Der deutsche Gesetzgeber hat für Franchiseverträge bislang keine gesonderten Regelungen geschaffen. Sind Rechtsfragen rund um das Franchise-Vertragsrecht zu entscheiden, stehen die Gerichte deshalb immer wieder vor der Frage, ob gesetzliche Regelungen aus anderen Rechtsbereichen auf Franchiseverträge analog anzuwenden sind.
Dazu gehört unter anderem, ob Franchisenehmer nach Vertragsbeendigung einen Handelsvertreterausgleich entsprechend § 89 b HGB verlangen können (vgl. auch Zusammenfassung der Entscheidungen der Landgerichte Hanau und Berlin in salesBUSINESS März 2005).
Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 2002 Gelegenheit, zur analogen Anwendbarkeit der handelsvertreterrechtlichen Kündigungsfristen (§ 89 HGB) auf Franchiseverträge Stellung zu nehmen. In seinem Urteil vom 17.07.2002 heißt es dazu zunächst allgemein, dass eine entsprechende Anwendung dann in Betracht komme, wenn der hinter der gesetzlichen Bestimmung stehende Grundgedanke wegen der Gleichheit der Interessenlage auch auf das Verhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer zutrifft.
Den hinter § 89 HGB stehenden Grundgedanken arbeitet der BGH sodann wie folgt heraus: Die Kündigungsfristen des § 89 HGB gewähren dem Handelsvertreter Schutzfristen, damit er sich für die Zeit nach Vertragsbeendigung um eine Tätigkeit für andere Unternehmer oder auf anderen Geschäftsfeldern umstellen kann.
WICHTIG: Die Notwendigkeit einer solchen Umstellungsfrist – so der BGH weiter – besteht bei einem Franchisenehmer zumindest dann, wenn er nach dem Vertrag seinen Geschäftsbetrieb weitgehend auf das Vertriebskonzept des Franchisegebers zuzuschneiden hat.
Diese Voraussetzung für die analoge Anwendung bejahte der BGH in dem konkret von ihm entschiedenen Fall. Der Franchisenehmer hatte nach dem Vertrag das Autovermietgeschäft ausschließlich in der Form des Standard-Vermietungsabkommens im Rahmen des Franchise-Systems durchzuführen.
Dazu gehörte unter anderem:
- die Verwendung von Standard-Vermietungsverträgen des Franchisegebers,
- die Benutzung des Logos des Franchise-Systems auf Mietfahrzeugen und Geschäftsunterlagen,
- die Gestaltung der Geschäftsräume in den Standardfarben des Franchise-Systems sowie
- die Uniformierung des Personals nach den Vorgaben des Franchisegebers.
Der BGH bejahte aufgrund dieser Umstände eine umfassende Eingliederung des Franchisenehmers in das Franchise-System, die eine kurzfristige Umstellung auf ein anderes Vertriebskonzept nicht zuließ. Dem Franchisenehmer kamen daher die Mindestkündigungsfristen des § 89 HGB in analoger Anwendung zugute.
WICHTIG: Die Entscheidung über eine analoge Anwendung handelsvertreterrechtlicher Vorschriften auf unbefristete Franchiseverträge ist immer eine Entscheidung, die aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalls zu treffen ist. Die Entscheidung des BGH kann also nicht derart verallgemeinert werden, dass § 89 HGB in allen Franchiseverhältnissen entsprechend anzuwenden ist.
TIPP: Soweit die analoge Anwendung des § 89 HGB im konkreten Fall in Betracht kommt, ist zu beachten, dass es sich bei den dort geregelten Fristen um Mindestkündigungsfristen handelt. Eine Abkürzung dieser Fristen im Franchisevertrag ist nicht möglich. Werden die Mindestkündigungsfristen vertraglich verlängert, ist darauf zu achten, dass für den Franchisegeber keine kürzere Frist als für den Franchisenehmer vereinbart wird.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der BGH in der gleichen Entscheidung ein mehrfach befristetes und jeweils verlängertes Franchise-Vertragsverhältnis als einheitliches, auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Vertragsverhältnis bewertet hat. Dies entspricht seiner ständigen Rechtsprechung zu solchen so genannten Kettenverträgen im Handelsvertreterrecht. Erst auf Grundlage dieser Bewertung war über die Frage zu entscheiden, innerhalb welcher Frist das angenommene unbefristete Franchise-Vertragsverhältnis ordentlich gekündigt werden konnte.