Abgrenzung von Anlageberatung und Anlagevermittlung

6 TG 3395/02 Beschluss verkündet am 18. Juli 2003 VGH Kassel Versicherungsvertreterrecht

VerwaltungsgerichtH Kassel
Im Namen des Volkes
Beschluss

[…]

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung der Antragsgegnerin vom 12.03.2002, mit der diese der Antragstellerin das Erbringen der Anlage- und Abschlussvermittlung und Werbung für diese Tätigkeit gem. § 37 Abs. 1 KWG untersagt hat. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Antragstellerin erlaubnispflichtige Anlagevermittlung i. S. des § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG oder nur erlaubnisfreie Anlageberatung (§ 1 Abs. 3 Nr. 6 KWG) betreibt. Das VG hat den Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt und ausgeführt, die Geschäftstätigkeit der Antragstellerin stelle sich als Anlagevermittlung dar. Da die Antragstellerin nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis sei, habe die Antragsgegnerin zu Recht die Einstellung dieses Betriebs verfügt. Die Beschwerde der Antragstellerin blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Soweit die Antragstellerin zunächst rügt, das VG sei von einem falschen Ablauf der Geschäftsvorgänge ausgegangen und insbesondere darauf hinweist, dass eine Kontaktaufnahme zu potenziellen Interessenten nur mit deren vorherigem Einverständnis erfolgte, so ist dies für die Frage der Abgrenzung Anlagevermittlung oder Anlageberatung irrelevant. Ebenso ist nicht dargetan, welche rechtlichen Folgerungen aus der von der Antragstellerin behaupteten Tatsache zu ziehen sind, dass die Beraterverträge mit den Kunden normalerweise vor der Zusendung des „Faxauftrags“ abgeschlossen wurden. Das VG hat für die Abgrenzung der Anlagevermittlung von der Anlageberatung entscheidend auf den Grad der Involvierung des „Beraters“ in den Ablauf des jeweils konkreten Erwerbsvorgangs bezüglich eines bestimmten Finanzprodukts abgestellt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Anlagevermittlung ist gem. § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten oder deren Nachweis. Die Antragstellerin meint, da sie weder an der Kontoeröffnung bei der […] oder einem anderen kontoführenden Institut noch an dem eigentlichen Orderauftrag unmittelbar beteiligt sei, übe sie keine Vermittlungstätigkeit aus. Zutreffend hat das VG jedoch darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin den Kunden zur konkreten Orderabwicklung eine Kontoeröffnung bei der […] vermittelt und auch konkrete Anlageempfehlungen schriftlich in Form eines vorformulierten Antrags mitteilt. Diese Form der Geschäftstätigkeit geht weit über eine reine Beratungstätigkeit hinaus. Auch wenn die Antragstellerin meint, es bestehe keine „Zusammenarbeit“ zwischen ihr und der […], da es keinerlei vertraglichen Beziehungen gebe, so muss sie sich doch entgegenhalten lassen, dass sie jederzeit über ein PC Programm Einsicht in die Konten der Kunden bei […] hatte und sie die Kunden zur Vorlage der Kontoauszüge der laufenden gemeinsamen Geschäfte vertraglich verpflichtet hatte (§ 2 Nr. 5 des „Beratungsvertrags“). Darüber hinaus hat die Antragstellerin auch nicht nur abstrakte Beratungstätigkeit erbracht. Sie hat konkrete Anlageempfehlungen ausgesprochen und schriftlich, in Form eines konkreten Auftrags über ein konkretes Finanzinstrument die Anlageentscheidung des Kunden vorformuliert. Dass der Kunde selbst erst durch seine Unterschrift die Entscheidung schlussendlich getroffen hat, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend; träfe die Antragstellerin auch diese Entscheidung, so übte sie erlaubnispflichtige Portfolioverwaltung aus. Auch der Umstand, dass die Kunden die Kontoeröffnungsaufträge und die von der Antragstellerin formulierten Orderaufträge selbst weitergegeben haben, schließt eine Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin i. S. von § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG nicht aus. Dies gilt insbesondere auch deshalb, da auch der Nachweis derartiger Aufträge von der Anlagevermittlung i. S. des § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG mitumfasst ist. Damit ist die Tätigkeit des Nachweismaklers i. S. des § 34c GewO gemeint (Boos/Fischer/Schulte Mattler, KWG, § 1 Rdnr. 120; Reischauer/Kleinhans, KWG, § 1 Rdnr. 180), soweit sich die Tätigkeit auf Finanzinstrumente bezieht. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur zu § 34c GewO ist anerkannt, dass unter Vermittlung des Abschlusses von Verträgen jede auf den Abschluss eines Vertrags abzielende Tätigkeit zu verstehen ist (Landmann/Rohmer, GewO, § 34c Rdnr. 8). Eine Vermittlung liegt selbst dann vor, wenn eine solche Tätigkeit erfolglos bleibt (VGH Kassel, GewArch 97, 67) oder nur der Vorbereitung des Vertragsabschlusses dient (VGH Mannheim, GewArch 97, 368). Für den Senat besteht – ebenso wie für das VG – kein Zweifel daran, dass die Antragstellerin ihren Kunden zumindest den Nachweis von Geschäften über die Anschaffung von Finanzinstrumenten verschafft hat. Die Antragstellerin hat selbst ausgeführt, dass sie ihren Kunden schriftlich konkrete Anlageempfehlungen gegeben hat. Sie hat dies in Form eines vorformulierten Auftrags getan, der vom Kunden nur noch zu unterschreiben und weiterzuleiten war. Damit hat sie ihren Kunden ein konkretes Geschäft nachgewiesen. Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdebegründungsschrift sowie in dem nachgereichten Schriftsatz vom 03.04.2003 eine Nachweismaklerschaft mit der Begründung verneint, es werde keine Kontenbeziehung nachgewiesen und die Antragstellerin erhalte gerade keine Vergütung durch das kontoführende Institut, verkennt sie, dass – so zutreffend das VG – in der Empfehlung eines konkreten Finanzprodukts zum Erwerb die Nachweismaklerschaft zu sehen ist. Für diese Nachweisleistung erhält die Antragstellerin auch von ihren Kunden eine entsprechende Vergütung. Dass diese Vergütung nicht von dem Verkäufer des Finanzprodukts gezahlt wird, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Zutreffend hat das VG ausgeführt, dass die Provisionszahlung nur ein Indiz (Anhaltspunkt) für die Abgrenzung von Anlageberatung und Anlagevermittlung in der Weise ist, dass jedenfalls nicht mehr von Anlageberatung gesprochen werden kann, wenn der „Berater“ seine Provision vom Anbieter des jeweiligen Finanzinstruments erhält. Auch wenn einiges dafür spricht, dass bei Zahlung der Vergütung durch den Kunden eine Anlageberatung gegeben ist, muss doch im Einzelnen geprüft werden, ob eine über die rein abstrakte Beratung hinausgehende Tätigkeit gegeben ist. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin begegnet eine solche Handhabung des Begriffs der „Anlagevermittlung“ auch keinen Bedenken im Hinblick auf Vorhersehbarkeit von Verwaltungshandeln oder Bestimmtheit einer strafbewehrten Norm. Die vom VG vorgenommene Abgrenzung erfolgt anhand abstrakter Kriterien unter Berücksichtigung des Wortlauts der Norm und der gesetzgeberischen Intentionen des Anlegerschutzes. Eine erlaubnisbedürftige Anlagevermittlung bzw. deren Nachweis ist daher auch immer dann gegeben, wenn der Vermittler den Abschluss eines konkreten Geschäfts bereits so umfassend vorbereitet und abgewickelt hat, dass der Kunde den Auftrag nur noch zu unterschreiben und abzusenden hat. Auch im Hinblick auf den von der Antragstellerin angesprochenen strafbewehrten Charakter des Kreditwesengesetzes ergibt sich nichts anderes. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass besondere Anforderungen an die Bestimmtheit einer Rechtsnorm nur innerhalb des Strafrechts und damit zuerst im Zusammenhang mit der Anwendung des § 54 KWG zu stellen sind. Bei der bloßen Anwendung des § 37 i. V. mit § 1 Abs. 1a KWG durch die Verwaltungsbehörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens oder eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits muss es mit den an die Bestimmtheit verwaltungsrechtlicher Normen zu erhebenden Ansprüchen sein Bewenden haben (VGH Kassel, Beschl. v. 09.04.2003 – 6 TG 3151/02). Inwieweit sich ein hiervon Betroffener in einem Strafverfahren im Zusammenhang mit Auslegungsschwierigkeiten auf einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum berufen kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Soweit die Antragstellerin schließlich rügt, die Verfügungen seien zu unbestimmt, wird dies im Folgenden nicht weiter dargetan. Die Antragstellerin führt lediglich aus, die Verfügungen bezögen sich auf aufsichtsrechtlich nicht relevante Tätigkeiten oder auf Tätigkeiten, die von der Antragstellerin nicht ausgeübt wurden. Damit lässt sich indes die fehlende Bestimmtheit der Verfügungen nicht begründen. Schlussendlich kann die Antragstellerin sich auch nicht zur Begründung der Beschwerde auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs berufen. Selbst wenn der Antragstellerin im behördlichen Vorverfahren keine Akteneinsicht gewährt wurde, so ist dies doch im Gerichtsverfahren nachgeholt worden.

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