Berechnung der Vergütung des Handelsvertreters im Hinblick auf die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts

24 W 78/06 Beschluss verkündet am 19. Oktober 2006 OLG Frankfurt/Main Provisionsanspruch

Oberlandesgericht Frankfurt/Main
Im Namen des Volkes
Beschluss

In der Beschwerdesache
[..]

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 21.03.2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 5.000,00 €€.

Gründe

1. Der Beklagte war – auf der Grundlage eines am 19.02.2001 geschlossenen „Mitarbeitervertrages“ und eines unter dem 21.02.2002 geschlossenen „A-Consultant-Vertrages“ – seit dem 01.10.2001 für die Klägerin tätig. Beide Verträge bezeichnen den Beklagten – „Mitarbeiter“ bzw. „Consultant“ – als selbständigen Gewerbetreibenden i. S. d. §§ 84 ff. HGB (§ 2 I des „Mitarbeitervertrages“, § 1 Abs. 1 des „A-Consultant-Vertrages“. In diesem Vertrag heißt es unter § 10: „Die im Rahmen seiner Tätigkeit zu nutzende EDV wird dem Consultant von A zur Verfügung gestellt. Über die Überlassung der IT-Infrastruktur und die dem Consultant daraus entstehenden Kosten wird ein separater Vertrag geschlossen“.

In § 7 I des „Mitarbeitervertrages“ heißt es: a. „Der Mitarbeiter trägt im Rahmen seiner Tätigkeit ihm unmittelbar entstehende Aufwendungen, insbesondere Kfz-, Telefon-, Reise- und Bewirtungskosten sowie Steuern … selbst.“

Am 29.11.2001 schlossen die Parteien einen schriftlichen Mietvertrag, in welchem es u. a. heißt: „Die Verwendung des Notebooks mit der von A zur Verfügung gestellten Software ist von elementarer Bedeutung für den Mitarbeiter und A um gemeinsam wirksam und wirkungsvoll tätig sein zu können. … Gegenstand des Vertrages ist die mietweise Überlassung des Notebooks mit der Seriennummer … mit entsprechender Software. … Der Mietzins beträgt für die Dauer des Vertrages 163,61 € … Der Mietzins ist monatlich zu entrichten. … Der MA(Mitarbeiter) erklärt sich damit einverstanden, dass die vorerwähnten Beträge dem von ihm geführten Mitarbeiterkonto belastet werden.“

Der Beklagte war bis zum 06.05.2003 für die Klägerin tätig. Während der letzten 6 Monate seiner Tätigkeit verdiente der Beklagte monatlich durchschnittlich 1.125,15 €. Die Klägerin macht nunmehr Rückzahlung von Provisionsvorschüssen geltend. Das angerufene Landgericht Darmstadt hat den Rechtsweg vor den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht Darmstadt verwiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht Darmstadt hat zu Recht eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit angenommen.

a) Im Ergebnis bedarf keiner Erklärung, ob der Beklagte überhaupt selbständiger Handelsvertreter für die Klägerin war; wäre dies nicht der Fall gewesen, so wäre die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit unmittelbar über § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG, § 84 Abs. 2 HGB begründet.

b) Wäre der Beklagte hingegen im Grundsatz als selbständiger Handelsvertreter zu betrachten, dann würde er unter den konkret gegebenen Umständen dennoch als Arbeitnehmer im prozessrechtlichen Sinne gelten; denn die einschlägigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG – mit der Folge ausschließlicher Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ebenfalls aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG – sind erfüllt.

Der Beklagte durfte – was die Eingangsvoraussetzung einer Anwendung des § 5 Abs. 3 ArbGG ist – nur für die Klägerin tätig sein. Während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses bezog er im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 € an Vergütung, und damit war die spezielle Voraussetzung des § 5 Abs. 3 ArbGG erfüllt, unter der selbst der selbständige Handelsvertreter als Arbeitnehmer gilt.

Die tatsächlichen – auch rechnerischen – Voraussetzungen der Bemessung der durchschnittlich bezogenen Vergütung sind unumstritten: An endgültig, verlässlich verdienter (BGH NJW 64, 498; OLG Düsseldorf OLGR 00, 454) Provision bezog der Beklagte in den letzten 6 Monaten seiner Tätigkeit für die Klägerin durchschnittlich 1.125,15 €. Von den auszuzahlenden Provisionen abgesetzt wurde regelmäßig der nach dem Mietvertrag vom 29.11.2001 veranschlagte Mietzins von 163,61 € (daneben ein Versicherungsbeitrag in Höhe von 7,34 €) unmittelbar abgesetzt; zur Auszahlung kam folgerichtig nur eine um die „Notebookkosten“ verminderte Provision.

Diese – und damit im Ergebnis ein im Durchschnitt der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses zur Klägerin den Betrag von 1.000,00 € unterschreitender Betrag – bestimmte die Höhe der Vergütung i. S. d. § 5 Abs. 3 ArbGG. Denn sie war das, was der Beklagte nach den getroffenen Vereinbarungen zu beanspruchen hatte.

In Geld bemessene – § 5 Abs. 3 ArbGG – Vergütungen sind Beträge, welche dem Handelsvertreter zur freien Verfügung zufließen; hier ergibt sich zwischen Provisionen im Sinne eines „eigentlichen“ Entgelts und Ersatz von Aufwendungen, welche im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehen, sachlich kein Unterschied. Mit der Bestimmung einer Bemessungsgrenze stellt das Gesetz schlicht auf das ab, was der Handelsvertreter in Umsetzung von – so eine häufig verwendete Formel – „eigenem Geschick und Können“ an Vergütungen erzielt. Rechtlich auf gleicher Ebene liegen hierbei die eigentlichen geschäftlichen Erfolge im Sinne der Kundenumsätze einerseits und die Ergebnisse seines Verhandlungsgeschicks gegenüber der Unternehmerin andererseits, wie sie sich in der Vertragsgestaltung insbesondere zur Höhe der Provisionen und der Behandlung von Aufwendungen zeigt.

Die Aufwendungen für das Notebook waren ein nach den getroffenen Vereinbarungen unausweichlich die Vergütungshöhe mindernder Faktor; die vertraglich zu leistende Vergütung bemaß sich – ein Ersatz von Aufwendungen zu Gunsten des Beklagten war vertraglich ausgeschlossen – nach der Formel „Provision ./. Notebookkosten“. Denn diese Kosten – und damit der Abzug in der Berechnung der zu zahlenden Vergütung – waren für den Beklagten nach der vertraglichen Lage unausweichlich; unausweichlich war auch die unmittelbare Belastung seines Mitarbeiterkontos mit diesen Aufwendungen. Hieß es in dem nach § 10 des „A-Consultant-Vertrages“ abzuschließenden separaten Vertrag zu „EDV- und Software-Überlassung“ – Mietvertrag vom 29.11.2001 – u. a. „Die Verwendung des Notebooks mit der von A zur Verfügung gestellten Software ist von elementarer Bedeutung für den Mitarbeiter und A, um gemeinsam wirksam und wirkungsvoll tätig sein zu können“ (Präambel), waren Mietzins und Versicherungsbeitrag ebenso festgesetzt wie die Belastung des Mitarbeiterkontos (§ 3), dann folgte hieraus zwingend, dass der Beklagte das Notebook zu den ihm von der Klägerin vorgegebenen Bedingungen zu übernehmen hatte. Der – bestrittene – Vortrag der Klägerin, eine Reihe von Mitarbeitern nutze kein betriebliches Notebook, ist mit der eindeutigen vertraglichen Lage nicht zu vereinbaren. Nur auf die vertragliche Regelungslage aber kommt es an. Selbst wenn die Klägerin im Verhältnis zu anderen Mitarbeitern auf die Durchsetzung des § 10 ihres „A-Consultant-Vertrages“ und des von ihr hierzu formulierten Mietvertrages verzichtet hätte – oder ganz anders lautende Vereinbarungen mit anderen Mitarbeitern getroffen hätte – bleibt für die Bestimmung des rechtlichen Charakters der Tätigkeit des Beklagten für die Klägerin allein das maßgeblich, was gerade zwischen diesen beiden Parteien vereinbart wurde.

Schlagwörter
Zuständigkeit des Arbeitsgerichts (2) Vergütung (2)