Zur Berechnung und Darlegung des Ausgleichsanspruchs eines Bausparkassenvertreters nach dem Gesetz

6 U 473/23 Urteil verkündet am 11. April 2024 OLG Koblenz Versicherungsvertreterrecht

Oberlandesgericht Koblenz
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

[…]

wegen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2024 für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Mainz vom 09.03.2023 abgeändert und die Klage abgewiesen.

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Mainz vom 09.03.2023 wird zurückgewiesen.

  1. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

  1. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten über Ausgleichsansprüche des Klägers gemäß § 89b HGB hinsichtlich der Vermittlung von Bausparverträgen und Baufinanzierungen.

Der Kläger war vom 15.09.1984 bis zum 30.06.2016 als Handelsvertreter bei der Beklagten, einer Bausparkasse, aufgrund eines Gebietsleitervertrages (Anlage B 1, LG 141 ff.) tätig. Er betreute am Ende insgesamt 768 Bestandskunden, primär in den ihm vertraglich zugeteilten Kerngebieten Hürth, Brühl, Wesseling, Bornheim, Alfter, Troisdorf und Teilen von Köln. Er vermittelte Bausparverträge, für die er Einmalprovisionen in Höhe von 10 Promille der Bausparsumme erhielt bzw. 12 Promille, wenn der Bausparvertrag „riester‑gefördert“ war. Zudem vermittelte er Baufinanzierungsverträge, für die er 0,1 % der provisionspflichtigen Darlehenssumme pro Jahr Laufzeit erhielt. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien am 22.12.1982, dass die Beklagte dem Bausparvertrag Nr. 762553 F des Klägers monatlich Sparzahlungen, die im Vertrag als „Alterssicherung“ bezeichnet wurden, zuführt, bis der Kläger sein 65. Lebensjahr vollendet. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage B 1 (LG 141 ff.) Bezug genommen. Die Bausparsumme in Höhe von 53.500,00 € wurde 1991 zuteilungsreif. Hiervon beabsichtigte der Kläger, Immobilien für die Altersvorsorge zu erwerben. Der Kläger tilgte das Darlehen noch bis mindestens 2019. Hinsichtlich der in den Jahren 1988 bis 2008 aus Mitteln der Beklagten erfolgten Alterssicherung wird auf die Anlage B 2 Bezug genommen (LG 144).

Zum 30.04.2014 vereinbarten, die Parteien, dass der Kläger seine Bestandskunden aus den Städten Hürth, Brühl und Wesseling abgibt. Hierfür sollte der Kläger einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB erhalten. Im April 2015 machte der Kläger den Ausgleichsanspruch gegenüber der Beklagten geltend und verlangte eine Abrechnung. In der Folgezeit kündigte die Beklagte das Handelsvertreterverhältnis mit dem Kläger vollständig zum 30.06.2016. Auch diesbezüglich machte der Kläger Ausgleichsansprüche geltend.

Hinsichtlich des Sach‑ und Streitstands im Einzelnen einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (LG 412 ff.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 24.065,15 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Klage wurde abgewiesen, soweit der Kläger für die Zeiträume bis 30.04.2014 und bis 30.06.2016 höhere Ausgleichsansprüche und die Auszahlung einer Stornoreserve begehrt hatte. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Gesamtanspruch in Höhe von 24.065,15 € gemäß § 89b Abs. 1, 5 HGB. Die Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs im Bausparbereich seien nicht anwendbar, da die Parteien sich hierauf nicht geeinigt hätten. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei zum 30.04.2014 zum Teil und zum 30.06.2016 vollständig beendet worden. Der Kläger habe im Laufe seiner Tätigkeit neue Bauspar‑ und Finanzierungsverträge geschlossen und einen umfangreichen Kundestamm nachgewiesen, den er selbst akquiriert habe. Jedenfalls gelte dies als zugestanden, da die Beklagte die Neuheit der Verträge nicht bestritten habe. Aus diesen Verträgen würden der Beklagten weiterhin Unternehmensvorteile erwachsen. Die Beklagte habe den vom Kläger gewonnenen Kundenstamm an andere Handelsvertreter weitergegeben. Die Betreuung dieser Kunden lasse erwarten, dass neue Verträge geschlossen würden, von denen die Beklagte wirtschaftlich profitiere.

Der Ausgleichsanspruch sei anhand der Provisionen der letzten zwölf Monate hochgerechnet auf vier Jahre zu berechnen, wobei eine Abwanderungsquote von 20 % und eine Abzinsung von 10 % zu berücksichtigen seien. Zudem seien ein Abschlag in Höhe von 20 % wegen der vermuteten Sogwirkung der Marke sowie ein weiterer Abschlag in Höhe von 50 % vorzunehmen, weil gemäß § 89b Abs. 5 Satz 1 und 3 HGB nur diejenigen Verträge ausgleichspflichtig seien, die mit dem Erstvertrag in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stünden. Nach der zuvor dargelegten Berechnungsmethode ergebe sich zum 30.04.2014 ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 8.446,50 € und zum 30.06.2016 in Höhe von 15.618,55 €.

Der Kläger habe keine Ansprüche aus § 89b Abs. 1 HGB bezüglich der Baufinanzierungsverträge, weil es an einem Vortrag zur Stammkundenquote fehle, die für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs erforderlich sei. Der Gesamtausgleichsanspruch in Höhe von 24.065,15 € entspreche auch unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit. Insbesondere seien von der Beklagten geleistete Zahlungen in einen Bausparvertrag des Klägers, der zum Erwerb von der Alterssicherung dienenden Immobilien abgeschlossen wurde, nicht anzurechnen. Es fehle an einer funktionellen Verwandtschaft der Zahlungen, weil der Kläger nicht bei seinem Ausscheiden als Handelsvertreter von den Zahlungen der Beklagten profitiert habe. Bezüglich der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (LG 412 ff.).

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagte und der Kläger mit ihren Berufungen vom 06.04.2023 und 14.04.2023, mit denen sie ihre erstinstanzlichen Rechtsschutzziele weiterverfolgen, wobei der Kläger die Auszahlung der Stornoreserve nicht mehr geltend macht.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Berechnung der Ausgleichsansprüche durch das Landgericht. Der Bausparkassenvertreter müsse darlegen, welche der von ihm vermittelten Bausparverträge sich bei natürlicher Betrachtung als Fortsetzung oder Erweiterung der von ihm zuvor vermittelten Bausparverträge darstellten und welche dieser in engem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Folgeverträge demselben Bausparbedürfnis gedient hätten. Diesen Anforderungen entspreche der Vortrag des Klägers nicht. Aus den Provisionsabrechnungen ließen sich keine Rückschlüsse auf die ausgleichsrelevanten Provisionen ziehen. Die im Urteil angesetzte Quote für ausgleichspflichtige Folgegeschäfte von 50 % habe keine erkennbare Tatsachengrundlage. Die Quote spiegele die aktuellen Marktverhältnisse und Rahmenbedingungen unzutreffend wider. Bereits anlässlich der Vereinbarung der am 01.10.1984 in Kraft getretenen sog. Grundsätze Bausparen sei der Anteil des ausgleichspflichtigen Folgegeschäfts mit einem Mittelsatz von lediglich 20,25 % des Ausgangswerts bemessen worden. Sie treffe hinsichtlich des Folgegeschäfts keine sekundäre Darlegungslast. Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass ihr keine Informationen dazu vorlägen, welche abgeschlossenen Folgeverträge im Bereich Bausparen demselben Bausparbedürfnis dienten. Der Kläger habe nicht mitgeteilt, wie und anhand welcher Kriterien er die nicht anrechnungsfähigen Geschäfte aus seinen Vertragsaufstellungen herausgestrichen habe. Die vom Landgericht angenommene Abwanderungsquote von 20 % pro Jahr und eines daran anknüpfenden Prognosezeitraums von vier Jahren sei im Bauspargeschäft nicht vertretbar. Die von ihr zugunsten des Klägers vorgenommene Altersvorsorge (34.194,47 €) sei anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mainz vom 09.03.2023 (AZ 11 HK O 1/18) aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

  1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

  1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mainz vom 09.03.2023 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 56.448,52 € nebst Zinsen von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

                              die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit ihm Ausgleichsansprüche zugesprochen wurden, und führt zur Begründung seiner Berufung sowie des Antrags auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Wesentlichen aus:

Das Landgericht habe ihm zu Unrecht keinen Ausgleichsanspruch hinsichtlich der von ihm vermittelten Baufinanzierungen zugesprochen. Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs hinsichtlich der Baufinanzierungen sei nach § 89b Abs. 5 HGB zu ermitteln, da der Kläger als Bausparkassenvertreter tätig geworden sei. Auf die nach § 89b Abs. 1 HGB maßgebliche Stammkundenquote komme es insoweit nicht an. Das Landgericht hätte vor einer Abweisung der Klage darauf hinweisen müssen, dass es den Klagevortrag zur Stammkundenquote für unzureichend halte, dann wäre vorgetragen worden, dass die Stammkundenquote 100 % betragen habe. Alle mit den Anlagen K 10 bis K 13 (LG 201 ff.) dargelegten Finanzierungen seien solche mit Stammkunden gewesen, da die Gewährung einer Baufinanzierung bei einer Bausparkasse auch einen Bausparvertrag voraussetze. Auf Basis der gesetzlichen Reglung des § 89b Abs. 5 HGB errechne sich für die von ihm vermittelten Baufinanzierungen zum 30.04.2014 ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 2.624,49 € und zum 30.06.2016 in Höhe von 35.751,67 €. Bei der Berechnung seien eine Abwanderungsquote von 20 % und ‑ weil nur Verträge in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang zu berücksichtigten seien ‑ ein weiterer Abzug in Höhe von 50 % vorzunehmen. Eine Sogwirkung der Marke der Beklagten sei dagegen nicht zu berücksichtigen, da die Beklagte hierzu nichts vorgetragen habe. Auf Basis der als Anlage K 9 (LG 197 ff.) vorgelegten Grundsätze ergebe sich für die von ihm vermittelten Baufinanzierungen zum 30.04.2014 ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 2.322,28 € und zum 30.06.2016 ein solcher in Höhe von 7.676,94 €. Es erschließe sich nicht, weshalb das Landgericht bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs für die von ihm vermittelten Bausparverträge eine Abzinsung vorgenommen habe. Auch in diesem Bereich sei keine Sogwirkung der Marke der Beklagten anzunehmen. Im Hinblick auf die Vermittlung von Bausparverträgen sei bei einer Berechnung nach der gesetzlichen Regelung des § 89b Abs. 5 HGB von einem Ausgleichsanspruch in Höhe von 10.640,40 € zum 30.04.2014 und einem weiteren Ausgleichsanspruch in Höhe von 19.601,29 € auszugehen, wobei zur Schätzung der Verträge in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang ein Abzug von 50 % vorzunehmen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei es nicht erforderlich, dass er zu jedem Vertrag einzeln den wirtschaftlichen Zusammenhang darlege, sondern er könne auf statistisches Material zurückgreifen.

Zudem sei bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber § 89b HGB als Reaktion auf die Semen‑Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs angepasst habe und die dem Vertreter entgehenden Provisionen danach nur noch ein Gesichtspunkt in einer Gesamtschau seien. Entscheidend seien die dem Unternehmer zugeflossenen Vorteile. Die Ermittlung des Vorteils aus dem Durchschnitt der Provisionen der letzten vier Jahre sei zur Ermittlung des Unternehmervorteils besser geeignet als ein Abstellen auf die letzten 12 Monate.

Der Kläger hat zunächst mit der Berufungsbegründung vom 14.06.2023 (OLG 49 ff.) hilfsweise im Wege der Stufenklage Auskunfts‑, Buchauszugs‑ und Zahlungsansprüche gegen die Beklagte hinsichtlich Folgeverträgen angekündigt. Diese Anträge hat er mit Schriftsatz vom 09.08.2023 (OLG 91 f.) zurückgenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2024 (OLG 112 ff.) Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Beklagten und des Klägers sind zulässig, in der Sache hat jedoch nur die Berufung der Beklagten Erfolg, während die Berufung des Klägers erfolglos bleibt.

  1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1, 5 HGB im Hinblick auf von ihm vermittelte Bausparverträge und Baufinanzierungen zu. Die Berufung der Beklagten hat deshalb in der Sache Erfolg.

  1. a) Der Kläger war für die Beklagte als Bausparkassenvertreter tätig und vermittelte Baufinanzierungen. Das Vertragsverhältnis des Klägers zu der Beklagten endete vollständig zum 30.06.2016, so dass insoweit der Anwendungsbereich des § 89b Abs. 1, 5 HGB eröffnet ist. Ob auch die teilweise Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1, 5 HGB kraft Gesetzes begründet, kann dahinstehen, da die Parteien einen solchen Ausgleichsanspruch auch hinsichtlich der abgegebenen Bestandskunden vereinbart haben.

  1. b) Die Ausgleichsansprüche zum 30.04.2014 und zum 30.06.2016 sind rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 89b Abs. 4, 5 Satz 1 und 3 HGB geltend gemacht worden und nicht nach § 89b Abs. 3, 5 HGB ausgeschlossen.

  1. c) Eine Berechnung des vom Kläger für vermittelte Bausparverträge begehrten Ausgleichsanspruchs zum 30.04.2014 und zum 30.06.2016 auf der gesetzlichen Grundlage des § 89b Abs. 1, 5 HGB, ist dem Senat mangels eines substantiierten, einlassungsfähigen Vortrags des Klägers nicht möglich.

Gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, 3 HGB kommt es zur Berechnung des Ausgleichs darauf an, dass der Bausparkassenvertreter neue Bausparverträge vermittelt hat, aus denen der Unternehmer nach Ende des Handelsvertreterverhältnisses erhebliche Vorteile hat. Der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrags steht es gleich, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Bausparvertrag so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Vertrags entspricht. Das Folgegeschäft muss in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erstgeschäft stehen und demselben Bausparbedürfnis dienen (BGH, Urteil vom 23.11.2011 ‑ VIII ZR 203/10 Rn. 30 m.w.N. ‑ alle Entscheidungen zitiert nach juris, soweit nicht anders angegeben). Der einen Ausgleichsanspruch geltend machende Kläger trägt die Darlegungs‑ und Beweislast für diese Voraussetzungen (BeckOK HGB/Lehmann, 41. Ed. 01.01.2024, HGB § 89b Rn. 191; OLG München, Urteil vom 09.02.2017 ‑ 23 U 4079/15, ZVertriebsR 2017, 194 Rn. 21 und 28). Die Beklagte trifft vorliegend keine sekundäre Darlegungslast, da der Kläger als primär darlegungsbelastete Partei nicht außerhalb des hier maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt, der seine eigene Vertriebstätigkeit betrifft, selbst aufklären kann (vgl. OLG München, a.a.O., Rn. 28).

Aus den mit Schriftsatz vom 29.03.2019 (LG 191 ff.) vorgelegten Anlagen K 10 bis K 13 (LG 201 ff.) zu den Bausparverträgen lässt sich nicht entnehmen, ob und ggf. in welchem Maße es sich um Folgeverträge mit einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem Erstvertrag handelt, die demselben Bausparbedürfnis dienen. Der Kläger hat nach eigenem Bekunden aus den zuvor genannten Aufstellungen zu den Bausparverträgen nicht anrechnungsfähige Geschäfte herausgestrichen (Schriftsatz vom 29.03.2019, Seite 2, LG 192). Bei den in den Aufstellungen genannten Verträgen soll es sich demnach ausschließlich um Folgegeschäfte handeln. Diese Folgegeschäfte wurden von der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.10.2019 (dort Seite 3, LG 253) bestritten, wobei die Beklagte sich darauf berufen hat, dass die Aufstellungen des Klägers für sie nicht nachvollziehbar und teilweise fehlerhaft (Kunden D. S. und N. D.) seien. Hinsichtlich der am 30.04.2014 abgegebenen Kunden hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.03.2019 (dort Seite 1 f., LG 191 f.) angegeben, dass er den abgegebenen Kundenstamm nicht namentlich verifizieren könne, er könne lediglich vortragen, dass es Kunden aus den Städten Bonn, Brühl, Hürth und Wesseling seien. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.10.2019 (dort Seite 2 f., LG 252 f.) dagegen vorgebracht, dass dem Kläger die Stadt Bonn zu keinem Zeitpunkt als Kerngebiet zugewiesen gewesen sei und dass sie die in der Anlage K 10 aufgeführten Personen aus Bonn nicht gefunden habe. Soweit der Kläger im Rahmen der Berufungsverhandlung vorgetragen hat, dass es sich bei den von ihm angegebenen „Kontonummern“ um die Vertragsnummern handele, und er zuvor bereits unter Beweisantritt vorgetragen hat, dass anhand der Vertragsnummer ersichtlich sei, ob es sich um Folgeverträge handele (Schriftsatz vom 27.03.2019, Seite 6, LG 196), war diesem nicht nachzugehen, da ‑ selbst wenn es sich um Folgeverträge handeln würde ‑ noch nicht ersichtlich ist, dass diese in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem Erstvertrag, den der Kläger seinerseits nicht angegeben hat, stehen und im selben Bausparinteresse erfolgt sind. Der Kläger selbst hat mit Schriftsatz vom 27.03.2019 (dort Seite 6, LG 196) eingeräumt, dass anhand der Vertragsnummer nicht ersichtlich sei, ob der Vertrag im selben Bausparinteresse erfolgt ist.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass alle von ihm angegebenen Folgeverträge solche in demselben Bausparinteresse seien. Soweit er angegeben hat, dass er alle Verträge, die nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem Erstvertrag stehen würden und nicht in demselben Bausparinteresse erfolgt seien, aus seinen Aufstellungen herausgenommen habe (Schriftsatz vom 27.03.2019, Seite 3, LG 193), ist nicht ersichtlich anhand welcher Kriterien und in welchem Umfang dies erfolgt sein soll. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, dass er die Streichungen und Aufstellungen aus seiner Erinnerung heraus erstellt habe. Dies stellt keinen substantiierten Vortrag zu dem wirtschaftlichen Zusammenhang und zu dem Bausparinteresse dar.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Anteil der Folgeverträge mit einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem Erstvertrag und in demselben Bausparinteresse auf 50 % geschätzt werden könne. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Tatsachengrundlage diese Schätzung des Klägers erfolgt. Soweit der Kläger zur Untermauerung seiner Schätzung ausführt, dass die Sparer in der Regel Kleinverdiener seien, die Verträge für nur eine Immobilie schließen würden und sich kaum eine weitere leisten würden oder weitere Verträge abschließen würden, wurde dies von der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.10.2019 (dort Seiten 4 und 7, LG 253 und 257) bestritten. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.07.1972 ‑ VII ZR 75/71, auf die der Kläger sich zur Begründung der Folgequote von 50 % bezieht, lässt sich eine solche Folgequote nicht ableiten. Der Bundesgerichtshof hat es in der zuvor genannten Entscheidung aus dem Jahre 1972 lediglich nicht beanstandet, dass ein Berufungsgericht den Anteil der ausgleichsfähigen Nachtragsverträge zum Zeitpunkt der damaligen Entscheidung auf 50 % aller Zweitverträge geschätzt habe. Er hat damit jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Folgequote stets anzunehmen und angemessen ist. An der heutigen Angemessenheit einer solchen Quote bestehen angesichts des seit 1972 verstrichenen Zeitraums und der Tatsache, dass in den „Grundsätzen zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89 b HGB) im Bausparbereich“ (nachfolgend Grundsätze Bausparen), die vom Verband der Privaten Bausparkassen e. V., der Bundesgeschäftsstelle der Landesbausparkassen und dem Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK) erstellt wurden, der Anteil des ausgleichspflichtigen Folgegeschäfts lediglich mit einem Mittelsatz von 20,25 % festgelegt ist, bereits Zweifel. Zudem nimmt der Bundesgerichtshof in der zuvor genannten Entscheidung auf ein Urteil des siebten Zivilsenats vom 23.02.1961 (VII ZR 237/59, NJW 1961, 1059, 1061) Bezug, in der er ausgeführt hat, dass zur Ermittlung der Zweitabschlüsse im selben Bausparinteresse auf statistisches Material zurückgegriffen werden kann. Solches statistisches Material hat der Kläger im vorliegenden Fall jedoch nicht vorgelegt. Hierauf hat der Senat in der Berufungsverhandlung ‑ insoweit nicht protokolliert ‑ hingewiesen.

  1. d) Im Hinblick auf die Baufinanzierungen ist ein Anspruch auf gesetzlicher Grundlage ebenfalls nicht substantiiert dargelegt, unabhängig davon, ob man die Vorschrift des § 89b Abs. 5 HGB ‑ wie der Kläger annimmt ‑ oder diejenige des § 89b Abs. 1 HGB ‑ wie die Beklagte annimmt ‑ für anwendbar erachtet. Der Senat kann es vorliegend deshalb offenlassen, ob § 89b Abs. 1 oder Abs. 5 HGB anzuwenden ist.

Soweit § 89b Abs. 1 HGB anzuwenden ist, ist zur Stammkundenquote vorzutragen. Die Behauptung des Klägers, dass die Stammkundenquote 100 % betrage, weil die Gewährung einer Baufinanzierung bei einer Bausparkasse auch einen Bausparvertrag voraussetze, ist hierfür nicht ausreichend. Nach § 89b Abs. 1 HGB ist auf neue Kunden abzustellen, die der Handelsvertreter geworben hat (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB) oder zu denen er die Geschäftsverbindung wesentlich erweitert hat (§ 89b Abs. 1 Satz 2 HGB). Beides hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Soweit § 89b Abs. 5 HGB anzuwenden ist, hat der Kläger zu Folgegeschäften mit wirtschaftlichem Zusammenhang zum Erstgeschäft vorzutragen. Die Beklagte hat Folgegeschäft im Bereich der Baufinanzierungen bestritten und hierzu ausgeführt, dass viele ihrer Kunden bei Auslaufen der Zinsbindung zu günstigeren Anbietern wechseln würden (Schriftsatz vom 30.10.2019, Seite 6, LG 256). Statistische Angaben zur Ermittlung einer Folgegeschäftsquote sind auch im Bereich der Baufinanzierungen seitens des Klägers nicht erfolgt, so dass keine Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO besteht.

  1. e) Soweit der Kläger sich hilfsweise auf die Grundsätze Bausparen und die „Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89 b HGB) im Finanzdienstleistungsbereich des Verbandes der Privaten Bausparkassen e.V. und des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK)“ (nachfolgend Grundsätze Finanzdienstleistungen) beruft, besteht ‑ selbst wenn man die Angaben des Klägers, die von der Beklagten bestritten wurden, unterstellt ‑ ebenfalls kein Ausgleichsanspruch des Klägers.

  1. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die zuvor genannten Grundsätze als Schätzgrundlage für einen Mindestausgleichsanspruch herangezogen werden (vgl. BGH, Urteile vom 23.11.2011, a.a.O., Rn. 38, 46 m.w.N. und vom 08.05.2014 ‑ VII ZR 282/12 Rn. 23).

  1. bb) Auf Grundlage der Grundsätze Bausparen und Finanzdienstleistungen (Anlagen K 1 und K 9) errechnet sich auf Basis der von der Klägerseite im Schriftsatz vom 27.03.2019 und in den Anlagen K 10 bis K 13 genannten Zahlen, die von der Beklagten bestritten werden, ein Gesamtausgleichsanspruch in Höhe von 24.436,10 €.

(1) Im Bereich der Baufinanzierungen würde sich auf Basis der im Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.03.2019 genannten Jahresprovisionen ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 498,83 € zum 30.04.2014 errechnen.

Ausgangswert für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist nach I. 1. der Grundsätze Finanzdienstleistungen die durchschnittliche Jahresprovision der letzten vier Jahre aus dem Finanzdienstleistungsgeschäft abzüglich etwa vereinbarter Verwaltungsprovisionen und abzüglich etwa nicht verdienter Einarbeitungsprovisionen bzw. Garantieprovisionen. Laut dem Kläger handelt es sich bei dem von ihm genannten Provisionen ausschließlich um anrechnungsfähige Provisionen, so dass die von ihm im Schriftsatz vom 27.03.2019 genannten Zahlen ohne weitere Kürzungen der Berechnung zugrunde gelegt werden können und sich eine durchschnittliche Jahresprovision von 3.854,43 € ergibt (15.417,70 € : 4).

Der Anteil des ausgleichspflichtigen Folgegeschäfts ist nach I. 2. Satz 1 der Grundsätze Finanzdienstleistungen mit einem Mittelsatz von 10 % des Ausgangswerts nach I. 1. pauschal festgelegt. Das Verfahren gilt nach I. 2. Satz 2 der Grundsätze Finanzdienstleistungen auch für Teilvertragsbeendigungen in Form von Bestandsverkleinerungen, wobei die spätere Berücksichtigung einer Alters‑ oder Hinterbliebenenversorgung unberührt bleibt. Danach würde sich ein Betrag in Höhe von 385,44 € errechnen (10 % von 3.854,43 €).

Um dem Gesichtspunkt der Billigkeit Rechnung zu tragen ist gemäß II. der Grundsätze Finanzdienstleistungen der nach I. der Grundsätze errechnete Ausgleichswert entsprechend der Dauer der hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit des Vertreters für das Bausparunternehmen mit einem in den Grundsätzen festgelegten Faktor (Multiplikator) zu multiplizieren. Hier ist aufgrund der mehr als 11‑jährigen Tätigkeit des Klägers der Multiplikator 4 anzusetzen. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 1.541,76 € (385,44 € x 4).

Zudem ist nach III. der Grundsätze Finanzdienstleistungen ein Treuebonus von 20,25 % der Bemessungsgrundlage nach I. 1. der Grundsätze anzusetzen, da der Kläger mehr als 15 Jahre für die Beklagte tätig war. Es ergibt sich ein Betrag in Höhe von 780,52 € (20,25 % von 3.854,43 €).

Bezogen auf den Anteil der von dem Kläger abgegebenen Kunden (21,48 % der Kunden) errechnet sich ein Ausgleichsanspruch zum 30.04.2014 für den Bereich der Baufinanzierungen in Höhe von 498,83 € (1.541,76 € + 780,52 € = 2.322,28 € und davon 21,48 % = 498,93 €).

(2) Nach dieser Berechnungsmethode würde sich auf Basis der von dem Kläger angegebenen Zahlen, deren Richtigkeit und Vollständigkeit unterstellt, ein Provisionsanspruch für den Bereich Baufinanzierungen zum 30.06.2016 in Höhe von 5.204,04 € errechnen.

Ausgangswert für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist nach I. 1. der Grundsätze Finanzdienstleistungen die durchschnittliche Jahresprovision der letzten vier Jahre aus dem Finanzdienstleistungsgeschäft abzüglich etwa vereinbarter Verwaltungsprovisionen und abzüglich etwa nicht verdienter Einarbeitungsprovisionen bzw. Garantieprovisionen. Laut dem Kläger handelt es sich bei dem von ihm genannten Provisionen ausschließlich um anrechnungsfähige Provisionen, so dass die von ihm im Schriftsatz vom 27.03.2019 genannten Zahlen ohne weitere Kürzungen der Berechnung zugrunde gelegt werden können und sich eine durchschnittliche Jahresprovision von 8.637,41 € ergibt (34.549,65 € : 4).

Der Anteil des ausgleichspflichtigen Folgegeschäfts ist nach I. 2. Satz 1 der Grundsätze Finanzdienstleistungen mit einem Mittelsatz von 10 % des Ausgangswerts nach I. 1. pauschal festgelegt. Danach würde sich ein Betrag in Höhe von 863,74 € errechnen (10 % von 8.637,41 €).

Um dem Gesichtspunkt der Billigkeit Rechnung zu tragen ist gemäß II. der Grundsätze Finanzdienstleistungen der nach I. der Grundsätze errechnete Ausgleichswert entsprechend der Dauer der hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit des Vertreters für das Bausparunternehmen mit einem in den Grundsätzen festgelegten Faktor (Multiplikator) zu multiplizieren. Hier ist aufgrund der mehr als 11‑jährigen Tätigkeit des Klägers der Multiplikator 4 anzusetzen. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 3.454,96 € (863,74 € x 4).

Zudem ist nach III. der Grundsätze Finanzdienstleistungen ein Treuebonus von 20,25 % der Bemessungsgrundlage nach I. 1. der Grundsätze anzusetzen, da der Kläger mehr als 15 Jahre für die Beklagte tätig war. Es ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1.749,08 € (20,25 % von 8.637,41 €).

Es errechnet sich ein Ausgleichsanspruch zum 30.06.2014 für den Bereich der Baufinanzierungen in Höhe von 5.204,04 € (3.454,96 € + 1.749,08 €).

(3) Für die Vermittlung der Bausparverträge errechnet sich auf Basis der vom Kläger angegebenen Zahlen, deren Richtigkeit und Vollständigkeit unterstellt, nach den Grundsätzen Bausparen zum 30.04.2014 ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 1.356,68 €.

Ausgangswert für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist nach I. 1. der Grundsätze Bausparen die durchschnittliche Jahresprovision der letzten vier Jahre aus dem eingelösten Geschäft abzüglich etwa vereinbarter Verwaltungsprovisionen und abzüglich etwa nicht verdienter Einarbeitungsprovisionen bzw. Garantieprovisionen. Danach errechnet sich auf Grundlage der vom Kläger mit Schriftsatz vom 27.03.2019 (dort Seite 2, LG 192) angegebenen Zahlen eine durchschnittliche Jahresprovision für den Zeitraum 2011 bis 2014 in Höhe von 6.238,00 € (bei zutreffender Addition der Einzelbeträge 24.952,00 € : 4).

Der Anteil des ausgleichspflichtigen Folgegeschäfts ist nach I. 2. Satz 2 der Grundsätze Bausparen mit einem Mittelsatz von 20,25 % des Ausgangswerts nach I. 1. pauschal anzusetzen. Es errechnet sich gerundet ein Betrag in Höhe von 1.263,20 €.

Nach II. der Grundsätze ist der nach I. der Grundsätze errechnete Ausgleichswert (hier 1.263,20 €) entsprechend der Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit des Vertreters für das Bausparunternehmen mit einem in den Grundsätzen festgelegten Faktor zu multiplizieren. Hier ist der Faktor 4 zu wählen, da der Kläger mehr als 12 Jahre im Unternehmen der Beklagten tätig war. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 5.052,80 €.

Zudem ist im vorliegenden Fall nach III. der Grundsätze Bausparen ein Treuebonus von 20,25 % der Bemessungsgrundlage (6.238,00 €) anzusetzen, da der Kläger mehr als 19 Jahre für die Beklagte tätig war. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 1.263,20 €.

Bei einer vollständigen Beendigung des Vertragsverhältnisses ergäbe sich danach für 2014 ein Ausgleichsanspruch im Bereich Bausparen von 6.316,00 € (5.052,80 € + 1.263,20 €). Bezogen auf den Anteil der Teilbeendigung (21,48 % der Kunden) errechnet sich ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 1.356,68 € zum 30.04.2014.

(4) Für die Vermittlung der Bausparverträge errechnet sich auf Basis der vom Kläger angegebenen Zahlen, deren Richtigkeit und Vollständigkeit unterstellt, nach den Grundsätzen Bausparen zum 30.06.2016 ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 17.376,55 €.

Ausgangswert für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist nach I. 1. der Grundsätze Bausparen die durchschnittliche Jahresprovision der letzten vier Jahre aus dem eingelösten Geschäft abzüglich etwa vereinbarter Verwaltungsprovisionen und abzüglich etwa nicht verdienter Einarbeitungsprovisionen bzw. Garantieprovisionen. Danach errechnet sich auf Grundlage der vom Kläger mit Schriftsatz vom 27.03.2019 (dort Seite 4, LG 194 und 210 ff.) genannten Zahlen bei zutreffender Addition der Einzelwerte eine durchschnittliche Jahresprovision für den Zeitraum 2014 bis 2016 in Höhe von 17.162,00 € (68.648,00 € : 4).

Der Anteil des ausgleichspflichtigen Folgegeschäfts ist nach I. 2. Satz 2 der Grundsätze Bausparen mit einem Mittelsatz von 20,25 % des Ausgangswerts nach I. 1. pauschal anzusetzen. Es errechnet sich gerundet ein Betrag in Höhe von 3.475,31 €.

Nach II. der Grundsätze Bausparen ist der nach I. der Grundsätze errechnete Ausgleichswert (hier 3.475,31 €) entsprechend der Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit des Vertreters für das Bausparunternehmen mit einem in den Grundsätzen festgelegten Faktor zu multiplizieren. Hier ist der Faktor 4 zu wählen, da der Kläger mehr als 12 Jahre im Unternehmen der Beklagten tätig war. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 13.901,24 €.

Zudem ist im vorliegenden Fall nach III. der Grundsätze Bausparen ein Treuebonus von 20,25% der Bemessungsgrundlage (17.162,00 €) anzusetzen, da der Kläger mehr als 19 Jahre für die Beklagte tätig war. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 3.475,31 €.

Es errechnet sich mithin zum 30.06.2016 ein Ausgleichsanspruch im Bereich Bausparen in Höhe von 17.376,55 € (13.901,24 € + 3.475,31 €).

(5) Der Gesamtausgleichsanspruch zum 30.04.2014 und zum 30.06.2016 würde demnach, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Zahlenmaterials des Klägers unterstellt, 24.436,10 € betragen (498,83 € + 5.204,04 € + 1.356,68 € + 17.376,55 €).

  1. cc) Der Kläger kann sich nicht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Semen (C‑348/07) mit Erfolg darauf berufen, dass vorliegend der Unternehmervorteil höher sei als der Provisionsverlust (vgl. Berufungsbegründung vom 14.06.2023, Seite 7, OLG 55). Der Bundesgerichtshof hat auch nach der durch die Semen ‑ Entscheidung veranlassten Änderung des § 89b HGB, der für alle nach dem 05.08.2009 entstandene Ausgleichsansprüche gilt, an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten und den Unternehmervorteil auf Basis der dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen ermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2011 ‑ VIII ZR 203/10 Rn. 25 ff.; Anm. Gräfe zu BGH, Urteil vom 24.9.2020 ‑ VII ZR 69/19, ZVertriebsR 2020, 386, 389 m.w.N. ‑ beck‑online; BeckOK HGB/Lehmann, 41. Ed. 1.1.2024, HGB § 89b Rn. 177). Der Bundesgerichtshof hat hierbei betont, dass der Bausparkassenvertreter von der Handelsvertreterrichtlinie nicht erfasst werde und kein gesetzgeberischer Wille zur Gleichbehandlung des Ausgleichsanspruchs von Handelsvertretern mit dem von Versicherungs‑ und Bausparkassenvertretern existiere. Letzteres ergebe sich schon aus der unterschiedlichen dogmatischen Konzeption des Ausgleichsanspruchs eines Versicherungs‑ und Bausparkassenvertreters einerseits und des Handelsvertreters andererseits (vgl. BGH, a.a.O.).

  1. dd) Die Anrechnung der Altersvorsorge in Höhe von 34.194,47 € führt dazu, dass der Ausgleichsanspruch des Klägers aufgezehrt wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ist auf einen nach den sog. Grundsätzen berechneten Ausgleichsanspruch aus Billigkeitsgründen die aus Leistungen des Unternehmens aufgebaute Altersvorsorge anzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014, a.a.O., Rn. 26 f.). Die Grundsätze Bausparen und die Grundsätze Finanzdienstleistungen sehen jeweils in Punkt VI. eine Berücksichtigung der Altersvorsorge vor. Dem Wortlaut und dem Kompromisscharakter dieser „Grundsätze“ entspricht es, dass sie nur einheitlich als Ganzes angewendet werden können und insoweit für eine einzelfallbezogene Billigkeitsprüfung kein Raum bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014, a.a.O., Rn. 27). Eine unbillige Doppelbelastung des Unternehmers durch die Pflicht zur Leistung sowohl der vollständigen Ausgleichszahlung als auch der von ihm allein aufgebrachten Altersversorgung soll dadurch vermieden werden (BGH, Urteil vom 08.05.2014, a.a.O.).

Die Voraussetzungen für eine solche Anrechnung liegen hier vor. Die Beklagte hat die Finanzierung der Alterssicherung des Klägers aus eigenen Mitteln vorgenommen. Die anzurechnende Altersvorsorge umfasst auch die Zinsen, die dem Kläger durch die Einzahlungen der Beklagten zugute kommen, mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von 34.194,47 € gemäß Anlage B 2 (LG 144). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ihm für die Finanzierung der Altersvorsorge Provisionsansprüche gekürzt wurden. Die Finanzierung der Altersvorsorge war eine soziale Leistung der Beklagten, zu der sie nicht verpflichtet gewesen ist. Der Kläger war als selbständiger Bausparkassenvertreter gehalten, selbst seine Altersvorsorge zu regeln. Die Rüge des Klägers, eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs mit Rücksicht auf die künftige Altersversorgung komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil er bereits 2008 das 65. Lebensjahr erreicht habe und der Ausgleichsanspruch erst zum 30.04.2014 bzw. 30.06.2016 geltend gemacht werde, greift nicht durch. Der funktionelle Zusammenhang ist unabhängig davon gegeben, ob ein Vermittler bei Vollendung des 65. Lebensjahres und darüber hinaus noch „aktiv“ war oder nicht. Es oblag darüber hinaus seiner eigenen Entscheidung, weiterzuarbeiten. Zudem handelt es sich nicht um eine erhebliche zeitliche Differenz, die die funktionelle Verwandtschaft zwischen Ausgleich und Altersvorsorge in Frage stellt.

  1. Die Berufung des Klägers ist nach den Ausführungen unter 1. unbegründet.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

  1. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt.

  1. Der Senat hat beschlossen den Streitwert auf 56.448,52 € festzusetzen, da die gegenläufigen Rechtsmittelanträge der Parteien sich auf verschiedene Teile des Streitgegenstands beziehen (§ 45 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GKG).
Besprechung(en) zur Rechtsprechung
Zur Berechnung und Darlegung des Ausgleichsanspruchs eines Bausparkassenvertreters nach dem Gesetz
Schlagwörter
Ausgleichsanspruch (91)