Steuerfreiheit für die Vermittlung von Gesellschaftsanteilen

V R 62/06 Urteil verkündet am 20. Dezember 2007 BFH Versicherungsvertreterrecht

Bundesfinanzhof
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1993 bis 1996 für eine GmbH tätig, die es ihrerseits übernommen hatte, für den Vertrieb von Kapitalbeteiligungen im Immobilienbereich zu sorgen. Die Einzelheiten der durch den Kläger zu erbringenden Leistungen ergaben sich aus einem zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossenen Handelsvertretervertrag. Danach hatte der Kläger einen Außendienst aufzubauen, zu führen und zu leiten sowie das Vertriebscontrolling, die Finanzierungsbeschaffung und konzeptionelle Arbeiten zu übernehmen. Als Vergütung erhielt der Kläger eine „Superprovision“ in Höhe von 0,5 % der provisionspflichtigen Zeichnungssumme.

In den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre vom 19. Juli 2001 ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) davon aus, dass der Kläger an die GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

Die Klage wurde durch das Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger selbständig tätig gewesen sei und er als Unternehmer steuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Es handele sich nicht um nach § 4 Nr. 8 lit. f des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerfreie Vermittlungsleistungen, da der Aufbau einer Vertriebsorganisation nicht als Vermittlung von Anteilen an der Emissionsgesellschaft angesehen werden könne. Für das Vorliegen einer Vermittlung komme es darauf an, dass eine Mittelsperson der Gesellschaft oder dem zukünftigen Gesellschafter die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrages über den Erwerb eines Gesellschaftsanteils nachweise und das sonst Erforderliche tue, damit der Vertrag über den Erwerb des Gesellschaftsanteils zustande komme. Demgegenüber sei der Kläger nicht als Vermittler aufgetreten. Er habe sein Entgelt nicht als Mittelsperson zwischen den Vertragsparteien, d. h. den Kapitalanlegern und der Emissionsgesellschaft erhalten, sondern von der GmbH. Die Leistungen des Klägers seien auch nicht nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei, da der Kläger nicht als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler tätig geworden sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger im Wesentlichen Verletzung von § 4 Nr. 8 lit. f UStG. Steuerfreie Vermittlungsleistungen lägen nach dieser Vorschrift bereits dann vor, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet sei, den Beitritt eines Anlegers zu bewirken. Auf einen unmittelbaren Kontakt des Vermittlers zu einem der beiden Teile des zu vermittelnden Vertrages komme es nicht an. Unerheblich sei auch, von wem der Vermittler seine Vergütung erhalte. Vertriebsgesellschaften führten nicht alle Tätigkeiten selbst aus, sondern ließen einen Teil ihrer Aufgaben im Sinne arbeitsteiligen Handelns durch Untervertreter ausführen. Er, der Kläger, habe ausschließlich Leistungen erbracht, die für das Anwerben eines Anlegers wesentlich gewesen seien. Insbesondere Vertriebscontrolling, Finanzierungsbeschaffung und Führung des Außendienstes seien unverzichtbare Vertriebstätigkeiten. Neue Produkte müssten dem Außendienst nahe gebracht werden. Der Außendienst müsse in das Produkt eingeführt und anfänglich zum Kunden begleitet werden. Anträge seien zur Verfügung zu stellen und beim Kunden zu bearbeiten gewesen. Auch die Beratung hinsichtlich der vertriebsgerechten Ausgestaltung der Emission sei wesentlich. Erforderlich sei auch eine Gleichbehandlung mit entsprechenden Konstellationen bei § 4 Nr. 11 UStG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer für alle Streitjahre auf 0,– EUR festzusetzen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es weist darauf hin, dass der Kläger sein Entgelt nicht von den Parteien des vermittelten Vertrages, sondern von der H als Gesamtrechtsnachfolgerin der GmbH erhalten habe.

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die Würdigung des FG, dass die Leistungen des Klägers nicht als Vermittlungsleistungen steuerfrei sind, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 8 lit. f UStG u. a. die Vermittlung von Anteilen an Gesellschaften. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 13 Teil B lit. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), nach dem die Vermittlung der Umsätze, die sich auf Anteile an Gesellschaften beziehen, steuerfrei ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wird der in Art. 13 Teil B lit. d Nrn. 1 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG verwendete Begriff „Vermittlung“ von dieser Richtlinie nicht definiert (vgl. zuletzt Urteil vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig, BFH/NV Beilage 07, 398, Umsatzsteuer-Rundschau – UR 07, 617 Randnrn. 23 ff.). Im Kontext von Nr. 5 dieser Bestimmung (die hier einschlägig ist) hat der EuGH allerdings bereits entschieden, dass es sich bei der Vermittlung um die Tätigkeit einer Mittelsperson handelt, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermittelnden Vertrages über ein Finanzprodukt einnimmt und deren Tätigkeit sich von den vertraglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrages erbracht werden, unterscheidet. Zweck der Vermittlungstätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, an dessen Inhalt der Vermittler kein Eigeninteresse hat. Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln (EuGH-Urteil vom 13. Dezember 2001 C-235/00, CSC Financial Services, Slg. 01, I-10237, BFH/NV Beilage 02, 35, UR 01, 84 Randnr. 39).

b) Die Steuerfreiheit der Vermittlungstätigkeit setzt nicht voraus, dass zwischen dem Vermittler und einer der Parteien des zu vermittelnden Vertrages ein Vertragsverhältnis besteht (EuGH-Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 07, 398, UR 07, 617 Randnrn. 29 ff. zur Kreditvermittlung).

Art. 13 Teil B lit. d Nrn. 1 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG schließt es nach seinem Wortlaut darüber hinaus nicht aus, dass eine Vermittlungstätigkeit in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfällt, die dann ihrerseits als Vermittlung im Sinne der jeweiligen Bestimmung steuerfrei sein können. Insoweit sind die Wirtschaftsteilnehmer berechtigt, ein ihnen zusagendes Organisationsmodell zu wählen, ohne dass dies zur Steuerpflicht der Leistung führt. Dies gilt aber nur, wenn es sich bei der einzelnen Leistung um ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes handelt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlungsleistung erfüllt. Solche Vermittlungsleistungen liegen danach auch vor, wenn sie arbeitsteilig dadurch erbracht werden, dass ein Hauptvertreter gegenüber dem Kreditgeber und ein Untervertreter gegenüber dem Kreditnehmer handelt. Der jeweilige Vertreter muss nicht in unmittelbarem Kontakt zu beiden Parteien des zu vermittelnden Kreditvertrages stehen. Es darf sich aber nicht lediglich um die Übernahme eines Teils der mit dem vermittelten Vertrag verbundenen Sacharbeit handeln (EuGH-Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 07, 398, UR 07, 617 Randnrn. 34 ff.).

2. Der Annahme steuerfreier Vermittlungsleistungen des Klägers steht hiernach nicht bereits entgegen, dass er nicht unmittelbar durch eine der Parteien des zu vermittelnden Vertrages beauftragt wurde und von dieser seine Vergütung bezogen hat. Denn nach dem EuGH-Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 07, 398, UR 07, 617 können auch Untervermittler, die bei der Vermittlung von Krediten tätig werden, ohne von einer der beiden Parteien des abzuschließenden Kreditvertrages beauftragt worden zu sein, steuerfreie Leistungen erbringen. Aufgrund der nach den EuGH-Urteilen CSC Financial Services in Slg. 01, I-10237, BFH/NV Beilage 02, 35, UR 01, 84 und Ludwig in BFH/NV Beilage 07, 398, UR 07, 617 bestehenden Begriffsidentität bei der Vermittlung von Gesellschaftsanteilen/Wertpapieren nach Art. 13 Teil B lit. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG und bei der Vermittlung von Krediten nach Art. 13 Teil B lit. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG sowie der sich aus der EuGH-Rechtsprechung ergebenden Steuerfreiheit der Leistungen sog. Untervermittler, die nicht durch den Verkäufer der zu vermittelnden Leistung, sondern durch einen anderen Vermittler beauftragt werden, hält der Senat an seiner Rechtsprechung zur Steuerpflicht der Leistungen des Untervermittlers im Bereich der Kreditvermittlung (Urteil vom 9. Oktober 2003 – V R 5/03, BFHE 203, 395, BStBl. II, 03, 958) und den sich hieraus ergebenden Folgen für die Untervermittlung beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen und Wertpapieren nach § 4 Nr. 8 lit. f und g UStG (vgl. Bundesministerium der Finanzen vom 13. Dezember 2004, BStBl. I, 04, 1199) nicht mehr fest (Änderung der Rechtsprechung).

3. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze erweist sich die vom FG angenommene Steuerpflicht aber im Ergebnis gleichwohl als zutreffend. Es liegt keine steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 8 lit. f UStG vor, da der Kläger nach der Art der von ihm erbrachten Leistung keine Vermittlungstätigkeit ausgeübt hat.

a) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) bezogen sich die Leistungen des Klägers auf den Aufbau, die Führung und die Leitung eines Außendienstes und erfüllten somit nicht die wesentlichen und spezifischen Funktionen einer Mittlertätigkeit, die darin besteht, durch den Nachweis von Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages, durch die Kontaktaufnahme mit der anderen Partei oder durch das Verhandeln über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen. Der Kläger hat weder dem Verkäufer der Kapitalanlagen Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachgewiesen noch mit Interessenten Kontakt aufgenommen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen verhandelt.

Es liegt auch unter Berücksichtigung der durch den EuGH im Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 07, 398, UR 07, 617 betonten Wahlfreiheit hinsichtlich des Organisationsmodells der Vermittlung keine Vermittlungsleistung des Klägers vor. Denn die Freiheit der Wahl eines Organisationsmodells bei gleichzeitiger Steuerfreiheit der Vermittlung setzt voraus, dass die einzelne Leistung als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlungsleistung erfüllt. Es muss sich daher um Tätigkeiten handeln, die sich zumindest auch auf einzelne Geschäftsabschlüsse beziehen. Dies trifft z.B. auf die Aufteilung einer Vermittlungstätigkeit auf einen Haupt- und einen Untervertreter, von denen der eine gegenüber dem Kreditnehmer und der andere gegenüber dem Kreditgeber tätig wird, zu. Leistungen allgemeiner Art, denen der Bezug zu einzelnen Geschäftsabschlüssen völlig fehlt, sind demgegenüber steuerpflichtig. Auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Ludwig hält der Senat insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, nach der z.B. die bloße Zuführung und Betreuung von Abschlussvertretern keine steuerfreie Vermittlungsleistung ist (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 23. Oktober 2002 – V R 68/01, BFHE 200, 140, BStBl. II, 03, 618).

Kern der vom Kläger übernommenen Tätigkeit war nicht die Suche nach potentiellen Interessenten, sondern der Aufbau, die Führung und die Leitung einer Vermittlungsorganisation. Ebenso wie bei der Zuführung und Betreuung von Abschlussvertretern (BFH-Urteil in BFHE 200, 140, BStBl. II, 03, 618) handelt es sich nicht um eine steuerfreie Vermittlungsleistung. Die Steuerfreiheit der von einer Vermittlungsorganisation im Außenverhältnis gegenüber Dritten erbrachten Leistung schlägt nicht auf Leistungen durch, die im Innenverhältnis für den Aufbau, die Führung und Leitung dieser Vermittlungsorganisation erbracht werden. So kann z. B. auch der unternehmerisch tätige Geschäftsführer oder Aufsichtsrat einer Bank für seine Leistungen nicht die Steuerfreiheit der von der Bank erbrachten Leistungen in Anspruch nehmen.

b) Auch die Aufklärungsrüge des Klägers hat keinen Erfolg. Das FG hat unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien den Sachverhalt in der gebotenen Weise aufgeklärt und sein Urteil auf die auch unter Beachtung des EuGH-Urteils Ludwig weiter geltende Rechtsprechung des Senats gestützt, nach der es sich bei der bloßen Zuführung und Betreuung von Abschlussvertretern nicht um eine steuerfreie Vermittlungsleistung handelt (BFH-Urteil in BFHE 200, 140, BStBl. II, 03, 618). Das Urteil des FG beruht insoweit nicht auf der nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung zur Steuerpflicht der Untervermittlung. Es ist im Übrigen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Revision nicht ersichtlich, welche Umstände des Streitfalls in einem zweiten Rechtszug noch weiter aufgeklärt werden könnten.

c) Soweit der Kläger schließlich im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von „Superprovisionen“ Wertungswidersprüche zwischen steuerfreien Vertriebstätigkeiten bei § 4 Nr. 11 UStG einerseits und § 4 Nr. 8 UStG andererseits geltend macht, braucht der Senat im Streitfall darauf nicht weiter einzugehen. § 4 Nr. 11 UStG befreit die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Diese Vorschrift setzt Art. 13 Teil B lit. a der Richtlinie 77/388/EWG um, nach der die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, befreien. Die Befreiungsvoraussetzungen sind nicht identisch mit denen des § 4 Nr. 8 UStG formuliert, so dass die Befreiungstatbestände nicht zwingend identisch auszulegen sind. Im Übrigen hat der Senat die handelsrechtliche Auslegung des § 4 Nr. 11 UStG auf der die Umsatzsteuerfreiheit von Versicherungsvermittlungstätigkeiten, die durch „Superprovisionen“ vergütet werden, mit Urteil vom 6. September 2007 – V R 50/05 (Deutsches Steuerrecht 07, 2322) aufgegeben.

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