Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters; außerordentliche Einkünfte; Tarifbegünstigung; Einkommenssteuer

8 K 881/01 Urteil verkündet am 13. August 2002 FG Niedersachsen Ausgleichsanspruch

Finanzgericht Niedersachsen
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einkommensteuer auf außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG auf die um einen laufenden Verlust gekürzten oder auf die gesamten außerordentlichen Einkünfte zu berechnen ist.

Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Handelsvertreter in Höhe von DM 30.000,–. Diese enthalten Erlöse aus Ausgleichszahlungen gem. § 89 b HGB in Höhe von DM 50.000,–. Ferner erzielte der Kläger einheitlich und gesondert festgestellte Einkünfte aus seiner Beteiligung an der […] in Höhe von DM …,–. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Kläger laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt ./. DM 20…,– erzielt hat und dass es sich bei den Erlösen in Höhe von DM 50.000,– um Entschädigungen i. S. d. § 24 Nr. 1 c EStG handelt, die zu den außerordentlichen Einkünften i. S. d. § 34 EStG gehören. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger zwar DM 50.000,– als begünstigte sonstige Gewinne i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 EStG, beantragten jedoch nicht, die außerordentlichen Einkünfte ermäßigt zu besteuern.

Im Einkommensteuerbescheid vom […] setzte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer zunächst ohne Berücksichtigung des § 34 EStG fest. Mit ihrem Einspruch vom […] beantragten die Kläger, die außerordentlichen Einkünfte gem. § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Im Einkommensteuerbescheid vom […] setzte das FA die Einkommensteuer gem. § 34 Abs. 1 EStG nur auf den nach Abzug des laufenden Verlustes von der Ausgleichszahlung verbleibenden Betrag von DM 30.000,– fest. Mit Schreiben vom […] wies das FA auf Richtlinie (R) 197 Abs. 3 Sätze 3 und 4 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) in der ab 1999 geltenden Fassung hin. Danach sei ein negativer Saldo der laufenden Einkünfte mit den außerordentlichen Einkünften auszugleichen, die in dieser Einkunftsart entstanden seien (horizontaler Verlustausgleich).

Die Kläger machten mit Schreiben vom […] und […] geltend, die in § 197 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStR 1999 vorgesehene Anwendung der Verlustausgleichs und Verlustabzugsbeschränkungen in § 2 Abs. 3 EStG sei gesetzlich nicht vorgesehen. § 34 EStG regele die Ermittlung der Einkommensteuer, wenn in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten seien und sei als Tarifvorschrift ausgestaltet. Nach dem Gesetzeswortlaut, dem Sinn und Zweck der Tarifbegünstigung und der Rechtsprechung des BFH dürfe der gem. § 34 EStG begünstigte Betrag der außerordentlichen Einkünfte nicht um Verluste gekürzt werden.

Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom […] zurück. In Fällen, in denen Verluste mit außerordentlichen Einkünften zu verrechnen seien, seien neben den vorrangig anzuwendenden besonderen Verlustverrechnungsbeschränkungen die Verlustausgleichs und Verlustabzugsbeschränkungen in § 2 Abs. 3 und § 10 d EStG zu beachten. Innerhalb einer Einkunftsart seien vorbehaltlich besonderer Verlustverrechnungsbeschränkungen zunächst laufende und positive Einkünfte zu verrechnen. Bleibe danach ein negativer Saldo, sei er mit den außerordentlichen Einkünften, die in dieser Einkunftsart entstanden seien, auszugleichen (EStR 197 Abs. 3).

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kläger ihr vorgerichtliches Vorbringen weiterhin geltend machen.

Die Kläger beantragen, die Einkommensteuer auf 0,– DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest und verweist auf den Einspruchsbescheid.

Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten (Steuernr. …) und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gem. § 34 Abs. 1 EStG auf unwiderruflichen Antrag die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 des § 34 Abs. 1 EStG zu berechnen. Nach dem im Streitfall maßgeblichen § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.

Zu den außerordentlichen Einkünften gehören gem. § 24 Nr. 1 c) EStG Entschädigungen, die als Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89 b des HGB gewährt worden sind. § 24 EStG enthält keine Bestimmung dergestalt, dass sich die außerordentlichen Einkünfte um einen etwaigen laufenden Verlust aus der Tätigkeit als Handelsvertreter ermäßigen.

Die Antragsteller haben zutreffend darauf hingewiesen, dass § 34 Abs. 1 EStG eine Tarifvorschrift ist. Um die weitest gehende Wirkung der Tarifermäßigung außerordentlicher Einkünfte zu erreichen, werden sie grundsätzlich wie eine selbständige Art von Einkünften behandelt und zum Ausgleich mit negativen Einkünften derselben oder anderer Einkunftsarten erst herangezogen, wenn alle voll steuerpflichtigen Einkünfte bereits mit Verlusten ausgeglichen sind.

Der BFH hat im Urteil vom 26. Januar 1995 (IV R 23/93, BStBl. II, 95, 467 ff., 470) ausdrücklich seine Rechtsprechung bestätigt, „dass außerordentliche Einkünfte, die nach § 34 EStG einem ermäßigten Steuersatz unterliegen, auch dann nach diesem besonderen Tarif zu versteuern sind, wenn sich bei der Einkunftsart, der die außerordentlichen Einkünfte zuzurechnen sind, niedrigere Einkünfte oder ein Verlust ergeben“ (Ziff. 4 des Urteils). In einem dem Streitfall vergleichbaren Beispiel berechnet der BFH, dass ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn „nicht mit dem laufenden Verlust verrechnet wird, sondern als in der Summe der Einkünfte enthalten angesehen wird mit der Folge, dass der Betrag der begünstigten Einkünfte dem besonderen Tarif des § 34 EStG unterliegt“, sodass ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn in voller Höhe erhalten bleibt. Laufende Verluste waren deshalb vorrangig nicht mit den tarifbegünstigten Einkünften derselben Einkunftsquelle, sondern mit den nicht tarifbegünstigten positiven Einkünften zu verrechnen, soweit diese den Verlust überstiegen.

Die Neufassung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG bestimmt ausdrücklich, dass zur Ermittlung der anzusetzenden Einkommensteuer die außerordentlichen Einkünfte (erst) vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen sind, – was zum verbleibenden zu versteuernden Einkommen führt -, und nicht (schon) mit den negativen Einkünften derselben Einkunftsquelle zu verrechnen sind.

Aus der Neuregelung in § 2 Abs. 3 EStG in der ab 1999 geltenden Fassung ergibt sich keine andere Würdigung. § 2 Abs. 3 EStG und die darin geregelten Verlustausgleichs- und Verlustabzugsbeschränkungen betreffen die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte anzusetzenden Einkünfte, nicht jedoch die in § 2 Abs. 6 EStG unverändert geregelte Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer.

Bei der Einkommensteuerfestsetzung ist deshalb die Einkommensteuer auf außerordentliche Einkünfte in Höhe von DM 50.000,– gem. § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG zu berechnen. Dies führt worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht zu einer Einkommensteuer von 0,– DM. Auf die beigefügte Probeberechnung wird Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Schlagwörter
horizontaler Verlustausgleich (1) außerordentliche Einkünfte (1) Ausgleichsanspruch (86)