Ansprüche auf Schadensersatz wegen Falschberatung und Prospekthaftung im Zusammenhang mit einer abgeschlossenen Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung
8 U 1254/13 Urteil verkündet am 28. Oktober 2013 OLG Nürnberg Beratungspflichten, SchadensersatzOberlandesgericht Nürnberg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg – 8. Zivilsenat – durch […] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2013 folgendes Endurteil:
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 21.05.2013, Az. 11 O 150/12, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 80.000,– € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2012 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der streitgegenständlichen Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung bei der […] Lebensversicherung AG, Police Nr. […].
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.880,20 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2012 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Verfahren 1. und 2. Instanz wird auf 80.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Schadensersatz wegen Falschberatung und Prospekthaftung im Zusammenhang mit einer im Juli 2004 vom Kläger bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung.
Die Beklagte ist eine Lebensversicherung nach liechtensteinischem Recht. Sie vertreibt ihre Produkte in Deutschland über Versicherungsmakler und freie Vermittler.
Der Kläger, ein anlageerfahrener Zahnarzt, ließ sich im Juli 2004 hinsichtlich der Anlage eines größeren Kapitalbetrages durch […], Versicherungs- und Finanzmakler, beraten, mit dem er seit Jahren zusammenarbeitete.
[…] empfahl dem Kläger eine Lebensversicherung mit fondsgebundener Vermögensverwaltung bei der Beklagten. Diesem Rat folgend, beantragte der Kläger am 09.07.2004 eine […] 2000/5 gegen einen Einmalbeitrag von 80.000,– € mit unbestimmter Laufzeit und der Mindesttodesfallsumme von 104 % der Einmalprämie. Die Gesundheits- und Risikofragen sind in dem Antragsformular nicht beantwortet (Anlage K 1). Der Kläger wählte eine Investition des Sparkapitals durch die Beklagte zu 100 % in die Fondsanlage […] Portfolio 124 % Dynamic. Die Anlagestrategie dieses Fonds sieht die Investition in sogenannte Notes einer französischen Bank vor mit der Möglichkeit der Aufnahme von Fremdkapital in doppelter Höhe des Eigenkapitals des Kunden, wodurch Hebelwirkungen ausgenutzt werden sollen. Der Wert der Bankanleihe ist an die Wertentwicklung eines Portfolios verschiedener Hedge-Fonds gekoppelt. Eine Erlebensfallsumme ist nicht garantiert (Bl. 46/47 d.A.). Nach den Bedingungen sind jederzeitige Kapitalentnahmen und wöchentlicher Wechsel des Fonds möglich (Versicherungsschein Anlage B 6, Verkaufsunterlagen Anlage K 2).
Die bei dem Beratungsgespräch verwendeten Unterlagen betonen, dass zu 100 Prozent in die kapitalgarantierte […] Anlage investierte werde, andererseits weisen sie aber auch auf das Risiko aus der Fremdkapitalaufnahme bis hin zum Totalverlust hin (Anlage K 4). Dieses Risiko ergibt sich daraus, dass die Gesamtanlage zur Sicherung der Kredite, die für die Hebelgeschäfte aufgenommen werden, an die kreditgebende Bank abgetreten ist. Der Kläger hat den Erhalt dieser Unterlagen und Hinweise schriftlich bestätigt (Anlage K 4).
Der Berater […] erklärte dem Kläger im Beratungsgespräch, „dass es sehr sehr sehr unwahrscheinlich sei, dass ein Totalverlust eintreten würde“ (Bl. 99 d.A.). Über ein Währungsrisiko und Kosten wurde nicht gesprochen.
Der Kläger unterzeichnete am 09.07.2004 den Versicherungsantrag. Die Beklagte nahm den Antrag an und fertigte am 22.07.2004 den Versicherungsschein aus (Anlage B 6). In der Versicherungspolice (Anlage B 6) ist zur Todesfallleistung Folgendes festgelegt: „Bei Ableben leisten wir das Ausmaß der Einzahlung inklusive Stempelsteuer (Kapitalwert) abzüglich anfälliger Kapitalentnahmen oder, falls höher, die Deckungsrückstellung. Bei Kapitalentnahmen verringert sich der Kapitalwert um den ausgezahlten Betrag“. Der Kläger leistete die Einmalprämie in Höhe von 80.000,– €.
In der Folgezeit entwickelte sich die ausgewählte Anlage so schlecht, dass die Emittentin des Fonds dessen Liquidation beschloss. Die Beklagte informierte den Kläger hierüber im Mai 2010 (Anlage B 7). Das abgerechnete Restkapital wurde in einen geldmarktnahen Fonds umgeschichtet (Anlage B 8). Der Versicherungsvertrag mit Vermögensverwaltung besteht ungekündigt fort. Nach Mitteilung der Beklagten belief sich der Wert der Versicherung zum Stichtag 31.03.2012 auf 4.318,05 € (Bl. 50 d.A.).
Mit der am 20.02.2012 eingegangenen und der Beklagten am 26.04.2012 zugestellten (Bl. 30 d.A.) Klage fordert der Kläger die Rückzahlung der 80.000,– € und den Ersatz des Schadens, der ihm durch die entgangene Möglichkeit zu einer anderweitigen Anlage seines Kapitals entstanden sei. Er berechnet diesen bis einschließlich Januar 2012 ausgehend von einem Zinssatz von 3 % mit 18.813,11 und kommt so auf die Klageforderung von 98.813,11 €. Hilfsweise beantragte der Kläger die Zahlung der Klagesumme Zug und Zug gegen Übertragung der Rechte aus der streitgegenständlichen Versicherung (Bl. 75 d.A.). Daneben werden vorgerichtliche Anwaltskosten und Zinsen seit Rechtshängigkeit verlangt.
Zur Begründung seine Ansprüche beruft sich der Kläger auf §§ 280, 311, 278 BGB.
Die Haftung der Beklagten beruhe darauf, dass in dem übergebenen Prospekt durch Hervorhebung der angeblichen Garantien die tatsächlichen Risiken falsch dargestellt würden. Die Kosten, welche die prognostizierten Renditen unerreichbar machten, würden überhaupt nicht konkret benannt. Die Beklagte, die in den Verkaufsunterlagen mehrfach erwähnt wird, habe gewusst, dass die Anlage unter Verwendung dieser Angaben vertrieben wird. Sie sei für den Prospekt mit verantwortlich.
Neben der Prospekthaftung liege ein der Beklagten zurechenbares Beratungsverschulden vor. Der Makler habe die im Prospekt enthaltenen Risikohinweise verharmlost. Da es sich der Sache nach bei dem empfohlenen Produkt nicht um eine Versicherung, sondern eher um eine Kapitalanlage gehandelt habe, seien die vom Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit den sogenannten […] – Fällen entwickelten Grundsätze anzuwenden. Es habe eine entsprechende Aufklärungspflicht der Beklagten bestanden. Die Beratung durch den Vermittler habe diesen Anforderungen nicht entsprochen. Da die Beklagte die Beratung vollständig auf unabhängige Vermittler übertragen habe, müsse sie sich deren Fehler nach § 278 BGB zurechnen lassen.
Verjährung sei nicht eingetreten. Der Kläger habe erst nach Inanspruchnahme anwaltschaftlicher Beratung im Jahr 2010 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt.
Die Beklagte hält die Risikoaufklärung unter Berufung auf die vorliegenden schriftlichen Unterlagen und Bestätigungen des Klägers für ausreichend. Etwaige falsche mündliche Erläuterungen durch den Makler der im Lager des Klägers stehe, müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Es handle sich bei dem vertriebenen Produkt nicht um eine Kapitalanlage, sondern aufgrund des nicht unerheblichen Todesfallschutzes um ein Versicherungsprodukt, welches den Regeln für Versicherungen unterliege.
Jedenfalls seien sämtlich etwaigen Ansprüche des Klägers verjährt.
Für Ansprüche aus Prospekthaftung gelte die damalige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von 3 Jahren.
Für Ansprüche aus einem eventuellen Beratungsverschulden sei § 12 Abs. 1 VVG a.F. anzuwenden. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers aus vorvertraglicher Pflichtverletzung seien der Erfüllungshaftung gleichzustellen. Sie nähmen wirtschaftlich die Stelle der vertraglichen Erfüllungsansprüche ein und erwiesen sich insoweit als Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen.
Das Landgericht hat den Kläger informatorisch angehört und den Vermittler als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom 21.05.2013 hat es die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, es könne dahinstehen, ob ein Prospektmangel vorliege. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche des Klägers aus Prospekthaftung spätestens drei Jahre nach Veröffentlichung des Prospekts, also spätestens im Jahr 2007, verjährt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Vermittler das Totalverlustrisiko heruntergespielt und ein mögliches Währungsrisiko gar nicht erwähnt habe. Ob dies trotz der anderslautenden schriftlichen Unterlagen für eine Haftung wegen Beratungsverschuldens ausreichen würde und sich die Beklagte dies zurechnen lassen müsse, könne dahinstehen. Der Schadensersatzanspruch sei wirtschaftlich an die Stelle des Erfüllungsanspruchs getreten und damit gemäß § 12 Abs. 1 VVG a.F. spätestens zum 31.12.2009 verjährt.
Gegen dieses den Klägervertretern am 24.05.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Anwälte vom 24.06.2013, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 24.07.2013, eingegangen am gleichen Tag, begründet.
Der Kläger beantragt:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Amberg vom 21.05.2013, Az. 11 O 150/12 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 98.813,11 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere EUR 1.880,20 als vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise beantragt er:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 98.813,11 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der streitgegenständlichen „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Amberg zum Aktenzeichen 11 O 150/12 zurückzuweisen.
Der Kläger meint, das Landgericht habe zu Unrecht Verjährung bejaht.
Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinne der sogenannten bürgerlich – rechtlichen Prospekthaftung, die darauf beruhen, dass der fehlerhafte Prospekt vom Anlageberater als Arbeitsgrundlage für die Erfüllung der Aufklärungspflicht eingesetzt wurde, würden nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB verjähren. Da der Kläger erstmals durch seinen Anwalt auf die Fehlerhaftigkeit des Prospekts hingewiesen worden sei, sei die Klage in unverjährter Zeit eingereicht worden.
Auch die Ansprüche aus Beratungsfehlern wegen der Verharmlosung der Risikohinweise durch den Berater […] seien nicht verjährt. § 12 Abs. 1 VVG a.F. sei auf diese Ansprüche nicht anwendbar. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse trete wirtschaftlich nicht an die Stelle des vertraglichen Erfüllungsanspruchs.
Die Beklagte verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das Urteil als richtig.
Die behaupteten Ansprüche seien verjährt. Sie bestünden aber schon dem Grunde nach nicht.
Ein vorvertragliches Verschulden sei allein anhand der Maßstäbe für den Vertrieb von Versicherungen zu prüfen. Die bei Kapitalanlagegeschäften geltenden Grundsätze seien nicht anzuwenden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung habe es sich nicht um ein Anlagegeschäft gehandelt. Der Kläger habe einen vom Anlageerfolg unabhängigen Todesfallschutz in Höhe von 80.000,– € erworben, der auch nach dem weitgehenden Verlust des Anlagekapitals fortbestehe. Damit sei die Absicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen. Darüber hinaus habe der Kläger den Fonds jederzeit wählen können. Eine Zerlegung der kapitalbildenden Lebensversicherung in einen Kapital- und einen Risikoanteil sei abzulehnen. Nach versicherungsrechtlichen Maßstäben könne ihr – so die Beklagte – eine Pflichtverletzung nicht angelastet werden. Ein für sie erkennbarer Irrtum des Klägers über den Inhalt des abzuschließenden Produkts habe nicht vorgelegen und sei auch nicht dargelegt. Für ein Verschulden des Versicherungsmaklers […] hafte sie nicht. Ein vom Versicherungsnehmer beauftragter Makler werde grundsätzlich nicht im Geschäftskreis der Versicherung tätig.
Die vom Bundesgerichtshof in den sogenannten […] – Fällen aufgestellten Grundsätze seien wegen wesentlicher Unterschiede im Sachverhalt nicht auf den streitgegenständlichen Fall anzuwenden. Die Freiheit des Klägers, die Anlage der Prämie selbst zu bestimmen, sei Merkmal jeder fondsgebundenen Lebensversicherung. Die Anlageentscheidung liege, macht die Beklagte geltend, nicht in ihrem Pflichtenkreis, sie habe nur den Versicherungsmantel für den Todesfallschutz gestellt. Da sie an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligt war, gehöre sie auch nicht zu den Garanten für die Richtigkeit des Prospekts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat durch den Senat nicht stattgefunden.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
In der Sache erweist sie sich in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang als begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen einer der Beklagten zurechenbaren Falschberatung durch den Makler zu. Dieser Anspruch ist auf die Rückzahlung der geleisteten Einmalprämie von 80.000,– € Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag gerichtet. Er ist nicht verjährt.
Zur Begründung ist Folgendes auszuführen:
1)
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 311, 278 BGB zu.
a)
Zwischen dem Kläger und dem Makler ist im Jahr 2004 ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Danach war der Makler verpflichtet, den Anlageinteressenten über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zu informieren und die erteilten Informationen fachkundig zu beurteilen. Dieser Verpflichtung hat der Zeuge nicht genügt. Nach seiner eigenen Aussage und den insoweit überzeugenden Ausführungen des Ersturteils hat er das Risiko eines Totalverlusts des vom Kläger für die Anlage des Sparkapitals der „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ ausgewählten Fonds verharmlost, indem er es als „sehr sehr sehr“ gering bezeichnet hat. Diese Einschätzung war wegen der Haftung des Sparkapitals für die zur Finanzierung der Hebelgeschäfte aufgenommenen Darlehen fehlerhaft. Der Berater kann dem Kläger nicht entgegenhalten, in den übergebenen schriftlichen Risikohinweisen (z.B. Anlage K 4) werde das Risiko zutreffend dargestellt, weil er den Kläger durch die mündliche Abschwächung der angesprochenen Risiken irregeführt hat (BGH, Urteil vom 14.04.2011, Aktenzeichen: III ZR 27/10; BGH, Urteil vom 26.09.2012, Az. IV ZR 71/11, Rn 21 bei juris).
b)
Dem Kläger, der angibt, bei richtiger Risikoaufklärung den streitgegenständlichen Vertrag nicht abgeschlossen zu haben, ist hierdurch ein Schaden entstanden. Die Beklagte ist Vortrags- und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn eine pflichtgemäße Beratung und Risikoaufklärung des Klägers erfolgt wäre ( BGH WM 2012,1337); ein solcher Vortrag und Beweisantritt sind nicht erfolgt.
c)
Die Beklagte hat nicht bewiesen (s. § 280 Abs.1 Satz 2 BGB), dass der Versicherungsmakler die Verharmlosung der schriftlichen Risikohinweise nicht zu vertreten hätte.
d)
Ein Mitverschulden des Klägers wegen Nichtbeachtung der schriftlichen Risikohinweise mindert den Schadensersatzanspruch nicht. Wer seinen Vertragspartner unrichtig über die Risiken der Anlage beraten und aufgeklärt hat, kann ihm nicht entgegenhalten, er habe auf die Richtigkeit der Beratung nicht vertrauen dürfen (Palandt, BGB, 72. A. Rn. 14 zu § 254).
e)
Die Beklagte muss sich das Verschulden des Versicherungsmaklers […] in gleicher Weise wie eigenes Verschulden zurechnen lassen, weil sie sich seiner Person zur Erfüllung ihrer Beratungsverpflichtung bedient hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, hat sich die Beklagte das Verhalten des Versicherungsmaklers nach § 278 BGB zurechnen zu lassen. Übernimmt ein Vermittler mit Wissen und Wollen einer Vertragspartei Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, steht der Vermittler – unabhängig von seiner etwaigen Selbständigkeit und einer Tätigkeit auch für den Vertragspartner – in ihrem Lager, wird in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist als ihre Hilfsperson zu betrachten (BGH, Urteil vom 11.07.2012, Az. IV ZR 164/11, Rn. 51 bei juris). An der Zurechnung ändert sich nichts, wenn es sich bei dem Vermittler um einen Versicherungsmakler handelt, der üblicherweise im Lager des Versicherten steht, wenn er im Pflichtenkreis des Versicherers tätig wird (BGH, Urteil vom 26.09.2012, Az. IV ZR 71/11, Rn 30 bei juris).
Eine diese Zurechnung auslösende umfassende Übertragung von Aufgaben aus dem Pflichtenkreis der Beklagten auf den Versicherungsmakler ist im vorliegenden Fall erfolgt. Die Beklagte hat ihr Produkt einer Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung unter Verzicht auf ein eigenes Vertriebssystem über rechtlich selbständige Vermittler vertrieben, ohne selbst mit den Kunden in Kontakt zu treten. Sie hat es diesen Vermittlern überlassen, den Versicherungsinteressenten ihr Angebot nahezubringen, ihnen dabei die notwendigen Auskünfte zum Vertragsinhalt und zum angebotenen Versicherungsprodukt und den damit kombinierbaren Fonds zu geben, auftauchende Fragen hierzu zu beantworten und die Verhandlungen bis zur Antragstellung zu führen.
Herausgeber des Antragsformulars sind nach dessen Kopfzeile die Beklagte und die […], der Anbieter des […] 124 % Dynamic Fonds (Anlage K 2), gemeinsam. Der Antrag ist „auf eine Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ gerichtet. Somit treten die Versicherung und der Fondsanbieter im Antragsformular zusammen mit einem gemeinsamen Produkt dem Anlageinteressenten und zukünftigen Versicherungsnehmer gegenüber.
Das kombinierte Anlageprodukt wurde von dem Versicherungsmakler […] angeboten und vertrieben. Dieser war trotz seiner Maklerstellung somit keineswegs alleiniger Sachwalter der Interessen des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 26.09.2012, Az. IV ZR 71/11, Rn 31 bei juris), sondern gleichermaßen auch Sachwalter der Versicherung und des Fondsanbieters.
In dem Antrag wird zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beklagte als Versicherer nur für die Zuführung der Prämie zu dem vom Versicherungsnehmer ausgewählten Portfolio verantwortlich sei und mit der Verwaltung des Anlagebetrages nichts zu tun habe. Diese falle in die alleinige Zuständigkeit des Emittenten. Das ändert aber nichts daran, dass nicht nur der Versicherungsmakler […] als gegenüber dem Kunden unmittelbar tätiger Anlageberater, sondern auch die Beklagte als Versicherer zu einer den für die Kapitalanlage entwickelten Grundsätzen entsprechenden Risikoaufklärung verpflichtet war.
Der Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung stellt sich nämlich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar. Gegenüber der Renditeerwartung ist die Versicherung des Todesfallrisikos von untergeordneter Bedeutung. Dies zeigt sich schon daran, dass die garantierte Todesfallleistung sich nur auf die Einzahlungen inklusive Stempelsteuer beläuft. Der Beklagten ist zuzugeben, dass die Todesfallleistung auch bei einem aktuell niedrigeren Kapitalwert der Anlage nicht unter die Einzahlungen fällt, sondern unmittelbar an die Höhe der Einzahlung gekoppelt ist. Hierin liegt ein Unterschied zu dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des BGH Az. IV ZR 164/11 zugrunde lag. Der Senat erachtet diesen Unterschied aber nicht als so wesentlich, dass dadurch die Anwendbarkeit der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall in Frage gestellt würde. Es ändert sich nämlich nichts daran, dass für den Abschluss des Vertrages wie bei einer Kapitalanlage die Renditeerwartung entscheidend war und nicht der Gedanke der Absicherung des Todesfallrisikos. Hierfür spricht auch die unbestimmte Laufzeit der Versicherung.
Ohne dass es hierauf noch ankäme, wird die Einschätzung als Kapitalanlage auch dadurch bestätigt, dass die Gesundheitsfragen und die übrigen risikorelevanten Fragen in dem Versicherungsantrag allesamt nicht beantwortet sind, der Vertrag aber gleichwohl policiert wurde.
Die Beklagte war nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Aufklärung bei Anlagegeschäften verpflichtet, den Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für seinen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren. Das gilt insbesondere für die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken (BGH, Urteil vom 11.07.2012, Az. IV ZR 164/11, Rn. 53 bei juris).
Nichts anderes vermag – entgegen der Argumentation der Beklagten – auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.07.2012, Az. IV ZR 201/10, Rn. 23 bei juris, herausgelesen zu werden. Entscheidend für die Frage, ob die für die Kapitalanlageberatung entwickelten Grundsätze zur Risikoaufklärung Anwendung finden, sind nicht der Anbieter oder die Produktbezeichnung, sondern die ganz konkrete Angebots- bzw. Vertragsgestaltung. Danach überwiegt hier offensichtlich die Renditeerwartung gegenüber der Risikoabsicherung.
Die Beklagte haftet deshalb dem Kläger dem Grunde nach auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung.
2) a)
Der Höhe nach ist der Anspruch auf Schadensersatz (§ 249 Abs. 1 BGB) auf die Rückzahlung der geleisteten Einmalprämie von 80.000,– gerichtet. Er besteht nur Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag.
Da der Kläger durch die Pflichtverletzung zum Abschluss des für ihn nachteiligen Vertrages veranlasst wurde, muss die Beklagte ihn so stellen, als hätte er die nachteiligen Dispositionen nicht getroffen. Der Anspruch richtet sich deshalb auf den Ersatz des aufgewandten Betrages und etwaiger Folgeschäden, Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Rechte aus dem Vertrag (BGH, Urteil vom 26.09.1991, Az. VIIZR 376/89, Rn 40 bei juris). Im vorliegenden Fall hat der Kläger also Anspruch auf Rückzahlung seiner Einmalprämie von 80.000,– €.
Dieser Anspruch besteht aber nur Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag. Zwischen dem schädigenden Ereignis (Abschluss eines ungünstigen Vertrages) und dem Vorteil des Todesfallversicherungsschutzes und des Restwerts des Fondsdepots besteht ein adäquater Kausalzusammenhang. Die Anrechnung dieses Vorteils steht dem Zweck des Schadensersatzes nicht entgegen. Da der Ersatzanspruch und der Vorteil nicht gleichartig sind (Geld/Versicherungsschutz), muss der Kläger den Vorteil Zug um Zug gegen Erfüllung des Ersatzanspruchs herausgeben (Palandt, a.a.O., Vorb v § 249 Rn 71).
Die Klage hat insoweit also mit dem Hilfsantrag Erfolg.
b)
Ebenfalls verlangen kann der Kläger Zinsen aus 80.000,– € ab Rechtshängigkeit (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB). Dass die Forderung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu erfüllen ist, ändert nichts an ihrer Fälligkeit.
c)
Zu dem Schaden, welcher dem Kläger aufgrund der von der Beklagten zu vertretenden Falschberatung entstanden ist, zählen auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten. Diese Kosten wären nicht entstanden, wenn der Kläger nicht durch die Falschberatung zu der streitgegenständlichen Anlage veranlasst worden wäre. Da die Anwaltsgebühren aus einem Streitwert von 80.000,– € berechnet wurden und die Klage in diesem Umfang erfolgreich ist, sind die Anwaltsgebühren in voller Höhe zu erstatten. Weitere Ausführungen zur Gebührenhöhe sind nicht erforderlich, da diese nicht bestritten ist.
d)
Kein Anspruch besteht dagegen auf als entgangenen Gewinn geltend gemachte Zinsen in Höhe von 18.813,11 € für die Zeit von der Zahlung des Versicherungsbeitrages bis zur Klagezustellung. Der Anspruch ist von der Beklagten in der Klageerwiderung substantiiert bestritten worden. Die vom Kläger vorgenommene abstrakte Berechnung, wonach pauschale 3 % Zinsen für die entgangene Möglichkeit zur Nutzung des Kapitals gefordert werden (Bl. 16 d.A.), ist nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 360/11, Rn 18 bei juris), welcher der Senat folgt, unzureichend. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge kann nicht mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% p.a. (§ 246 BGB) oder eines anderen festen Zinssatzes rentiert. Es entspricht schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft. Ein genereller und pauschaler wahrscheinlicher Mindestgewinn kann nicht angenommen werden kann. Dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Anlagebetrag in eine ganz bestimmte Anlage oder Anlageform investiert und diese den geforderten Gewinn erzielt hätte, hat der Kläger nicht vorgetragen, geschweige denn bewiesen.
In Höhe des Betrages von 18.813,11 € ist die Klage daher – ebenso wie die Berufung – unbegründet und es verbleibt bei der Abweisung.
3)
Die Ansprüche des Klägers wegen Pflichtverletzung sind nicht verjährt.
Der Kläger hat vorgetragen, er hätte bei gehöriger Aufklärung den Vertrag nicht abgeschlossen (Bl. 9 d.A.). Sein Schadensersatzanspruch ist auf das negative Interesse gerichtet (Palandt, a.a.O., Rn 17 vor § 249). Dass er auch den entgangenen Gewinn aus einer sonst möglichen anderweitigen Nutzung des Kapitals fordert, ändert daran nichts.
§ 12 Abs. 1 VVG a.F. findet auf den auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch nur Anwendung, wenn dieser Anspruch wirtschaftlich die Stelle der vertraglichen Erfüllungsansprüche einnimmt und sich insoweit als Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen erweist. Das ist hier nicht der Fall.
Der BGH führt in der von beiden Parteien zitierten Entscheidung (Urteil vom 15.02.2012, Az. IV ZR 194/09) unter Rn. 29 folgendes aus:
„Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts richtet sich die Verjährung nicht nach § 12 Abs. 1 VVG a.F.. Auf Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden ist diese Vorschrift nur anzuwenden, wenn der Schadensersatzanspruch wirtschaftlich die Stelle, des vertraglichen Erfüllungsanspruchs einnimmt. Auf diesen Ersatzwert des Bedungenen zielen vorvertragliche Schadensersatzansprüche, wenn der Geschädigte verlangt, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Vertrag wirksam oder mit dem versprochenen Inhalt zustande gekommen wäre (Senatsbeschlüsse vom 16. Dezember 2009 – IV ZR 195/08, VersR 2010, 373 Rn. 12; vom 21. Januar 2004 – IV ZR 44/03, VersR 2004, 361 unter I11 b). Dies ist hier nicht der Fall, weil der Kläger so gestellt werden will, wie er stünde, wenn er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Hierfür ist … die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB n.F. maßgeblich. Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.“
Der Schaden des Klägers besteht bereits in dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages. Er ist also im Juli 2004 entstanden. Der Kläger möchte so gestellt werden wie er stünde, wenn er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Es gilt deshalb die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. von drei Jahren. Der Verjährungsbeginn richtet sich nach § 199 Abs. 1 BGB n.F.. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Kläger vor dem Jahr 2010 Kenntnis von dem anspruchsbegründenden Umstand hatte. Die Ansprüche des Klägers sind deshalb nicht verjährt.
4)
Etwaige Ansprüche wegen Prospekthaftung und deren Verjährung können dahingestellt bleiben. Die Prospekthaftung gewährt keine über den zugesprochenen Teil der Klageforderung hinausgehenden Ansprüche.
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Kosten: § 91 ZPO. Haupt- und Hilfsantrag betreffen wirtschaftlich denselben Gegenstand. Dass erst der Hilfsantrag die Zug um Zug Verurteilung beinhaltet, wirkt sich deshalb nicht auf die Kostenquote aus.
Streitwert: § 3 ZPO. Die vom Kläger als entgangener Gewinn geltend gemachten Zinsen sind eine bloße Nebenforderung im Sinne des § 4 Abs. 1 2. Hs. ZPO und erhöhen den Streitwert nicht (BGH MDR 2012, 865; 2013, 1185). Nach dem Maßstab des Streitwerts von 80.000,– € war deshalb auch die Kostenentscheidung zu treffen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat wendet lediglich die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden konkreten Einzelfall an. Dass die Beklagte diese Rechtsprechung anders interpretiert, stellt keinen Grund für die Revisionszulassung dar.