Örtliche Zuständigkeit bei arbeitsgerichtlichen Klagen des Reisenden

17 Ca 52/02 Urteil verkündet am 14. Februar 2002 ArbG Leipzig Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis

Arbeitsgericht Leipzig
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hat ihren Sitz in X. (Arbeitsgerichtsbezirk Stuttgart). Der Kläger wohnt in Y. (Arbeitsgerichtsbezirk Leipzig). Er ist bei der Beklagten als Vertriebsbeauftragter beschäftigt und betreut Kunden im gesamten Gebiet der BRD. Neben seiner Reisetätigkeit erbringt der Kläger einen erheblichen Teil seiner Arbeitsleistung in seinem heimischen Büro. Hier erstellt er Kundenangebote und erledigt die Korrespondenz. Für die Bereitstellung von dafür geeignetem Arbeitsraum erhält der Kläger von der Beklagten monatlich 400,00 DM pauschale Aufwandsentschädigung.

Der Kläger meint, das ArbG Leipzig sei örtlich zuständig. Der Schwerpunkt seiner Arbeit als Reisender liege an seinem Wohnsitz, so dass dieser Erfüllungsort sei. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BAG (so im Urteil v. 12.06.1986, AP Nr. 1 zu Art. 5 Brüsseler Abkommen; BAG, 11.03.1993, 5 AS 29/93, NZA 94, 479; BAG, 23.07.1997, 5 AS 19/97 unv.).

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit ist gem. §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbG, 17 a Abs. 2 GVG von Amts wegen an das ArbG Stuttgart zu verweisen, denn die Beklagte hat ihren allgemeinen Gerichtsstand in dessen Gerichtsbezirk (§ 17 ZPO). Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich für das hiesige Arbeitsgericht eine örtliche Zuständigkeit mit besonderem Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) nicht begründen. Auch der Erfüllungsort liegt im Gerichtsbezirk des ArbG Stuttgart. Einen auf die bloße Arbeitsstelle begründeten Gerichtsstand kennt das Gesetz nicht.

Mit der ganz h. M. geht das Gericht davon aus, dass der Erfüllungsort bei Arbeitsverhältnissen der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistungen zu erbringen hat und sich nach materiellem Recht und somit nach § 269 BGB bestimmt. Dabei ist für sämtliche Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis in der Regel von einem einheitlichen Erfüllungsort auszugehen (so zutreffend BAG, a.a.O.). Das ArbG Leipzig wäre demnach für den Rechtsstreit örtlich zuständig, wenn der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses in seinem Gerichtsbezirk läge. Der Kläger beruft sich zur Begründung eines im Gerichtsbezirk Leipzig liegenden Erfüllungsortes auf die Rechtsprechung des BAG, wonach Erfüllungsort für Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag der Ort sei, wo der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistungen zu erbringen habe; dies sei bei einem für die Bearbeitung eines größeren Bezirkes angestellten Reisenden dessen Wohnsitz, gleich ob er täglich an den Wohnort zurückkehre (BAG a.a.O., auch im Beschluss 5 AS 27/95 unv.; ArbG Hanau, 20.07.1995, 2 Ca 165/95, NZA RR 96, 67). Indes fehlt für die Auffassung, dass der Erfüllungsort der Wohnort des Reisenden sei, wohl eine überzeugende Begründung.

Aus der Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB lässt sie sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht entnehmen. Sie regelt den Fall, dass der Leistungsort (Erfüllungsort) weder vertraglich bestimmt ist, noch sich aus den Umständen ergibt, und stellt lediglich eine vertragsergänzende Auslegungsregel dar. Ist aber der Leistungsort festgelegt oder ergibt er sich aus den Umständen, kommt eine Bestimmung des Leistungsortes durch Auslegung nicht in Betracht (LAG Saarbrücken, Urteil v. 02.04.1975, 2 Sa 169/74; LAG Rheinland Pfalz, NZA 85 540; ArbG Regensburg, 16.03.1994, 5 Ca 324/94, NZA 95, 96). So liegt die Sache hier.

Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages hat der Kläger im gesamten Bundesgebiet Produkte der Beklagten zu vertreiben. Hierzu kommuniziert er zwar von seiner Wohnung aus mit den Kunden, fertigt Angebote, die er dann aber vor Ort bei den Kunden vorstellt und verkauft. Seine Berichtspflichten hat er gegenüber der Beklagten in X. zu erfüllen. Damit erbringt er Arbeitsleistungen an den verschiedensten Orten deutschlandweit. Der Schlussfolgerung des BAG und anderer Arbeitsgerichte, in diesen Fällen das Arbeitsgericht des Wohnortes als das Arbeitsgericht des Erfüllungsortes anzusehen, kann sich das erkennende Gericht nicht anschließen. Eine besondere Bedeutung des Wohnortes ergibt sich nicht (gleiche Auffassung ArbG Augsburg, 18.09.1995, 8 Ca 2490/95, NZA RR 96; 185; ArbG Iserlohn, 14.05.1997, 1 Ca 995/97, NZA RR 98, 280).

Somit kommt es auf weitere Umstände an, die sich bei einem Arbeitsverhältnis aus dem Ort, an dem der Arbeitsvertrag geschlossen wurde oder an dem Berichtspflichten zu erfüllen sind, ergeben können. Entscheidend für die Ermittlung des Schwerpunktes des Arbeitsverhältnisses ist in Fällen wie dem vorliegenden nach Ansicht des erkennenden Gerichts deshalb, wo sich eine betriebliche Organisation befindet, die zu dem konkreten Arbeitsverhältnis in Bezug steht. Auf die bloße Arbeitsstelle kommt es nämlich nicht an (schon LAG Frankfurt, 14.11.1951, BB 52, 603, zitiert v. Germelmann/Matthes/Prüting, ArbGG, 3. Auflage, § 2 Rz. 163).

Die in vorliegender Sache dem Arbeitsverhältnis das Gepräge gebende und damit den Schwerpunkt ausmachende betriebliche Organisation befindet sich am Firmensitz der Beklagten. Der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses der Parteien und damit der einheitliche Erfüllungsort entspricht dem Sitz der Beklagten.

Schlagwörter
örtliche Zuständigkeit (2) arbeitsgerichtliche Klage (1)