Kündigt der Arbeitsgeber und geht der Arbeitnehmer dagegen gerichtlich vor, stellt sich die Frage, ob dem Arbeitnehmer für die Zeit ab Ablauf der Kündigungsfrist beziehungsweise dem Zugang der fristlosen Kündigung und der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ein Weiterbeschäftigungsanspruch zusteht. Dabei ist zwischen dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, der nachfolgend behandelt wird, und dem Anspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG zu unterscheiden.

Wendet sich der Arbeitnehmer gerichtlich gegen eine ordentliche oder außerordentliche Beendigungskündigung und macht er einen Weiterbeschäftigungsanspruch für die Zeit ab Ablauf der Kündigungsfrist oder Zugang der außerordentlichen Kündigung und der rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses geltend, ist eine wertende Betrachtung vorzunehmen. Maßgeblich ist, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung oder das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung höher zu bewerten ist.

Grundsatz
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt, dass bis zu einem der Kündigungsschutzklage stattgegebenen erstinstanzlichen Urteil die Unsicherheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung begründet.

Ausnahmen

  • Die Kündigung des Arbeitsgebers ist offensichtlich unwirksam (selten);
  • Arbeitnehmer kann sein besonderes Interesse an der  tatsächlichen Beschäftigung so darlegen, dass pauschale Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers nicht gerechtfertigt ist (z.B. Nichtbeschäftigung stellt Erhalt oder Erreichen einer beruflichen Qualifikation ernstlich in Frage).

Urteil: Instanz gibt Kündigungsschutzklage statt:
Es müssen zusätzliche Umstände dazu kommen, die im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Zum Beispiel bei wirksam vereinbarter Freistellung und Vorliegen eines sachlichen Grundes, sowie einseitiger Freistellung wegen Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder Verstoß gegen Wettbewerbsverbot.

Sachlage bei Befristung: 
Es gelten obige Grundsätze.

Sachlage bei Änderungskündigung:
Konstellation 1: Bei vorbehaltsloser Ablehnung des Änderungsangebotes durch den Arbeitnehmer gelten obige Grundsätze.

Konstellation 2: Bei der Annahme des Änderungsangebotes unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung ist der Arbeitnehmer verpflichtet, zu den geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten. Das gilt auch dann, wenn ein Instanzgericht seiner Änderungsschutzklage stattgegeben hat.

Sachlage bei weiterer Kündigung:
Es kommt vor, dass der Arbeitgeber eine weitere Kündigung ausspricht, nachdem er durch ein Instanzgericht zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden ist. Wird diese weitere Kündigung auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützt, wegen dem es möglich ist, dass die weitere Kündigung rechtlich anders zu beurteilen ist, beendet diese erneute Kündigung den Weiterbeschäftigungsanspruch. Ist die neue Kündigung offensichtlich unwirksam oder wird sie auf dieselben Gründe gestützt, wie die erste Kündigung, entfällt der Weiterbeschäftigungsanspruch nicht.