Rentenversicherungspflicht für Selbständige: weiter Begriff des Auftraggebers im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 9 b SGB VI (Empfehlungsmarketing)

L 22 R 881/10 Urteil verkündet am 14. März 2013 LSG Berlin-Brandenburg Franchiserecht

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. August 2010 geändert.

Der Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 und der Bescheide vom 06. März 2008, vom 14. Oktober 2010 und vom 21. September 2011, soweit diese den Zeitraum bis zum 31. März 2003 erfassen, werden aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht und die Zahlung von Pflichtbeiträgen in Höhe 3.149,70 Euro für die Zeit vom 01. Januar 1999 bis März 2003.

2 Der im Februar 1962 geborene Kläger ist aufgrund seines Beraterantrages vom 01. August 1992 als Berater der A GmbH tätig. Nach den vereinbarten Geschäftsbedingungen betreiben die Berater ihr Geschäft im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Rechnungslegung und Abrechnung erfolgen immer an den Antragsteller (Berater). Der Versand erfolgt über die Sponsorlinie. Die von der A GmbH erworbenen Produkte dürfen nur an Endverbraucher und nicht an andere A-Berater verkauft werden. Der Berater muss direkt bei der A GmbH seine Produkte beziehen. Es gelten die im Beraterhandbuch, in den A Verhaltensstandards und in der Verfahrensordnung niedergelegten Bestimmungen. Zur Aufrechterhaltung der Beraterschaft muss diese jährlich durch Zahlung des jeweils gültigen Pauschalbetrages für Verwaltungsaufwand und Portokosten erneuert werden. Der Berater kann seine Beraterschaft jederzeit beenden.

3 Nach der Website von A, der Online Geschäftsmöglichkeit von A handelt es sich bei der A GmbH um ein Direktvertriebsunternehmen, das eine breite Palette an Produkten aus den Bereichen Schönheit, persönliche Pflege und Haushaltspflege sowie aus den Sparten Nahrungsergänzung und Wellness anbietet. Direktvertrieb bedeutet danach den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen direkt an den Kunden – im Allgemeinen erfolgt der Verkauf bei den Kunden zu Hause oder an deren Arbeitsplatz. Die Direktvertriebsleute (Berater) von A verdienen Geld durch den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen an ihre eigenen Kunden und an die Kunden anderer in ihrem Netz befindlicher Direktvertriebsleute (Berater). Die Berater müssen keine Mindestmengen bestellen, keine Pflichtumsätze erwirtschaften und keine Gebühren entrichten oder Kündigungsfristen einhalten. Sie erhalten eine Vergütung für einerseits ihre Wiederverkaufsleistung (Handelsspanne und Bonus) und andererseits für die Unterstützung anderer Geschäftspartner, die (als Berater) für das Geschäft gewonnen wurden und die bei der Weiterentwicklung deren Geschäfte unterstützt werden (Provision).

4 Der Berater kann die Produkte und Dienstleistungen der A GmbH über die Internetplattform A erwerben. Über diese Internetplattform werden auch Produkte und Dienstleistungen anderer Unternehmen unter anderem der T AG angeboten. Mit der T AG besteht aufgrund des Antrages des Klägers vom 29. Mai 2003 ein T-Vermittlungsvertrag (Antrag auf Zusatzvereinbarung zum A Geschäftspartnervertrag). Danach ist der Kläger mit schriftlicher Annahme dieses Antrages durch die A GmbH als A Geschäftspartner berechtigt, Vertragsverhältnisse zwischen von ihm geworbenen Kunden und der T AG über ausgewählte Telekommunikationsdienstleistungen zu vermitteln. Er ist nicht berechtigt, im Namen der T AG oder der A GmbH Verpflichtungserklärungen abzugeben. Für seine Vermittlungstätigkeit erhält der Geschäftspartner je Vertragsabschluss eine Provision. Der Anspruch auf die Provision setzt voraus, dass das Vertragsverhältnis zwischen der T AG und dem Kunden unwiderruflich zustande gekommen ist, die TAG dies der A GmbH mitgeteilt und die A GmbH ihrerseits die zu der jeweiligen Vermittlung gehörenden Provisionszahlungen von der TAG erhalten hat. Diese Zusatzvereinbarung endet automatisch mit Beendigung des A-Geschäftspartnervertrages. Sie kann unabhängig hiervon nach den gesetzlichen Bestimmungen auch gesondert gekündigt werden. Mit der Vertragsbeendigung endet auch der Anspruch auf Provisionen aus während der Vertragslaufzeit vermittelten und angenommenen Kundenaufträgen. Nach den Provisionsregelungen bei der T AG wird eine einmalige Provision pro Vertragsabschluss und werden Folgeprovisionen auf die monatlichen Netto-Telefonumsätze gezahlt. Die Abrechnung der jeweiligen Provision erfolgt in dem auf die Mitteilung der Höhe der Vergütung durch die T AG an die A GmbH folgenden Monat.

5 Anlässlich eines Antrages auf Kontenklärung ermittelte die Beklagte wegen einer angegebenen selbständigen Tätigkeit beim Kläger. Dieser teilte mit, eine selbständige Tätigkeit mit dem Handel und dem Vertrieb von A-Produkten im Umfang von wenigstens 15 Stunden wöchentlich bei einem Arbeitseinkommen über 325,– Euro monatlich bis 31. März 2003 und über 400 Euro monatlich ab 01. April 2003 auszuüben. Dabei bestimme er selbst über den Einsatz seiner Arbeitszeit und seines know how sowie über die Preise und die Werbung. Er benötige keinen Kapitaleinsatz. Die Firma A sei einer seiner Lieferanten. Er werde für mehrere Auftraggeber tätig, wobei er allerdings auf Dauer mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Einkünfte aus diesen Tätigkeiten von einem dieser Auftraggeber erhalte. Der Kläger legte die Gewerbeanmeldung vom 27. August 1992, die Gewerbeummeldung vom 20. Juni 2001, die Gewinnermittlung des Steuerberaters Dr. S vom 01. Januar bis 31. Dezember 2001 zur Firma des Klägers und seiner Ehefrau als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sowie die Auskunft der A GmbH vom 07. November 2003 vor.

6 Nach entsprechender Anhörung erteilte die Beklagte den Bescheid vom 20. Januar 2004, mit dem sie ab 01. Januar 1999 Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) feststellte. Zugleich forderte sie Pflichtbeiträge in Höhe des monatlichen Regelbeitrages für die Zeit vom 01. Januar 1999 bis 31. Januar 2004 von insgesamt 22.780,71 Euro und einen laufenden Beitrag ab Februar 2004 von 395,85 Euro monatlich.

7 Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein. Als A-Berater entscheide er in eigener Verantwortung frei darüber, ob er überhaupt A Produkte kaufen oder verkaufen wolle. Es stehe ihm frei, auch Produkte anderer Hersteller zu verkaufen, was auch getan werde. Auftraggeber sei damit nicht die Firma A, sondern regelmäßig der Endkunde/-Abnehmer. Die Firma A sei vielmehr als Zulieferer anzusehen. Diese Firma arbeite mit ihrer Internetplattform A mit einer Vielzahl von Auftraggebern zusammen. Die Auszahlung von erfolgsabhängigen Provisionen erfolge direkt über das jeweilige Partnerunternehmen von A. Der Kläger sei freier Unternehmer und kein Handelsvertreter im Sinne des § 84 Handelsgesetzbuch (HGB). Als mitarbeitender Gesellschafter einer Personengesellschaft werde er von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht erfasst, da die Gesamthandsgemeinschaft gegenüber den Gesellschaftern verselbständigt sei. Den beigefügten Gewinnermittlungen für die Jahre 1999, 2000 und 2002 sei zu entnehmen, dass Provisionseinnahmen erzielt worden seien. Diese Einnahmen habe der Kläger von der A GmbH erhalten. Dazu gehöre auch eine Prämie dieser Firma. Die ausgewiesenen Warenverkäufe resultierten ebenso wie die Erlöse aus der Veranstaltung von Busfahrten aus Warenverkäufen an Endabnehmer/Endkunden. Diese stünden deshalb mit der A GmbH in keinerlei Zusammenhang. Für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung bestehe kein Raum, da sich für jeden Gesellschafter ein Gewinn ergeben habe, der über 630,– DM bzw. 400,– Euro gelegen habe. Der Kläger erhalte monatlich von der A GmbH einen Bonus auf den Warenumsatz aus Warenbestellungen, die er persönlich auf dem Portal von A getätigt habe. Die Höhe des monatlichen Bonus betrage in der Regel ca. 20,– Euro. Ein Teil dieser Waren werde an seine persönlichen Kunden (Auftraggeber) verkauft, ein anderer Teil sei sein Eigenverbrauch und ein weiterer Teil werde als Vorführartikel verwendet. Auf den Gesamtumsatz (Summe aus Umsätzen persönlich bestellter Ware, der Folgeprovision T und aller Partnerstores) erhalte er diesen Bonus. Die Leistungsprovisionszahlungen erhalte er von der A GmbH für getätigte Umsätze, die aus dem Netzwerkaufbau resultierten. Dieses Netzwerk bestehe aus vielen Auftraggebern (Geschäftspartner oder auch Berater genannt), die er entweder direkt geworben habe oder die indirekt von seinen geworbenen Geschäftspartnern geworben worden seien. Die aus dem Netzwerkaufbau resultierenden Umsätze setzten sich aus Warenbestellungen zusammen, die von den vielen Geschäftspartnern (Auftraggeber) dieses Netzwerkes auf dem Internetportal A getätigt würden. Der Kläger sei selbständiger Direktverkäufer. Er betreibe eine Handels- und Vertriebsfirma, zwischenzeitlich wiederum in der Rechtsform eines Einzelunternehmers. Seit August 1992 sei er berechtigt, aber nicht verpflichtet, als selbständiger Direktverkäufer von der A GmbH und 14 anderen Unternehmen, die ihre Produkte über die Internetplattform von A, A anböten, Produkte zu kaufen und an Dritte weiter zu verkaufen. Als Geschäftspartner der A GmbH habe er dabei den Vorteil gegenüber Dritten, die Produkte direkt bei der A GmbH, also dem Hersteller der Produkte zu Einkaufspreisen zu kaufen. Er könne die Produkte selbst verbrauchen oder an Dritte zu Endverbraucherpreisen (Einkaufspreis + Handelsspanne) weiter verkaufen. Dritte könnten hingegen diese Produkte nicht direkt bei der A GmbH kaufen. Darüber hinaus vermittle der Kläger Dienstleistungen und kaufe bzw. verkaufe Produkte der Partnerstores der A GmbH, die ihre Produkte im Direktvertrieb über die Internetplattform A anböten. Für die Vermittlung dieser Dienstleistungen schließe der Berater direkt mit dem Produktpartner einen Vermittlungsvertrag (so mit der T AG). Der Einkauf der Produkte von Produktpartnern erfolge direkt bei diesen, wobei auch die Bezahlung der Produkte an sie und nicht über die A GmbH erfolge. Zusätzlich sei der Kläger am Umsatz von Produkten der A GmbH und der anderen Produktpartnern in Form von Leistungsprovisionen bis zu 21 v. H. des jeweiligen Monatsumsatzes beteiligt. Diese Leistungsprovisionen erhalte er nicht nur für den eigenen Umsatz, sondern auch für den Umsatz aller „unter ihm tätigen“ (gesponserten) Geschäftspartnern abzüglich deren Provisionen. Die umsatzabhängige Abrechnung dieser Leistungsprovisionen für den Einkauf bzw. Vertrieb von Produkten der A GmbH und aller Produktpartner erfolge lediglich aus Überschaubarkeitsgründen über die A GmbH.

8 Der Kläger legte u. a. den Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen des Finanzamtes Reinickendorf vom 16. Februar 2001, den Bescheid für 2000 über Einkommensteuer vom 25. April 2002, für 2001 über Einkommensteuer vom 01. April 2003 jeweils des Finanzamtes Spandau sowie die eigene Ermittlung der Einkommensteuer für 2002 vom 24. September 2003, die Gewinnermittlungen für 1999, für 2000 und für 2002 des Steuerberaters Dr. S nebst steuerlicher Erklärungen für die Jahre 1999 bis 2002 sowie die Bescheide über Einkommensteuer für 1999 vom 13. August 2003, für 2001 vom 03. September 2004, für 2002 vom 22. März 2004, für 2003 vom 18. Mai 2005 und für 2004 vom 26. April 2006 vor. Außerdem übersandte er einen Auszug aus der Internet-Plattform A mit dem darin enthaltenen Hinweis, dass der Zugang zu A(nur) für alle deutschen A-Geschäftspartner möglich ist und auch die Online-Partnerstores nur über A-Berater genutzt werden können, verschiedene Rechnungen/Kundenquittungen des Klägers als A-Geschäftspartner, den A GmbH-Berater-Antrag des Klägers vom 01. August 1992, eine Verkaufsbonusabrechnung und eine Leistungsprovisionsabrechnung jeweils für Juli 2006.

9 Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Kläger sei im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig, denn er sei in das A-Vertriebssystem eingegliedert und daher an die A GmbH gebunden. Darüber hinaus ergäbe sich eine wirtschaftliche Abhängigkeit aus der rechtlichen Regelung des Vergütungsanspruches, da er seine Leistungsprovisionen und Boni von der A GmbH erhalte.

10 Auf Antrag des Klägers auf Zahlung einkommensgerechter Beiträge erteilte die Beklagte den Bescheid vom 06. März 2008, mit dem sie für die Zeit vom 01. April bis 31. Dezember 2003 Versicherungsfreiheit wegen Ausübung einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit feststellte.

11 Mit weiterem Bescheid vom 06. März 2008 forderte sie Pflichtbeiträge als einkommensgerechte Beiträge für die Zeit vom 01. Januar 1999 bis 31. März 2003 und vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2008 von insgesamt 12.231,33 Euro, wovon auf die Zeit vom 01. Januar 1999 bis 31. März 2003 3.149,70 Euro entfallen.

12 Gegen die Bescheide vom 06. März 2008 hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

13 Gegen den Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 hat der Kläger am 11. März 2008 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.

14 Er hat über sein bisheriges Vorbringen hinaus geltend gemacht: Das von der Beklagten angesprochene Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 2009 – L 5 R 649/07 stehe im Widerspruch zum Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 2004 (L 11 KR 519/04), welches durch das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 30. Juni 2005 (B 12 KR 18/04 R) im Wesentlichen bestätigt worden sei. Die Auffassung des Sächsischen Landessozialgerichts, wonach die A GmbH Auftraggeber eines A-Beraters sei, weil dieser entsprechend der Marketingkonzeption dieser Firma den weitaus überwiegenden Teil seiner Einkünfte über so genannte Leistungsprovisionen erziele, könne nicht verallgemeinert werden und sei darüber hinaus falsch. Der A-Berater erhalte keine Leistungsprovisionen. Er erhalte vielmehr Vergütungen/Entgelte für den Erwerb von Produkten. Die Höhe der Vergütung sei gestaffelt und abhängig von der Menge der erworbenen Produkte. Sie beginne mit 3 v. H. des erworbenen Warenwertes ab einem Warenwert von 300,– Euro und ende mit 21 v. H. des erworbenen Warenwertes ab einem Warenwert von 15.000,– Euro. Deshalb handele es sich tatsächlich um einen in Geld gewährten Mengenrabatt. Dass die Entgelte für den Erwerb von Produkten den Gewinn aus der Handelsspanne überstiegen, sei der Tatsache geschuldet, dass der A-Berater oft neue A-Berater geworben habe, die ihrerseits Produkte bei der A GmbH gekauft hätten, und dafür am Mengenrabatt jedes von ihm neu geworbenen A Beraters beteiligt sei. Ein Vergleich mit einem Handelsvertreter gehe fehl, weil dieser nicht auf eigene Rechnung handele. Der Großteil des Einkommens des Klägers bestehe aus Leistungsprovisionen, die er für Käufe anderer Berater erhalte, die von ihm geworben worden seien und die ihrerseits wieder Berater geworben hätten. Es seien ca. 350 direkt oder indirekt von ihm angeworbene Berater. Die Leistungsprovisionen erhalte er von der A GmbH. Für den Weiterverkauf der von ihm eingekauften Produkte gebe es von der A GmbH keine festgelegten Verkaufspreise, sondern lediglich die Empfehlung eines 30prozentigen Aufschlages.

15 Der Kläger hat beantragt,

16 den Bescheid vom „21.“ Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 in der Gestalt der Bescheide vom 06. März 2008, soweit darin der Zeitraum bis 31. Januar 2004 erfasst ist, aufzuheben und festzustellen, dass für den Kläger keine Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI besteht.

17 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, für das Bestehen eines Auftragsverhältnisses sei entscheidend, dass aufgrund Geschäftsbeziehungen der unternehmerische Spielraum und dementsprechend das unternehmerische Risiko des Weisungsgebundenen stark eingeschränkt sei. Auftraggeber sei daher jeder, der einen anderen mit einer Tätigkeit betraue, sie ihm vermittle oder ihm die Vermarktung oder den Verkauf von Produkten überlasse.

18 Mit Urteil vom 05. August 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Feststellung, dass für ihn im streitigen Zeitraum vom 01. Januar 1999 bis 31. März 2003 Versicherungspflicht nicht bestehe. Er sei auf Dauer und im Wesentlichen nur für die A GmbH tätig, die als Auftraggeber zu qualifizieren sei. Das Sozialgericht schließe sich dem vom BSG im Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 3/08 R aus der Historie des Gesetzgebungsverfahrens abgeleiteten weiten Begriff des Auftraggebers an. Dies führe dazu, dass der Kläger wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von der A GmbH als im Wesentlichen für dieses Unternehmen tätig sei, auch wenn keine rechtliche Abhängigkeit vorliege. Dies folge daraus, dass der Kläger mit keinen anderen, außerhalb des von der A GmbH bereitgestellten Systems (Internet-Portal A) und den dort benannten Firmen „Partnerstores“ Geschäftsbeziehungen gepflegt und Einnahmen daraus erzielt habe. Seine Vertriebstätigkeit beziehe sich ausschließlich auf Produkte der A GmbH selbst und der auf der Internet-Plattform A mivo aufgeführten Partnerstores. Maßgebend seien insoweit die tatsächlichen und nicht die hypothetischen Verhältnisse. Nach dem Vortrag des Klägers bestehe der größte Teil seines Einkommens aus Provisionszahlungen, die er aufgrund von Warenbestellungen anderer von ihm angeworbener Berater bzw. der von diesen wiederum angeworbenen weiteren Beratern von der A GmbH erhalte. Dabei stelle die A GmbH nicht nur eine Art „Abrechnungsstation“ dar. Vielmehr müssten die Partnerstores aufgrund eigener Vertragsbeziehungen zur A GmbH selbst unter Berücksichtigung der diversen, an den Warenumsätzen beteiligten „Sponsoren“ Provisionszahlungen leisten. Der Kläger selbst habe auf die von der A GmbH betriebenen Internet-Plattform A präsenten Firmen keinen Einfluss gehabt. Er sei damit als A-Berater in dieses Vertriebsgefüge eingebunden gewesen. Dies zeige sich daran, dass bei Fortfall seiner Stellung als A-Berater ihm andere Einnahmequellen nicht zur Verfügung gestanden hätten. Das o. g. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg stehe dem ebenfalls genannten Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts lediglich insoweit entgegen, als dieses die Erlöse aus der selbständigen Tätigkeit ins Verhältnis zu den gesamten Einkünften aus der daneben ausgeübten versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung gesetzt habe und daran orientierend an der Fünf-Sechstel-Regelung der Spitzenverbände der Sozialversicherung das Kriterium „im Wesentlichen für einen Auftraggeber“ verneint habe. Ein solcher Sachverhalt liege hier nicht vor. Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Beitragsberechnung seien nicht ersichtlich.

19 Gegen das seinem bisherigen Prozessbevollmächtigten am 30. August 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. September 2010 eingelegte Berufung des Klägers.

20 Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 weitere Pflichtbeiträge bis 30. September 2010 nebst Säumniszuschlägen gefordert hatte und mit Bescheid vom 15. März 2011 die Beendigung der Versicherungspflicht zum 01. Januar 2011 wegen der Beschäftigung mindestens eines rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmers festgestellt hatte, verfügte sie mit Bescheid vom 21. September 2011 die Beendigung der Versicherungspflicht zum 01. Januar 2007 bei gleichzeitiger Forderung der bisher nicht vollständig gezahlten Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01. Juni 2001 bis 31. März 2003 und vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 im Umfang von 6.855,06 Euro.

21 Der Kläger meint, aufgrund des Vertrages mit der A GmbH nicht nur einen Auftraggeber gehabt zu haben. Insbesondere sei die A GmbH nicht sein Auftraggeber gewesen und er sei nicht wie in dem vom BSG mit Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 3/08 R entschiedenen Fall als Franchisenehmer in ein organisiertes Absatzverhältnis eingebunden gewesen zu sein. Das BSG habe nämlich auch zum Ausdruck gebracht, dass nicht jedes Franchiseverhältnis oder sonstige weitere Absatzmittlerverhältnis unter § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI falle. Die erforderliche und angesprochene wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber könne vielmehr vorliegen, wenn der Vertragspartner in ein „vertikal-kooperativ organisiertes Absatzmittlerverhältnis“ eingebunden sei. Welchen Grad der Abhängigkeit ein solches Absatzmittlerverhältnis annehmen müsse, habe das BSG offen gelassen. Dieser vom BSG verwendete Begriff bringe für die Beantwortung der Frage der Rentenversicherungspflicht des Selbständigen allerdings nicht entscheidend weitere. Die vom BSG benutzte Umschreibung erinnere an den vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) und vom Bundesarbeitsgericht (BAG) verwendeten Begriff der so genannten betriebsorganisatorischen Einheit. Soweit das BSG davon ausgehe, dass im Unterschied zur persönlichen Abhängigkeit bei § 7 Abs. 4 SGB IV vorliegend die wirtschaftliche Abhängigkeit entscheidend sei, greife es eine Differenzierung auf, die der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 16. Oktober 2002 – VIII ZB 27/02 bereits vorgenommen gehabt habe. Das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit und die Einbindung in ein Absatzmittlerverhältnis sei außerdem Gegenstand des Urteils des BGH vom 14. April 1983 – I ZR 20/81 gewesen, das die Frage betroffen habe, inwieweit ein Eigenhändler in die vom Unternehmen einheitlich gestaltete Absatzorganisation wirtschaftlich wie ein Handelsvertreter eingegliedert sei. Obwohl das Sozialgericht die tatsächliche Freiheit des Klägers zur Kenntnis genommen habe, habe es sich mit den konkreten Vorgaben des BSG nicht auseinandergesetzt. Es habe übersehen, dass kein klassisches Franchisemodell mit „engem Korsett“ vorliege, sondern dem Kläger gerade keine Vorgaben gemacht worden seien und gemacht werden konnten. Der Kläger habe aus wirtschaftlichen Gründen im Hinblick auf den geschlossenen Vertrag auch keine Aktivitäten entfalten müssen. Er habe zudem in den Jahren 2000, ab September 2002 nur noch halbtags bis 2004 in einem Arbeitsverhältnis gestanden, so dass er weder auf die Tätigkeit bei der A GmbH wirtschaftlich angewiesen gewesen sei, noch diese ihn ausgelastet habe. Es habe somit bereits keine „vollständige“ Abhängigkeit vorgelegen. Dem Kläger sei kein Vertriebsgebiet zugewiesen worden. Er habe keine Produkte der A GmbH vermarktet, sondern sie lediglich eingekauft und entweder selbst verbraucht oder weiterverkauft. Eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit mit der A GmbH habe nicht bestanden. Der Kläger habe kein Lager einrichten oder Produkte vorhalten müssen. Er habe keine technische und/oder betriebswirtschaftliche Unterstützung benötigt. Ihm sei dafür keine Büro- oder Betriebsausstattung oder sonstiges zur Verfügung gestellt worden. Es habe keine Unterstützung im Hinblick auf einen einheitlichen Marktauftritt gegeben. Es habe eine Vertriebskette im Sinne eines vertikal-kooperativ organisierten Absatzmittlungsverhältnisses gefehlt. Die A GmbH habe keine Zutrittsrechte gehabt. Der Kläger habe keinen Berichtspflichten unterlegen. Es habe kein Wettbewerbsverbot bestanden. Dem Kläger sei es unbenommen gewesen, seinerseits Vermittler einzusetzen. Ausgehend davon sei die A GmbH nicht Absatzherr im Sinne der Rechtsprechung des BSG, sondern bloßer Warenlieferant gewesen. Soweit die Beklagte Versicherungsfreiheit vom 01. April bis 31. Dezember 2004 festgestellt habe, wehre sich der Kläger hiergegen nicht. Die im Beraterantrag vom 01. August 1992 genannten Unterlagen (Beraterhandbuch, A Verhaltensstandards, Verfahrensordnung) seien weder bei ihm noch bei der A GmbH mehr vorhanden. Der Kläger hat die jeweiligen Kontennachweise zur Gewinnermittlungen des Steuerberaters Dr. S auch für 2001, für den 01. Januar 2002 bis 08. Mai 2002 und für 2003 vorgelegt.

22 Der Kläger beantragt,

23 das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. August 2010 zu ändern und den Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 und der Bescheide vom 06. März 2008, vom 14. Oktober 2010 und vom 21. September 2011, soweit diese den Zeitraum bis zum 31. März 2003 erfassen, aufzuheben.

24 Die Beklagte beantragt,

25 die Berufung zurückzuweisen und die weitergehende Klage abzuweisen.

26 Sie bezieht sich auf das benannte Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts. Danach werde die unternehmerische Tätigkeit des A-Beraters nicht durch den Einkauf und den Weiterverkauf von Waren für eigene Rechnung, sondern durch die Erzielung von Provisionen für die Werbung weiterer A-Berater, die in Form von gestaffelten Rabatten auf den Einkaufspreis sowohl für die vom A-Berater selbst bezogenen Waren als auch für Einkäufe der von ihm geworbenen Berater gewährt worden sei, geprägt. Diese Rabatte seien letztlich mit der Abschlussprovision eines Vermittlers von Versicherungsverträgen vergleichbar. Hierin liege die Eingliederung in die Vertriebsstruktur der A GmbH. Dem vom Kläger herangezogenen Fall des BSG habe demgegenüber ein grundsätzlich anderes Vertriebsmodell zugrunde gelegen als dem Netzwerk-Marketing-Konzept der A GmbH. Aus den im Berufungsverfahren eingeholten Kontenunterlagen sei nicht ersichtlich, woher die Einnahmen stammten.

27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (…), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe

28 Die zulässige Berufung ist begründet.

29 Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 und des Bescheides vom 06. März 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger ist im Zeitraum vom 01. Januar 1999 bis 31. März 2003 als selbständig Tätiger nicht versicherungspflichtig gewesen. Aufgrund dessen schuldet er die geforderten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 3.149,70 Euro nicht.

30 Dementsprechend erweisen sich die Bescheide vom 14. Oktober 2010 und vom 21. September 2011, die nach § 153 Abs. 1 und § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Umfang des erstinstanzlich erhobenen Begehrens zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind, also hinsichtlich des Zeitraumes bis 31. März 2003, gleichfalls als rechtswidrig.

31 Nach § 2 Nr. 9 SGB VI in der Fassung des Art. 4 Nr. 3 Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I 1998, 3843) waren ab 01. Januar 1999 selbständig tätige Personen versicherungspflichtig, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 SGB IV) keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten sowie regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig waren. Diese Vorschrift wurde allerdings als § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI durch Art. 2 Nr. 1 lit. a Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. I 2000, 2) rückwirkend zum 01. Januar 1999 insoweit geändert, als selbständig tätige Personen versicherungspflichtig sind, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630,– DM im Monat (ab 01. Januar 2002 325,– Euro im Monat – Art. 7 Nr. 2 Viertes Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2002, BGBl. I 2000, 1983 – und ab 01. April 2003 400,– Euro im Monat – Art. 4 Nr. 1 lit. a lit. aa Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I 2002, 4621) übersteigt, und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

32 Diese Voraussetzungen lagen nicht allesamt vor.

33 Der Kläger war im streitigen Zeitraum allerdings selbständig tätig.

34 Dem in § 2 SGB VI aufgezählten Personenkreis ist das Merkmal der selbständigen Tätigkeit gemeinsam. Dieser gesetzlich nicht definierte Begriff ist als Abgrenzung zu einer nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung zu verstehen (BSG, Urteil vom 15. Juni 2000 – B 12 RJ 4/99 R, abgedruckt in SozR 3-2600 § 2 Nr. 4 = BSGE 86, 195). Ein Versicherter übt nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, eine selbständige Erwerbstätigkeit aus, wenn er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwerbstätig ist. Dies trifft insbesondere auf gewerbliche Unternehmer zu. Unternehmer ist, wer die für das Unternehmen erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich und persönlich unabhängig trifft und vom wirtschaftlichen Ergebnis den unmittelbaren Vor- oder Nachteil hat (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1977 – 11 RA 6/77, abgedruckt in SozR 2200 § 1247 Nr. 19 = BSGE 45, 238). Nichts anderes gilt für die in § 2 Satz 1 SGB VI genannten selbständig tätigen Personen, insbesondere diejenigen der Nr. 9. Selbständig sind danach alle Personen, die mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit in persönlicher Unabhängigkeit und auf eigene Rechnung und Gefahr ausüben. Die selbständige Tätigkeit ist damit im Wesentlichen durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Das Unternehmerrisiko besteht im Einsatz finanzieller Mittel und/oder der eigenen Arbeitskraft bei gleichzeitiger Ungewissheit über deren künftigen Ertrag (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, SGB VI, § 2 Rdnr. 4). Der Wortlaut des § 2 Satz 1 SGB VI knüpft damit an den Status des Selbständigen und an seine Tätigkeit an.

35 Danach übte der Kläger als Selbständiger eine entsprechende Tätigkeit aus.

36 Nach seinen Angaben, die in den vereinbarten Geschäftsbedingungen eine Entsprechung finden, mithin zur Überzeugung des Senats zutreffend sind, bestimmte der Kläger selbst über den Einsatz seiner Arbeitszeit. Dazu gehörte, dass er, ohne an Vorgaben der A GmbH gebunden zu sein, den Umfang seiner Arbeitszeit, einerseits für den Einkauf der Produkte, andererseits für den Verkauf dieser Produkte an Endabnehmer, für die Gewinnung weiterer Berater und schließlich für die Werbung selbst festlegte. Demzufolge enthalten die vereinbarten Geschäftsbedingungen keine Regelungen über die Ausführung dieser Tätigkeiten in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art. Der Kläger trug insoweit auch ein eigenes Unternehmerrisiko, als seine Vergütung ausschließlich erfolgsabhängig war. Eine Vergütung für einerseits seine Wiederverkaufsleistung (die Handelsspanne, die er durch unabhängige Festsetzung der Verkaufspreise erzielte, und den Bonus) sowie andererseits für Leistungen aus Geschäften der von ihm gewonnenen Berater (Leistungsprovisionen) erhielt der Kläger lediglich, wenn er zuvor die dazu erforderlichen Tätigkeiten erfolgreich unternommen hatte. Eine Vergütung für das Tätigwerden als solches, wie sie abhängig Beschäftigten als Gehalt oder Lohn gezahlt wird, stand dem Kläger nicht zu.

37 In diesem Zeitraum beschäftigte der Kläger nach seinen Angaben auch keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

38 Im streitigen Zeitraum war der Kläger nicht für einen Auftraggeber tätig.

39 Für den Begriff des Auftraggebers findet sich keine gesetzliche Festlegung für das Rentenversicherungs- oder jedenfalls das Sozialversicherungsrecht, etwa im Sinne einer Legaldefinition. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber hierfür an gesetzliche Definitionen in anderen Gesetzen, wie beispielsweise an § 662 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angeknüpft hat (BSG, Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 3/08 R, abgedruckt in BSGE 105, 46 = SozR 4-2600 § 2 Nr. 12). Zwar lässt sich auch aus den Begründungen der jeweiligen Gesetzentwürfe für eine Auslegung des Begriffes des Auftraggebers nichts entnehmen. Weder gibt hierüber die Begründung zu § 7 SGB IV des Entwurfs des Korrektur-Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (Bundestags-Drucksache 14/45 S. 20) Aufschluss, die hinsichtlich der Frage, wer Auftraggeber ist, auf die „zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen“ verweist, noch hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Beschlussempfehlung zum Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 (Bundestags-Drucksache 16/1525, S. 27 ff.) eine Klärung herbeigeführt, als er eine Änderung des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI aus Anlass der Entscheidung des BSG vom 24. November 2005 – B 12 RA 1/04 R (abgedruckt in BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr. 7) befürwortete. Indessen kann zur Konkretisierung des Begriffes des Auftraggebers an frühere, an den damaligen parlamentarischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag gescheiterte, von der Fraktion der SPD im Dezember 1996 und vom Bundesrat im November 1997 eingebrachte Entwürfe eines Gesetzes zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit (Bundestags-Drucksache 13/6549 bzw. Bundestags-Drucksache 13/8942) angeknüpft werden. Nach beiden, mehr oder weniger textidentischen Entwürfen, sollte § 7 SGB IV um einen Abs. 2 im Sinne der später Gesetz gewordenen Vermutungsregelung ergänzt und als eines der Kriterien bestimmt werden, ob Personen insbesondere „regelmäßig nur für einen Auftraggeber tätig“ sind. Satz 2 eines neu einzufügenden Abs. 4 sollte eine Legaldefinition enthalten, wonach Auftraggeber „jede natürliche oder juristische Person oder Personengesamtheit (ist), die im Wege eines Auftrages oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- und Marketingkonzept überlässt“. In der Entwurfsbegründung war hierzu ausgeführt, dass Satz 2 eine Definition des Auftraggebers treffe, „die Vermittlungs- oder Agenturmodelle ebenso erfasst wie das Franchising“ (Bundestags-Drucksache 13/6549 S. 7; Bundestags-Drucksache 13/8942 S. 8). Auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Bundestages- Drucksache 13/10269) hat der Deutsche Bundestag die Gesetzesentwürfe seinerzeit im Kern mit der Begründung abgelehnt, dass sich die angesprochenen Probleme auf dem vorgeschlagenen Weg nicht lösen ließen. Entgegen einer vereinzelt gebliebenen Meinung hat der Gesetzgeber an diese ursprüngliche Begriffsdefinition mit dem Korrektur-Gesetz vom 19. Dezember 1998 und den nachfolgenden Änderungsgesetzen nachvollziehbar angeknüpft. Danach war auch im Hinblick auf den politischen Zweck der Neuregelungen im Korrektur-Gesetz, mithin der seit dem 01. Januar 1999 bestehenden Gesetzgebung als Konsequenz gewollt, dass der Begriff des Auftraggebers in § 7 Abs. 4 SGB IV weit verstanden und neben Vermittlungs- oder Agenturmodellen auch Franchise-Systeme erfasst werden sollten (BSG, Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 3/08 R).

40 Dieses im Kontext der Regelungen zur Bekämpfung der so genannten Scheinselbständigkeit gewonnene Verständnis lässt sich bei der Auslegung des Begriffes des Auftraggebers in § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchstabe b SGB VI auf diesen übertragen. Dass sich dessen (weite) Bedeutung im Zusammenhang mit der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 4 SGB IV gebildet hat, steht deshalb unter (gesetzes)systematischen Gesichtspunkten nicht entgegen, weil das Gesetz mit den Formulierungen „Auftraggeber“ in beiden Vorschriften stets den gleichen Sinngehalt verbunden hat und dieser Begriff keine spezifisch auf so genannte Scheinselbständige bezogene Formulierung darstellt, sondern, was seine Funktion als Abgrenzungsmerkmal betrifft, in der „Schnittmenge“ zwischen so genannten Scheinselbständigen und „arbeitnehmerähnlichen“ Selbstständigen zu verorten ist. Sowohl im Zusammenhang des § 7 Abs. 4 SGB IV als auch im Zusammenhang des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI kommt der Tätigkeit „nur für einen Auftraggeber“ nämlich gleichermaßen eine Indizwirkung für Abhängigkeit zu, im Kontext mit § 7 Abs. 4 SGB IV für eine persönliche Abhängigkeit (von einem Arbeitgeber), im Kontext mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI für eine wirtschaftliche Abhängigkeit (von einem Auftraggeber). Dieses Auslegungsergebnis ist unter teleologischen Gesichtspunkten geboten.

41 § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bezieht selbständig Tätige in die Rentenversicherungspflicht ein, die nach Auffassung des Gesetzgebers nicht weniger sozial schutzbedürftig sind als die sonstigen von § 2 Satz 1 SGB VI erfassten Selbständigen (Bundestags-Drucksache 14/45 S. 20). Als kennzeichnend für diesen Personenkreis wurde nicht die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen, sondern wurden vielmehr typische Tätigkeitsmerkmale angesehen, unter anderem das Merkmal, auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein. Diesem Merkmal darf eine Indizwirkung für die wirtschaftliche Lage des selbstständig Tätigkeiten beigelegt werden. Die Rentenversicherungspflicht setzt allerdings nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit des Versicherungspflichtigen voraus (BSG, Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 3/08 R). Für die Einbeziehung in die Rentenversicherung ist nämlich nicht die wirkliche, sondern die mutmaßliche Versicherungsbedürftigkeit entscheidend, die sich aus allgemeinen Merkmalen und der aus der durchschnittlichen Lebenslage der betroffenen Bevölkerungsgruppe ergibt. Die Versicherungspflicht setzt nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit jedes einzelnen Versicherungspflichtigen voraus, sondern beruht auf der Erfüllung des formalen gesetzlichen Tatbestandes, in dem nach Auffassung des Gesetzgebers die soziale Schutzbedürftigkeit typisierend zum Ausdruck kommt. Nicht anders als bei abhängig Beschäftigten ist insofern im geltenden Recht auch für die aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit Pflichtversicherten ohne Belang, ob sie wegen ihrer individuellen wirtschaftlichen Schwäche zu eigener Lebensvorsorge nicht fähig sind und daher einer Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens durch die Zwangsversicherung bedürfen (BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 12 RA 1/04 R, abgedruckt in BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr. 7).

42 Eine wirtschaftliche Abhängigkeit auf Dauer und im Wesentlichen von einem Auftraggeber liegt jedoch nicht lediglich bei einem Franchise-Verhältnis vor, das Gegenstand des Urteils des BSG vom 04. November 2009 – B 12 R 3/08 war. Es ist daher nicht wesentlich, dass im Verhältnis des Klägers zur A GmbH ein solches Franchise-Verhältnis, worauf der Kläger in seiner Berufung zutreffend hinweist, nicht bestand, weil er nicht zum Vertrieb von Produkten vertraglich verpflichtet war, nicht rechtlich und faktisch keine Möglichkeit zu weiterer (nennenswerter) unternehmerischer Betätigung hatte und nicht von der Erschließung (nennenswerter) zusätzlicher Verdienstmöglichkeiten ausgeschlossen war.

43 Eine Auslegung des Begriffes des Auftraggebers ist jedoch auf Verhältnisse selbständig Tätiger beschränkt. Dies folgt aus Gründen der (Gesetzes)Systematik, denn § 2 SGB VI regelt – im Gegensatz zu § 1 SGB VI – ausschließlich die Rentenversicherungspflicht Selbständiger. Ob diese Auslegung auf einen allgemeinen (sozial)versicherungsrechtlichen Grundsatz dahingehend, dass verschiedene nebeneinander ausgeübte Tätigkeiten (seien es selbständige Tätigkeiten und/oder abhängige Beschäftigungen) jeweils getrennt voneinander versicherungsrechtlich zu beurteilen sind (zu Mehrfachversicherungen: BSG, Urteil vom 13. September 1979 – 12 RK 26/77, abgedruckt in BSGE 49, 38 = SozR 2200 § 1227 Nr. 29), kann dahinstehen. Für eine enge Auslegung des Begriffs des Auftraggebers, die nur Verhältnisse selbständig Tätiger, nicht aber abhängig Beschäftigter erfasst, spricht aber, dass der für „arbeitnehmerähnliche“ Selbständige geschaffene Versicherungspflichttatbestand als Nr. 9 in einen (Gesamt)Zusammenhang mit den übrigen, selbständig Tätige erfassenden Versicherungspflichttatbeständen des § 2 Satz 1 SGB VI gestellt ist. Dieses Auslegungsergebnis ist auch im Hinblick auf den gesetzlichen (Schutz)Zweck geboten. Da es, wie dargelegt (BSG, Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 3/08 R und BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 12 RA 1/04 R), nicht auf die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit des Versicherungspflichtigen ankommt, ist es für den sozialen Schutzbedarf des Selbständigen ohne Bedeutung, ob daneben noch ein Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter besteht. Von diesem sozialen Schutzbedarf ausgehend ist es folgerichtig nicht wesentlich, ob die selbständige Tätigkeit hauptberuflich oder lediglich nebenberuflich, soweit die Grenze der Geringfügigkeit überschritten wird, neben einer Beschäftigung ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 7/08 R, abgedruckt in SozR 4-2600 § 2 Nr. 13).

44 Der Umstand, dass der Kläger, wie von ihm vorgetragen, in den Jahren 2000, ab September 2002 nur noch halbtags bis 2004 in einem Arbeitsverhältnis stand, hindert mithin nicht den Eintritt von Versicherungspflicht als selbständig Tätiger. Der Hinweis darauf, dass er auf die Tätigkeit bei der A GmbH wirtschaftlich nicht angewiesen gewesen sei, zeigt lediglich eine fehlende individuelle soziale Schutzbedürftigkeit an, auf die es jedoch nach dem Gesetz nicht ankommt.

45 Der Rechtsprechung des BSG folgend legt der Senat einen weit zu verstehenden Begriff des Auftraggebers zugrunde. Auftraggeber ist im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI jede natürliche oder juristische Person oder Personengesamtheit, die im Wege eines Auftrages oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- und Marketingkonzept überlässt und dadurch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des selbständig Tätigen ihr gegenüber begründet (so im Ergebnis auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. Juni 2009 – L 5 R 649/07). Eine solche Einbindung im Wege eines Auftrages erfordert jedoch, wie das BSG im Urteil vom 04. November 2009 – B 12 3/08 R nach Auffassung des erkennenden Senats ausgeführt hat, dass eine vertragliche Bindung besteht, die es dem selbständig Tätigen nicht nur ermöglicht, sich des Organisations- und Marketingkonzepts zu bedienen, sondern die ihm zugleich nicht nur unwesentliche Verpflichtungen auferlegten, für einen anderen, nämlich den Auftraggeber, auch tätig zu werden.

46 Danach war die A GmbH nicht Auftraggeberin des Klägers.

47 Die A GmbH überlässt dem Kläger zwar den Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- und Marketingkonzept. Bei der A GmbH handelt es sich um ein Direktvertriebsunternehmen, das seine Produkte und Dienstleistungen nicht selbst vermarktet. Es bietet weder selbst noch über Handelsketten oder Einzelhandelsbetriebe seine Produkte und Dienstleistungen unmittelbar dem Endverbraucher an. Vielmehr bedient es sich dazu, Direktvertriebsleute (Berater), die in eigenem Namen und für eigene Rechnung, aber unter Hinweis auf die bestehende Geschäftspartnerschaft mit der A GmbH diese Produkte und Dienstleistungen an den Endverbraucher verkaufen. Nach ihrem Organisations- und Marketingkonzept erschöpfen sich die vertraglichen Beziehungen zwischen der A GmbH und ihren Direktvertriebsleuten (Beratern) auch nicht im Ver- bzw. Ankauf von Produkten und Dienstleistungen, so dass sich die A GmbH nicht als schlichter Lieferant von Waren und Dienstleistungen darstellt. Wesentlich ist vielmehr, dass durch die Gewinnung weiterer Direktvertriebsleute durch die Direktvertriebsleute der Marktanteil der A GmbH vergrößert wird. Das Provisionssystem schafft hierbei für die Direktvertriebsleute den wirtschaftlichen Anreiz, um das Ziel der A GmbH nach Erhöhung ihres Marktanteils zu verwirklichen. Jeder Berater ist durch dieses Provisionssystem an den Verkäufen der Produkte und Dienstleistungen der von ihm gewonnenen Berater über die A GmbH beteiligt. Der gewünschte und erstrebte Zweck der geschäftlichen Beziehung zwischen der A GmbH und dem einzelnen Berater ist mithin nicht der Ver- und Einkauf von Produkten und Dienstleistungen, sondern die personelle Ausdehnung der für die A GmbH tätigen Direktvertriebsleute (Berater), um auf diese Weise den Umsatz zu steigern. Ein schlichter Lieferant von Produkten und Dienstleistungen erhält als Gegenleistung für die Lieferung eine Geldleistung; er zahlt jedoch nicht Geldleistungen für gelieferte Produkte und Dienstleistungen. Der unmittelbare Honoraranspruch des Beraters gegen die A GmbH in Gestalt der Provisionen ist ein, wenn nicht sogar das wesentliche, Merkmal des Organisations- und Marketingkonzepts der A GmbH. Im Unterschied dazu fehlt es an einem solchen Honoraranspruch beim Franchise-System, weswegen der Kläger des beim BSG anhängig gewesenen Verfahrens B 12 R 3/08 R den Franchise-Geber nicht als Auftraggeber hat bewerten wollen. Allerdings fehlt es trotz vertraglicher Rechtsbeziehungen an jeglicher rechtlicher Verpflichtung des Klägers, für die A GmbH tatsächlich tätig zu werden. Diese vertraglichen Rechtsbeziehungen bleiben insoweit sogar gegenüber denjenigen mit einem Endverbraucher, der als Auftraggeber anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 09. November 2011 – B 12 R 1/10 R, zitiert nach juris) zurück, denn gegenüber dem Endverbraucher wird der selbständig Tätige in der Regel vertraglich zu einer bestimmten Leistung verpflichtet. Damit war die A GmbH nicht Auftraggeber des Klägers.

48 Somit war der Kläger im streitigen Zeitraum nicht versicherungspflichtig nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, so dass er die von der Beklagten geforderten Beiträge auch nicht schuldet.

49 Die Berufung hat daher ebenso wie die Klage gegen die während des Berufungsverfahrens erteilten weiteren Bescheide Erfolg.

50 Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

51 Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.

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Rentenversicherung (6) Berater eines Direktvertriebsunternehmens (1)