Investitionsersatzanspruch eines Vertragshändlers

36 O 178/05 KfH Urteil verkündet am 27. Februar 2006 LG Stuttgart Vertragshändlerrecht

Landgericht Stuttgart
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[..]
wegen Schadensersatz
hat die 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2005 durch [..] für Recht erkannt:

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Streitwert: € 870.159,20

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte stehen seit 01.01.1951 in vertraglichen Beziehungen. Zum einen vertreibt die Klägerin Fahrzeuge, Ersatzteile und Fahrzeugzubehör für die Produktbereiche PKW, Transporter und LKW der Beklagten. Diesbezüglich hat sie nicht den Status eines Vertragshändlers, sondern sie ist ein so genannter autorisierter Servicepartner der Beklagten (Sitzungsprotokoll vom 14.11.2005, Bl. 100 d.A.).

Zum anderen umfasste die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien den hier streitgegenständlichen Produktbereich […] ([…] Gerät). Auf Grundlage eines Vertrages hatte nämlich die Beklagte der Klägerin das Recht zum Alleinvertrieb in Kommission von Neufahrzeugen dieses Produktbereichs übertragen (Schriftlicher Vertrag vom 26.09.1996/18.01.1997 – vorgelegt als Anlage Al, Bl. 16 d.A.).

Einen eigenständigen Generalvertretervertrag hatten die Parteien für das […]-Produkt „UX100“ abgeschlossen (Generalvertretervertrag UX100, vorgelegt als Anlage A2, Bl. 17 d.A.). Dieses Produkt hatte die Beklagte 1996/1997 auf den Markt gebracht.

Die unterschiedlichen Betriebsteile der Klägerin – also der PKW-Betrieb, der Bereich Nutzfahrzeuge mit dem Produktbereich […] und ein einzelner Ausstellungsraum – befanden sich bis ins Jahr 1998 an verschiedenen Standorten in Fellbach (vgl. dazu im Einzelnen, Klageschrift vom 29.08.2005, Bl. 4 d.A.). Seitdem hat die Klägerin all diese Betriebsteile auf einen einzigen Standort konzentriert.

Mit den Planungen, ihre einzelnen Betriebsteile an einem Standort zusammenzuführen, hatte die Klägerin im Jahre 1995 begonnen. Zu diesem Zweck sollte ein Neubau errichtet werden. Wegen der Planung und Durchführung dieses Vorhabens kam es zu verschiedenen Treffen zwischen der Klägerin und Mitarbeitern der Beklagten, in denen die Parteien das Vorhaben besprachen und die Bauabteilung der Beklagten auch Vorschläge für die Umsetzung des Vorhabens unterbreitete (Sitzungsprotokoll vom 14.11.2005, Bl. 101 d.A.; vgl. dazu auch Auszüge aus den Planungsunterlagen, vorgelegt als Anlagenkonvolut A 8, Bl. 23 d.A.). Der Neubau wurde im November 1998 fertig gestellt; die Kosten hierfür betrugen nach Vortrag der Klägerin 11.531.483,01 €.
Diese Kosten wurden allerdings nicht von der Klägerin getragen, sondern vielmehr von deren Muttergesellschaft (vgl. dazu Klageschrift vom 29.08.2005, Bl. 8 d.A. und SS vom 07.11.2005, Bl. 84 d.A.)

Zum 01.01.1999 übertrug die Beklagte den Vertrieb des UX100 auf einen Mitbewerber. Nachdem die Klägerin es ablehnt hatte, einer zwischen der Beklagten und der Vertriebsgesellschaft getroffenen Überleitungsvereinbarung für die Generalvertretungen zuzustimmen, wurde der Generalvertretervertrag UX100 durch die Beklagte mit Schreiben vom 16.08.1999 (vorgelegt als Anlage A3, Bl. 18 d.A.) ordentlich zum 30.09.2001 gekündigt.

In der Folgezeit hat die Beklagte auch den zweiten Vertrag mit der Beklagten (über den Vertrieb von […]-Fahrzeugen ohne UX 100) rechtswirksam zum 31.03.2002 gekündigt (Kündigungsschreiben der Beklagten vom 15.03.2000, vorgelegt als Anlage A 4, Bl. 19 d.A.).

Zur Begründung des hier geltend gemachten Investitionsersatzanspruchs trägt die Klägerin vor, dass die Beklagte sie im Jahre 1995 ausdrücklich aufgefordert habe, ihre einzelnen Standorte aufzugeben und einen gemeinsamen Betrieb an einem einzigen Standort errichten (vgl. dazu Klageschrift vom 29.08.2005, Bl. 4 d.A. unter Hinweis auf das Schreiben der Beklagten vom 17.02.1995, Anlage A 6, Bl. 21 d.A., sowie das Antwortschreiben der Klägerin vom 30.03.1995, vorgelegt als Anlage A 7, Bl. 22 d.A.). Aus den genannten Unterlagen ergebe sich, dass die Beklagte von der Klägerin einen Neubau gefordert habe, in den alle Produktbereiche der Klägerin integriert werden sollten, also auch der Produktbereich […].

Weiterhin seien auf Wunsch der Beklagten speziell für die Unimogprodukte Reparaturhebebühnen und eigene Standplätze in dem Neubau vorgesehen und dann auch seitens der Klägerin eingerichtet worden (SS vom 29.08.2005, Bl. 6 d.A.).
Die Klägerin trägt weiterhin vor, dass ihr durch die Kündigung der […]-Verträge das gesamte […]-Neugeschäft weggefallen sei, und sich ihr Gesamtumsatz seit Kündigung des Vertragsverhältnisses um ca. 30% verringert habe (s. Klageschrift vom 29.08.2005, Bl. 9 d.A.). Durch die Kündigung sei ein wesentlicher Teil ihrer Amortisationsgrundlage entfallen. Die Klägerin sieht ihren Schaden darin, dass sie an sich verpflichtet sei, an ihre Muttergesellschaft eine höhere Miete zu entrichten, die ihr von dieser lediglich gestundet worden sei (Sitzungsprotokoll vom 14.11.2005 ab Seite 2 unten = Bl. 101 f. d.A.). Sie beziffert diesen Schaden aus dem infolge Kündigung der beiden Vertreterverträge weggefallenen Vertrieb von […]-Neufahrzeugen für die Jahre 2002 bis 2004 mit insgesamt 420.159,20 € (wegen Einzelheiten der Schadensberechnung vgl. Klageschrift Seite 7 ff.); diesem Betrag gilt der gestellte Zahlungsantrag (Klagantrag Ziff. 1.). Der außerdem gestellte Feststellungsantrag gilt weiteren Schäden in Gestalt künftig entfallender Deckungsbeiträge aus dem […]-Geschäft für die Jahre 2005 bis 2015, deren Höhe die Klägerin noch nicht beziffern könne. Auch insoweit sei Klage geboten, weil die Beklagte letztmals bis zum 31.08.2005 auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr gegen die Beklagte ein erstattungsfähiger Investitionsersatzanspruch zustehe, der sich aus dem einem Vertragshändlerverhältnis eigentümlichen Treueverhältnis ergeben soll.

Darüber hinaus könne sie Schadensersatz wegen Unmöglichkeit verlangen. Ab dem 01.01.1999 (als dem Tag der Übertragung des Vertriebs für den UX 100) habe die Beklagte nämlich den UX 100-Vertrag (Anlage A 2) nicht mehr erfüllen können und sich statt dessen selbst in einen Zustand der Unmöglichkeit der Vertragserfüllung begeben (vgl. SS Klägervertreter vom 07.11.2005, S. 3 oben = Bl. 80 d.A.).

Die Klägerin beantragt daher wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt € 420.159,20 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den der Klägerin weiter entstehenden Schaden aus der Investition Betriebsneubau aufgrund der Kündigung der beiden […]-Generalvertreter Vertriebsverträge vom 26.09.1996 / 18.01.1997 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass der Klägerin überhaupt kein Schaden entstanden sein könne, da die streitgegenständlichen Investitionen nicht von dieser, sondern von der Muttergesellschaft getätigt worden seien. Der Klägerin könne deshalb auch kein Schadensersatzanspruch zustehen.

Die Beklagte trägt außerdem vor, dass sie die Klägerin niemals zu einer Betriebszusammenlegung gedrängt habe, die auch den Produktbereich […] umfasst habe. Dies sei eine eigenständige unternehmerische Entscheidung der Klägerin gewesen. Sie selbst habe die Klägerin lediglich aufgefordert, die betrieblichen Verhältnisse im PKW-Bereich zu ändern. Dies sei ihr auch so durch die Klägerin bestätigt worden (Schreiben vom 30.03.1995, Anlage A 7). Soweit es auch zu Änderungen im Produktbereich Unimog gekommen sei, beruhe dies auf einer eigenen Entscheidung der Klägerin. Auch die Einrichtung von besonderen Stellplätzen und Reparaturhebebühnen für die Unimogfahrzeuge seien nicht auf eine Aufforderung der Beklagten zurückzuführen.

Die Beklagte bestreitet außerdem die Höhe der behaupteten Investitionen und des geltend gemachten Schadens (vgl. hierzu im Einzelnen Klageerwiderung vom 20.10.2005, Bl. 12 ff d.A.).

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze vom 29.08.2005 (Bl. 1 ff d.A.), 20.10.2005 (Bl. 46 ff d.A.), 07.11.2005 (Bl. 78 ff d.A.) und vom 11.01.2006 (Bl. 106 ff d.A.) verwiesen.

Mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden anstelle der Kammer haben sich die Parteien im Termin vom 14. November 2005 einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Im Einzelnen:

I. Zulässigkeit der Klage:

Das für die Zulässigkeit des Antrags Ziff. 2 gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor.

Die Klägerin begehrt mit dem Antrag Ziff. 2 die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses, da nämlich festgestellt werden soll, dass die Beklagte der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist, und deswegen auch für zukünftig eintretende Schäden Ersatz zu leisten hat. Wegen der Verjährungsgefahr bei zukünftigen Schäden, die noch nicht Gegenstand einer Leistungsklage sein können, da der Schaden gegenwärtig noch nicht bezifferbar ist, ist das Feststellungsinteresse gegeben (Thomas/Putzo, 27. Aufl., § 256, Rn.14).

Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.

II. Begründetheit der Klage:

Die Klage ist unbegründet.

1. Antrag Ziff. 1

a. Investitionsersatzanspruch

Ein Anspruch der Klägerin, der darauf gerichtet ist, den teilweisen Wegfall ihrer Amortisationsgrundlage aufgrund der Kündigung der beiden […]-Verträge wieder auszugleichen, besteht schon dem Grunde nach nicht.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem einem solchen Vertriebsvertrag immanenten besonderen Treueverhältnis.

Eine ausdrückliche vertragliche Anspruchsgrundlage für den hier geltend gemachten Investitionsersatzanspruch findet sich in keinem der beiden als Anlagen A 1 und A 2 vorgelegten Verträge.

Eine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage für einen solchen Investitionsersatzanspruch eines Vertragshändlers (und damit auch eines Kommissionärs/Generalvertreters) besteht nicht. Gegen eine analoge Anwendung des § 89 b HGB spricht, dass es hier nicht um den Ersatz eines von der Klägerin aufgebauten Kundenstamms geht. Deshalb greift diese Anspruchsgrundlage nicht (ebenso: Ullrich in Martinek/Semler, Handbuch des Vertriebsrechts, 2. A. – 2003 – § 19, Rn 77; Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3 – 2. A. – 1998 – Rn 1454).

Auch auf das Diskriminierungsverbot des § 20 GWB kann der Anspruch nicht gestützt werden. Denn dieses Verbot kann sich nur als Kündigungshemmnis auswirken (u. a. geprüft, aber in concreto verneint von BGH NJW-RR 95, 1260), nicht aber die nachteiligen Folgen einer wirksamen ordentlichen Kündigung ausgleichen (Ullrich in Martinek/Semler, a.a.O. Rn 77; Thume in Küstner/Thume, a.a.O. Rn 1455 – dort zu § 26 Abs. 2 GWB a.F.).

Nicht folgen kann das Gericht auch dem Lösungsansatz von Creutzig (NJW 02, 3430 ff.). Danach soll eine ordentliche Kündigung des Vertragshändlervertrags durch den Hersteller einer Kündigung zur Unzeit gleichstehen, weshalb der Hersteller in Rechtsanalogie zu den §§ 627 Abs. 2 Satz 2, 671 Abs. 2 Satz 2, 712 Abs. 2 Satz 2, 723 Abs. 2 Satz 2, 2226 Satz 2 BGB verpflichtet sei, dem Händler alle markenspezifischen und nicht vollständig amortisierten Investitionen zu ersetzen, soweit nicht eigenveranlasst oder gegen den Rat des Herstellers vorgenommen worden sind (a.a.O. S. 3333, 3334). Gegen eine solche Analogie spricht aber, dass die Regelkündigungsfrist schon nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 GVO Nr. 1475/95 lediglich 2 Jahre betrug (ebenso § 17 des Vertriebsvertrags – Anlage A 1) und damit eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung dieser Frist im Regelfall nicht einer Kündigung „zur Unzeit“ gleichgesetzt werden kann. Dies gilt umso mehr als Art. 3 Abs. 5 b) GVO Nr. 1400/02 ebenfalls nur eine Kündigungsfrist von mindestens 2 Jahren vorsieht, obwohl im Zuge des Verfahrens zur neuen GVO von Händlerseite – vergeblich – als wirksamer Schutz für die sog. markenspezifischen Investitionen u. a. eine Verlängerung der Regelkündigungsfrist gefordert worden war, weil zwei Jahre zur Amortisation solcher Investitionen nicht ausreichten (Creutzig, BB 05, 2133, 2146).

Gestützt wird diese Ergebnis durch die Rechtsprechung: Unter der Geltung der GVO vom 12.12.1984 hat nämlich der Bundesgerichtshof sogar eine Kündigungsfrist von nur einem Jahr als ausreichend angesehen (BGH, NJW-RR 95, 1260, 1261), ebenso das OLG Düsseldorf eine solche von 18 Monaten – vgl. Urteil v. 13.12.2000, AZ: U (Kart) 31 / 99 – vorgelegt als Anlage B 6 = Bl. 74 d.A.

Als Anspruchsgrundlage für einen Investitionsersatzanspruch bleibt deshalb nur die ergänzende Auslegung des Vertriebs-/Generalvertretervertrages unter besonderer Berücksichtigung des Vertrauensschutzes gemäß § 242 BGB. Der Vertrauenstatbestand, aus dem sich ein solcher Anspruch ergeben kann, liegt aber nicht schon in dem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Händlervertrag selbst. Allein maßgebend ist vielmehr, ob und in welchem Umfang der Unternehmer die Investitionen des Vertragshändlers veranlasst hat und – kumulativ – ob der Händler solche fremdbestimmten Investitionen gerade in der (objektiv begründeten) Erwartung vorgenommen hat, dass das Vertragsverhältnis noch längere Zeit/bis zur Amortisation der Investitionen andauern würde (Thume in Küstner/Thume, a.a.O. Rn 1456, m.w.N.).

Gegenüber diesem Lösungsansatz ist aber äußerste Zurückhaltung geboten; er ist im vorliegenden Fall schon aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen.

Denn eine solch ergänzende Auslegung setzt eine Regelungslücke im Vertrag voraus (Mayer-Maly/Busche in Münchner Kommentar zum BGB, 4. A., § 157, Rn 27). Eine solche Regelungslücke darf aber nicht vorschnell bejaht werden, sondern muss an Hand des hypothetischen Willens der individuellen Vertragsparteien festgestellt und geschlossen werden. Dieser hypothetische Wille kann zulässigerweise nur anhand von in concreto festgestellten Anhaltspunkten ermittelt werden. Denn anderenfalls überschreitet das Gericht die ihm gezogenen Grenzen: Die ergänzende Auslegung ist nämlich, auch wenn als Vertragsfortbildung gedacht, kein Freibrief zur Vertragsgestaltung durch die Gerichte. Nur die Wertungen der Beteiligten darf der Richter zu Ende denken, nicht aber eigene Wertungen setzen (Mayer/Maly/Busche, a. a. O. § 157 BGB Rn. 38). Deshalb darf das Gericht den tatsächlichen Willen der Parteien nicht ignorieren. Was dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien widerspricht, darf deshalb nicht als Inhalt ihres hypothetischen Willens gelten (BGHZ 90, 69, 77).

Wirft man einen Blick in den Vertriebsvertrag vom 26.09.1996/18.01.1997 (Anlage A 1) so fällt auf, dass dort lediglich vorgesehen ist, dass beide Vertragspartner den Vertrag ordentlich mit einer Kündigungsfrist von 24 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündigen können (§ 17 Abs. 1 ), also unter Einhaltung der Regelkündigungsfrist des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 GVO Nr. 1475/95, auf welche die salvatorische Klausel unter § 19 Abs. 2 Satz 1 des Vertrags im übrigen ausdrücklich abstellt. Einen finanziellen Ausgleich der Kündigungsfolgen für die Klägerin sieht der Vertrag dagegen nicht vor (Ausnahme: Der unter § 17 Abs. 2 angesprochene, ohnehin aber nicht von vorn herein abdingbare Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB). Schon dies spricht für die Wertung der Beklagten, die Vertragspartner hätten die vereinbarte Kündigungsfrist von 2 Jahren als ausreichende „Investitionsschutzmaßnahme“ zugunsten der Klägerin angesehen (vgl. Klagerwiderung vom 20.10.2005, S. 21 = Bl. 66) und damit gegen eine im Wege der ergänzenden Auslegung schließbare Regelungslücke. Denn offenbar haben die Vertragspartner bewusst nichts zum Investitionsersatz vereinbart. Diese bewusste Nichtregelung entspricht schließlich auch dem Vertragszweck. Dieser besteht regelmäßig (und offenbar auch hier) darin, den Absatz der Vertragsware zu fördern und zwar unter grundsätzlich ausschließlicher Übernahme des Investitionsrisikos für Betriebsgelände und -räume durch den Händler (BGH, NJW-RR 95, 1260, 1261; vgl. auch OLG München, NJW-RR 95, 1137, 1139; Creutzig, NJW 02, 3430, 3431).

Selbst wenn man hier aber eine planwidrige Regelungslücke bejaht, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn es fehlt bereits am ersten Element des (dann zu prüfenden) Vertrauenstatbestandes, nämlich einer fremdveranlassten Investition. Es ist keineswegs ersichtlich, dass die Beklagte von der Klägerin Aufwendungen speziell für den streitgegenständlichen Bereich Unimog gefordert hat.

Aus den von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs in Bezug genommenen Unterlagen ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beklagte von der Klägerin eine Umstrukturierung des Betriebs nur hinsichtlich des PKW-Produktbereichs gefordert hat. So heißt es in dem Anlage A 6 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 17.02.1995 wörtlich:

„Wir haben Sie bei unserer Unterredung deshalb noch einmal auf die Notwendigkeit hingewiesen, die betrieblichen Verhältnisse grundlegend zu ändern und einen neuen PKW-Betrieb zu erstellen“.

Dementsprechend hat auch die Klägerin in ihrem Schreiben vom 30.03.1995 (vorgelegt als Anlage A 7, Bl. 22 d.A.) die Beklagte lediglich darüber informiert, ihre Gesellschafterversammlung habe beschlossen, „den PKW-Reparaturbetrieb neu zu bauen“. Vor dem Hintergrund von Verzögerungen bei der Erstellung des Neubaus ist auch die – laut Klage S. 6 oben – unmissverständliche Aufforderung der Beklagten in deren Schreiben vom 14.02.1997 (Anlage A 9) zu sehen, den Neubau bis zum 01.07.1998 zu realisieren. Doch beschränkte sich diese Aufforderung wiederum nur auf den – so wörtlich – „PkW-Betrieb“.

Selbst der Geschäftsführer der Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.11.2005 sinngemäß eingeräumt, dass die Zusammenlegung aller Betriebsteile (einschließlich Unimog) auf einer eigenen unternehmerischen Entscheidung der Klägerin beruhte (vgl. Sitzungsprotokoll vom 14.11.2005, S. 1 = Bl.100 d.A.). Damit steht fest, dass die Beklagte zwar eine betriebliche Neuordnung des PKW-Bereichs gefordert, nicht aber verlangt hat, erhebliche Aufwendungen gerade für den hier streitgegenständlichen Unimog-Bereich vorzunehmen. Diese Investitionen in den Unimog-Bereich hat die Beklagte also nicht veranlasst.

Soweit die Klägerin meint, dass allein deshalb, weil weil die Forderung nach Investitionen von der Beklagten gekommen war, sich diese Aufforderung automatisch auch auf die gesamte Produktpalette der beklagten […] AG beziehen müsse (so SS Klägervertreter vom 07.11.2005, S. 8, 2. Abschnitt von oben = Bl. 84 d.A.), überzeugt das nicht. Dagegen spricht wiederum, dass die Beklagte explizit nur Investitionen in einen bestimmten Produktbereich der Klägerin gefordert hat, nämlich in den „PKW-Betrieb“ (vgl. nochmals Anlage A 6). Die Klägerin hat dies genauso verstanden (vgl. ihr Schreiben vom 30.03.1995 – Anlage A 7). Sie kann deshalb nicht davon ausgegangen sein, die Beklagte fordere den Neubau auch für den Produktbereich […].

Zu der Frage, ob und wodurch die Beklagte denn bei der Klägerin das Vertrauen darauf geweckt hat, sie werde von einer Vertragskündigung so lange absehen bis sich die unimogspezifischen Investitionen in den Neubau amortisiert hätten, gelangt man deshalb gar nicht mehr. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe dadurch einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt, dass sie eine „immense Investition“ gefordert, diesen Bau „en detail“ für alle Produktbereiche begleitet und dann nach Umsetzung wesentliche Vertriebsverträge gekündigt habe (SS Klägervertreter vom 07.11.2005, S. 14 = Bl. 90), beschäftigt sie sich im Ausgangspunkt wiederum nur mit dem ersten Teilelement des Vertrauensschutzes, nämlich der Frage nach der Fremdveranlassung der Investition. Verneint man eine solche Fremdveranlassung für den Produktbereich Unimog, kommt dem Umstand, dass die Beklagte den Neubau planerisch und beratend für alle Produktbereiche begleitet hat, keine eigenständige Bedeutung zu.

b. Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Erfüllung des Vertrags UX 100
Auch aus diesem Gesichtspunkt ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin zu verneinen. Die Beklagte hat den Vertrag fristgemäß und ordentlich gekündigt (vgl. Kündigungsschreiben vom 16.09.1999 – Anlage A 3). Eine solche Vertragsbeendigung muss für einen Hersteller möglich sein, ohne dass er mit einer Schadensersatzforderung wegen nicht amortisierter Investitionen konfrontiert wird (OLG München, NJW-RR 95, 1137, 1139).

Unabhängig davon führt der Vortrag der Klägerin zur Unmöglichkeit der Vertragserfüllung „ab dem 01.01.1999“ (so SS Klägervertreter vom 07.11.2005, S. 3 oben = Bl. 80 d.A.) nicht zur gewünschten Rechtsfolge. Denn Ziel ihres Zahlungsantrags ist Schadensersatz/Ausgleich für den Wegfall des Umsatzanteils […] (einschließlich UX100) ab dem Jahr 2002, nicht aber für die Zeit davor.

Da ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bereits dem Grunde nach weder aus dem Gesichtspunkt eines Investitionsersatzanspruchs noch unter Unmöglichkeitsaspekten in Betracht kommt, kann hier die Frage dahinstehen, ob der Klägerin überhaupt ein Schaden entstanden ist, weil die Investitionen von der Muttergesellschaft getätigt wurden.

2. Antrag Ziff.2

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls unbegründet.

Wie bereits oben festgestellt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz von Investitionen gegen die Beklagte. Eine solche Verpflichtung kann folglich auch für die Zukunft nicht festgestellt werden.

III. Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

IV. Steitwert:

Der Streitwert für den Antrag Ziff. 1 wird mit € 420.159,20 festgesetzt.

Für die Festsetzung des Streitwerts bzgl. des Antrags Ziff. 2 gilt (über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) § 3 ZPO. Entscheidend ist somit das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung (Thomas/Putzo, 26.Aufl., § 3, Rn.65). Dieses wurde von der Klägerin mit einem Wert von 30 % des zu erwartenden Schadens in einer geschätzten Höhe zwischen € 1.000.000,– und € 2.000.000,– angegeben (Klageschrift vom 29.08.2005, BI. 14 d.A.). Insoweit ist ein Steitwert in Höhe von € 450.000,– angemessen.

Schlagwörter
KFZ-Vertragshändler (18) Investitionsschutzmaßnahme (1) Investitionsersatzanspruch (1) eigenständiger Generalvertretervertrag (1) autorisierter Servicepartner (1)