet werde und ein Ausgleichsanspruch dem Grunde nach nicht ausgeschlossen sei, sei ihre Ablehnung aber jedenfalls im Rahmen der Billigkeitsprüfung gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB zu berücksichtigen. Wenn nicht deshalb schon eine Reduzierung des Ausgleichsanspruchs auf 0 gerechtfertigt sei, bestehe der Anspruch aber jedenfalls nur in Höhe von 22 %, weil die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag die Möglichkeit gehabt habe, sich durch Abschluss des neuen Vertragshändlervertrages eine Provision von 78 % bzw. 82 % zu erhalten. Schließlich weist sie darauf hin, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen auch des § 89 b Abs. 1 HGB nicht erfüllt seien, da sie, die Beklagte, den Kundenstamm der Klägerin nach der Vertragsbeendigung nicht allein nutzen könne und es damit an „erheblichen“ Vorteilen für sie fehle. Außerdem seien der Klägerin nicht die gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB erforderlichen Provisionsverluste entstanden. Dazu behauptet die Beklagte, die Klägerin erwirtschafte die als verloren behaupteten Provisionen weiter, weil sie in ihrem Betrieb weiterhin Neufahrzeuge der Marke D. verkaufe, was sie im Dezember 2005 erfahren habe und durch eine Testkäuferin bestätigt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 28.12.2005 (Bl. 213 ff. GA), den Schriftsatz vom 08.03.2006 (Bl. 329 ff. GA) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2006 (Bl. 321 ff., 324 GA) verwiesen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch überwiegend begründet.

Die Klägerin hat als in die Vertriebsstruktur der Beklagten unstreitig eingebundene Vertragshändlerin gegen die Beklagte nach der Beendigung des Vertragshändlervertrages zum 31.01.2003 einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 69.832,14 € entsprechend § 89 b Abs. 1 HGB.

1. Dieser Ausgleichsanspruch der Klägerin ist entgegen der Ansicht der Beklagten weder unmittelbar noch in entsprechender Anwendung des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB noch unter Billigkeitsgesichtspunkten gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB ganz oder teilweise deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin das Angebot der Beklagten auf Abschluss eines neuen Vertragshändlervertrages nicht angenommen hat.

a) Die unmittelbare Anwendung des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB scheidet bereits deswegen aus, weil die Regelung nach ihrem Wortlaut eine Eigenkündigung des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers voraussetzt. Das ist hier nicht der Fall, da die Kündigung vom 19.01.2001 seitens der Beklagten erklärt worden ist.

b) Die Ablehnung des Abschlusses eines neuen Vertragshändlervertrages mit der Beklagten ab dem 01.02.2003 ist auch nicht in entsprechender Anwendung des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB dem Fall einer Eigenkündigung gleichzusetzen.

Nach einhelliger und auch vom Senat geteilter Auffassung ist die Vorschrift des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB zugunsten des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers restriktiv auszulegen. Eine Anwendung des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB auf andere als die im Gesetz geregelten Tatbestände kommt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGHZ 52, 12 ff.; BGH BB 00, 736, 738; Ebenroth/Joost/Boujong-Löwisch, HGB, § 89 b Rn. 47 ff.; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 89 b Rn. 69); die Belange des Unternehmers können vielmehr im Rahmen der nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB zugelassenen Billigkeitserwägungen ausreichend gewahrt werden (vgl. BGH NJW 89, 35 ff.; BGH BB 00, 736 ff.).

Soweit im Einzelfall eine erweiternde Auslegung des Ausnahmetatbestandes des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB angenommen wird, wenn ein einer Eigenkündigung gleichzusetzender Sachverhalt vorliegt, ist im hier zu entscheidenden Fall auch unter diesem Aspekt eine entsprechende Anwendung des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht gerechtfertigt. Hier liegt kein einer Eigenkündigung des Handelsvertreters/Vertragshändlers vergleichbarer Sachverhalt vor. Insbesondere folgt dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den so genannten „Kettenvertragsfällen“ (NJW 96, 848 ff. NJW 99, 2668 ff.). Aus diesen Entscheidungen lässt sich bereits nicht der allgemeine Rechtsgrundsatz ableiten, dass ein Handelsvertreter, der den Abschluss eines Neuvertrages ablehnt, zu behandeln ist, als habe er selbst gekündigt (vgl. BGH WM 81, 817 ff.; BGHZ 142, 358 ff. für den Fall der Änderungskündigung; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. II, 7. Auflage 2003, Rn. 285, Rn. 1360 m.w.N.). Der Grund für die Analogie in den „Kettenvertragsfällen“ wurde – nach den vom Bundesgerichtshof unbeanstandet gebliebenen Ausführungen des Berufungsgerichts – vielmehr darin gesehen, dass durch die Kettenverträge zwischen den dort Beteiligten ein einheitliches und unbefristetes Handelsvertreterverhältnis zustande gekommen sei, welches der Handelsvertreter durch die Ablehnung des Vertragsangebotes für das fragliche Geschäftsjahr beendet habe. Diese Fallkonstellation ist mit der vorliegenden aber nicht annähernd vergleichbar. Es ist hier von der Beklagten eine Kündigung ausgesprochen worden, wohingegen die Befristung der Handelsvertreterverhältnisse in jenen Fällen auf einer einvernehmlichen gemeinsamen Regelung durch die Vertragspartner beruhte, entgegen der Auffassung der Beklagten also keine einseitige Befristung durch den Prinzipal vorlag. Weder im Hinblick auf den angebotenen Folgevertrag noch aus dem durch die Kündigung beendeten Vertrag sind demgegenüber Gesichtspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, das Vertragshändlerverhältnis zwischen den Parteien als einheitliches und unbefristetes Vertragsverhältnis zu qualifizieren. Im vorliegenden Fall ging es gerade nicht um die – formale – Verlängerung eines bestehenden Vertragsverhältnisses, sondern um die Begründung eines neuen Vertrages, dessen Annahme oder Ablehnung nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen in der Dispositionsfreiheit des potentiellen Vertragspartners steht.

Die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des OLG München vom 26.02.2004 – U (K) 5664/03 – (BB 04, 798 ff.), des OLG Saarbrücken vom 15.09.2004 – 1 U 632/03 (OLGR 04, 643 ff.) und des OLG Frankfurt vom 08.03.2005 – 11 U (Kart) 36/04 – (n.V.) sowie der Vorlagebeschluss des BGH vom 26.07.2005 – KZR 14/04 – (BB 05, 2208 ff.) sind für die hier zu entscheidende Streitfrage ebenfalls ohne Bedeutung. Gegenstand dieser Entscheidungen war nur die Frage der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit einjähriger Kündigungsfrist wegen Umstrukturierung. Zu den Möglichkeiten einer ordentlichen Kündigung mit dem Angebot, einen neuen Vertrag abzuschließen, und den Folgen für den Ausgleichsanspruch treffen die Entscheidungen keine Aussagen.

Eine andere Beurteilung ist ferner nicht veranlasst unter Berücksichtigung der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt vom 20.10.2004 (WRP 04, 1506). Ungeachtet der Frage, ob der Auffassung des Landgerichts Frankfurt überhaupt zu folgen ist, ist diese Entscheidung ebenfalls unergiebig für die Beurteilung des vorliegenden Falles, weil die vom Landgericht Frankfurt aufgestellten Voraussetzungen für die Wertung des Verhaltens des Vertragshändlers als Eigenkündigung i. S. d. § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB hier aus tatsächlichen Gründen schon nicht erfüllt sind. Im Gegensatz zu dem vom Landgericht Frankfurt zu entscheidenden Fall hatte die Beklagte den Vertragshändlervertrag mit der Klägerin gerade nicht nur wegen der – im Übrigen erst 1 1/2 Jahre später beschlossenen – GVO Nr. 1400/2002 gekündigt. Ihr Kündigungsschreiben vom 19.01.2001 enthält keine Begründung, so dass die Motive für die Kündigung sich vielmehr nur aus den von der Beklagten zuvor versandten Rundschreiben vom 04.01.2001 an alle Vertragshändler erschließen. Danach waren indes offensichtlich in erster Linie wirtschaftliche Erwägungen ausschlaggebend für die Beendigung sämtlicher Vertragshändlerverträge. Das folgt insbesondere aus dem an alle Vertragshändler verschickten Rundschreiben vom 04.01.2001 (Bl. 29 f. Anlagenheft), in dem ausschließlich auf die Umsetzung des „Plan Allemagne“ abgestellt wurde, wohingegen die Neuregelung der Kfz-Freistellungsverordnung mit keinem Wort erwähnt wurde. Auch aus dem weiteren Rundschreiben vom 04.01.2001 (Bl. 111 Anlagenheft) ergibt sich eindeutig, dass die Beklagte nicht nur vorhatte, die bestehenden Vertragshändlerverträge an die neue GVO anzupassen, wenn sie sich im Schreiben verpflichtete, „Ihnen einen neuen, den künftigen europäischen Richtlinien entsprechenden A-Händlervertrag sowie ein neues Vergütungssystem für Vertragshändler zur Unterschrift anzubieten …“ (Hervorhebung hier), womit jedenfalls die in dem anderen Schreiben vom 04.01.2001 angesprochene Modifizierung des Margensystems und der Händlerstandards deutlich als Kündigungsgrund einbezogen wurde. Angesichts des klaren Wortlautes dieser Schreiben ist die Behauptung der Beklagten, das Vertragswerk habe allein mit Rücksicht auf die Neuregelung der Kraftfahrzeug-Freistellungsverordnung gekündigt werden müssen, nicht nachvollziehbar. Gegen die Richtigkeit dieser Behauptung der Beklagten spricht im Übrigen der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung zum 31.01.2003, der – anders als in dem der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zugrunde liegenden Fall – mit den nach der GVO Nr. 1400/2002 relevanten Zeitpunkten nicht in Einklang zu bringen ist. Das Regelwerk ist mit dem 01.10.2002 in Kraft getreten, räumt aber für die in Art. 5 Abs. 1 geregelten Wettbewerbsverbote für Altverträge einen Übergangszeitraum bis zum 30.09.2003 ein und gilt für die freie Standortwahl des Vertragshändlers in Art. 5 Abs. 2 erst seit dem 01.10.2005 (Art. 12 Abs. 2 GVO Nr. 1400/2002). Für Kündigungen, die bereits vor dem 30.09.2003 wirksam werden sollten, bestand daher keine zwingende Veranlassung. Das gilt um so mehr als im Zeitpunkt der Kündigung am 19.01.2001 die GVO Nr. 1400/2002 noch nicht einmal im Entwurf existierte und damit keineswegs sicher war, ob die Neuregelungen überhaupt den Abschluss neuer Verträge erfordern würden. Für den von ihr gewählten Zeitpunkt der Beendigung des alten Vertragshändlervertrages zum 31.01.2003 hat die Beklagte dementsprechend vor dem angeblichen Hintergrund einer geplanten Umsetzung der GVO Nr. 1400/2002 keine plausible Erklärung geben können. Schließlich stellte der von der Beklagten mit Schreiben vom 22.01.2003 angebotene neue Vertragshändlervertrag – wiederum anders als im Falle der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt – nicht lediglich eine Anpassung an die neuen Regelungen der GVO Nr. 1400/2002 dar. Der Inhalt des angebotenen Vertragshändlervertrages enthielt nämlich über sachlich und möglicherweise auch zwingend durch die Neuregelung der GVO gebotene Vertragsänderungen hinaus weitere Regelungen, die den Vertragsstatus des Händlers nachhaltig berührten und etwa auch Eingriffe in die Marge beinhalteten. Die Beklagte selbst stellt nicht in Abrede, dass nach der neuen Rabattstruktur der den Händlern gewährte Grundrabatt im Vergleich zu den Altverträgen um 3 %-Punkte reduziert werden und dieser Teil der Vergütung über das sogenannte „…“-Programm nur noch leistungsabhängig zu verdienen sein sollte.

Nach alledem fehlt es an den tatsächlichen Voraussetzungen für ein Gleichsetzung des Verhaltens der Klägerin mit einer Eigenkündigung i. S. d. § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB. Allein die Frage der Zumutbarkeit eines Folgevertrages vermag nach dem oben dargestellten Grundsatz einer restriktiven Anwendung der Vorschrift alleine die Gleichstellung des Verhaltens der Klägerin mit einer Eigenkündigung im Sinne des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht zu rechtfertigen; dadurch ist allenfalls die Frage der Billigkeit der Ausgleichszahlung gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB tangiert (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 01.02.2006 – 21 U 21/05 -).

c) Ein vollständiger oder auch nur teilweiser Ausschluss des Ausgleichsanspruches aus Billigkeitserwägungen entsprechend § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB nur deshalb, weil die Klägerin den Abschluss des Folgevertrages abgelehnt hatte, kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Das setzte voraus, dass die Klägerin nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, nach der Kündigung der Beklagten auf deren neues Vertragsangebot für die Zeit ab dem 01.02.2003 einzugehen (vgl. BGH WM 81, 817 ff. m.w.N; OLG Frankfurt, Urteil vom 01.02.2006 – 21 U 21/05 -). Eine solche Verpflichtung, die nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist, unabhängig davon, ob die Klägerin sich seinerzeit auf die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte berufen hatte, besteht hier nicht. Denn über den im Hinblick auf die GVO Nr. 1400/2002 sachlich und möglicherweise auch zwingend zu verändernden Regelungsgehalt hinaus enthielt der von der Beklagten angebotene neue Vertragshändlervertrag Regelungen, die über das Maß des Zumutbaren hinaus etwa auch Eingriffe in die Marge beinhalteten und den Status des Händlers nachteilig berührten. Die Beklagte selbst stellt nicht in Abrede, dass nach der neuen Rabattstruktur der den Händlern gewährte Grundrabatt im Vergleich zu den Altverträgen um 3 %-Punkte reduziert werden sollte, was für die Klägerin nach deren unbeanstandet gebliebenen Berechnung faktisch eine Reduzierung der Marge um 22 % ausmachte. Soweit dieser Teil der Vergütung über das sogenannte „…“-Programm leistungsabhängig verdient werden konnte, war eine vollständige Kompensation für die Klägerin aus von der Beklagten nicht bestrittenen wirtschaftlichen Gründen aber schon nicht möglich. Demgegenüber überzeugen die Vorhalte der Beklagten, dass die neuen Regelungen insbesondere zum Vergütungssystem für die Klägerin letztlich Vorteile brächten, nicht. Schon im Ansatz nicht nachvollziehbar ist der Einwand, die Klägerin hätte ohne weiteres eine höhere Durchschnittsvergütung erzielen können, als sie zuvor erzielt habe; es ist inkonsequent, wenn die Beklagte dabei einerseits auf die durchschnittlich erzielbare Vergütung abstellt, andererseits dem Vergleich dann aber die von der Klägerin – gemessen an ihrem Umsatz – tatsächlich erzielte Durchschnittsvergütung zugrunde legt. Unerheblich ist auch, dass die Beklagte den Händlern die „…“ 1/2 Jahr lang ohne Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Prämie vorliegen, „geschenkt“ hätte, wenn sich diese Regelung danach indes nur negativ für den Händler auswirken würde, weil er die Anforderungen nicht erfüllen kann. Schließlich lässt sich das neue Margensystem auch nicht mit der der GVO Nr. 1400/2002 entsprechenden Verpflichtung zur Leistung und zum Wettbewerb rechtfertigen, wenn das letztlich nur einseitig mit höheren Anstrengungen durch den Händler bei gleichbleibender Gegenleistung verbunden ist; diesen angeblichen Verpflichtungen aus der neuen GVO hätte die Beklagte nämlich auch damit genüge tun könne, dass sie als Ansporn für besondere Leistung und Wettbewerb ihren Händler die „…“ über die bisherige Provision hinaus versprochen hätte. Ob 93 % der Händler den neuen Vertrag akzeptiert haben, ist ebenfalls unerheblich; entscheidend sind hier die Umstände des Einzelfalls.

Auch wenn die Beklagte wegen der Neufassung der GVO und den damit verbundenen Folgen für den Handel zu einer Änderung ihrer Verträge durch Kündigung und Neuabschluss gezwungen war, kann dies die Klägerin letztlich nicht verpflichten, sich dem bei weitergehenden nachteiligen Änderungen zu beugen, wenn sie nicht ihren Ausgleichsanspruch verlieren wollte. Die Klägerin hätte damit nur die Wahl zwischen zwei nachteiligen Konstellationen, nämlich entweder die Änderungen gleichwohl hinzunehmen oder den Verlust ihres Ausgleichsanspruchs in Kauf zu nehmen. Ausgehend davon, dass entsprechende vertragliche Regelungen, die zu solchen Alternativen führen würden, von vornherein unwirksam sind (vgl. BGHZ 142, 358 ff.), ferner das Ansinnen des Prinzipals an den Handelsvertreter, einen Folgevertrag zu wesentlich ungünstigeren Konditionen abzuschließen, den Handelsvertreter sogar zur eigenen, ausgleichserhaltenden Kündigung berechtigt (vgl. BGH NJW 96, 848; Küstner/Thume, a.a.O., Rn. 1421) und auch bei einer Änderung der Händler-Vertriebsstruktur, die mit erheblichen Veränderungen statusrechtlicher Art für den Vertragshändler und einer wirtschaftlichen Schlechterstellung verbunden sind, die Voraussetzungen für eine berechtigte, d. h. ausgleichserhaltende Eigenkündigung des Vertragshändlers gegeben sind (Senat, Urteil v. 07.01.2005, – 19 U 82/04 -), kann der Umstand, dass die Beklagte mit einem neuen Vertragsangebot den berechtigten Anlass des Inkrafttretens der GVO Nr. 1400/2002 als Gelegenheit für ansonsten jedenfalls nicht ohne Ausgleich durchzusetzende Vertragsänderungen benutzt, auch unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht dazu führen, dass die Klägerin ihren Ausgleichsanspruch mit der Ablehnung eines solchen Vertrages verliert.

Das gilt letztlich auch, soweit die Klägerin bei Abschluss des neuen Vertrages wenigstens 78 % oder, wie im Schriftsatz der Beklagten vom 08.03.2006 angegeben hat, 82 % der bislang verdienten Provisionen hätte erhalten können. Da gerade die auf der Grundlage des früheren Vertrages unberechtigte einseitige Reduzierung der Provision einen der Gründe darstellte, weshalb die Klägerin das Angebot nicht annehmen musste, kann ihr das auch nicht bei der Höhe ihres Ausgleichsanspruchs nachteilig entgegengehalten werden.

Vor diesem Hintergrund kommt es schließlich nicht entscheidend darauf an, aus welchen Gründen die Klägerin seinerzeit den Abschluss des Vertrages abgelehnt hatte, zumal die mit Schreiben vom 23.11.2004 erwähnte beabsichtigte Betriebsaufgabe bzw. die Veräußerung noch völlig offen war und die Entscheidung darüber möglicherweise bei akzeptablen Verträgen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
2. Die Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB liegen entgegen der Ansicht der Beklagten ebenfalls vor.

Aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Liste der Mehrfachkunden ergibt sich unabhängig von der Bewertung im Einzelnen, dass der Beklagten erhebliche Vorteile i. S. d. § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB aus der langjährigen Zusammenarbeit mit der Klägerin verblieben sind. Dementsprechend muss die Klägerin aus zukünftigen Geschäften mit diesen Kunden Provisionsverluste hinnehmen.

Unbeachtlich ist dabei, dass die Klägerin 16 Monate nach der Vertragsbeendigung wieder eine Vertragswerkstatt der Beklagten betreibt und – nach der Behauptung der Beklagten – auch wieder Neuwagen der Beklagten verkauft. Es spricht nichts dafür, dass die Beklagte nicht gleichwohl durch die Übertragung des Mehrfachkundenstammes „erhebliche Vorteile“ und die Klägerin entsprechende Provisionsverluste erlitten hat. Nach dem Vortrag der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin nach der Beendigung des Vertragshändlervertrages ihren gesamten oder nahezu den gesamten Kundenstamm behalten hätte, daraus weiter Provisionen in etwa bisheriger Höhe erzielte, wohingegen die Beklagten von dem Kundenstamm der Klägerin nicht profitieren könnte. Hinsichtlich der Werkstatttätigkeit der Klägerin kommt hinzu, dass dies grundsätzlich eine vom Vertrieb unabhängige eigene gewerbliche Tätigkeit darstellt, die für die Bestimmung des Ausgleichsanspruchs der Klägerin für ihre werbende Tätigkeit beim Verkauf von Fahrzeugen nicht herangezogen werden kann (vgl. BGH NJW-RR 88, 42 ff.). Solange nicht anhand konkreter Anhaltspunkte, die hier objektiv nicht ersichtlich sind und für die die Beklagte auch im Einzelnen nichts vorgetragen hat, feststeht, dass die Klägerin aus dieser Werkstatttätigkeit tatsächlich aufgrund ihrer früheren Tätigkeit als Händler Vorteile zieht, widerspricht es auch nicht der Billigkeit, die Werkstatttätigkeit nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Im Ergebnis gilt das auch für die von der Beklagten behaupteten Neuwagenverkäufe.

Abgesehen davon, dass gemäß § 531 Abs. 2 ZPO bereits durchgreifende rechtliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit dieser erstmals im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptung der Beklagten bestehen, die durch den ihrem Vorbringen in der Berufungsbegründung widersprechenden Vortrag im Schriftsatz vom 08.03.2006 zu den Umständen der Kenntniserlangung unterstrichen werden, wären die behaupteten Neuwagenverkäufe ebenfalls schon aus sachlichen Erwägungen nicht anspruchsmindernd entsprechend § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB zu berücksichtigen. Zwar ist anerkannt, dass Konkurrenztätigkeit nach Vertragsbeendigung unter Umständen anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann (vgl. BGH WM 81, 817 ff.; BGH ZIP 96, 1294 ff.; BGHZ 135,14 ff. m.w.N.). Nach der Einschätzung des Senats rechtfertigen die von der Beklagten behaupteten Neuwagenverkäufe im vorliegenden Fall indes keinen Billigkeitsabschlag. Grundlage der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist regelmäßig nur eine zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zu stellende Prognose, die sich als richtig oder unrichtig erweisen, sich aber nicht durch später eintretende Umstände ändern kann. Umstände, die – wie hier – erst längere Zeit nach der Vertragsbeendigung eingetreten sind, sind daher grundsätzlich unbeachtlich; von unvorhergesehenen tatsächlichen Entwicklungen kann die Höhe des bereits entstandenen Anspruchs nicht mehr beeinflusst werden (vgl. BGH ZIP 97, 1839 ff.). Demzufolge spricht viel dafür, eine nach Vertragsbeendigung aufgenommenen Konkurrenztätigkeit nur dann anspruchsmindernd anzurechnen, wenn sie bei Vertragsbeendigung schon feststeht (vgl. Küstner/Thume, a.a.O., Rn. 1126). Dass die Klägerin von vornherein bei Beendigung des Vertragshändlervertrages die von der Beklagten behaupteten Neuwagenverkäufe geplant hätte, ist jedoch nicht ersichtlich und von der Beklagen auch nicht vorgetragen. Dagegen spricht vielmehr die von der Klägerin seinerzeit beabsichtigte Betriebsaufgabe und der Umstand, dass sie sich erst ab Anfang des Jahres 2004 wieder um einen Werkstattvertrag bemühte. Für einen Billigkeitsabschlag etwa wegen der Art und des Umfanges der behaupteten Konkurrenztätigkeit, liegen ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

Gerechtfertigt ist allerdings ein Billigkeitsabschlag wegen der „Sogwirkung“ der Marke D., den der Senat unter Berücksichtigung der jahrelangen werbenden Tätigkeit der Klägerin einerseits und des Bekanntheitsgrades und der Anziehungskraft der Marke D. in Übereinstimmung mit der von der Klägerin vorsorglich in gleicher Höhe vorgenommenen Anrechnung in der Klageschrift (Seite 21, Bl. 21 GA) auf 25 % schätzt. Diesem Ansatz ist auch die Beklagte nicht entgegengetreten. Die von der Klägerin gegen einen Billigkeitsabzug wegen der Sogwirkung der Marke für den konkreten Fall erhobenen grundsätzlichen Bedenken teilt der Senat nicht.

3. Bei der Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs geht der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung (VersR 02, 437 ff.; VersR 03, 106) und in Übereinstimmung mit den Parteien von der so genannten „Rohertragsmethode“ aus. Hinsichtlich der konkreten Berechnungsfaktoren besteht zwischen den Parteien im Wesentlichen kein Streit. Entgegen der Ansicht der Beklagten reichten auch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zur Begründung ihres Anspruches aus, ohne dass zusätzlich die Vorlage von Bilanzen und Steuererklärungen notwendig war. Insbesondere die von der Klägerin vorgelegte Liste der Mehrfachkundenumsätze gibt grundsätzlich ein verlässliches Bild, auch bezüglich der Umsatzquoten aus den Vorjahren. Soweit deshalb keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das letzte Vertragsjahr außergewöhnliche Ereignisse gebracht hat, kann der Mehrfachkundeumsatz als repräsentativ für die vorangegangenen Jahre angesehen werden. Der Gefahr, dass möglicherweise zu Gunsten des Händlers ein falsches Bild geschaffen wird, kann durch kritische Betrachtung der Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahres vorgebeugt werden. Einer Vorlage von Bilanzen und Steuererklärungen bedarf es ohne jegliche Anhaltspunkte für Manipulationen und Unrichtigkeiten nicht. Der gegen die von der Klägerin dargelegten Mehrfachkundenumsätze konkret erhobene Einwand der Beklagten, dass wegen einer Namensungleichheit nicht ersichtlich sei, dass zwei der Genannten tatsächlich Mehrfachkunden seien, ist in diesem Zusammenhang ebenso wie für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs der Höhe nach unbeachtlich. Die Beklagte hat diesen Einwand nämlich erst im nachgelassenen Schriftsatz vom 01.06.2005 erhoben, ohne dass die Klägerin dazu in ihrem Schriftsatz vom 08.04.2005 Veranlassung gegeben hätte. Das Vorbringen wäre daher in erster Instanz gemäß § 296 a ZPO ausgeschlossen gewesen. Im Berufungsverfahren, in dem die Beklagte zur Höhe im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag Bezug genommen hat, ist sie mit dem Einwand gemäß § 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil die verspätete Geltendmachung nicht entschuldigt ist.

Der der Klägerin zustehende Ausgleichsanspruch in Höhe von 69.832,14 € berechnet sich damit wie folgt:

a) UPE-Umsatz netto 686.288,78 €

b) VK-Umsatz netto 588.549,44 €

c) EK-Umsatz netto 582.345,48 €

d) Prämien/Boni letztes Vertragsjahr 87.436,33 €

e) Rohertrag (VK + Boni – EK) 93.640,29 €

f) in % (Rohertrag zu UPE-Umsatz) 13,64 %

g) bereinigte Provision (13,64 % abzgl. 2,5 %) 11,14 %

h) UPE-Umsatz Mehrfachkunden (MFK) 163.167,03 €

i) MFK-Quote letztes Vertragsjahr (Verhältnis h) zu a) 23,78 %

j) Provisionen MFK letztes Vertragsjahr (11,14 % von 163.167,03 €) 18.176,81 €

k) multipliziert mit 5 90.884,05 €

l) Billigkeitsabzug 25 % 68.163,04 €

m) Abzinsung nach Gillardon (Nennbetrag : 60 x 52,9907) 60.200,12 €

n) zuzüglich 16 % MWSt. 69.832,14 €

Die Höchstbetragsgrenze des § 89 b Abs. 2 HGB greift nicht ein. Die Durchschnittsumsätze der letzten 5 Vertragsjahre beliefen sich unstreitig auf 400.508,73 €. Nach dem rechnerisch zutreffenden und von der Beklagten nicht angegriffenen Vortrag der Klägerin würde sich daraus ein höherer Anspruch, nämlich 92.918,03 €, errechnen (vgl. Bl. 24 GA).

4. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich in Höhe von 5 % aus §§ 352, 353 HGB für die Zeit vom 31.01.2003 bis zum 31.08.2004 und in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 286 Abs. 1 BGB ab dem 01.09.2004, da die Klägerin die Beklagte erst mit dem Schreiben vom 18.08.2004 (Anl. K 11 Leitz-Ordner) zum 31.08.2004 in Verzug gesetzt hat. Das Schreiben vom 29.07.2004 (Anl. K 8 Leitz-Ordner) enthält dagegen nur eine Fristsetzung zur Stellungnahme auf den 13.07.2004. Hinsichtlich der gemäß §§ 352, 353 HGB beantragten Zinsen in Höhe von 5 % hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der in den ursprünglich gestellten Anträge angegebene Zeitraum vom 31.01.2003 bis zum 12.07.2003 auf einem offensichtlichen Schreibfehler beruhte. Das ist anhand der angegebenen Daten ohne weiteres nachvollziehbar. Eine Klagerweiterung ist damit in der Richtigstellung des Datums nicht zu sehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 83.798,57 €

Beschwer für die Klägerin: unter 20.000,– €

Beschwer für die Beklagte: über 20.000,– €

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Gegenstand des Rechtsstreits waren überwiegend Tatsachenfragen, die im konkreten Fall im Hinblick auf einen möglichen Ausschluss des Ausgleichsanspruchs der Klägerin zu werten waren. Der Entscheidung kommt deshalb weder symptomatische oder allgemeine Bedeutung zu noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts in Hinblick auf die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Senat weicht mit der Entscheidung nicht von anderen höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Entscheidungen ab. Sie steht vielmehr im Grundsatz im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. etwa BGHZ 52, 12 ff.; BGH WM 88, 817 ff.; BGH BB 00, 736, 738) und mit der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 01.02.2006 (21 U 21/05 -) zu einer restriktiven Anwendung des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB und der Wertung einzelner Billigkeitsaspekte im Rahmen des § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den so genannten „Kettenvertragsfällen“ (NJW 96, 848 ff.; NJW 99, 2668 ff.) steht dem nicht entgegen, da diese Entscheidungen – wie ausgeführt – auf nicht vergleichbaren Sachverhalten beruhten. Das gilt auch in Hinblick auf die von der Beklagten angeführten Entscheidung des OLG Saarbrücken (OLGR 05, 873 ff.). Die vom OLG Saarbrücken in dieser Entscheidung erwähnte Auffassung, dass der Händler bei einer nicht provozierten ordentlichen Kündigung oder der Weigerung einen zumutbaren Folgevertrag abzuschließen seinen Ausgleichsanspruch verliert, war dort nicht entscheidungserheblich und beruhte zudem auf einen mit dem vorliegenden Fall ebenfalls nicht vergleichbaren Sachverhalt.

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