Zu den Voraussetzungen einer Strukturkündigung von Vertragshändlerverträgen über den Vertrieb neuer Kraftfahrzeuge
VertragshändlerrechtDie vertraglichen Regelungen in einem Vertragshändlervertrag über die Verkürzung der Kündigungsfrist auf ein Jahr bei einer Strukturkündigung verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Fristenparität (§ 89 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HGB, der die Rechtsfolge des § 89 Abs. 2 Satz 2 HGB nach sich zöge). Eine entsprechende Anwendung des Grundsatzes der Fristenparität auf ein vertraglich vereinbartes Recht des Unternehmers zur Strukturkündigung im Sinne des Art. 3 Abs. 5 Buchstb. b ii GVO 1400/2002 scheidet schon deshalb aus, weil es sich hierbei um ein außerordentliches, an enge materielle Voraussetzungen gebundenes Sonderkündigungsrecht handele, das mit der ordentlichen, lediglich fristgebundenen Kündigung nach § 89 HGB nicht vergleichbar sei. Die im Art. 3 Abs. 5 GVO 1400/2002 enthaltenen Mindestfristen für die Kündigung eines Händlervertrages sollen zur Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Händlers beitragen. Der Sonderfall der Strukturkündigung mit einjähriger Frist solle es dem Lieferanten aber weiterhin ermöglichen, auf wirtschaftliche Veränderungen schnell zu reagieren und anpassungs- und leistungsfähige Strukturen zu entwickeln (EuGH, Urteil vom 07.09.2006).
Eine Strukturkündigung gemäß Art. 3 Abs. 5 Buchstb. b ii GVO 1400/2002 setze eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des Lieferanten sowohl in räumlicher, als auch in finanzieller Hinsicht voraus, die auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaften Effizienz gerechtfertigt sein müsse; mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei Jahren erleiden könne, seien in dieser Hinsicht unerheblich. Eine im Sinne dieser Rechtsprechung in räumlicher und finanzieller Hinsicht bedeutsame Umstrukturierung liege vor, wenn die Standorte des bisherigen Vertriebsnetzes zu einem erheblichen Teil wegfallen oder verlagert würden und durch die Vorbereitung und Durchführung der Umstrukturierung erhebliche Kosten verursacht würden. Die Umstrukturierung sei auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Existenz gerechtfertigt, wenn die Marktanteile des Lieferanten deutlich rückläufig seien und die Ursache dafür in der Struktur des Händlernetzes liege.