Andere Länder, anderes Recht

Rechtstipp Grenzüberschreitender Vertrieb

Die Septemberausgabe 2007 von salesBusiness behandelt das Thema des anzuwendenden Rechts bei internationalen Handelsvertreterverträgen. Eng damit verknüpft ist die Frage, welches Gericht im Falle eines Rechtsstreits zwischen den Vertragsparteien zuständig ist.

Dazu gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder haben die Vertragsparteien ihren Gerichtsstand vereinbart, oder er ergibt sich aus geltenden Gesetzen.

1. Vereinbarter Gerichtsstand
Grundsätzlich ist es – ebenso wie beim anzuwendenden Recht – möglich, dass die Parteien den Gerichtsstand für Streitigkeiten einvernehmlich festlegen. Eine solche Vereinbarung ist schon deshalb empfehlenswert, weil so vermieden werden kann, dass anwendbares Recht und Nationalität des entscheidenden Gerichts auseinander fallen.

Es nützt den Parteien nämlich in aller Regel wenig, wenn beispielsweise ein zuständiges spanisches Gericht in der Sache deutsches Recht anwenden muss: Gerichte sind nur höchst selten mit fremden Rechtsordnungen derart vertraut, dass die Sache zügig entschieden wird. Folge können unter anderem notwendige Übersetzungen und (Partei-)Gutachten sein, die ein gerichtliches Verfahren erheblich verteuern.

Gerichtsstandsvereinbarungen müssen allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllen, um von den nationalen Gerichten anerkannt zu werden. Diese Voraussetzungen können von Land zu Land differieren. Nach deutschem Prozessrecht (§ 38 ZPO) ist eine Gerichtsstandsvereinbarung im hier interessierenden Umfang nur dann zulässig, wenn

  • beide Parteien Kaufleute im Sinne der §§ 1 ff. HGB sind, oder
  • eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, oder
  • die Vereinbarung nach dem Entstehen einer konkreten Streitigkeit geschlossen wird.

Insbesondere die zweite Variante kann in Fällen von Handelsvertreterverträgen mit Auslandsberührung zutreffen.

Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch deren Wohnsitz oder bei Gesellschaften deren Sitz bestimmt. Liegt der Wohnsitz einer Vertragspartei oder der Sitz der Gesellschaft nicht im Inland, ist die Vereinbarung eines Gerichtsstandes möglich.

Die Vereinbarung muss allerdings schriftlich erfolgen oder – im Falle mündlicher Vereinbarung – zumindest schriftlich bestätigt werden. Sie darf auch nur ein Gericht für zuständig erklären, an dem die inländische Partei ihrerseits ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein so genannter besonderer Gerichtsstand (siehe „2. Gerichtsstand ohne Vereinbarung“) begründet ist.

WICHTIG: Im Geltungsbereich der europäischen Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) wird § 38 ZPO durch die Bestimmung des Art. 23 EuGVVO zu Gerichtsstandvereinbarungen verdrängt. Das Schriftformerfordernis ist in Art. 23 EuGVVO weiter aufgelockert, so genügt beispielsweise elektronische Übermittlung bei Möglichkeit zur dauerhaften Aufzeichnung der Vereinbarung. Die Einschränkung auf die Vereinbarung des inländischen allgemeinen/besonderen Gerichtsstandes existiert nicht.

Der Geltungsbereich der Verordnung erstreckt sich auf alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme Dänemarks.

Im Geltungsbereich der EuGVVO ist auch die Regelung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO zu beachten: Danach gilt der vereinbarte Gerichtsstand als ausschließlicher Gerichtsstand, sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben. Das heißt: Schon mit der vertraglichen Festlegung des Gerichtsstandes wird die Zuständigkeit anderer Gerichte ausgeschlossen.

Diese Auslegungsregel existiert außerhalb der EuGVVO nicht. Hier gibt es nach ständiger Rechtsprechung keine Vermutung für oder gegen die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes, unklare Gerichtsstandsvereinbarungen müssen vielmehr einzelfallbezogen ausgelegt werden.

TIPP: Um Unsicherheiten zu vermeiden, die bei Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung häufig auftreten, empfiehlt sich in jedem Fall eine eindeutige Regelung, ob der vereinbarte Gerichtsstand ausschließlich gelten soll oder daneben noch andere Gerichtsstände genutzt werden können.

2. Gerichtsstand ohne Vereinbarung
Ohne Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes bestimmt sich das zuständige Gericht (auch) nach den gesetzlichen Regelungen. Grundsätzlich gilt in Deutschland und vielen weiteren Ländern: Eine Partei muss an ihrem allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden, also an ihrem Wohnsitz oder am Sitz der Gesellschaft. Das gilt auch für ausländische Vertragspartner.

Im Einzelfall kann jedoch ein besonderer Gerichtsstand begründet sein, der eine Klage auch an einem anderen Ort zulässt. Für Handelsvertreterverhältnisse bedeutsam ist hier vor allem der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes, nach dem auch dort geklagt werden kann, wo die streitige Vertragsverpflichtung zu erfüllen ist.

WICHTIG: Für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes ist immer die einzelne Vertragspflicht zu betrachten, die konkret im Streit steht. Macht der Handelsvertreter beispielsweise Provisionsansprüche geltend, kommt es allein auf den Erfüllungsort der Provisionszahlungspflicht an, nicht auf die Pflicht des Handelsvertreters zur Vermittlung zum Abschluss von Geschäften. Da die Provisionszahlungspflicht regelmäßig am Sitz des Unternehmens zu erfüllen ist, fällt insoweit der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes mit dem allgemeinen Gerichtsstand des Unternehmens zusammen.

Im Geltungsbereich der EuGVVO hat der Gerichtsstand des Erfüllungsortes hinsichtlich der Dienstverträge, zu denen auch der Handelsvertretervertrag gehört, allerdings eine besondere Regelung erfahren (Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO). Diese fingiert einen einheitlichen Erfüllungsort für alle Vertragspflichten dort, wo die vertragscharakteristische Dienstleistungspflicht zu erbringen ist. Da im Handelsvertretervertrag die Pflicht, sich um die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen zu bemühen, die vertragstypische Pflicht darstellt und der Erfüllungsort hierfür regelmäßig am Sitz des Handelsvertreters liegt, schafft die Norm einen so genannten Heimatgerichtsstand des Handelsvertreters. Dies wurde inzwischen von den Oberlandesgerichten Hamburg und Köln ausdrücklich bestätigt.