Zum Umfang einer Bucheinsicht gemäß § 87 c Abs. 4 HGB

5 W 23/19 Beschluss verkündet am 31. Juli 2019 OLG Stuttgart Provisionsabrechnung, Buchauszug und Bucheinsicht, Provisionsanspruch

Oberlandesgericht Stuttgart
Im Namen des Volkes
Beschluss

In Sachen
[…]

wegen Auskunft

hier: Zwangsvollstreckung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 5. Zivilsenat – durch […] am 31.07.2019 beschlossen:

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 18.04.2019, Az. 23 O 1/17 KfH, wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1 1. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem titulierten Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht im Rahmen einer Stufenklage mit dem Ziel der Zahlung von Handelsvertreterprovision. Die Gläubigerin und ihre Rechtsvorgänger sind seit 1961 als Handelsvertreter für Zulieferprodukte der … im Nahen und Mittleren Osten tätig. Die Schuldnerin ist ein Hersteller von … Die Parteien schlossen am X.X.2004 einen Handelsvertretervertrag, welcher die Bestimmungen eines zuvor im Jahre 1995 geschlossenen Handelsvertretervertrags ablöste. Der Handelsvertretervertrag wurde von der Schuldnerin zum X.X.2011 gekündigt.

2 2. Mit Teilurteil des Senats vom 12.10.2018 (5 U 178/17) wurde die Schuldnerin rechtskräftig zur Einsichtsgewährung in ihre Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen verurteilt (hinsichtlich der genauen Tenorierung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen). Das Urteil betrifft das Jahr 2013. Für zusätzlich Zeitraume (bis November 2011, Dezember 2011, Jahr 2012, Jahr 2014) wurde die Schuldnerin ebenfalls rechtskräftig zur Bucheinsicht verurteilt. In Bezug auf diese Verurteilungen sind weitere Vollstreckungsverfahren anhängig (5 W 6/19, 5 W 7/19, 5 W 8/19, 5 W 24/19).

3 3. Der Tenor des zu vollstreckenden Urteils enthält die folgende Maßgaben für die Bucheinsicht:

„Einsicht in ihre Geschäftsbücher und sonstigen Urkunden zu gewähren bezüglich aller im Jahr 2013 ausgeführten – und wegen Zahlungseingangs des jeweiligen Kunden bei der Beklagten provisionspflichtig gewordenen – Verträge über den Verkauf von … und Ersatzteilen für … mit Kunden mit Sitz in den Staaten … sowie mit den … wobei die Einsicht für die einzelnen Verträge zu folgenden Angaben zu erfolgen hat:

i. Name des Kunden,
ii. Datum des Vertragsschlusses,
iii. Bezeichnung des Modells und des Layouts der verkauften … bzw. der hierfür verkauften Ersatzteile,
iv. Einzelpreis der verkauften … bzw. Ersatzteile,
v. vereinbarte Liefermenge,
vi. für die Lieferung vereinbarter Gesamtpreis,
vii. Rechnungsdatum, Rechnungsnummer(n) und Rechnungsbetrag,
viii. Datum der Ausführung des Geschäfts seitens der Beklagten,
ix. Datum der Ausführung des Geschäfts seitens des Vertragspartners der Beklagten,
x. Annullierung, Nichtauslieferung oder Stornierung nebst Angabe von Gründen,
xi. Retouren nebst Angabe von Gründen,
xii. beim Verkauf von …: Einzelheiten über etwaige Absprachen in Bezug auf anfängliche Ersatzteillieferungen,
xiii. etwaige Vereinbarungen über die spätere Aufrüstung der gelieferten … (Upgrades).“

4 4. Mit Vollstreckungsantrag vom 04.03.2019 beantragte die Gläubigerin gegen die Schuldnerin eine Zwangsgeldfestsetzung zur Erzwingung der Bucheinsicht, wobei die Verpflichtung zur Gewährung der Einsicht in die Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen beinhalten sollte,

– zum einen, dass die Schuldnerin der Gläubigerin sämtliche Verwahrungsorte unter Nennung der Anschrift, des Gebäudes, des Stockwerks und der genauen Räumlichkeiten (Zimmernummer) betreffend bestimmter Unterlagen über den Verkauf von … und Ersatzteilen bezüglich aller im Jahr 2013 ausgeführten Verträge mitzuteilen habe (Antrag Ziff. 1);

– zum anderen, dass die Schuldnerin dem Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin uneingeschränkten und unmittelbaren Zugriff auf die EDV-Systeme zu gewähren habe, welche Daten zu den relevanten Verkäufen enthalten; insbesondere habe die Schuldnerin Zugriff auf sämtliche darauf elektronisch gespeicherten Informationen zu ermöglichen, etwaige erforderliche Passwörter zu nennen, einen Zugang mit Administrationsrechten zur Verfügung zu stellen, sämtliche Nutzerkennungen mitzuteilen und auch Zutritt zu den Räumlichkeiten zu gewähren, in denen sich diese Systeme befinden (Antrag Ziff. 2).

5 Hilfsweise zum Antrag Ziff. 2 (für den Fall von dessen Unzulässigkeit wegen Vertretbarkeit der Handlungen) beantragte die Gläubigerin im Wege der Ersatzvornahme (unter Androhung von Ordnungsmitteln und bei Vorschussleistung der Schuldnerin), dass die Gläubigerin zur Vornahme des uneingeschränkten Zugriffs auf die EDV-Systeme der Schuldnerin ermächtigt werde, wobei die Schuldnerin die hierfür erforderlichen Maßnahmen zu dulden habe und die Herstellung des Zugriffs unterstützen müsse (Anträge Ziff. 2 bis Ziff. 6).

6 Zur genauen Formulierung des Vollstreckungsantrags wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

7 5. Die Gläubigerin hielt den Vollstreckungsantrag für gerechtfertigt, weil die Schuldnerin entgegen der Verurteilung zur Bucheinsicht bei der Vollstreckung auf Grundlage des Senatsurteils vom 19.01.2015 im parallelen Verfahren 5 U 18/14 – ersetzt durch Senatsurteil vom 17.01.2017 nach Aufhebung und Zurückverweisung durch den BGH – zum Zeitraum bis November 2011 (und wie zu erwarten auch bei der vorliegend verfahrensgegenständlichen Vollstreckung) dem von der Gläubigerin beauftragten Wirtschaftsprüfer keinen unmittelbaren Zugang zu den Geschäftsunterlagen gewähre, sondern nur zu „sorgfältig aufbereiteten“ Unterlagen. Außerdem verweigere die Schuldnerin die Auskunft über die Verwahrungsorte der Geschäftsunterlagen und verhindere so einen Zugriff des Gerichtsvollziehers. Wenn die Schuldnerin nur aufbereitete Unterlagen zur Verfügung stelle und im Übrigen dem Wirtschaftsprüfer den Zugang zu den vollständigen, unverfälschten Originalunterlagen und eine Auskunft zu deren Aufbewahrungsort verweigere, genüge dies nicht der gerichtlichen Anforderung zur Bucheinsicht. Außerdem seien die vorgelegten Unterlagen unvollständig (z.B. zunächst fehlendes Memorandum of Understanding mit … und unvollständige Korrespondenz zum … mit …). Zuletzt habe die Schuldnerin den Wirtschaftsprüfer mit 1.200 Aktenordnern überhäuft. Dies alles zeige, dass die Schuldnerin eine Einsicht in den unverfälschten Bestand der Geschäftsbücher vereiteln wolle. Um der Gläubigerin durch ihren Wirtschaftsprüfer eine eigene Suche nach relevanten Dokumenten zu erlauben, seien – im Rahmen der Verurteilung zur Bucheinsicht – die Aufbewahrungsorte von Unterlagen zu nennen und ein uneingeschränkter Zugriff auf die EDV-Systeme zu gewähren.

8 6. Die Schuldnerin trat dem Vollstreckungsantrag entgegen, weil er weit über die zugesprochene Bucheinsicht hinausgehe; die Gläubigerin begehre ein Durchsuchungsrecht. Die Schuldnerin sei zur Einsichtsgewährung bereit. Der Vollstreckungsantrag sei unzulässig, weil die Gläubigerin auf Grundlage des vorliegend verfahrensgegenständlichen Titels noch keinen Vollstreckungsversuch unternommen, sondern nur in dem Verfahren 5 U 18/14 – auf Grund des später ersetzten Titels – bereits 2015 die Bucheinsicht begonnen, dann aber abgebrochen habe. Die von der Gläubigerin verlangte Bucheinsicht überschreite die Grenzen der Einsichtnahme, die nicht der Ausforschung des Unternehmers diene. Damit sei der Vollstreckungsantrag auch unbegründet: Die Bucheinsicht gebe der Gläubigerin kein Recht, alle Unterlagen der Schuldnerin wie bei einer Buchprüfung zu durchleuchten. Ein Auskunftsanspruch zum Aufbewahrungsort von Unterlagen bestehe nicht; dessen ungeachtet teile die Schuldnerin die Anschriften mit, an denen sich die Unterlagen befinden (Einzelheiten Bl. 330/331). Der geforderte EDV-Zugriff sei für die Bucheinsicht weder hilfreich noch erforderlich, zudem sei dieser aus Rechtsgründen ausgeschlossen und der Schuldnerin unzumutbar (vor allem aus technischen Gründen, aus Gründen des Geheimnisschutzes und aus Gründen des Datenschutzes). Die Schuldnerin habe im Parallelverfahren bereits 2015 Einsicht in die elektronischen Bücher (mit einer Hilfsperson der Schuldnerin) gewährt und sei hierzu auch weiterhin bereit, wobei sich aber die Frage der Notwendigkeit einer EDV-Einsicht stelle. Demgegenüber könne die Gläubigerin nicht einen eigenen und uneingeschränkten Administrator-Zugang zu allen Daten und Datensystemen der Schuldnerin beanspruchen. Der Vollstreckungsantrag bestätige das rechtsmissbräuchliche Vorgehen der Gläubigerin.

9 7. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.04.2019 den Vollstreckungsantrag zurückgewiesen. Es fehle ein Vollstreckungsversuch. Das Einsichtsrecht der Gläubigerin werde durch die Erforderlichkeit und durch den Urteilstenor begrenzt. Der Gläubigerin sei die nunmehr begehrte uneingeschränkte Bucheinsicht in alle Unterlagen nicht zugesprochen worden. Es bestehe kein Anspruch auf Nennung der Orte von Unterlagen. Auch einen Anspruch auf uneingeschränkten Zugang zu allen EDV-Systemen habe die Gläubigerin nicht. Der Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin müsse die gelieferten Aktenordner durcharbeiten und mitteilen, ob noch Unterlagen fehlen. Ob die Bucheinsicht vollständig sei, könne die Gläubigerin im Hinblick auf die von ihr getätigten Geschäftsanbahnungen abgleichen. Offenzulegen seien nur Geschäfte im Zusammenhang mit einer Tätigkeit der Gläubigerin.

10 8. Gegen diesen Beschluss (und die sich anschließende Nichtabhilfe-Entscheidung) richtet sich die fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 08.05.2019. Das Landgericht habe die aufwändige Aufbereitung der im Parallelverfahren vorgelegten Unterlagen durch die Schuldnerin übergangen. Die vorgelegten Unterlagen seien unvollständig. Wenn die Schuldnerin die vorgelegten Unterlagen auswähle (wie bei einem Buchauszug), laufe dies der zugesprochenen Bucheinsicht zuwider, die eine eigene Ermittlung aufgrund des unverfälschten Bestands der Geschäftsbücher durch die Gläubigerin vorsehe. Der von der Gläubigerin beauftragte Wirtschaftsprüfer dürfe selbst über die Relevanz von Unterlagen entscheiden; dazu sei ihm Einsicht in alle Unterlagen und Daten ohne vorherige Aufbereitung zu gewähren. Der Geheimnisschutz der Schuldnerin werde durch den zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer gewährt, der im Parallelverfahren ordnungsgemäß die Einsichtnahme in alle urteilsrelevanten Geschäftsunterlagen verlangt habe. Die Nennung der (konkreten, nicht nur adressmäßigen) Aufbewahrungsorte sei zur Vorbereitung einer Vollstreckung nach § 883 ZPO geboten. Die Bucheinsicht umfasse den ungehinderten Zugang zum EDV-System für den hierfür qualifizierten Wirtschaftsprüfer (mit dem Ziel des Auffindens von Dokumenten), weil Handelsbücher auch auf Datenträgern geführt werden können. Die 1.200 Aktenordner (mit Unterlagen zu Ersatzteilen) seien nicht vorrangig durchzuarbeiten; die Gläubigerin könne den Ablauf der Bucheinsicht bestimmen. Das Überhaufen mit Unterlagen diene der Behinderung.

II.

11 Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde hat durch den Senat zu erfolgen, weil der angefochtene Beschluss durch den Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen und damit nicht durch einen Einzelrichter im Sinne von § 568 Satz 1 ZPO getroffen wurde (BGH NJW 2004, 856 f.).

12 Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin nach § 793 ZPO ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet, weil das Landgericht zu Recht die Festsetzung von Zwangsmitteln gegen die Schuldnerin und die (hilfsweise beantragte) Ermächtigung der Gläubigerin abgelehnt hat. Zwar ist der Vollstreckungsantrag nach § 888 ZPO zulässig (nachfolgend 1.). Ausgehend von den – auch bei der Vollstreckung maßgeblichen – gesetzlichen Grenzen des Rechts auf Bucheinsicht (nachfolgend 2.) kann die Gläubigerin aber nicht die Nennung der Aufbewahrungsorte von Unterlagen verlangen (nachfolgend 3.) und auch nicht die Einräumung eines uneingeschränkten EDV-Zugangs für ihren Wirtschaftsprüfer (nachfolgend 4.).

13 1. Der Vollstreckungsantrag ist zulässig.

14 a) Der Vollstreckungsantrag ist gemäß § 888 Abs. 1 ZPO statthaft, weil er in seiner konkreten Ausgestaltung unvertretbare Handlungen der Schuldnerin zum Gegenstand hat. Grundsätzlich wird der Anspruch auf Bucheinsicht zwar gemäß 887 ZPO vollstreckt, wobei die vorübergehende Überlassung der Geschäftsunterlagen im Geschäftslokal des Unternehmers nach § 883 ZPO durchgesetzt werden kann (Hopt, Handelsvertreterrecht, 6. Aufl. 2019, § 87c HGB Rn. 28; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich, Vertriebsrecht, 2. Aufl. 2018, § 87c HGB Rn. 103; MüKo HGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87c HGB Rn. 82). Bei den konkreten Maßnahmen, um deren Erzwingung es der Gläubigerin zur Erlangung der Bucheinsicht gemäß § 87c Abs. 4 ZPO geht, handelt es sich aber nicht um vertretbare Handlungen. Die Abgrenzung zu vertretbaren Handlungen nach § 887 ZPO richtet sich danach, ob die Handlung nur vom Schuldner persönlich oder jedenfalls unter persönlicher Mitwirkung des Schuldners vorgenommen werden kann (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl. 2016, § 888 ZPO Rn. 2). Dies ist für die Nennung des genauen Aufbewahrungsortes von Unterlagen und für die Gewährung von Zugriff auf die EDV-Systeme der Fall. Nur die Schuldnerin (genauer: die bei ihr zuständigen Mitarbeiter) kennen die genauen Lagerorte und können den beantragten Zugriff auf die EDV einrichten. Über die Bucheinsicht (und die zugehörige Auswertung der Bücher) hinaus, sollen damit Handlungen oder Wissensmitteilungen erzwungen werden, die ein Dritter nicht ersatzweise vornehmen kann. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch nur über die Antrage Ziff. 1 und Ziff. 2 zu entscheiden. Die von der Gläubigerin hilfsweise – für den Fall, dass der Antrag Ziff. 2 vertretbare Handlungen nach § 887 Abs. 1 ZPO betreffen sollte – gestellten Antrage Ziff. 3 bis Ziff. 6 müssen mangels Bedingungseintritt nicht beschieden werden.

15 b) Bei der nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen weiten Betrachtung lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis für die von der Gläubigerin beantragte Festsetzung von Zwangsmitteln nicht verneinen. Der Antrag auf Zwangsmittelfestsetzung ist nur bei bestehendem Rechtsschutzbedürfnis zulässig, das nach allgemeinen Grundsätzen fehlt, wenn der Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (BGH NJW 2013, 2906 Rn. 8). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin ergibt sich schon daraus, dass die Schuldnerin nicht bereit ist, den von der Gläubigerin im Rahmen der Vollstreckung der Bucheinsicht für notwendig erachteten Maßnahmen Folge zu leisten. Ob die Gläubigerin tatsächlich die Schuldnerin zu diesen Maßnahmen zwingen kann, ist eine Frage der Begründetheit. Die beantragten Maßnahmen sind auch nicht von vornherein ungeeignet, um eine Bucheinsicht zu fordern. Wie die Gläubigerin im Ansatz durchaus nachvollziehbar ausgeführt hat, geht es ihr darum, für ihren Wirtschaftsprüfer einen möglichst weitgehenden Zugang zu den Unterlagen und EDV-Systemen der Schuldnerin herzustellen, um eine aus ihrer Sicht effektive Bucheinsicht durchzuführen. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Vollstreckungsantrag rechtsmissbräuchlich zur Steigerung der Vergleichsbereitschaft der Schuldnerin dienen würde. Die verschiedenen von der Gläubigerin angestrengten Vollstreckungsverfahren beruhen darauf, dass für die betreffenden Zeiträume mehrere Erkenntnisverfahren durchgeführt wurden. Eine willkürliche Aufspaltung ist nicht ersichtlich.

16 2. Der vorliegend tenorierte Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht steht unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit nach § 87c Abs. 4 HGB und ermöglicht daher nur eine nach dem Zweck der Bucheinsicht begrenzte Einsicht in die Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen der Schuldnerin.

17 a) Im vorliegenden Vollstreckungsrechtsstreit geht es im Kern um die Reichweite der Bucheinsicht und um begleitende Mitwirkungspflichten der Schuldnerin. Zur Bestimmung der titulierten Rechte und Pflichten ist von den folgenden vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen auszugehen:

18 aa) Vollstreckungsgrundlage ist der vom Handelsvertreter erstrittene Titel, dessen Berechtigung im Vollstreckungsverfahren nicht mehr zu prüfen ist (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lowisch, HGB, 3. Aufl. 2014, § 87c HGB Rn. 89). Bei der Vollstreckung gemäß § 888 ZPO darf der Antrag über das nach dem Titel Geschuldete nicht hinausgehen; der Antrag darf immer nur darauf gerichtet sein, ein künftiges Verhalten zu erzwingen (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufigen Rechtsschutz, 6. Aufl. 2016, § 888 ZPO Rn. 24). Das Vollstreckungsgericht muss prüfen, ob die vorzunehmenden Maßnahmen durch den Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung gedeckt sind. Der im Titel enthaltene Ausspruch, dessen Inhalt im Zweifelsfall im Wege der Auslegung, gegebenenfalls unter Heranziehung der Entscheidungsgründe zu ermitteln ist, begrenzt dem Umfang nach die Verpflichtung des Schuldners; nicht titulierte Bereiche können selbst dann nicht vollstreckt werden, wenn sie nach Anspruchszweck oder Entscheidungsgründen materiell-rechtlich erfasst sein müssten (BayObLG NJW-RR 1989, 132, 133 für die Vollstreckung einer Auskunftspflicht).

19 bb) In Übereinstimmung hiermit darf eine titulierte Verpflichtung zur Bucheinsicht über den Inhalt des Titels hinaus nicht im Vollstreckungswege sachlich erweitert werden. Inhalt und Umfang des Urteilsausspruchs können aber im Wege der Auslegung im Verfahren gemäß § 888 ZPO verdeutlicht werden (BGH NJW-RR 1993, 1154). Diese Auslegung ist insbesondere im Hinblick darauf möglich, dem Gläubiger eine sinnvolle Zwangsvollstreckung zu ermöglichen (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl. 2016, § 888 ZPO Rn. 4). Wenn der Urteilsausspruch der gesetzlichen Formulierung nach § 87c Abs. 4 HGB folgt, ist zur Bestimmung der Tragweite des Titels im Wege der Auslegung die gesetzliche Bestimmung heranzuziehen (OLG Frankfurt BB 2002, 427 f.). Auch ohne die ausdrückliche Aufnahme der Erforderlichkeit in den Tenor ist diese Beschränkung bei der vorliegenden Vollstreckung zu beachten: Die Beschränkung ergibt sich bereits daraus, dass die tenorierte Bucheinsicht der Gläubigerin auf Grundlage von § 87c Abs. 4 HGB zugesprochen wurde und damit die in dieser Vorschrift genannte Erforderlichkeit als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch zur Auslegung der Reichweite des Tenors heranzuziehen ist – insbesondere in der Vollstreckung.

20 b) Für die Frage, ob die Schuldnerin die von der Gläubigerin verlangten Handlungen vornehmen muss, kommt es damit auf die Pflichtenlage nach § 87c Abs. 4 HGB an.

21 aa) Die Bucheinsicht ist zunächst vom Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 HGB abzugrenzen: Der Buchauszug muss in Form einer geordneten Zusammenstellung alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszuges über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann, also Umstände betreffend die Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmer und Kunden (Hopt, Handelsvertreterrecht, 6. Aufl. 2019, § 87c HGB Rn. 15). Der Buchauszug muss sämtliche in den Büchern verzeichneten Geschäfte mit den in den Büchern enthaltenen Angaben vollständig erfassen und klar, geordnet und übersichtlich darstellen, um dem Handelsvertreter eine Nachprüfung zu ermöglichen, wobei der Buchauszug aus sich heraus verständlich sein muss (BGH BeckRS 2011, 4459 Rn. 13).

22 bb) Demgegenüber hat die Bucheinsicht in erster Linie eine Kontrollfunktion:

23 (1) Die Bucheinsicht als im Vergleich zum Buchauszug weitergehendes Recht soll der Kontrolle der Abrechnung oder des Buchauszuges dienen und den Handelsvertreter in die Lage versetzen, Gewissheit über die provisionspflichtigen Geschäfte zu erlangen (BGH BeckRS 2008, 24497; OLG Düsseldorf NJOZ 2008, 525, 526). In dieser Funktion ist die Bucheinsicht ein besonders gestalteter Hilfsanspruch (BGH NJW 1960, 1662, 1664). Sie soll dem Gläubiger schnell und unmittelbar Kenntnis von den der Auskunftspflicht unterliegenden Tatsachen verschaffen (BGH NJW 1971, 656, 657). Im Ausgangspunkt erstreckt sich das Einsichtsrecht grundsätzlich auf die gesamten Geschäftsunterlagen des Unternehmers: Dem Einsichtsrecht unterliegen alle Bücher und Unterlagen, in denen Tatsachen festgehalten sein können, welche die von § 87c HGB erfassten Zahlungsansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertretervertrag betreffen können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.07.1999, 16 W 29/99, juris Rn. 5). Von der Einsicht erfasst werden auch elektronische geführte Geschäftsunterlagen, das heißt die technischen Hilfsmittel zur Dokumentation und Festhaltung geschäftlicher Vorgänge, wie Computer- und EDV-Systeme (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.09.2014, 16 U 124/13, juris Rn. 57).

24 (2) Wie schon der Gesetzeswortlaut zeigt, besteht das Einsichtsrecht nicht uneingeschränkt (MüKo HGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87c HGB Rn. 72; Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich, Vertriebsrecht, 2. Aufl. 2018, § 87c HGB Rn. 90). Der Anspruch reicht nur so weit, wie die Einsicht zur Feststellung der (Un-)Richtigkeit oder (Un)Vollständigkeit der Abrechnungen oder des Buchauszuges erforderlich ist, also nicht ohne weiteres, sondern nur nötigenfalls in sämtliche Bücher (Hopt, Handelsvertreterrecht, 6. Aufl. 2019, § 87c HGB Rn. 25). Das lnformationsinteresse des Handelsvertreters ist nur insoweit geschützt, als die Einsichtnahme für den Zweck der Verifikation des Provisionsanspruchs notwendig ist (Oetker/Busche, HGB, 6. Aufl. 2019, § 87c HGB Rn. 30). In den einzusehenden Geschäftsbüchern oder Unterlagen müssen sich Anhaltspunkte für die konkret zu treffenden Feststellungen finden können (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lowisch, HGB, 3. Aufl. 2014, § 87c HGB Rn. 79). Die Einsicht erstreckt sich dabei auf alle für die Ansprüche des Handelsvertreters relevanten Dokumente im Besitz des Unternehmers (Staub/Emde, HGB Großkommentar, 5. Aufl. 2008, § 87c HGB Rn. 156; NK-HGB/Lehmann, 1. Aufl. 2017, § 87c HGB Rn. 40). Dies sind neben den Geschäftsbüchern alle sonstigen Unterlagen des Unternehmers, die für die Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszuges wesentliche Angaben enthalten (Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich, Vertriebsrecht, 2. Aufl. 2018, § 87c HGB Rn. 91). Nach ihrer Funktion ist damit die Bucheinsicht durch ihren Kontrollzweck begrenzt. Diese Beschränkung gilt auch für eine nach Maßgabe des § 87c Abs. 4 HGB titulierte Einsichtnahme, die demnach keine Grundlage für die Einsichtnahme in alle Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen im Geschäftsbetrieb „schlechthin“ bildet, sondern eine Einsicht nur zu den angeführten Kontrollzwecken erlaubt (OLG München NJW 1964, 2257 zu einem Teilvergleich).

25 3. Unter Beachtung des Grundsatzes der Erforderlichkeit erlaubt es die titulierte Bucheinsicht der Gläubigerin nicht, die Schuldnerin zur Nennung der konkreten Aufbewahrungsorte möglicher Unterlagen für die Bucheinsicht zu zwingen.

26 aa) Die Einsichtnahme hat im Geschäftslokal des Unternehmers zu erfolgen, ohne dass die Überlassung zur Einsichtnahme an einem anderen Ort verlangt werden kann (MüKo HGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87c HGB Rn. 77; Oetker/Busche, HGB, 6. Aufl. 2019, § 87c HGB Rn. 32). Ob der Unternehmer darüber hinaus die Unterlagen auch an einem anderen für den Handelsvertreter gut zugänglichen Ort bereithalten kann (so Flohr/Wauschkuhn/Fröhlich, Vertriebsrecht, 2. Aufl. 2018, § 87c HGB Rn. 96), muss nicht entschieden werden, da die Schuldnerin zumindest im Grundsatz eine Bereitstellung an ihrem Sitz angeboten hat. Ausgehend hiervon ist die Schuldnerin befugt, die Unterlagen für die Bucheinsicht zusammenzuführen und an einem Ort innerhalb ihrer Geschäftsraume zu konzentrieren Die Unterlagen bleiben in der Verfügungsbefugnis der Schuldnerin, daher steht ihr auch ein Bestimmungsrecht über deren Aufbewahrungsort zu. Sie muss lediglich den ungehinderten Zugang des Wirtschaftsprüfers der Gläubigerin zu den von der Bucheinsicht erfassten relevanten Unterlagen sicherstellen.

27 bb) Vorliegend möchte die Gläubigerin die Aufbewahrungsorte erfahren, um über ihren Wirtschaftsprüfer (mit Hilfe des Gerichtsvollziehers, § 758 ZPO) nach Unterlagen zu suchen. Diese beabsichtigte Suche (und damit die vorbereitende Nennung der Aufbewahrungsorte) geht aber über den titulierten Anspruch hinaus. Die vorliegend titulierte Bucheinsicht ist in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Die Bucheinsicht wird nach § 87c Abs. 4 HGB nur zur Feststellung der Richtigkeit und der Vollständigkeit der erteilten Abrechnungen gewährt. Erfasst sind nur Vorgänge in einem bestimmten Zeitraum, in bestimmten Staaten und mit bestimmten Kunden. Darüber hinaus sind die Angaben aufgelistet, zu denen die Einsicht gewährt werden muss, das heißt um deren Verifizierung es letztlich geht. Durch die Auflistung der „Angaben“, auf die sich die Bucheinsicht erstreckt, erfolgt eine Erleichterung der Einsichtnahme, weil deren Zielrichtung vorgegeben wird und die Schuldnerin die genannten Unterlagen nicht vorenthalten darf; darüber hinaus begrenzt die im Tenor enthaltene Auflistung aber auch die Verpflichtung der Schuldnerin. Sie muss Unterlagen ohne Bezug zu diesen Angaben nicht offenlegen. In den Entscheidungsgründen des zu vollstreckenden Urteils heißt es insofern, „dass das zuerkannte Bucheinsichtsrecht nicht uneingeschränkt besteht, sondern auf die im Tenor angeführten Informationen beschränkt ist“ (Seite 20). Die Konkretisierungen im Urteilstenor dienen damit ausweislich der Entscheidungsgründe einerseits dem Interesse der Gläubigerin an einer effektiven Vollstreckung, andererseits soll aber für die Schuldnerin aufgezeigt werden, was von ihr verlangt wird.

28 cc) Das von der Gläubigerin beanstandete Vorgehen der Schuldnerin, der Gläubigerin nicht von vorneherein umfassenden Zugang zu allen Unterlagen ihres Unternehmens zu gewähren, entspricht den vorgenannten Maßgaben. Eine umfassende Suche ist deshalb nach dem Gläubigervortrag nicht gerechtfertigt.

29 (1) Es ist ein legitimes, auch vom Gesetz anerkanntes Interesse der Schuldnerin, die Einsichtnahme auf die relevanten Unterlagen zu begrenzen. Der Vorwurf der Gläubigerin, die Schuldnerin versuche vorliegend, entgegen dem Titel nur einen Buchauszug bereit zu stellen, erschließt sich nicht. Die Schuldnerin hat konkrete Geschäftsunterlagen und nicht nur Übersichten oder Zusammenfassungen vorgelegt. Hinsichtlich der Debitorenlisten ist es legitim, unter Auswahl von im Urteil genannten Selektoren oder Suchkriterien eine inhaltlich auf die für den Provisionsanspruch relevanten Kunden, Staaten und Zeiträume zu erzeugen – jedenfalls wenn diese Konkretisierung im Beisein des Wirtschaftsprüfers der Gläubigerin erfolgt. Die Schuldnerin hat ein ausführliches Protokoll hierzu vorgelegt, in dem eine ausgewogene Vorgehensweise dargestellt wird (Anlage S8). Auch wenn über den genauen Hergang der Ortstermine Streit besteht und sich die beteiligten Wirtschaftsprüfer gegenseitig Vorwürfe machen, ist doch erkennbar, dass sich die Schuldnerin kooperativ verhalten hat. Dem Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin stand und steht es frei, zu einzelnen Punkten nachzufragen oder um Erläuterung zu ersuchen. Für die Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit der Grundlagen des Provisionsanspruchs ist aber insbesondere keine vollständige Einsicht in die weltweiten Debitorenlisten der Schuldnerin erforderlich.

30 (2) Um dem vorliegend beschränkten Charakter der Bucheinsicht Rechnung zu tragen (insbesondere nach Staaten, Kunden, Zeitraum), ist die Gläubigerin (durch ihren Wirtschaftsprüfer) dazu angehalten, im Wege einer – auch weit formulierten – Anforderung mitzuteilen, in welche „urteilsrelevanten“ Unterlagen aus ihrer Sicht Einsicht genommen werden soll. Dem ist der Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin zunächst auch nachgekommen (Anlage S15). Weil es sich um eine Vollstreckung durch die Gläubigerin als „Herrin des Verfahrens“ handelt, muss die Schuldnerin umgekehrt Rücksicht darauf nehmen, welche Unterlagen der Wirtschaftsprüfer anfordert und sich zu den Anforderungen erklären, falls sie diesen mangels „Urteilsrelevanz“ nicht oder nur teilweise entsprechen will (siehe vorliegend Anlage S16). Dabei gilt, dass im Zweifel die Unterlagen vorzulegen sind. Aussortierungen aus Ordnern oder Schwärzungen muss die Schuldnerin offenlegen und auf Nachfrage auch begründen. Darüber hinaus kann der Schuldnerin auch eine beschränkte Nachschau zumutbar sein, etwa am Arbeitsplatz von Sachbearbeitern, denen die Vertragsbeziehungen mit den vorliegend relevanten Kunden/Staaten zugewiesen ist.

31 (3) Demgegenüber würde der titulierte Rahmen weit überschritten, wenn die Gläubigerin – wie offenbar im vorliegenden Fall – ein Recht zur Einsichtnahme in alle Unterlagen und ein hierzu dienendes Suchrecht für sich beanspruchen würde. Der auf eine konkrete Handelsvertreterbeziehung begrenzte Kontrollzweck der Bucheinsicht ist nicht mehr gewährt, wenn die Gläubigerin auch in nicht vom Auskunftsrecht des Handelsvertreters umfasste Unterlagen ohne jede Kontrolle seitens der Schuldnerin Einsicht nehmen will, um auszuschließen, dass sich dort relevante Informationen befinden. Sofern der Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin eine „Prüfung der Vollständigkeit“ bezweckt und deshalb einen Gesamtzugriff fordert (Anlage S13 in den Verfahren 5 W 6/19, 5 W 7/19 und 5 W 8/19), entspricht dies nicht dem grundsätzlich weiten, inhaltlich aber dennoch konkretisierten Charakter der vorliegend tenorierten Bucheinsicht. Mit dieser Begründung könnte eine umfassende Durchsicht aller Unterlagen eines Unternehmens verlangt werden und die gesetzliche Begrenzung auf die Erforderlichkeit liefe leer. Diese Art der Negativkontrolle entspricht nicht dem vorliegend nur mit einem beschränkten Zweck und in beschränktem Umfang titulierten Recht auf Bucheinsicht. Mit dem Hinweis, nur so sei eine effektive Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit möglich, dürfen nicht die vom Titel in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht gezogenen Grenzen überschritten werden. Gerade bei einem größeren Unternehmen wie der Schuldnerin betrifft sogar die überwiegende Mehrzahl der Unterlagen nicht die streitgegenständliche Handelsvertreterbeziehung.

32 (4) Gibt es Anhaltspunkte für einen „Urteilsbezug“ sowie in Zweifelsfällen (etwa bei Sammelordnern oder unklaren Ordnerbeschriftungen), steht dem Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin ein Recht zur überschlägigen Prüfung der Notwendigkeit der Einsicht zu, um vom Titel erfasste Unterlagen identifizieren und irrelevante Unterlagen aussortieren zu können. Erlangt der Wirtschaftsprüfer dabei Kenntnis über für den Provisionsanspruch nicht relevante Umstände, ist er (offenbar entgegen der Auffassung des Wirtschaftsprüfers der Gläubigerin, Anlage S12, Seite 2) insoweit auch gegenüber seiner Mandantin – das heißt gegenüber der Gläubigerin – zur Verschwiegenheit und Vertraulichkeit verpflichtet. Die in der titulierten Bucheinsicht vorgesehene Beschränkung auf eine zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Person dient nämlich gerade auch dem Interesse des Schuldners an der Geheimhaltung nicht relevanter Informationen. Die Einsichtnahme durch einen Wirtschaftsprüfer – und nicht durch den Handelsvertreter persönlich – vermeidet eine ungebührliche Belastung des Unternehmers (BGH NJW 1960, 1662, 1663). Das Wahlrecht für einen Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen ist dem Unternehmer an die Hand gegeben, um seinem Geheimhaltungsinteresse Rechnung tragen zu können (OLG Frankfurt BB 2002, 427, 428). Dieser Mechanismus steht einer Weitergabe oder Wiedergabe nicht relevanter Informationen vom Wirtschaftsprüfer an seinen Auftraggeber entgegen. Weil die entsprechenden Unterlagen nicht weitergereicht werden dürfen, besteht grundsätzlich auch kein Recht zur Anfertigung von Kopien nicht relevanter Unterlagen. Angesichts der vom Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin (zu) weit geforderten Zugangsmöglichkeiten und der (wenig nachvollziehbaren) Diskussion über seine Verschwiegenheit, darf die Schuldnerin das Anfertigen von Kopien durch den Wirtschaftsprüfer zumindest im vorliegenden Fall begleiten oder ihn auf die Anfertigung von Kopien auf seine Anforderung hin, ausgeführt durch die Schuldnerin, verweisen.

33 dd) Das von der Gläubigerin behauptete umfassende und uneingeschränkte Prüfungsrecht in Bezug auf alle Unterlagen zur Vollständigkeitsprüfung widerspricht damit dem klaren Willen des Gesetzgebers und der anerkannten höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, die Bucheinsicht nur unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit zu gewähren. Unter Zugrundelegung dieser Grenzen des Einsichtsrechts muss die Schuldnerin der Gläubigerin nicht alle möglichen Aufbewahrungsorte von möglicherweise relevanten Unterlagen mitteilen.

34 (1) Soweit die Gläubigerin offenbar meint, ihrem Wirtschaftsprüfer stünde ein Durchsuchungsrecht an diesen Orten im Rahmen der Bucheinsicht zur Verfügung, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Bei der Durchführung der Bucheinsicht ist der Unternehmer in der Tat verpflichtet, dem Einsichtnehmenden, den Zutritt zu sämtlichen Räumen zu gestatten, in denen sich für das Einsichtsrecht bedeutsame Unterlagen befinden können; dies umfasst bei unvollständigen Büchern auch die Befugnis zur Suche nach fehlenden Unterlagen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lowisch, HGB, 3. Aufl. 2014, § 87c HGB Rn. 80). Ein Recht zur Nachschau ist damit nur anzuerkennen, wenn es konkrete Hinweise dafür gibt, dass die Schuldnerin nicht alle verlangten Unterlagen vorlegt, sondern relevante Unterlagen in ihrem Geschäftslokal oder an einem anderen Ort verbirgt. Das Maß des Zugriffs auf Räume des Unternehmens ist dabei ebenfalls verhältnismäßig zu gestalten und fällt intensiver aus, wenn es Anhaltspunkte für das gezielte Beiseiteschaffen von Unterlagen gibt, als wenn nur einzelne Ungenauigkeiten aufgetreten sind. Im zweiten Fall ist es der Gläubigerin zunächst zumutbar, die Schuldnerin um eine Erklärung und Vervollständigung zu bitten, gerade wenn viele Unterlagen eingesehen werden sollen. Auch eine punktuelle Nachschau am Arbeitsplatz zuständiger Sachbearbeiter kann nach der Eingriffsintensität zur Ausräumung aufgetretener Unstimmigkeiten noch zumutbar sein. Ohne konkrete Verdachtsmomente verstößt es aber gegen den auch bei der Zwangsvollstreckung zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der Gläubigerin (durch ihren Wirtschaftsprüfer) eine unbeschränkte Suchmöglichkeit im kompletten Unterlagenbestand der Schuldnerin zuzugestehen.

35 (2) Die von der Gläubigerin (beispielhaft) geschilderten Unstimmigkeiten hinsichtlich des „Memorandum of Understanding“ und der Korrespondenz zum […] begründen keine Verdachtsmomente für ein umfassendes Such- und Auskunftsrecht. Das Memorandum war in den zur Verfügung gestellten Unterlagen enthalten. Von den Mitarbeitern der Schuldnerin kann nicht verlangt werden, dass sie jederzeit wissen, wo ältere Unterlagen abgeheftet sind. Auch hinsichtlich der […]-Korrespondenz war es der Schuldnerin gestattet, angesichts des Vertragsschlusses 2012 die Frage nach der Urteilsrelevanz zu stellen und Unterlagen erst auf Nachfrage herauszugeben. Schließlich ist auch das von der Gläubigerin geschilderte Überhaufen mit Unterlagen nicht erkennbar. Bei einer weiten Anforderung muss die Gläubigerin die Vorlage vieler Unterlagen akzeptieren; bestehen – wie bei den 1.200 Ordnern – Unstimmigkeiten dazu, warum diese vorgelegt wurden, kann der Wirtschaftsprüfer der Gläubigerin eine Klarstellung oder Beschränkung seiner Anforderung vornehmen oder die Schuldnerin um Erläuterung zum Inhalt und zur Struktur der vorgelegten Ordner ersuchen. Vor diesem Hintergrund steht der Gläubigerin vorliegend kein Nachschaurecht für komplette Bereiche wie Buchhaltung, Vertrieb und Rechtsabteilung zu, in denen sich gehäuft vertrauliche Unterlagen der Schuldnerin befinden, die mit dem vorliegenden Fall gar nichts zu tun haben (so aber wohl die Forderung des Wirtschaftsprüfers, Anlage S13 in den Verfahren 5 W 6/19, 5 W 7/19 und 5 W 8/19).

36 4. Auch soweit es der Gläubigerin um die Einrichtung einer eigenständigen Zugriffsmöglichkeit ihres Wirtschaftsprüfers auf die EDV-Systeme der Schuldnerin geht, hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin keinen Erfolg.

37 aa) Wie ausgeführt, umfasst die Bucheinsicht durchaus die Einsichtnahme in EDV-Systeme (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.09.2014, 16 U 124/13, juris Rn. 57; Hopt, Handelsvertreterrecht, 6. Aufl. 2019, § 87c HGB Rn. 25; Staub/Emde, HGB, Großkommentar, 5. Aufl. 2008, § 87c HGB Rn. 156).

38 bb) Nach dem geschilderten Grundsatz der Erforderlichkeit ist es hiervon aber nicht erfasst, dass dem von der Gläubigerin beauftragten Wirtschaftsprüfer ein eigenständiger und umfassender Zugriff auf das gesamte EDV-System der Schuldnerin zu gewähren wäre. Aus den erwähnten Gründen ist der Unterlagenbestand für die Bucheinsicht begrenzt. Es ist legitim, wenn die Schuldnerin sicherstellen will, dass die Gläubigerin die durch den Titel gezogenen Grenzen einhält. Auch insofern ist vorliegend nicht zu erkennen, warum die Gläubigerin (durch ihren Wirtschaftsprüfer) eine umfangreiche Negativkontrolle durch einen schrankenlosen Zugriff auf die EDV der Schuldnerin vornehmen können sollte. Schon aus datenschutzrechtlichen Gründen, aber auch zum Schutz ihrer nicht die Handelsvertreterbeziehung betreffenden Geschäftsgeheimnisse darf die Schuldnerin auch die elektronische Bucheinsicht begleiten und kontrollieren. Schon deshalb ist es nicht geboten, dem Wirtschaftsprüfer eine eigene Zugriffsmöglichkeit auf das EDV-System der Schuldnerin zuzugestehen. Vielmehr ist es ihm zumutbar, einen begleiteten Lese-Zugriff vorzunehmen – was etwa durch einen leitenden Mitarbeiter der Schuldnerin erfolgen kann, dem Anweisungen für die vorzunehmende Recherche im EDV-System gegeben werden können. Nur so kann die Schuldnerin sicherstellen, dass die titulierten Grenzen beachtet werden. Falls dem Wirtschaftsprüfer der Zugriff auf aus seiner Sicht relevante Daten verwehrt wird, kann hierzu gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Die Grenzen der titulierten Bucheinsicht werden aber bei weitem überschritten, wenn der Wirtschaftsprüfer einen uneingeschränkten Zugriff auf den gesamten Datenbestand der Schuldnerin erhalten würde.

39 cc) Noch dazu ist nicht nachvollziehbar, warum für die Bucheinsicht sogar ein Administrator-Zugriff geboten sein soll, der umfangreiche Berechtigungen nicht nur für den passiven Lese-Zugriff, sondern gerade auch für aktive Veränderungen am EDV-System beinhalten würde. Zwar hat die Gläubigerin zuletzt in den Verfahren 5 W 6/19, 5 W 7/19 und 5 W 8/19 geschildert, dass es ihr nur auf einen Lese-Zugriff ankomme, der Vollstreckungsantrag wurde aber (auch im vorliegenden Verfahren) nicht beschränkt.

40 dd) Von der Funktion der Bucheinsicht nicht umfasst ist es schließlich, wenn die Gläubigerin darüber hinaus sämtliche Nutzerkennungen erfahren will und Zugang zu den Räumen mit den EDV-Systemen begehrt. Es erschließt sich nicht, wieso solche Maßnahmen technisch geboten sein sollen.

III.

41 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

42 2. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO sind nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen von § 574 Abs. 2 ZPO liegen hinsichtlich der im Fall aufgeworfenen Fragen zur Durchführung der Bucheinsicht nicht vor. Die Grundsätze zur Bucheinsicht sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Die von der Gläubigerin aufgeworfenen Fragestellungen betreffen zudem einen Einzelfall.

43 3. Die Wertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG, § 3 ZPO. Das dem Zwangsmittelantrag zu Grunde liegende lnformationsinteresse der Gläubigerin wurde mit 1/5 des Betrags für die Stufenklage bewertet.

Schlagwörter
Wirtschaftsprüfer (2) nicht vertretbare Handlung (1) Handelsvertreterprovision (2) EDV-System (1) Bucheinsicht (3) Buchauszug (43) Auskunftsanspruch (14) Aufbewahrungsort (1)