Haftung des Franchisegebers bei vorvertraglicher Täuschung des Franchisenehmers über Umsatzprognosen

8 U 5085/01 Urteil verkündet am 1. August 2002 OLG München Vorvertragliche Aufklärungspflichten

Oberlandesgericht München
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

Tatbestand

Die Beklagten (eine Franchisegeberin und der von ihr eingesetzte Vermittler) rügen mit ihrem Rechtsmittel, das LG habe sie zu Unrecht nach dem Recht der unerlaubten Handlungen verurteilt, an die Klägerin zu 1) (Franchisenehmerin) Schadensersatz zu zahlen. Denn der Beklagte zu 2), der mit der Klägerin verhandelt habe, habe bei den Verhandlungen keine falschen Erklärungen über die durch einen neuen Franchisenehmer erzielbare Anzahl von Vermittlungen abgegeben und die Klägerin zu 1) habe den Franchise-Vertrag nicht im Vertrauen auf Erklärungen des Beklagten zu 2) zur erzielbaren Anzahl von Vermittlungen abgeschlossen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Die vom Beklagten zu 2) abgegebene Umsatzprognose war dahin zu verstehen, dass durch den Pilotbetrieb hinreichende Erfahrungen über die Erzielbarkeit eines solchen Umsatzes zu Grunde lagen

a) … Die [Umsatzprognose] des Beklagten zu 2) war nicht nur auf eine allgemeine Information der Klägerin zu 1) über das Franchisesystem der Beklagten zu 1) gerichtet; vielmehr war sie darauf gerichtet, der Klägerin zu 1) Informationen zu geben, die Grundlage für deren Entscheidung sein sollten, der Beklagten zu 1) den Abschluss eines Franchise-Vertrages anzubieten oder ein Angebot der Beklagten zu 1) auf Abschluss eines Franchise-Vertrages anzunehmen . . .

Die Erklärung des Beklagten zu 2) war aus objektiver Sicht für die Klägerin zu 1) dahin zu verstehen, dass durch den Pilotbetrieb in München die […] GmbH zum Zeitpunkt des Gesprächs am 15.09.1997 hinreichende Erfahrungen über die Erzielbarkeit eines solchen Umsatzes von der Beklagten zu 1) gemacht worden waren. Der Beklagte zu 2) bezog seine Erklärungen nicht auf allgemeine Erfahrungen bei der Arbeitsvermittlung, etwa Erfahrungen der Bundesanstalt für Arbeit …

Die Erklärungen des Beklagten zu 2) bei dem Gespräch in Frankfurt a. M. waren auch nicht dahin zu verstehen, dass die geschätzten Zahlen der Ertragsvorschau in der Schrift […] Partnerkonzept der […] GmbH mitgeteilt wurden, sondern dahin, dass […] die genannten Zahlen ihre Grundlage in den Umsätzen des Pilotbetriebes, der […] GmbH mit dem Sitz in München, hatten.

Die Erklärung erweckt den unrichtigen Eindruck, die Umsätze des Pilotbetriebs seien zutreffend offen gelegt worden

b) Die Erklärung des Beklagten am 15.09.1997 war falsch, weil sie nicht den tatsächlich vom Pilotbetrieb seit seiner Gründung am 14.11.1994 bis zum Gespräch am 15.09.1997 erzielten Umsatz wiedergibt. Die Erklärung erweckt den Eindruck, es seien die Umsätze des Pilotbetriebes vollständig und richtig offen gelegt. Das war aber nicht der Fall … [wird ausgeführt].

Der Beklagte zu 2) hat die Klägerin gezielt über die Umsatzprognosen getäuscht

c) … d) Der Senat hat keine Zweifel, dass der Beklagte zu 2) bewusst der Klägerin zu 1) die tatsächlichen Vermittlungszahlen des Pilotbetriebes nicht offen gelegt hat . . . Da der Beklagte zu 2) aber durchaus bei dem Gespräch am 15.09.1997 sich auf konkrete Vermittlungszahlen eines Referenten pro Jahr bezogen und sich der Beklagte zu 2) auch auf das Geschäftsergebnis des Pilotbetriebes bei dem Gespräch bezogen hat, ist der Senat davon überzeugt, dass der Beklagte zu 2) beim Gespräch die tatsächlich von dem Pilotbetrieb erzielten Umsätze pro Personalreferent im Zeitpunkt des Gesprächs kannte, in sein Bewusstsein aufgenommen hatte, dass sie für die Entscheidung der Klägerin zu 1) erheblich waren, und sie gleichwohl nicht bekannt gab.

Durch diese Täuschung wurde der Irrtum der Klägerin begründet, die Prognose beruhe auf den Ergebnissen des Pilotbetriebs

e) Durch die Erklärung des Beklagten zu 2) wurde der Irrtum der Klägerin zu 1) begründet, die Vermittlungszahlen, die der Beklagte zu 2) für den Pilotbetrieb genannt hatte, beruhten auf Auswertung der tatsächlichen Ergebnisse des Pilotbetriebes bis zum Zeitpunkt des Gesprächs. Unabhängig von dem Aufbau und dem Stand des Geschäftsbetriebes anderer Franchisenehmer beruhte das Auftreten des Beklagten zu 2) gegenüber der Klägerin zu 1) gerade auf den mit dem Pilotbetrieb gemachten Erfahrungen, also auf der Verwirklichung der ursprünglichen Planung durch tatsächliche Geschäftstätigkeit. Daraus ergibt sich hinreichend zur Überzeugung des Senats, dass die Klägerin zu 1) auf solche erfahrungsgestützten Vermittlungszahlen vertraute . . .

Das Vertrauen der Klägerin zu 1) auf erfahrungsgestützte Umsatzzahlen war mitursächlich für den Abschluss des Franchise-Vertrages vom 09.01.1998.

Schlagwörter
Geständnisfiktion (2) Franchisevertrag (11) Aufklärungspflicht (18) arglistige Täuschung (3)