Buchauszug des Handelsvertreters; keine ausdrückliche Verpflichtung zum Kauf einer Musterkollektion

94 O 61/07 Urteil verkündet am 7. Dezember 2007 LG Berlin Handelsvertreterrecht

Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[..]

Teil und Teilschlussurteil
hat die Kammer für Handelssachen 94 des Landgerichts Berlin in Berlin Mitte, [..], durch [..] auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2007

Tenor

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug über alle Geschäfte zu erteilen, die mit Kunden seines Bezirkes, nämlich solchen, die in der Anlage K 2 aufgeführt sind und in der Zeit vom 1. März 2007 bis zum 14. November 2007 zustande gekommen sind, wobei dieser Auszug folgende Angaben zu enthalten hat:

Auftragsdatum,
Auftragsnummer,
Warenart lt. Auftrag,
Warenmenge lt. Auftrag,
Warenwert lt. Auftrag,
Rechnungsdatum,
Rechnungsnummer,
Rechnungsbetrag,
Kunde mit genauer Anschrift,
Stadium der Ausführung des Geschäfts,
Höhe der eingegangenen Zahlungen,
im Falle von Nichtzahlungen, welche Maßnahmen zur Beitreibung der Forderungen durchgeführt wurden,
Annullierungen und Retouren sowie
Gründe hierfür.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1994 als Handelsvertreter für die Beklagte tätig. In dem schriftlichen Handelsvertretervertrag vom 14./18.02.2001 (Anlage K 1) heißt es unter anderem:

㤠8 Muster und Warenbestand des HV

(1) Der HV erhält von der Firma bei Vertragsbeginn ein Mustersortiment zur Vorführung bei Kunden, das ihm auf seinem Warenbestandskonto mit dem Verkaufspreis abzüglich des Provisionssatzes belastet wurde.

(2) Zeigt der HV der Firma mit einem Auftragsschein an, dass er Waren aus einem Warenbestand an Kunden weitergegeben hat, erhält er dafür eine Gutschrift und sein Warenbestandskonto wird um die Gutschrift entlastet. Gleiches gilt, wenn der HV Waren aus seinem Mustersortiment, die sich in einem verkaufsfähigen Zustand befinden, an das Lager Berlin zurückgibt. Ausgenommen hoch empfindliche, kostenintensive Laser/Messgeräte.“

Bis für den Monat Februar 2007 hat der Kläger die ihm von der Beklagten erteilten Abrechnungen als „geprüft und anerkannt“ unterzeichnet. Zuletzt tat er dies auf einem Kontoauszug der Beklagten vom 06.03.2007, welcher einen Saldo in Höhe von 9.690,27 € für das Musterkonto ausweist (Anlage B 1, Bl. 23 f. d.A.). Dieser Saldo ist von der Beklagten im Kontoauszug vom 04.04.2007 erneut festgehalten (Anlage K 3).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.04.2007 begehrte der Kläger von der Beklagten Auszahlung der Provision in der Höhe, in welcher sein Musterkonto belastet war, außerdem begehrte er einen Buchauszug seit Januar 2002 (Anlage K 4). Dies lehnte die Beklagte ebenfalls mit anwaltlichem Schreiben vom 04.05.2007 ab (Anlage K 5).

Der Kläger verfolgt im Klagewege sein Ziel weiter. Er ist der Meinung, die Beklagte dürfe seine Provision nicht wegen der Musterkollektion zurückhalten, weil diese gemäß § 86 a HGB ihm unentgeltlich zur Verfügung zu stellen sei.

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Rücknahme der Klage,

die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

a) ihm einen Buchauszug über alle Geschäfte zu erteilen, die mit Kunden seines Bezirkes, nämlich solchen, die in der Anlage K 2 aufgeführt sind und in der Zeit vom 01.03.2007 bis zum 14.11.2007 zustande gekommen sind, wobei dieser Auszug folgende Angaben zu enthalten hat:

Auftragsdatum,
Auftragsnummer,
Warenart lt. Auftrag,
Warenmenge It. Auftrag,
Warenwert lt. Auftrag,
Rechnungsdatum,
Rechnungsnummer,
Rechnungsbetrag,
Kunde mit genauer Anschrift,
Stadium der Ausführung des Geschäfts,
Höhe der eingegangenen Zahlungen,
im Falle von Nichtzahlungen, welche Maßnahmen zur Beitreibung der Forderungen durchgeführt wurden,
Annullierungen und Retouren sowie
Gründe hierfür,

b) ihm einen Betrag in Höhe von EUR 9.690,27 zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszins p.a. seit 04.04.2007 sowie die sich aus dem Buchauszug ergebende Provision zuzüglich 8 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszins p.a. seit jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Provision in Höhe des Wertes der ausgehändigten Muster gemäß § 8 des Handelsvertretervertrages einbehalten zu dürfen. Außerdem habe der Kläger die Abrechnung anerkannt. Einen Anspruch auf Buchauszug habe der Kläger nicht, weil er die zur Berechnung eines Provisionsanspruches erforderlichen Unterlagen erhalten habe.

Zur Ergänzung des Sach und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

Nach Rücknahme der Klage hinsichtlich der anerkannten Provisionsabrechnungen hat der Kläger gegen die Beklagte für den noch geltend gemachten Zeitraum einen Anspruch auf Buchauszug sowie einen Anspruch auf Mitteilung über alle Umstände, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind gemäß § 87 c Abs. 2 und 3 HGB. Diesen Anspruch hat die Beklagte noch nicht erfüllt. Der Buchauszug reicht weiter als die Abrechnung (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 32. Aufl., 2006, § 87 c, Rn. 14 m.w.N.). Zwar hat die Beklagte dem Kläger unstreitig nicht nur eine monatliche Provisionsabrechnung erteilt, sondern darüber hinaus auch Offene Posten Listen, Kundenrechnungen, Kundengutschriften und Provisions Vorschusslisten, jedoch ist dies gemessen an den allgemein anerkannten Vorgaben an einen Buchauszug nicht ausreichend. Der Buchauszug ist in Form einer geordneten Zusammenstellung zu erteilen, wobei allerdings kein Anspruch des Handelsvertreters auf eine bestimmte, etwa tabellarische Darstellungsweise besteht (Hopt a.a.O., Rn. 15). Das bloße Zur Verfügung Stellen der buchmäßigen Unterlagen ist jedoch kein Buchauszug (OLG Koblenz, HVR Nr. 759), der Handelsvertreter braucht sich die Informationen auch nicht selbst herauszusuchen (OLG Düsseldorf, HVR Nr.1042; Hopt, a.a.O., Rn. 14). Genau dies müsste der Kläger allerdings anhand der von der Beklagten überlassenen Unterlagen tun.

Soweit der Kläger Auszahlung von 9.690,27 € einbehaltener Provision wegen Übergabe von Mustern begehrt, unterliegt die Klage der Abweisung. Der Kläger kann bereits deshalb nicht Auszahlung des begehrten Betrages beanspruchen, weil er am 12. März 2007 den auf dem Kontoauszug vom 6. März 2007 ausgewiesenen Saldo des Musterkontos in Höhe von 9.690,27 € gemäß § 781 BGB anerkannt hat. Dieses deklaratorische Anerkenntnis hat die Wirkung, dass alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur für die Zukunft ausgeschlossen sind, die der Kläger bei der Abgabe kannte oder mit denen er mindestens rechnete (Palandt Sprau, BGB, 66. Aufl., 2007, § 781, Rn. 4 m.w.N.).

Darüber hinaus liegt nach Auffassung der Kammer bei Einbehalt einer Kaution kein Verstoß gegen § 86 a HGB vor. Diese Frage ist soweit erkennbar obergerichtlich noch nicht entschieden worden. Die vom Kläger zitierten und eingereichten Entscheidungen betreffen andere Fallkonstellationen, in denen es um den Kauf im Sinne des § 433 BGB von Musterkollektionen geht. So wird zum Beispiel in der zitierten Entscheidung vom OLG München (HVR Nr. 991) in dem Tatbestand der Entscheidung mitgeteilt, dass nach dem dortigen Handelsvertretervertrag der Vertreter verpflichtet war, eine Musterkollektion gegen Rabatt käuflich zu erwerben, eine Rückgabe gegen Gutschrift war ausdrücklich ausgeschlossen. So liegt der Fall hier nicht. Gemäß § 8 Abs. 2 des Handelsvertretervertrages vom 14./18.02.2001 kann der Kläger die Musterwaren, wenn sie sich in einem verkaufsfähigen Zustand befinden, gegen Gutschrift zurückgeben. Eine ausdrückliche Verpflichtung zum Kauf besteht nicht. Nach Thume (Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, 3. Aufl., 2000, Rn. 620) bedeute auch die Verpflichtung des Handelsvertreters zur Zahlung einer Kaution oder sonstigen Sicherheit für die Überlassung der Kollektion eine Einschränkung der nunmehr zwingenden Verpflichtung des Unternehmers zur unentgeltlichen Überlassung, derartige Vereinbarungen seien daher seit Einführung des § 86 a Abs. 3 HGB wohl nicht mehr zulässig. Nach Löwisch (in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 2008, § 86 a, Rn. 18) kann eine Kaution individualvertraglich, nicht aber durch AGB oder Formularvertrag, vereinbart werden. Überwiegend wird in der Lehre allerdings auch nach Einführung des § 86 a HGB die Vereinbarung einer Sicherheit oder Kaution für zulässig erachtet (Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl., 2007, § 86, Rn. 8; Westphal, Vertriebsrecht Bd. 1, 1998, Rn. 386; Küstner in Röhricht, von Westphalen, Kommentar zum HGB, 2. Aufl., 2001, § 86 a, Rn. 7; Sieg, VersR 1996, 549, 560). Überzeugend begründet wird diese Rechtsansicht von Sieg damit, dass die EG Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter, auf der § 86 a Abs. 3 HGB basiert, den Schutz des Handelsvertreters verstärken, aber das Sicherheitsbedürfnis des Unternehmers, das ja den Anspruch des Vertreters aus § 86, a HGB unberührt lässt, nicht schmälern will Ähnlich ist die Begründung von Westphal (a.a.O.), wenn er einen Verstoß gegen § 86 a HGB verneint, da der Handelsvertreter die Kaution bei ordnungsgemäßer Rückgabe zurückerhält, sodass die Überlassung unentgeltlich erfolge. Die Kammer folgt der herrschenden Meinung, zumal die gegenteiligen Auffassungen nicht begründet sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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