Keine Zurechnung der unberechtigten Benutzung der Marke von dritter Seite bei fehlender Veranlassung oder Kenntnis der Benutzung durch den Berechtigten; Grenzen der Pflicht zur Löschung von Interneteinträgen durch den ehemaligen Vertragspartner nach Vertragsende
C-179/15 Urteil verkündet am 3. März 2016 EuGH VertragshändlerrechtGerichtshof der Europäischen Union
Im Namen des Volkes
Urteil
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Marken – Richtlinie 2008/95/EG – Art. 5 Abs. 1 – Im Internet zugängliche Anzeigen, die einen Dritten betreffen – Unberechtigte Benutzung der Marke – Ohne Kenntnis oder Zustimmung dieses Dritten online gestellte oder trotz dessen Widerspruch online belassene Anzeigen – Gerichtliches Vorgehen des Markeninhabers gegen diesen Dritten“
In der Rechtssache C-179/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fõvárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 3. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 21. April 2015, in dem Verfahren
Daimler AG
gegen
[…]
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
[…]
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
[…]
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes Urteil:
Der Gerichtshof (Zweite Kammer) hat für Recht erkannt:
Tenor
Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass ein Dritter, der in einer auf einer Website veröffentlichten Anzeige genannt ist, die ein Zeichen enthält, das mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist, so dass der Eindruck einer Geschäftsbeziehung zwischen ihm und dem Markeninhaber besteht, keine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die vom Inhaber nach dieser Bestimmung verboten werden kann, wenn die Anzeige weder von diesem Dritten noch in seinem Namen platziert worden ist oder, falls die Anzeige von diesem Dritten oder in seinem Namen mit Zustimmung des Inhabers platziert worden ist, wenn dieser Dritte den Betreiber der Website, bei dem er die Anzeige in Auftrag gegeben hatte, ausdrücklich aufgefordert hat, die Anzeige oder die in ihr enthaltene Nennung der Marke zu löschen.
Tatbestand
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Daimler AG (im Folgenden: Daimler) und der […] (im Folgenden: […]) über das Erscheinen von Anzeigen im Internet, in denen […] als „autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“ bezeichnet wird.
Rechtlicher Rahmen
3 Die Richtlinie 89/104 wurde durch die am 28. November 2008 in Kraft getretene Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25) aufgehoben.
4 Art. 5 („Rechte aus der Marke“) der Richtlinie 2008/95, dessen Wortlaut den des Art. 5 der Richtlinie 89/104 unverändert aufnimmt, bestimmt:
(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;
b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
(2) Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(3) Sind die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:
a) das Zeichen auf Waren oder deren Verpackung anzubringen;
b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;
d) das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.
[…]“
5 Die Richtlinie 2008/95 wird durch die am 12. Januar 2016 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 336, S. 1) mit Wirkung zum 15. Januar 2019 aufgehoben.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
6 Daimler, eine Herstellerin von Fahrzeugen, ist Inhaberin der unten wiedergegebenen internationalen Bildmarke Mercedes-Benz, die auch in Ungarn geschützt ist und deren Schutz sich u. a. auf Fahrzeugteile erstreckt.
7 […] ist eine Gesellschaft nach ungarischem Recht, deren Tätigkeit im Bereich des Einzelhandels mit Fahrzeugen und Fahrzeugteilen sowie der Fahrzeugreparatur und -wartung liegt. Sie ist auf den Verkauf von Waren von Daimler und darauf bezogene Dienstleistungen spezialisiert.
8 Ab dem Jahr 2007 waren die Mercedes Benz Hungaria Kft. (im Folgenden: Mercedes Benz Hungaria), eine Tochtergesellschaft von Daimler, die nicht am Ausgangsrechtsstreit beteiligt ist, und […] durch einen Vertrag über Kundendienstleistungen verbunden, der mit Wirkung zum 31. März 2012 endete.
9 Nach diesem Vertrag war […] berechtigt, die genannte Marke zu benutzen und sich außerdem in ihren eigenen Anzeigen als „felhatalmazott Mercedes-Benz szerviz“ („autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“) zu bezeichnen.
10 Während der Laufzeit des Vertrags über Kundendienstleistungen beauftragte […] die […] (im Folgenden: […]), die Werbedienstleistungen im Internet über die Website www.telefonkonyv.hu anbietet, für den Zeitraum 2011 bis 2012 mit der Veröffentlichung einer Anzeige, in der sie als autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt bezeichnet wurde.
11 Nach der Beendigung des Vertrags versuchte […], jede Benutzung der fraglichen Marke zu beenden, aufgrund deren das Publikum hätte annehmen können, dass sie weiterhin eine Vertragsbeziehung mit Daimler unterhielt.
12 […] forderte […] insbesondere auf, die Anzeige so abzuändern, dass sie in ihr nicht mehr als autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt bezeichnet wurde.
13 Des Weiteren forderte […] die Betreiber mehrerer anderer Websites schriftlich auf, online gestellte Anzeigen zu löschen, die ohne ihre Zustimmung und insbesondere ohne ihren Auftrag veröffentlicht worden waren und die sie als autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt darstellten.
14 Trotz dieser Maßnahmen wurden die online gestellten Anzeigen, die eine solche Angabe enthielten, weiterhin im Internet verbreitet. Zudem ergab die Eingabe der Schlüsselwörter „[…]“ und „[…]“ in die Google-Suchmaschine eine Ergebnisliste, in der die Anzeigen erschienen und in deren erster Textzeile, die als Link fungierte, […] als „autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“ bezeichnet wurde.
15 Unter diesen Umständen erhob Daimler beim vorlegenden Gericht Klage und beantragte zum einen, u. a. festzustellen, dass […] durch die Anzeigen die Marke Mercedes-Benz verletzt hat, und zum anderen, […] zur Löschung der fraglichen Anzeigen, zur Unterlassung erneuter Markenverletzungen und zur Veröffentlichung einer Richtigstellung in nationalen und regionalen Zeitungen zu verpflichten.
16 Zur Verteidigung trug […] vor, dass sie, mit Ausnahme der auf der Seite www.telefonkonyv.hu erschienenen Anzeige, keine weitere Anzeige ins Internet gestellt habe und dass die fraglichen Anzeigen erschienen seien und weiterhin erschienen, ohne dass sie dies gewollt habe und ohne dass sie irgendeinen Einfluss auf ihren Inhalt, ihr Erscheinen oder ihre Löschung nehmen könne.
17 In diesem Zusammenhang zog […] einen Privatgutachter hinzu, um nachzuweisen, dass sie Opfer einer weit verbreiteten Geschäftspraxis geworden sei, die im Wesentlichen darin bestehe, dass bestimmte Anbieter von Werbedienstleistungen im Internet ohne Kenntnis oder Zustimmung der Werbenden Anzeigen, die auf anderen Anzeigeseiten veröffentlicht worden seien, wiedergäben, um ihre eigene entgeltlich oder unentgeltlich nutzbare Informationsdatenbank zu erstellen.
18 Unter diesen Umständen hat der […] (Hauptstädtischer Gerichtshof, Ungarn) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke berechtigt ist, gegen einen Dritten, der in einer Anzeige im Internet genannt wird, in der ein mit der Marke verwechselbares Zeichen vorkommt und die sich auf eine mit den Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist, identische Dienstleistung dieses Dritten bezieht, so dass beim Publikum der falsche Eindruck entstehen kann, dass eine offizielle Geschäftsverbindung zwischen dem Unternehmen des Dritten und dem Markeninhaber besteht, auch dann vorzugehen, wenn die Anzeige weder von der darin genannten Person noch für deren Rechnung ins Internet gestellt wurde oder wenn diese Anzeige im Internet abrufbar bleibt, obwohl die darin genannte Person in der bei vernünftiger Betrachtung zu erwartenden Weise ihre Löschung zu erreichen versuchte, ohne dass dies gelang?
Entscheidungsgründe
Zur Vorlagefrage
19 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Ausgangsrechtsstreit darauf zurückgeht, dass auch nach Beendigung des Vertrags über Kundendienstleistungen zwischen Mercedes Benz Hungaria und […], der dieser u. a. erlaubte, die Marke Mercedes-Benz sowie die Bezeichnung „autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“ in ihren eigenen Werbeanzeigen zu verwenden, weiterhin Anzeigen im Internet verbreitet wurden, die diese Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Namen und der Adresse von […] enthielten. Da der Vertrag am 31. März 2012 und damit nach Aufhebung der Richtlinie 89/104 durch die Richtlinie 2008/95 endete, findet auf den Rechtsstreit die Richtlinie 2008/95 Anwendung, so dass die Vorlagefrage dahin zu verstehen ist, dass sie die Auslegung dieser Richtlinie betrifft.
20 Außerdem nimmt die Frage zwar Bezug auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104, dessen Wortlaut in die Richtlinie 2008/95 übernommen wurde und der den Fall betrifft, dass die fraglichen Zeichen und/oder die Waren oder Dienstleistungen, für die diese Zeichen benutzt werden, einander nur ähnlich sind, jedoch scheint das Ausgangsverfahren, wie die Europäische Kommission vorträgt, auf den ersten Blick vielmehr die Fallgestaltung des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinien zu betreffen, nämlich die der „doppelten Identität“, bei der ein Dritter ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist.
21 Zum einen zeigt sich nämlich, dass die Anzeigen, die den Begriff „autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“ enthalten, ein Zeichen benutzen, das im Wesentlichen mit der Bildmarke Mercedes-Benz identisch ist.
22 Zum anderen scheint die Formulierung der Vorlagefrage nahezulegen, dass das vorlegende Gericht davon ausgeht, dass die von […] angebotenen Waren und Dienstleistungen identisch mit denen sind, für die die Marke eingetragen ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt die Benutzung einer Automarke in Anzeigen zu dem Zweck, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass ein Dritter authentische Fahrzeuge dieser Marke instand setzt und wartet, grundsätzlich unter Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie, selbst wenn die Marke nicht für diese Dienstleistung eingetragen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil BMW, C-63/97, EU:C:1999:82, Rn. 33, 34 und 37 bis 39).
23 Da aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, dass das vorlegende Gericht auf eine Klärung des Begriffs „benutzen“ in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinien 89/104 und 2008/95 abzielt, der sich unterschiedslos auf die Fallgestaltungen in Abs. 1 Buchst. a und b bezieht, ist es für eine sachdienliche Antwort dennoch nicht erforderlich, endgültig zu entscheiden, welche der beiden Fallgestaltungen im vorliegenden Fall zutrifft.
24 Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage demnach wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass ein Dritter, der in einer auf einer Website veröffentlichten Anzeige genannt ist, die ein Zeichen enthält, das mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist, so dass der Eindruck einer Geschäftsbeziehung zwischen ihm und dem Markeninhaber besteht, eine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die vom Inhaber nach dieser Bestimmung verboten werden kann, selbst wenn die Anzeige weder von diesem Dritten oder in seinem Namen platziert worden ist oder wenn dieser vergeblich alles von ihm Erwartbare unternommen hat, um ihre Löschung zu erreichen.
25 Die ungarische und die polnische Regierung sowie die Kommission sind der Auffassung, dass diese Frage zu verneinen sei.
26 Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/95 ist der Markeninhaber berechtigt, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung ein mit der Marke identisches Zeichen zu benutzen, wenn diese Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt, für Waren oder Dienstleistungen geschieht, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, und die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann. Zu diesen Funktionen gehört nicht nur die Hauptfunktion der Marke, die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern (im Folgenden: herkunftshinweisende Funktion), sondern es gehören dazu auch ihre anderen Funktionen wie u. a. die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktionen (vgl. in diesem Sinne Urteile L’Oréal u. a., C-487/07, EU:C:2009:378, Rn. 58, Google France und Google, C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159, Rn. 49, 77 und 79, sowie Interflora und Interflora British Unit, C-323/09, EU:C:2011:604, Rn. 38).
27 Sind sich die fraglichen Zeichen und/oder Waren oder Dienstleistungen, für die diese Zeichen benutzt werden, hingegen lediglich ähnlich, ist der Markeninhaber gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 nur dann berechtigt, eine solche Benutzung des Zeichens zu verbieten, wenn sie wegen der für das Publikum bestehenden Gefahr von Verwechslungen die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (vgl. u.a. Urteil Frisdranken Industrie Winters, C-119/10, EU:C:2011:837, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Benutzung einer Marke durch einen Dritten ohne Zustimmung des Inhabers zu dem Zweck, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass dieser Dritte Waren dieser Marke instand setzt und wartet oder dass er Fachmann für solche Waren oder auf sie spezialisiert ist, unter gewissen Umständen eine Benutzung der Marke im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/95 darstellt, die der Markeninhaber verbieten kann, soweit nicht Art. 6 der Richtlinie – Beschränkung der Wirkungen der Marke – oder Art. 7 der Richtlinie – Erschöpfung des Rechts aus der Marke – Anwendung finden (vgl. Urteil BMW, C-63/97, EU:C:1999:82, Rn. 42 und 45).
29 Zu den im Ausgangsverfahren fraglichen Anzeigen, in denen […] als „autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“ bezeichnet wird, ist festzustellen, dass […] die Marke im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 benutzt hat, indem sie MTT beauftragte, für den Zeitraum 2011 bis 2012 eine Anzeige diesen Inhalts online auf der Website www.telefonkonyv.hu zu veröffentlichen.
30 Indem der Werbende eine solche Werbeanzeige im Zusammenhang mit seinen Geschäftstätigkeiten in Auftrag gibt, „benutzt“ er die Marke nämlich „im geschäftlichen Verkehr“ und für „Waren oder Dienstleistungen“, die er seinen Kunden anbietet, wobei eine solche Benutzung zu Werbezwecken im Übrigen ausdrücklich unter Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2008/95 fällt. Eine solche Benutzung kann, wenn sie ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgt, die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigen, sofern die Anzeige suggeriert, dass zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil Interflora und Interflora British Unit, C-323/09, EU:C:2011:604, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31 Da der zwischen Mercedes Benz Hungaria und […] geschlossene Vertrag über Kundendienstleistungen eine solche Benutzung ausdrücklich erlaubte, ist aber davon auszugehen, dass diese Benutzung mit Zustimmung des Markeninhabers geschehen ist und dass es dem Inhaber nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 während der Laufzeit des Vertrags demnach nicht gestattet war, die Veröffentlichung der fraglichen Anzeige auf der Website www.telefonkonyv.hu zu verbieten.
32 Es ist jedoch unstreitig, dass Anzeigen, in denen […] als „autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“ bezeichnet wird, selbst nach Beendigung des Vertrags weiterhin sowohl auf der Website www.telefonkonyv.hu als auch auf anderen Referenzierungswebsites für Unternehmen erschienen sind und dass diese den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits bilden.
33 Was zum einen die Veröffentlichung dieser Anzeige auf der Website www.telefonkonyv.hu nach Beendigung des Vertrags angeht, hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass […] […] aufgefordert habe, die ursprünglich in Auftrag gegebene Anzeige abzuändern, damit sie darin nicht mehr als „autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt“ bezeichnet werde, aber dass trotz dieser Aufforderung die Anzeige mit dieser Bezeichnung weiterhin eine gewisse Zeit lang auf dieser Website erschienen sei.
34 Zwar lässt sich die Veröffentlichung einer Werbeanzeige, die die Marke eines anderen nennt, auf einer Referenzierungswebsite dem Werbenden zurechnen, der diese Anzeige in Auftrag gegeben hat und auf dessen Anweisung der Betreiber dieser Seite als Dienstleister gehandelt hat (vgl. entsprechend Urteile Google France und Google, C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159, Rn. 51 und 52, sowie Frisdranken Industrie Winters, C-119/10, EU:C:2011:837, Rn. 36), doch können dem Werbenden die Handlungen oder Unterlassungen eines solchen Dienstleisters nicht zugerechnet werden, wenn dieser sich absichtlich oder fahrlässig über die ausdrücklich vom Werbenden erteilten Anweisungen hinwegsetzt, die gerade darauf abzielen, diese Benutzung der Marke zu verhindern. Kommt der Dienstleister der Aufforderung des Werbenden, die fragliche Anzeige oder die in ihr enthaltene Nennung der Marke zu löschen, nicht nach, lässt sich daher die Veröffentlichung der Markennennung auf der Referenzierungswebsite nicht mehr als Benutzung der Marke durch den Werbenden qualifizieren.
35 Was zum anderen die Veröffentlichung der fraglichen Anzeige auf anderen Referenzierungswebsites für Unternehmen angeht, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass dieser Umstand mit der Praxis bestimmter Betreiber solcher Websites zu erklären sei, die – ohne Kenntnis oder Zustimmung der Werbenden – auf anderen Websites veröffentlichte Anzeigen wiedergäben, um ihre Website bekannt zu machen und den künftigen zahlenden Nutzern zu zeigen, dass es sich um eine bekannte Website mit einem vertrauenswürdigen Hintergrund handele.
36 Hierzu ist festzustellen, dass einem Werbenden selbständige Handlungen anderer Wirtschaftsteilnehmer wie die der Betreiber von Referenzierungswebsites, mit denen der Werbende keine unmittelbare oder mittelbare Beziehung unterhält und die nicht im Auftrag und für Rechnung des Werbenden, sondern auf eigene Initiative und im eigenen Namen handeln, nicht zuzurechnen sind.
37 Aus den Rn. 34 und 36 des vorliegenden Urteils geht hervor, dass in den beiden dort aufgeführten Fallgestaltungen der Markeninhaber nicht berechtigt ist, gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a oder Buchst. b der Richtlinie 2008/95 gegen den Werbenden vorzugehen, um diesem die Online-Veröffentlichung der Anzeige, in der seine Marke genannt wird, verbieten zu lassen.
38 Diese Schlussfolgerung wird durch den Wortlaut, die Systematik und die Zielsetzung des Art. 5 der Richtlinie 2008/95 untermauert.
39 Was zunächst den Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 anbelangt, ist beispielhaft darauf hinzuweisen, dass der Ausdruck „zu benutzen“, „using“, „faire usage“, „usare“, „het gebruik“, „használ“, der jeweils in der Fassung dieser Bestimmung in deutscher, englischer, französischer, italienischer, niederländischer und ungarischer Sprache benutzt wird, nach seinem üblichen Sinn ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung beinhaltet. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn diese Handlung von einem unabhängigen Wirtschaftsteilnehmer ohne Zustimmung des Werbenden und sogar gegen seinen ausdrücklichen Willen vorgenommen wird.
40 Sodann ist zur Systematik des Art. 5 der Richtlinie 2008/95 festzustellen, dass in Art. 5 Abs. 3, der eine nicht abschließende Aufzählung von Benutzungsformen enthält, die der Markeninhaber verbieten kann (vgl. Urteil Google France und Google, C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung), ausschließlich aktive Handlungen Dritter genannt sind, wie etwa die, das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung „anzubringen“, es in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu „benutzen“, unter dem Zeichen Waren „anzubieten“, „in den Verkehr zu bringen“, zu den genannten Zwecken „zu besitzen“, „einzuführen“ oder „auszuführen“ oder auch Dienstleistungen „anzubieten“ oder zu „erbringen“.
41 Was schließlich die Zielsetzung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 betrifft, geht aus dieser Bestimmung klar hervor, dass sie bezweckt, dem Inhaber ein rechtliches Instrument an die Hand zu geben, das es ihm ermöglicht, jegliche Benutzung seiner Marke durch einen Dritten ohne seine Zustimmung zu verbieten und somit zu beenden. Dennoch ist nur ein Dritter, der unmittelbar oder mittelbar die Herrschaft über die Benutzungshandlung hat, tatsächlich in der Lage, die Benutzung zu beenden und sich damit an das Verbot zu halten.
42 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass eine Auslegung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95, nach der in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens der Markeninhaber dem Werbenden die streitige Benutzung nur deshalb verbieten kann, weil diese Benutzung dem Werbenden möglicherweise einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, gegen die Zielsetzung dieser Bestimmung und den Grundsatz impossibilium nulla obligatio est verstieße.
43 Dieses Ergebnis wirkt sich weder auf die Möglichkeit des Inhabers aus, gegebenenfalls vom Werbenden die Rückerstattung eines solchen wirtschaftlichen Vorteils auf der Grundlage des nationalen Rechts einzufordern, noch auf seine Möglichkeit, gegen die Betreiber der Referenzierungswebsites vorzugehen.
44 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass ein Dritter, der in einer auf einer Website veröffentlichten Anzeige genannt ist, die ein Zeichen enthält, das mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist, so dass der Eindruck einer Geschäftsbeziehung zwischen ihm und dem Markeninhaber besteht, keine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die vom Inhaber nach dieser Bestimmung verboten werden kann, wenn die Anzeige weder von diesem Dritten noch in seinem Namen platziert worden ist oder, falls die Anzeige von diesem Dritten oder in seinem Namen mit Zustimmung des Inhabers platziert worden ist, wenn dieser Dritte den Betreiber der Website, bei dem er die Anzeige in Auftrag gegeben hatte, ausdrücklich aufgefordert hat, die Anzeige oder die in ihr enthaltene Nennung der Marke zu löschen.
Kosten
45 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.