Örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bei Kündigungsschutzklage des Reisenden

Rechtstipp Arbeitsrecht im Außendienst, Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis

Kündigt das Unternehmen den Arbeitsvertrag mit einem angestellten Reisenden und möchte der Reisende gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage erheben, stellt sich die Frage, welches Arbeitsgericht örtlich zuständig ist. Muss der Reisende seine Klage bei dem Arbeitsgericht erheben, in dessen Bezirk das Unternehmen, bzw. eine seiner Niederlassungen ansässig ist oder kann er auch an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Arbeitsgericht klagen?

Zuständigkeit des Arbeitsgerichts am Sitz des Unternehmens oder am Wohnsitz des Reisenden? 

Interessenlage des Reisenden 
Der Reisende wird in der Regel daran interessiert sein, die Klage möglichst bei einem in der Nähe seines Wohnsitzes liegenden Arbeitsgericht einzulegen. Naheliegende Gründe sind z.B. mitunter erhebliche Anreisekosten zu einer oder mehreren mündlichen Verhandlungen zu vermeiden. Diese Kosten sind im Arbeitsgerichtsprozess nämlich selbst dann vom Kläger zu tragen, wenn er mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg hat.

Auffassung des Bundesarbeitsgerichts:
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Reisender stets bei dem Arbeitsgericht klagen, das für seinen Wohnsitz zuständig ist, wenn dieser von dort aus seine Reisetätigkeit ausübt (BAG, Urteil. v. 12.06.86, RIW 87, 462; Beschluss v. 03.11.1993, NZA 94, 479). Anderes dürfte nur dann gelten, wenn der Reisende seine Tätigkeit direkt von dem Sitz oder einer Niederlassung des Unternehmens ausübt, d.h. seine Reisen am Betriebssitz des Arbeitgebers beginnt.

Das BAG sieht den Wohnsitz des Reisenden als den Ort, an dem er seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag erfüllt, so dass gemäß § 29 ZPO die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts gegeben ist. Unerheblich soll dabei sein, ob der Reisende täglich nach Hause zurückkehrt und in welchem Umfang er vom Betrieb Anweisungen für die Gestaltung seiner Reisetätigkeit erhält.

Aber: Häufig abweichende Entscheidungen der Instanz. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich die Untergerichte der genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vielfach nicht anschließen. Nach Auffassung zahlreicher Arbeitsgerichte ist vielmehr darauf abzustellen, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Reisenden liegt (vgl. zum Beispiel nur ArbG Leipzig, Beschluss v. 14.02.2002, BB 02, 683; ArbG Göttingen, Beschluss v. 01.10.1999, – Az: 4 Ca 623/99 -).

Diese Rechtsprechung geht davon aus, dass auch für die Tätigkeit von Reisenden in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht

  • das Aufsuchen von Kunden,
  • das Führen von Verkaufsgesprächen,
  • der Abschluss oder die Vermittlung von Verträgen sowie
  • die Akquisition der Kunden für die zu vertreibende Ware

wesentlich ist. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Reisenden läge deshalb dort, wo diese Tätigkeiten erbracht werden.

Ergibt sich nicht, dass der Reisende die genannten Tätigkeiten ausschließlich im Bezirk des für seinen Wohnsitz zuständigen Arbeitsgerichts erbracht hat, lässt sich nach dieser Auffassung eine Zuständigkeit dieses Gerichts nicht begründen. Für den Kündigungsschutzprozess soll in diesen Fällen vielmehr das Arbeitsgericht zuständig sein, in dessen Gerichtsbezirk sich der Sitz des Unternehmens befindet.

Auffassung vieler Untergerichte:
Wohnsitz des Reisenden ist nicht der Erfüllungsort seiner Tätigkeit; örtlich zuständig ist das Gericht am Sitz des Unternehmens.

Wo sollte Klage erhoben werden?
Es besteht also das Risiko, dass sich das Gericht, in dessen Bezirk sich der Wohnsitz des Reisenden befindet, abweichend von der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zumindest dann für unzuständig erklärt, wenn der Reisende seine Tätigkeit auch außerhalb des Gerichtsbezirks erbringt. In einem solchen Fall ist der Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen. Prozessuale oder materiellrechtliche Nachteile entstehen dem Kläger, der die Klage zunächst bei dem „falschen“ Gericht eingereicht hat, durch eine Verweisung nicht.

Einem Reisenden, dem es – etwa aufgrund großer Entfernungen – nicht gleichgültig ist, ob das Arbeitsgericht am Sitz des Unternehmens oder an seinem Wohnort über seine Kündigungsschutzklage entscheidet, ist deshalb zu empfehlen, die Klage zunächst bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht einzureichen.

Lediglich in Ausnahmefällen kann eine Verweisung dazu führen, dass dem Kläger zusätzliche (Anwalts-) Kosten des beklagten Unternehmens auferlegt werden.

Tipp: Kündigungsschutzklage zunächst bei dem Arbeitsgericht einreichen, das für den Wohnsitz des Reisenden zuständig ist; aber: Kostenrisiko berücksichtigen.