Unwirksame Versicherungsvermittlungsgebühren Vereinbarung bei Lebensversicherungsvertrag

5 S 25/03 Urteil verkündet am 3. Juli 2003 LG Karlsruhe Versicherungsmaklerrecht

Landgericht Karlsruhe
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

Die Klägerin, die ihren Sitz in München hat, verlangt von dem in Pforzheim wohnenden Beklagten eine restliche Maklervergütung für die Vermittlung des Abschlusses eines Lebensversicherungsvertrags.

Der Beklagte hat mit der […], einer Lebensversicherungsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einer Laufzeit von 25 Jahren, beginnend ab 01.07.1996, einer Beitragssumme von 27.012,– DM und monatlichen Versicherungsprämien in den ersten 36 Monaten von 39,– DM und ab dem 37. Monat von 97,– DM geschlossen, ferner mit der Vorgängergesellschaft der Klägerin (im Folgenden ebenfalls: Klägerin) eine „Vermittlungsgebühren Vereinbarung“, wonach für die Vermittlung der Versicherung als „Gebühren“ während der ersten 36 Monate je 60,50 DM, ab dem 37. Monat monatlich 2,50 DM zu zahlen waren. Hinsichtlich der Gebühren für die ersten drei Jahre war bestimmt, dass sie mit der Annahme des Versicherungsantrags durch die Versicherung entstehen und dass sie von einer Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrags unberührt bleiben. Der Beklagte hat die monatlichen Beträge über je 99,50 DM (36,– DM Versicherungsprämie + 60,50 DM Vermittlungsgebühr) für den Zeitraum Juli 1996 bis September 1997 bezahlt. Danach hat er keine Zahlungen mehr geleistet. Das AG hat der Klage auf Zahlung noch ausstehender Vermittlungsgebühren für die Monate Oktober 1997 bis Juni 1999 in Höhe von 649,60 Euro stattgegeben. Die Berufung des Beklagten führte zur Klagabweisung.

Entscheidungsgründe

In der Sache kann die erstinstanzliche Verurteilung des Beklagten keinen Bestand haben, da die zwischen den Parteien getroffene Vermittlungsgebühren Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG nichtig ist (§ 134 BGB) und ein Zahlungsanspruch der Klägerin damit nicht besteht.

1. §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1 VVG bestimmen, dass eine Lebensversicherung mit laufender Prämienzahlung vom Versicherungsnehmer jederzeit zum Schluss der jeweiligen Versicherungsperiode gekündigt werden oder (was wirtschaftlich eine Teilkündigung bedeutet) in eine beitragsfreie Versicherung umgewandelt werden kann. Diese Vorschriften sind zu Gunsten des Versicherungsnehmers zwingend (§ 178 VVG).

2. Die Einräumung der unabdingbaren Kündigungsmöglichkeit zu Gunsten des Versicherungsnehmers bedeutet, dass nicht nur ein unmittelbarer vertraglicher Ausschluss der Kündigung unwirksam ist, sondern die Unwirksamkeitsfolge auch bei einer lediglich mittelbaren Ausschließung oder Erschwerung der Kündigung durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder eines sonstigen den Versicherungsnehmer treffenden Nachteils, die mit der Kündigung verbunden sind, eingreift (vgl. für kündigungserschwerende Vereinbarungen bei Handelsvertretern und Arbeitnehmern: LG Karlsruhe, VersR 90, 1008, 1009 m.w.Nachw.). Einen solchen, die jederzeitige Kündigung der Lebensversicherung wesentlich erschwerenden Nachteil für den Versicherungsnehmer beinhaltet die zwischen den Parteien getroffene Vermittlungsgebühren Vereinbarung.

a) Die von der Klägerin bei der Vermittlung von Versicherungen der […] verwendeten Vergütungs- Vereinbarungen weichen von der normalen Handhabung bei Lebensversicherungsvermittlungen ab, indem nicht die Versicherung den Vermittler beauftragt und bezahlt, sondern die Vermittlungs- und Provisionsvereinbarung mit dem Versicherungsnehmer getroffen wird. Hinsichtlich der Provisionsfälligkeit enthalten die Vereinbarungen die Regelung, dass die Provisionen nicht zeitproportional entsprechend den während der Versicherungszeit jeweils zu zahlenden Versicherungsprämien anfallen, sondern der ganz überwiegende Teil der Provisionsvergütung schon während der ersten drei Versicherungsjahre zu zahlen ist (vorliegend bei einer Gesamtprovision für den Fall der nicht vorzeitigen Kündigung von 2.838,– DM : 60,50 DM x 36 Monate = 2.178,– DM). Dazu kommt die Klausel, dass die in den ersten drei Jahren fälligen Provisionen auf jeden Fall zu zahlen sind, auch wenn auf Grund einer vorzeitigen Kündigung oder Umwandlung der Versicherung weitere Versicherungsprämien nicht mehr bezahlt werden. Diese Vorfälligkeit und Unverfallbarkeit der während der ersten Vertragszeit zu zahlenden Provisionen bedeutet eine unzulässige Beeinträchtigung der Möglichkeit, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag jederzeit kündigen kann, dies insbesondere während der ersten Vertragszeit.

b) Üblicherweise beträgt die Vermittlervergütung einen Bruchteil des Werts des vermittelten Hauptgeschäfts; vorliegend etwa beläuft sie sich, wenn man die Summe der Provisionen (2.838,– DM) und die Beitragssumme bei voller Laufzeit der Versicherung (27.012,– DM) gegenüberstellt, auf 10,5 %. Eine Relation Provision/Wert des Hauptgeschäfts, die davon wesentlich abweicht etwa eine Provision, die genauso hoch oder sogar höher ist als der Hauptgeschäfts Wert, wäre nicht nur wirtschaftlich unsinnig, sie wäre auch rechtlich unzulässig; denn ein eklatantes Überschreiten des üblichen Leistungs-, Gegenleistungs- Wertverhältnisses führt grundsätzlich gem. § 138 BGB zur Nichtigkeit des Geschäfts (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 138 Rdnrn. 34 ff.). Dass in den Vermittlungsgebühren Vereinbarungen der Klägerin für die ersten drei Versicherungsjahre gleichwohl eine solche Relation „Provision kein Bruchteil des Werts des Hauptgeschäfts, sondern sogar höher als dieser Wert“ festgelegt ist, ist nur verständlich und prima vista akzeptabel im Hinblick auf die Erwartung, dass der Versicherungsvertrag bis zum Ende oder jedenfalls während eines langen Zeitraums der Versicherungslaufzeit nicht gekündigt wird; denn dann lassen sich die zunächst überproportionalen Provisionen nachträglich derart auf die insgesamt gezahlten Versicherungsprämien und vom Versicherungsnehmer erworbenen Versicherungsanwartschaften aufteilen, dass ein übliches, wirtschaftlich sinnvolles Wertverhältnis Provisionshöhe/Wert des Hauptgeschäfts erreicht wird. Erfüllt sich aber diese Erwartung nicht und macht der Versicherungsnehmer von seiner Freiheit, den Versicherungsvertrag vorzeitig zu kündigen, Gebrauch, so steht dem übermäßigen Volumen der in den ersten Jahren fälligen Provisionen nur zu einem ganz geringen Anteil ein normaler Wert des Hauptgeschäfts Lebensversicherung gegenüber. Zum ganz überwiegenden Teil erweisen sich die in dieser Zeit vom Versicherungsnehmer geschuldeten oder schon gezahlten Provisionen als Zahlungen ohne Gegenleistungen, und dieser wirtschaftliche Nachteil ist das Ergebnis der vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherung, was für den Versicherungsnehmer praktisch dasselbe bedeutet, als wäre für diesen Kündigungsfall eine Vertragsstrafe vereinbart worden.

c) Der sich wegen dieses Zusammenhangs von wirtschaftlichem Nachteil und vorzeitiger Kündigung des Lebensversicherungsvertrags ergebenden Unwirksamkeit der Klägerin Vermittlungsgebühren Vereinbarungen lässt sich nicht entgegenhalten, dass sich das in § 178 i. V. mit §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1 VVG enthaltene Verbot der Einschränkung der Kündigungsfreiheit des Versicherungsnehmers nach der Formulierung der Vorschrift nur an den Versicherer wendet („auf eine Vereinbarung, durch welche von den Vorschriften der §§ 165 und 174 … zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wird, kann sich der Versicherer nicht berufen“.), während die Vermittlungsgebühren Vereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und Vermittler geschlossen werden. Dieser Einwand betrifft nur den Gesetzeswortlaut. Sachlich, d. h. bei der gebotenen interessengerechten und dem Gesetzeszweck entsprechenden Auslegung, gilt das Verbot der Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Versicherungsnehmers generell und nach allen Seiten. Es richtet sich nicht nur an den Versicherer, sondern ebenso an Dritte, insbesondere an Versicherungsvermittler, die (auch ohne einen entsprechenden Handelsvertreter oder Maklervertrag) mit dem Versicherer laufend zusammenarbeiten.

d) Ebenfalls nicht durchgreifen könnte der weitere eventuelle Einwand, dass auch in den Fällen, in denen die Lebensversicherung die Vermittlervergütung zahlt, in aller Regel kein zeitproportionaler Anfall der Provisionen entsprechend dem sukzessiven Ablauf der Versicherungsprämien Fälligkeiten und Zahlungen vereinbart ist, vielmehr dem Versicherungsvertreter oder -makler bei vorzeitiger Kündigung oder sonstiger Stornierung der Versicherung eine Provision endgültig zusteht, die weit höher ist als die Vergütung, die ohne Vorfälligkeit dem realisierten Teil des Versicherungsvertrags entsprechen würde (vgl. dazu § 92 Abs. 2 HGB, ferner v.Hoyningen Huene, in: MünchKomm HGB, § 92 Rdnrn. 22 f. sowie zur aufsichtsbehördlichen Regelung der Abschlussprovisionen: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., Anm. G 400 ff.). § 178 VVG ist nur zwingend, soweit es um die Kündigungsfreiheit des Versicherungsnehmers geht. Der kündigende Versicherungsnehmer hat in den genannten Fällen der von der Versicherung zu leistenden Vermittlervergütung ab der Kündigung nichts mehr zu zahlen; die Versicherungsprämien fallen weg, und zur Zahlung einer Vermittlervergütung war er ohnehin nie verpflichtet. Bedenken könnten allenfalls bestehen, soweit durch überproportionale Provisionszahlungen des Versicherers an den Vermittler zu Beginn des Versicherungsverhältnisses der vorzeitig kündigende Versicherungsnehmer bei der Berechnung des Rückkaufswerts seiner Versicherung benachteiligt wird, was möglicherweise die durch die §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG gewährleistete Kündigungsfreiheit in unzulässiger Weise beeinträchtigt; dies bedarf jedoch im Rahmen der vorliegenden Überlegungen keiner abschließenden Prüfung und Entscheidung. e) Die hier in Frage stehenden Vorschriften der §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG sind Vorschriften des deutschen Versicherungsrechts. Sie finden im Streitfall Anwendung, auch wenn der streitgegenständliche Versicherungsvertrag mit einer luxemburgischen Versicherungsgesellschaft geschlossen wurde. Maßgebend ist, dass der Beklagte als Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und damit das mit dem Abschluss der Lebensversicherung versicherte Risiko in Deutschland belegen ist (Art. 7 Nr. 4 lit. a und Art. 9 Abs. 1 EGVVG).

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