Die englische Limited

Rechtstipp Versicherungsmaklerrecht

Eine Alternative zur GmbH?

Drei grundlegende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH vom 09.03.1999 – „Centros“; vom 05.11.2002 – „Überseering“ und vom 30.09.2003 – „Inspire Art“) zur europarechtlich verankerten Niederlassungsfreiheit haben den Weg zur Anerkennung ausländischer Kapitalgesellschaften als Rechtsperson in Deutschland geebnet. Diese Rechtsprechung beseitigt ein schwerwiegendes Hindernis für den EU-weiten „Wettbewerb der Gesellschaftsformen“. Nunmehr kann es auch für (ausschließlich) in Deutschland tätige Absatzmittler unter Umständen attraktiv sein, dem Unternehmen die Form einer ausländischen Kapitalgesellschaft zu geben.

Im Zentrum der Diskussion steht bei Absatzmittlern momentan der Vergleich zwischen der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der englischen private company limited by shares (Limited). Mit beiden Gesellschaftsformen kann im Grundsatz erreicht werden, dass die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt wird, und zwar unter Ausschluss der persönlichen Haftung der Gesellschafter.

Die deutschen Reglementierungen zur GmbH werden hinsichtlich des Gründungsaufwands – notarielle Beurkundung – und des Mindest-Stammkapitals – € 25.000 – zunehmend als schwerfällig empfunden. Dagegen lockt die Limited mit liberaleren Gründungsvorschriften und dem fehlenden Erfordernis, ein Stammkapital in bestimmter Mindesthöhe einzahlen zu müssen. Inzwischen wird sogar damit geworben, dass eine Limited innerhalb von 24 Stunden bereitstehen könne.

Das sollte aber nicht vorschnell zu dem Schluss verleiten, die GmbH als deutsche Kapitalgesellschaftsform habe keine Zukunft mehr. Diese Gesichtspunkte sollten erst recht nicht alleinige Entscheidungsgrundlage des Absatzmittlers für eine bestimmte Gesellschaftsform sein. Die Tücken stecken oft im Detail. Nachfolgend werden deshalb einige typische Problemfelder umrissen, um einen Vergleich beider Gesellschaftsformen zu erleichtern. Die Darstellung erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

1.         Rechtsunsicherheit
Ein derzeit gewichtiger Nachteil der Limited-Gesellschaftsform vorweg: Es herrscht erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der weiteren Konsequenzen, die aus den EuGH-Urteilen zu ziehen sind. Bislang entschieden ist nur, dass die Limited rechts- und parteifähig ist.

Zur Anwendbarkeit anderer deutscher Regelungen – vor allem des Haftungsrechts für Gesellschafter / Geschäftsführer – gehen die Meinungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur dagegen weit auseinander. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.03.2005 deutet an, dass der Bundesgerichtshof zumindest bei der deliktsrechtlichen Haftung weiterhin deutsches Recht für anwendbar hält.

Bis hier allerdings eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung entstanden ist, werden vermutlich noch Jahre vergehen. Gesellschafter und Geschäftsführer einer in Deutschland tätigen Limited müssen sich darauf einstellen, dass es künftig noch einige überraschende Entscheidungen deutscher Gerichte gibt.

2.         Gründungsaufwand / Gesellschafterwechsel
Bei der GmbH muss der Gesellschaftsvertrag und ggf. auch dessen spätere Änderung notariell beurkundet werden. Bei der Gründung der Limited genügt Schriftform. Der Aufwand ist bei der Limited also (zumindest auf den ersten Blick) geringer.

Das Erfordernis der notariellen Beurkundung ist allerdings kein Selbstzweck. Es dient unter anderem der rechtlichen Beratung und Aufklärung durch den Notar. So oder so sollte eine Gesellschaftsgründung in keinem Fall ohne Rechtsrat durchgeführt werden. Mit dem englischen (Gründungs-)Recht ist in Deutschland aber längst nicht jeder vertraut.

Hinzu kommt, dass der Ratschlag bei der Limited deren spezifische Situation als in Deutschland tätig werdende Gesellschaft berücksichtigen sollte. In diesem Bereich herrscht allerdings derzeit – wie bereits unter 1. dargestellt – große Rechtsunsicherheit. Ob der Zeit- und Kostenaufwand für eine umfassend vorbereitete Gründung einer Limited deshalb im Ergebnis wirklich hinter dem Gründungsaufwand einer GmbH zurückbleibt, darf bezweifelt werden.

Die Übertragung von Anteilen an der GmbH bedarf der notariellen Form, bei der Limited genügt Schriftlichkeit und eine Umschreibung im Gesellschaftsregister.

3.         Anmeldung zum Handelsregister
Die Gründung einer GmbH ist zum Handelsregister anzumelden. Sie wird vom Registergericht überprüft. Dabei sind viele Anlagen abzugeben und Versicherungen der Geschäftsführer einzuholen. Auch dieses Prozedere wird oft als schwerfällig kritisiert.

Bei der Limited gibt es eine solche anfängliche Prüfung nicht. Zu beachten ist für den in Deutschland ansässigen Gesellschafter einer Limited aber: in England muss ein sog. registered office eingerichtet und unterhalten werden. Dort sind wichtige Dokumente (z. B. Buchhaltung) aufzubewahren. Des Weiteren ist ein Gesellschaftsregister zu führen. Spätestens 22 Monate nach der Gründung (danach fortlaufend jährlich) ist ein Jahresabschluss beim englischen Register einzureichen.

Diese und weitere formelle Pflichten (bspw. Stellung eines secretary) übernehmen zwar Anbieter, die in Deutschland für die Limited werben, gegen Entgelt. Soll die Limited in Deutschland tätig werden, ist aber zusätzlich eine deutsche Zweigniederlassung der Limited in das deutsche Handelsregister einzutragen. Das Unterlassen der Anmeldung der Zweigniederlassung kann ein Zwangsgeld nach sich ziehen.

Bei der Anmeldung der Zweigniederlassung sind ebenfalls viele Unterlagen, ggf. sogar aus Großbritannien und mit beglaubigter (=teurer) Übersetzung, einzureichen. Eine Prüfung der Eintragung durch das deutsche Registergericht wird hier ebenfalls vorgenommen, so dass sich im Ergebnis die registerrechtliche Prüfung in Deutschland gar nicht vermeiden lässt. Die „Doppelung“ der Verfahren durch Gründung einer Limited in England und Eintragung einer deutschen Zweigniederlassung kann deshalb mehr Aufwand als nur ein (wenn auch schwerfälliges) Verfahren auf Eintragung einer GmbH bedeuten.

4.         Mindest-Stammkapital
Bei der Gründung einer GmbH ist derzeit ein Stammkapital in Höhe von mindestens € 25.000 erforderlich, das zur Hälfte eingezahlt sein muss. Die Rechtsprechung hat komplizierte Regeln für die Leistung der Bar- und Sacheinlagen entwickelt. Bei Nichtbeachtung dieser Regeln besteht die Gefahr, dass die Einlage unter Umständen noch einmal zu leisten ist.

Diese Probleme gibt es bei der Limited nicht. Das Recht der englischen Limited kennt zwar auch das so genannte gezeichnete Kapital. Dieses Kapital hat allerdings keine Gläubigerschutzfunktion. Es gibt keinen Mindestbetrag und keine Mindesteinzahlung. Eine Limited kann mit 1 Pfund gezeichnetem Kapital gegründet werden. Das ist wohl der praktisch bedeutendste Vorteil der Limited.

Der Absatzmittler sollte sich aber bewusst sein, dass das Vermögen in der Limited wesentlich stärker gebunden ist als in der GmbH. Das englische Recht versucht den Gläubigerschutz auf diesem Wege (statt über den Weg eines Mindest-Stammkapitals) zu erreichen. Bei der Limited dürfen nur erwirtschaftete Gewinne nach Verrechnung mit Verlustvorträgen an den/die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Bei der GmbH ist es hingegen beispielsweise möglich, eine Rücklage aufzulösen und auszuschütten, soweit nur das Stammkapital nicht durch Verlustvorträge vermindert ist. Wird in einer Limited also Haftungsmasse (Vermögen) aufgebaut, kann der Gesellschafter der Limited dieses Vermögen durch Ausschüttung nicht so leicht entziehen wie bei der GmbH.

Die Bundesregierung hat darüber hinaus einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem das Mindest-Stammkapital einer GmbH von € 25.000 auf € 10.000 abgesenkt werden soll. Nach den derzeit bekannten Plänen soll das Gesetz zum 01.01.2006 in Kraft treten.

5.         Kredite / Diskontierung von Vergütung
Kredite oder Vorschüsse wird die Vermittler-Limited nicht bekommen, wenn kein ausreichendes Eigenkapital vorhanden ist oder Sicherheiten gestellt werden. Kreditinstitute oder Produktpartner wissen sehr gut, dass die Limited eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Muss eine Sicherheit gestellt werden, wird beispielsweise wie bei der GmbH eine persönliche Bürgschaft des Gesellschafters verlangt. Insofern bringt die Limited also weder einen Vorteil noch einen Nachteil.

6.         Rechtsverhältnisse innerhalb der Limited
Die „innere Organisation“ der Limited mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland richtet sich nach mittlerweile wohl herrschender Meinung nach englischem Recht. Darunter fallen zum Beispiel

  • Kompetenzen der verschiedenen Gesellschaftsorgane,
  • organschaftliche Rechte und Pflichten,
  • Regelungen, dass Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse in englischer Sprache zu protokollieren und einzureichen sind, sowie
  • schlichte – aber in Deutschland überwiegend nicht im Detail bekannte – Formalitäten in Bezug auf die Einberufung von Gesellschafterversammlungen.

Oft werden für Streitigkeiten über die genannten Punkte allein englische Gerichte zuständig sein (Art. 22 Nr. 2, 23 Abs. 5 EuGVVO). Das englische Rechtssystem (sog. „case law“) ist zudem grundlegend anders strukturiert als das deutsche und erschwert damit (über die Sprachbarriere hinaus) den Zugang.

Dieser doch recht bedeutsame Nachteil wirkt sich vor allem dann aus, wenn an der Limited mehrere Gesellschafter / Geschäftsführer beteiligt sind und es zwischen ihnen zum Streit kommt. Dann ist unter Umständen ein zeit- und kostenintensiver Rechtsstreit vor englischen Gerichten auszutragen.

7.         Existenz- und Vertretungsnachweise
Im Rechtsverkehr wird die Limited immer wieder Nachweise ihrer Existenz und der Vertretungsbefugnis der handelnden Personen beibringen müssen (Bsp.: Eröffnung eines Bankkontos, Kauf eines Grundstücks). Während dies bei der GmbH relativ einfach durch Vorlage eines beglaubigten Handelsregisterauszugs geschehen kann, sind für die Limited immer wieder aktuelle Unterlagen aus Großbritannien zu beschaffen.

8.         Haftung
Wie bereits unter 1. ausgeführt, ist hinsichtlich der Haftung der Gesellschafter / Geschäftsführer derzeit noch vieles streitig. Die Darstellung einzelner Haftungstatbestände nach englischem und deutschem Recht würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Generell ist jedoch bereits jetzt abzusehen, dass sowohl das englische als auch das deutsche Recht eine Durchgriffshaftung auf Gesellschafter und Geschäftsführer kennt, wenn diesen gravierende Fehler unterlaufen. Das bedeutet, dass die Haftung im Detail vielleicht unterschiedlich ausgestaltet sein mag. Es lässt sich aber nicht generell behaupten, dass die Haftung bei einer Limited im Ergebnis weniger streng wäre als bei einer GmbH.

So kennt das englische Recht etwa die sog. wrongful trading rule. Danach kommt eine persönliche Haftung des directors der Limited gegenüber der Gesellschaft in Betracht, wenn er seit Eintritt der Krise der Gesellschaft nicht jeden möglichen Schritt unternommen hat, um den Schaden für die Gläubiger der Limited möglichst gering zu halten. Sie ähnelt insoweit der im GmbH-Recht vorgesehenen Durchgriffshaftung des Geschäftsführers bei verspäteter Stellung des Insolvenzantrags.

Ob der director der Limited in Deutschland nun nach der wrongful trading rule oder der Durchgriffshaftung des GmbH-Rechts haftet, wird die Rechtsprechung wie gesagt erst in Zukunft zu entscheiden haben. Das Beispiel zeigt jedoch, dass beide Rechtssysteme Haftungstatbestände für vergleichbare Fälle bereithalten.

Wird die Limited allein dazu missbraucht, Verbindlichkeiten auf sie abzuwälzen, besteht auch die Gefahr, dass eine Haftungsbeschränkung im Ergebnis überhaupt nicht anerkannt wird. Das Amtsgericht Hamburg hat beispielsweise am 14.05.2003 entschieden, dass die Gesellschafter einer Limited nicht in den Genuss der Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der Gesellschaft kommen, wenn die ausschließlich in Deutschland operierende englische Limited in tatsächlicher Hinsicht nicht mit hinreichendem Kapital ausgestattet ist und weitere Indizien für einen Missbrauch hinzukommen.

9.         Steuerliche Behandlung
Wird die Limited ausschließlich in Deutschland über ihre Zweigstelle tätig, behandelt das Finanzamt sie wie eine inländische Kapitalgesellschaft. Insofern ergeben sich keine Unterschiede zwischen GmbH und Limited.

10.         Sozialversicherungsrecht
Die Sozialversicherungsträger stehen auf dem Standpunkt, dass allein die Tätigkeit eines Absatzmittlers in Form einer GmbH oder Limited den Alleingesellschafter-Geschäftsführer nicht notwendig von der Beitragspflicht in den Sozialversicherungen befreit. Wäre der Alleingesellschafter-Geschäftsführer als natürliche Person ein abhängig Beschäftigter, kann diese Bewertung nicht allein durch Zwischenschaltung einer GmbH bzw. Limited umgangen werden.

Ist die GmbH/Limited nur für einen Auftraggeber tätig, kann sie bzw. der Alleingesellschafter-Geschäftführer nach Auffassung der Rentenversicherungsträger unter Umständen als „arbeitnehmerähnlicher Selbständiger“ rentenversicherungspflichtig sein.

11.       Fazit
Die englische Limited ist nicht die Lösung „aller“ Probleme. Da kein Mindest-Stammkapital benötigt wird, ist die Limited in der Gründungsphase unbestreitbar attraktiv. Maßgeblich ist aber auch englisches Recht. Das kann für deutsche Gesellschafter / Geschäftsführer zu manch (bösen) Überraschungen führen. Im Übrigen kennt man auch in England die Probleme, die während des „Lebens“ einer Kapitalgesellschaft auftreten können. Gläubigerschutzmechanismen existieren auch dort. Die Haftungsrisiken für Gesellschafter / Geschäftsführer einer Limited bleiben im Vergleich mit einer GmbH daher nicht spürbar zurück. Die Entscheidung zwischen der Gründung einer GmbH oder einer Limited sollte deshalb wohlüberlegt sein, zumal beabsichtigt ist, das notwendige Mindest-Stammkapital für die Gründung einer GmbH ab 01.01.2006 auf € 10.000 abzusenken.

Rechtsanwalt M. Effenberger