Fragen im Einstellungsgespräch bei angestellten Reisenden
Rechtstipp Arbeitsrecht im Außendienst, Beginn des ArbeitsverhältnissesBei der Einstellung von Arbeitnehmern werden häufig verschiedene Selektionsverfahren eingesetzt, um die Eignung der Bewerber und Bewerberinnen festzustellen. Dazu gehören neben dem eigentlichen Einstellungsgespräch vor allem auch die so genannten Personalfragebögen, die zum Teil nicht nur Fragen enthalten, die sich auf die berufliche Eignung und Qualifikation des Bewerbers, sondern auch auf dessen Privatleben beziehen.
Spannungsgefüge zwischen Interessen von Arbeitgeber und Außendienstmitarbeitern
Aus dem Spannungsverhältnis der einander widersprechenden Interessen des Arbeitgebers einerseits (umfassende Information für eine sichere Personalentscheidung) und des Bewerbers andererseits (möglichst wenig nachteilige Informationen oder aus der Privatsphäre) folgt eine Begrenzung des Frage- und Informationsrechts des Arbeitgebers durch die Rechte des Bewerbers.
Das BAG gesteht dem Arbeitgeber ein Fragerecht nur insoweit zu, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage für das Arbeitsverhältnis hat. Sein Fragerecht endet regelmäßig dort, wo das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers tangiert wird, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Der Bewerber ist daher grundsätzlich nur insoweit zur Auskunftserteilung bzw. Beantwortung der Fragen verpflichtet, als ein Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz oder der zu leistenden Arbeit besteht.
Tipp: Ausnahmsweise muss der Bewerber den Arbeitgeber über bestimmte außergewöhnliche Umstände auch ohne Befragen aufklären. Eine Pflicht des Bewerbers zur Offenbarung von Tatsachen auch ohne Nachfrage des Arbeitgebers wird nach Treu und Glauben dann anzunehmen sein, wenn es sich um Umstände handelt, die einerseits – für den Arbeitnehmer ersichtlich – von grundlegender Bedeutung für die Entscheidung des Arbeitgebers über den Vertragsschluss sind, und die andererseits dem Arbeitgeber nicht bekannt sind. Es handelt sich dabei insbesondere um solche Umstände, die dem Bewerber die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht unmöglich machen oder die eine Gefährdung für Dritte darstellen.
Typische Beispiele:
- Antritt einer Haftstrafe steht bevor und hindert am ordnungsgemäßen Dienstantritt.
- Erkrankungen mit Ansteckungsgefahr.
- So schwere Erkrankungen, die Erbringung der Arbeitsleistung dauerhaft hindern.
- Bestehendes einschlägiges Wettbewerbsverbot.
Fragerecht des Arbeitgebers
Ein Fragerecht des Arbeitgebers besteht in dem oben umschriebenen Umfang, der durch das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers begrenzt wird. Der Arbeitgeber darf also grundsätzlich alle Fragen stellen, die sich auf die Qualifikation und Eignung des Bewerbers für die entsprechende Stelle beziehen. Zulässige Fragen müssen vom Bewerber stets richtig und vollständig beantwortet werden.
Tipp: Teilt der Bewerber einen offenbarungspflichtigen Umstand nicht von sich aus mit oder beantwortet er eine zulässige Frage des Arbeitgebers wahrheitswidrig, so berechtigt dies den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung. Die Anfechtung hat dann die rückwirkende Nichtigkeit des Arbeitsvertrages zur Folge. Unter Umständen kann sich der Arbeitnehmer darüber hinaus wegen Verschuldens bei Vertragsschluss schadensersatzpflichtig machen. Bei unzulässigen Fragen des Arbeitgebers hat der Bewerber grundsätzlich ein Recht zur Lüge.
Einzelne Fragen
Wo die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Frage verläuft, lässt sich am besten anhand der in der Literatur und Rechtsprechung herausgebildeten Auffassungen zu einigen typischen Fragen im Einstellungsgespräch verdeutlichen:
Beruflicher Werdegang: Fragen nach dem bisherigen beruflichen Werdegang und der konkreten Erwartung des Bewerbers hinsichtlich des neuen Arbeitsplatzes und seiner beruflichen Entwicklung sind unbedenklich.
Familienstand: Die Frage nach dem Familienstand ist unzulässig, da sie die private Lebensführung berührt. Angaben über Familienstand und Kinder sind erst nach der Einstellung zu machen.
Gesundheitszustand: Fragen nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Bewerbers sind nur insoweit zulässig, als es sich um schwerwiegende und chronische Erkrankungen handelt, die sich auf die vorgesehene Tätigkeit auswirken. Fragen nach dem Vorliegen einer Krankheit oder Körperbehinderung sind wahrheitsgemäß zu beantworten, wenn dadurch die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit erfahrungsgemäß beeinträchtigt ist. Der Reisende hätte daher z.B. chronische Erkrankungen der Bandscheibe, die das Autofahren beeinträchtigen, wahrheitsgemäß anzugeben.
Gewerkschafts-/ Parteizugehörigkeit ist wegen des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) bzw. der Parteifreiheit (Art. 21 GG) grundsätzlich kein Gegenstand des arbeitgeberseitigen Fragerecht. Ausnahme: Angestrebte Tätigkeit für eine Gewerkschaft oder Partei
Kur: Nach einer bereits bewilligten bzw. konkret in Aussicht genommenen Kur, die den Arbeitnehmer am vereinbarten Dienstantritt hindert, darf gefragt werden.
Lohn-/Gehaltspfändungen: Die Berechtigung dieser Frage ist streitig. Zum Teil wird dies als der privaten Risikosphäre des Bewerbers zugehörig angesehen. Teilweise wird wegen des hiermit verbundenen, je nach Umfang der Pfändungen erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwandes für den Arbeitgeber, ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers bejaht, so dass die Frage als zulässig angesehen wird. Jedenfalls ist die Frage als zulässig anzusehen, wenn der Arbeitnehmer mit der Verwaltung von Geld des Arbeitgebers betraut werden soll, der Reisende also Inkassotätigkeit bei den Kunden ausüben soll.
Religionszugehörigkeit unterliegt wegen des Grundrechts auf Religionsfreiheit (Art. 4 GG) grundsätzlich nicht dem Fragerecht des Arbeitgebers. Ausnahmen gelten bei konfessionellen Institutionen.
Schwangerschaft: Ein Fragerecht bezüglich Schwangerschaft besteht nach der Rechtsprechung des BAG und EuGH grundsätzlich nicht, da die Frage nach der Schwangerschaft eine unzulässige Geschlechtsdiskriminierung darstellt.
Schwerbehinderung: Nach der Rechtssprechung des BAG ist die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft uneingeschränkt zulässig.
Vergütung: Ob der Arbeitgeber nach der Höhe der bisherigen Vergütung des Bewerbers fragen darf, ist umstritten. Zum Teil wird dies mit der Begründung abgelehnt, hierdurch werde die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers geschwächt. Das BAG differenziert nach der Relevanz der Frage für die angestrebte Tätigkeit. Demnach soll die Frage nur dann, wenn die bisherige Vergütung für die begehrte Stelle aussagekräftig ist oder der Bewerber sie von sich aus als Mindestvergütung gefordert hat, berechtigt sein.
Vermögensverhältnisse: Bei leitenden Angestellten oder sonstigen Arbeitnehmern in besonderen Vertrauenspositionen ist ein berechtigtes Informationsinteresse des Arbeitgebers anerkannt. Bei sonstigen Arbeitsverhältnissen ist die Frage unzulässig.
Vorstrafen: Die Frage nach Vorstrafen ist ebenfalls nur in beschränktem Maße zulässig. Nach Vorstrafen darf nur insoweit gefragt werden, wie dies für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes von Bedeutung ist. Im Außendienst wären insoweit Betrugs- oder Verkehrsdelikte anzugeben. Eintragungen in die Flensburger Verkehrssünderkartei, die nur behördlichen Zwecken dient, sind nach überwiegender Meinung nicht anzugeben. Vorstrafen, die gemäß § 30 BZRG nicht in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen sind oder für die gemäß § 51 BZRG ein Verwertungsverbot besteht, brauchen generell nicht offenbart zu werden.
Wehr- und Ersatzdienst: Fragen danach, ob eine Einberufung zum Wehr- oder Ersatzdienst bevorsteht oder ob der Dienst bereits abgeleistet worden ist, werden verbreitet als sachgerecht und demnach uneingeschränkt zulässig angesehen. Die Frage nach dem Zivildienst kollidiert hingegen mit dem Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 3 GG) und sollte daher als unzulässig erachtet werden.
Tipp: Die Festlegung im Arbeitsvertrag, wonach die wahrheitswidrige Beantwortung von Fragen bei der Einstellung einen Kündigungsgrund darstellen, ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber nach den obigen Grundsätzen kein Fragerecht besaß.