Unwirksamer Ausschluss von Überhangprovisionen in einem Formular-Handelsvertretervertrag, Anwendungsbereich des § 87 b Abs. 3 HGB
HandelsvertreterrechtDie in einem Handelsvertretervertrag über die Vermittlung von Telefondienstverträgen vom Unternehmer vorformulierte Klausel
„Der Anspruch auf Provision endet mit Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses“
verstößt gegen die zwingende gesetzliche Bestimmung des § 87 a Abs. 3, Abs. 5 HGB und hält daher einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Der Provisionsanspruch entsteht dabei aufschiebend bedingt (vgl. § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB) bereits mit dem Abschluss des vermittelten Vertrages zwischen dem Unternehmer und dem Kunden. Eine anschließende Beendigung des Vertretervertrages beeinträchtigt diese Forderung nicht mehr. Vielmehr billigt § 87 Abs. 1 HGB dem Handelsvertreter auch für solche Geschäfte Provisionen zu, die zwar vor Beendigung des Handelsvertretervertrages abgeschlossen, aber erst nach diesem Zeitpunkt ausgeführt worden sind (BGH, Urteil vom 10.12.1997, Az.: VIII ZR 107/97, NJW-RR 98-629 unter II 1). Es ist daher unschädlich, dass die aufschiebende Bedingung für das Entstehen des Provisionsanspruchs in diesen Fällen erst nach Ablauf des Handelsvertretervertragsverhältnisses eintritt. Auch für die Fälle, dass der Unternehmer Geschäfte nicht oder anders als abgeschlossen ausführt, hat der Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen. Nach der zwingenden Regelung des § 87 a Abs. 3 HGB hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision auch dann, wenn die aufschiebende Bedingung für dessen Entstehung nicht eintreten kann, weil der Unternehmer das Geschäft vertragswidrig nicht oder abweichend ausführt. Der Provisionsanspruch entfällt nur dann, wenn der Unternehmer die unterbliebene Ausführung nicht zu vertreten hat.
Abweichend von diesem gesetzlichen Anspruchssystem sieht die oben zitierte Vertragsklausel einen Ausschluss sämtlicher Provisionsansprüche für die Zeit nach Beendigung des Handelsvertretervertrages vor. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung soll die Provisionszahlungspflicht unmittelbar mit dem Ablauf des Vertretervertrages wegfallen, um so eine langzeitige Bindung des Unternehmers an seine in periodischen Abschnitten fortlaufenden Zahlungspflichten zu verhindern. Auch für die in § 87 a Abs. 3 HGB geregelten Fälle der vertragswidrig unterbliebenen oder verzögerten Ausführungen des vermittelten Geschäfts macht die Ausschlussklausel keine Ausnahme. Mit diesem umfassenden Regelungsgehalt ist aber eine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verbunden.
Es handelt sich bei den vom Handelsvertreter geltend gemachten Ansprüchen auch nicht um Provisionsforderungen aus nachvertraglichen Geschäften, die nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 HGB verlangt werden können. Denn nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen ist nicht das jeweils vom Kunden geführte einzelne Telefongespräch Gegenstand der Provisionspflicht, sondern der vom Kläger vermittelte Abschluss eines – auf einen bestimmten Festnetztarif bezogenen – Telefondienstvertrages. Die einzelnen Telefonate sind nur für die Höhe und Fälligkeit der Provisionsansprüche von Bedeutung. Ein Telefondienstleistungsvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, während dessen sich der Anbieter verpflichtet, dem Kunden den Zugang zum öffentlichen Telekommunikationsnetz zu eröffnen und es ihm fortlaufend zu ermöglichen, unter Aufbau abgehender und Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit anderen Teilnehmern eines Telefonfestnetzes oder eines Mobilfunknetzes Sprache oder sonstige Daten auszutauschen.
Die Bestimmung des § 87 Abs. 1 HGB ist nicht zwingend. Ansprüche des Handelsvertreters auf Überhangprovision, können – zumindest individualvertraglich – wirksam ausgeschlossen werden. Ob dies generell auch für den Ausschluss derartiger Provisionen durch vom Vertragspartner gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen gilt, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt und muss auch im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt werden, denn die vom Unternehmer gestellte Provisionsausschlussklausel ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie auch solche Provisionen erfasst, die dadurch zu Überhangprovisionen werden, dass der Unternehmer das vermittelte Geschäft nicht oder verspätet ausführt. Solche Provisionen können nicht einmal in Individualvereinbarungen ausgeschlossen werden (vgl. § 87 a Abs. 3, Abs. 5 HGB).
Die oben zitierte Provisionsausschlussklausel kann auch nicht auf einen unbedenklichen Regelungsgehalt zurückgeführt werden. Eine solche geltungserhaltende Reduktion der inhaltlich zu weit gehenden Klausel ist nach gefestigter Rechtsprechung des BGH unzulässig. Wenn eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Vertragspartner des Verwenders auch nur für einen Teil der von der Klausel nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Sinn erfassten Fallgestaltungen unangemessen benachteiligt, ist sie nach § 307 BGB insgesamt unwirksam, es sei denn, sie lässt sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen. Daran fehlt es hier.
Vergeblich beruft sich die Revision darauf, im Falle der Unwirksamkeit der Formularklausel sei der Provisionsanspruch des Klägers auf einen Monat nach Beendigung des Handelsvertretervertragsverhältnisses zu beschränken. Diese Rechtsfolge will die Revision, anknüpfend an die den Kunden eingeräumte Kündigungsfrist von einem Monat, aus § 87 b Abs. 3 Satz 2 HGB herleiten. Diese Vorschrift trifft jedoch keine Bestimmung über die Dauer der Provisionszahlungspflicht, sondern legt nur die Berechnungsweise für Provisionen bei Gebrauchsüberlassungs- und Nutzungsverträgen fest. Dabei unterscheidet sie zwischen Verträgen mit bestimmter Dauer, bei denen sie als Bemessungsgrundlage das Entgelt für die fest vereinbarte Vertragsdauer vorgibt, und Verträgen mit unbestimmter Laufzeit, bei denen die Bemessungsgrundlage für die Provision zunächst der Zeitraum sein soll, zu dem das Dauerschuldverhältnis erstmals von dem Kunden gekündigt werden kann. Wird dieses aber fortgesetzt, hat der Handelsvertreter Anspruch auf weitere, entsprechend berechnete Provisionen aus § 87 b Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 HGB.