Provisionsanspruch des Handelsvertreters für Tätigkeiten außerhalb des Vertragsgebietes

VIII ZR 384/04 Urteil verkündet am 5. April 2006 BGH Handelsvertretervertrag, Provisionsanspruch

Bundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2006 durch […]

Tenor

für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Grundurteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 8. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision des Klägers wird das vorgenannte Urteil insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen, Kammer für Handelssachen, vom 23. Dezember 2003 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.966,91 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Oktober 2002 aus 35.316,30 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte ist ein Zulieferunternehmen der Automobilindustrie. Zwischen den Parteien bestand ein Handelsvertretervertrag vom 1. August 1994 mit folgenden Vereinbarungen:

㤠1
Firma MI. [Beklagte] betraut M. [Kläger] mit der Alleinvertretung von Getriebe-Einzelteilen, Getrieben und Fertigungs- sowie Entwicklungskomponenten sowie Motorenkomponenten und Entwicklungen für alle deutschen Werke der F. AG, K., sowie F. C., E., sowie noch zu benennende (Neukunden) Firmen mit Sitz in N.

§ 2
M. hat sich um die Vermittlung von neuen und die Wahrung sowie Betreuung bestehender Aufträge zwischen MI. und F. AG zu bemühen, hierbei das Interesse von MI. mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu wahren. M. wird MI. nach besten Kräften alle für die Förderung des Geschäftes erforderlichen Nachrichten bekanntgeben, namentlich von jedem Auftrag oder Entwicklungsprojekt unverzüglich Mitteilung machen.

In Anbetracht der besonderen Bedeutung, die den technischen Beziehungen zwischen dem Erzeuger und der Firma sowie den Abnehmern zukommt, übernimmt es M., die technische Zusammenarbeit zwischen MI. und F. AG in geeigneter Weise zu fördern.

§ 4
M. erhält als Entgelt für seine Tätigkeit für alle Geschäfte unter § 2, die während der Vertragsdauer abgeschlossen werden sowie für alle sonstigen vermittelten Aufträge folgende Provisionen …:
– für Entwicklungsaufträge 5%
– für Prototypaufträge 5%
– für Serienproduktion 2%
– für bereits vor Vertragsabschluss akquirierte bei MI. laufende Projekt R. /F. eine Provision von 1,2% …“

Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte bei der F. AG in K. erfuhr der Kläger Mitte 1996 von einem im F.-Konzern geplanten Motorprojekt, dem „[…]-system“. Mit der technischen Umsetzung war das Konzernunternehmen Ma. in J. betraut; für den Einkauf war die F. Company in D./U. verantwortlich. Der Kläger unterrichtete die Beklagte über den Verlauf des Projekts, um sie als Zulieferer ins Geschäft zu bringen. In der Folgezeit war er in vielfältiger Weise in die Verhandlungen zwischen der Beklagten und den Entscheidungsträgern bei F. über das Projekt eingebunden. Die Beklagte leitete beispielsweise eine Anfrage der F. AG in K., die für die F. Company tätig wurde, ob und zu welchen Kosten sich die Beklagte an der Entwicklung des Prototyps beteiligen könne, an den Kläger weiter und nahm seine Hilfe bei der Preisgestaltung in Anspruch. In den Jahren 2000 und 2001 belieferte die Beklagte konzernangehörige Unternehmen in K., J. und den U. mit Prototypen („[…]“, „[…]“ und „[…]“) für das […]-system. Nach Verhandlungen am Firmensitz der Beklagten, an denen unter anderem der Kläger teilnahm, erhielt ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Beklagten durch Vertrag vom 11. Januar 2001 von der F. Company auch den Auftrag für die Serienproduktion.

Die Beklagte entrichtete dem Kläger Provision nur, soweit sie Motorteile an die F. AG nach K. und – im Auftrag von Ma. im Jahr 2000 – nach J. geliefert hatte. Mit der Klage hat der Kläger, gestützt auf den Handelsvertretervertrag von 1994, einen Provisionsanspruch für Prototyplieferungen an Ma. im Jahr 2001 sowie in die U. in Höhe von 5% der Auftragssummen nebst Mehrwertsteuer, insgesamt 40.966,91 €, und ferner Verzugszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die Nettoprovision geltend gemacht; die Beklagte hat Klageabweisung verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht einen vertraglichen Provisionsanspruch des Klägers verneint, die Klage aber wegen eines Anspruchs aus § 354 HGB dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Revision zugelassen. Mit der von beiden Parteien eingelegten Revision verfolgen diese ihr jeweiliges Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in OLG-NL 05, 7 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seines Grundurteils ausgeführt: Ein Provisionsanspruch aus dem Handelsvertretervertrag vom 1. August 1994 stehe dem Kläger nicht zu. Aufträge der F. Company in den U. oder von Ma. in J. seien davon nicht erfasst. § 1 des Handelsvertretervertrages weise dem Kläger die Alleinvertretung lediglich für die deutschen Werke der F. AG in K., für F. C. in E. sowie für Neukunden in N. zu. Gemäß § 2 des Vertrages erstrecke sich die Tätigkeitspflicht des Klägers nur auf Geschäfte mit der F. AG in K. § 4 des Handelsvertretervertrages, der von „sonstigen vermittelten Aufträgen“ spreche, habe nicht die Bedeutung, den Tätigkeitsbereich des Klägers (möglicherweise uferlos) auszuweiten. Damit sei nur ein ganz eng zu bestimmender Auffangtatbestand gemeint, der vor allem Unklarheiten im Hinblick auf den Zeitpunkt der Leistung zu Gunsten des Klägers regeln solle. Keinesfalls solle ihm ein vertraglicher Vergütungsanspruch verschafft werden, wenn er aus eigener Initiative auch bei anderen ausländischen Werken oder Automobilherstellern tätig werde; die Vergütungspflicht der Beklagten werde andernfalls unüberschaubar.

Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass die Beklagte in dem hier maßgeblichen Zeitraum keine Vertretung bei F. (U.) und Ma. (J.) unterhalten habe und es daher nahe liege, dass der Kläger ihr einziger Handelsvertreter in diesem Bereich gewesen sei. Eine konkludente Ausdehnung des Handelsvertretervertrages komme nicht in Betracht; der Kläger hätte dafür sorgen müssen, dass sein erweitertes Tätigwerden auf einer abgesicherten vertraglichen Grundlage geschehe.

Dem Kläger stehe jedoch ein gesetzlicher Provisionsanspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 HGB zu. Unmittelbar greife die Vorschrift nicht ein, weil der Kläger kein Kaufmann sei. Er sei weder im Handelsregister eingetragen, noch erfordere sein Unternehmen, wie das Berufungsgericht im Einzelnen näher ausgeführt hat, einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (§ 1 Abs. 2 HGB). Auf Kleingewerbetreibende sei § 354 Abs. 1 HGB aber analog anzuwenden. Die Gesetzesbegründung zum Handelsrechtsreformgesetz stehe dem nicht entgegen. Die dem Geschäftsverkehr grundsätzlich bekannte Entgeltlichkeit kaufmännischer Leistungen erfasse nicht nur kaufmännische, sondern allgemein gewerbliche Leistungen. Die Erstreckung handelsrechtlicher Vorschriften auf Kleingewerbetreibende sei dem HGB auch nicht grundsätzlich fremd, wie den §§ 84 Abs. 4, 93 Abs. 3, 383 Abs. 2 HGB zu entnehmen sei.

Die Tätigkeit des Klägers sei zumindest mitursächlich für die Geschäftsabschlüsse gewesen, für die er Provision verlange. Die Beklagte habe seine Mitwirkung als solche nicht in Zweifel gezogen, sondern meine lediglich, er habe dabei keine entscheidende Rolle gespielt bzw. sei im Rahmen seines vertraglichen Aufgabengebietes, der Kontaktpflege zu F. K., tätig geworden. Eine solche Bewertung sei nicht gerechtfertigt. Zunächst falle auf, dass der Kläger bei den zweitägigen Verhandlungen, die dem Vertragsabschluss vom 11. Januar 2001 für die Serienproduktion vorausgegangen seien, für die Beklagte zeitweise allein aufgetreten sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Handelsvertreter seinen Beitrag zu einem so umfassenden und sich über so lange Zeit entwickelnden Vorhaben wie dem […]-Motorprojekt nicht zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erbringe. Seine Tätigkeit bestehe in der Kontaktpflege, der Weiterleitung von Informationen und der positiven Beeinflussung von Entscheidungsträgern. Wie der Korrespondenz zu entnehmen sei, habe der Kläger solche Leistungen erbracht, indem er grundsätzlich in die Vorbereitungen der Beklagten für das […]-Motorprojekt eingebunden gewesen sei. Die Beklagte habe diesbezüglich Anfragen an ihn weitergeleitet und seine Hilfe beispielsweise bei der Preiskalkulation in Anspruch genommen. Eine Reise nach J. habe dazu gedient, die Beklagte beim […]-Motorprojekt ins Geschäft zu bringen; der Kläger habe sie dabei unter anderem über die Bedeutung des Schriftverkehrs von F. beraten. Der Kläger habe nicht nur Kontakt zur F. AG in K. gehabt, die in besonderem Maße an der Entwicklung beteiligt gewesen sei, sondern auch zu dem amerikanischen Vertreter der F. Company, der schließlich den Vertrag vom 11. Januar 2001 in deren Namen geschlossen habe. Die Beklagte habe letztlich auch selbst nicht angenommen, dass die Tätigkeit des Klägers nicht mitursächlich geworden sei, weil sie Lieferungen für den Prototyp des […]-Motorprojekts jedenfalls zum Teil verprovisioniert habe.

Eine Entscheidung sei zunächst nur hinsichtlich des Klagegrundes zu treffen; die Höhe des Anspruchs sei noch nicht abschließend bestimmbar (§ 304 ZPO). Maßgebend sei nach § 354 HGB die ortsübliche Provision. Dazu sei ein Sachverständigengutachten einzuholen, denn nach der Behauptung des Klägers sei die vertraglich ausgehandelte Provision ortsüblich, nach der Behauptung der Beklagten lediglich ein Viertel bis ein Drittel davon.

II. Die Revisionen der Parteien sind zulässig. Dies gilt auch für die Revision des Klägers. Die im Grundurteil (§ 304 ZPO) obsiegende Partei ist beschwert, wenn die Entscheidungsgründe ihr ungünstige Feststellungen enthalten, die für das Betragsverfahren nach §§ 318, 525 ZPO Bindungswirkung entfalten (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1985 – III ZR 105/84, WM 86, 331, unter I 1; BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 – XII ZR 324/98, WM 03, 1919, unter II 1 b aa, m.w.Nachw.). So liegt es hier, weil der Kläger nach § 354 HGB nur die möglicherweise geringere ortsübliche Provision verlangen könnte.

Die Revision des Klägers ist zum ganz überwiegenden Teil begründet, diejenige der Beklagten dagegen unbegründet.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger Anspruch auf 5 % Provision (35.316,30 €) zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer (5.650,61 €), insgesamt 40.966,91 €, für Prototyplieferungen (und sowie ) des […]-systems an Ma. im Jahr 2001 sowie in die U. aus § 4 Abs. 1 des zwischen den Parteien geschlossenen Handelsvertretervertrags vom 1. August 1994 (im Folgenden: HV).

a) Die Auslegung von § 4 Abs. 1 HV durch das Berufungsgericht hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar handelt es sich bei der Ermittlung des Sinngehalts der Vertragsbestimmung um die in erster Linie dem Tatrichter obliegende Auslegung einer Individualerklärung (§§ 133, 157 BGB); das Revisionsgericht kann das Ergebnis deshalb nur daraufhin überprüfen, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind. Zu den anerkannten Auslegungsregeln gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des Wortlautes als Ausgangspunkt jeder Auslegung sowie die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (st.Rspr., so Senatsurteil vom 27. Juni 2001 – VIII ZR 235/00, NJW 01, 3775, unter II 1, m.w.Nachw.). Diesen Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht, wie die Revision des Klägers zu Recht rügt.

aa) Schon mit seinem Ausgangspunkt, nach den Regelungen der §§ 1, 2 HV würden die hier streitigen Geschäfte von dem Handelsvertretervertrag nicht erfasst, legt das Berufungsgericht den genannten Bestimmungen einen Sinngehalt bei, der über deren Wortlaut hinausgeht. § 1 HV gewährt dem Kläger ein Alleinvertretungsrecht gegenüber der F. AG, K., und F., C., sowie noch zu benennenden Neukunden in N. § 2 HV gestaltet dieses Alleinvertretungsrecht und die damit verbundenen Verpflichtungen des Klägers näher aus. Beide Bestimmungen schließen ihrem Wortlaut nach nicht aus, dass der Kläger auch darüber hinaus berechtigt ist, der Beklagten Aufträge, jedenfalls aus dem Bereich von F., zu vermitteln. Dem Handelsvertreter, dem – wie hier – ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis im Sinne von § 87 Abs. 2 HGB zugewiesen ist, ist eine Betätigung außerhalb des zugewiesenen Bereichs nicht ohne weiteres verwehrt (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 87 Rdnr. 28). Die Gefahr einer Kollision mit der Tätigkeit und Provisionsansprüchen anderer Repräsentanten der Beklagten besteht im vorliegenden Fall nicht, weil die Beklagte zur damaligen Zeit nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts bei der F. Company in D. und bei Ma. in J. keine Repräsentanz unterhielt.

Das Berufungsgericht sieht in der Regelung des § 4 Abs. 1 HV, soweit dem Kläger Provision auch für „alle sonstigen vermittelten Aufträge“ versprochen wird, einen eng zu bestimmenden Auffangtatbestand, der vor allem Unklarheiten im Hinblick auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zugunsten des Klägers bereinigen soll. Dabei geht es von der Annahme aus, § 4 HV nehme Bezug auf § 2 HV und beschränke somit einen Vergütungsanspruch des Klägers auf Umsätze aus dem dort genannten Tätigkeitsbereich. Auch das steht im Widerspruch zum Wortlaut der Bestimmung, die nebeneinander Geschäfte nach § 2 HV und sonstige vermittelte Aufträge zum Gegenstand hat. Die Auslegung durch das Berufungsgericht wird zudem den berechtigten Interessen beider Vertragsparteien nicht gerecht. Der Kläger rügt mit seiner Revision zu Recht, dass für das bereits vor dem Vertragsschluss der Parteien vom Kläger akquirierte Projekt R./F. in § 4 HV eine Sonderregelung getroffen ist. Für nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossene Geschäfte bliebe unklar, ob und inwieweit diese auch unabhängig von den – einen Provisionsanspruch weiter einschränkenden – Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 HGB provisionspflichtig sein sollen. Die Auffassung des Berufungsgerichts ist dementsprechend während des Rechtsstreits von keiner der Parteien vertreten worden.

bb) Die Beklagte hat gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten vertraglichen Vergütungsanspruch vielmehr eingewandt, mit den sonstigen vermittelten Aufträgen seien allein Geschäfte mit F., C., und noch zu benennenden Neukunden gemeint, die von § 2 HV nicht erfasst würden; § 2 HV betreffe nur Geschäfte mit der F. AG, K. Auch diese Ansicht widerspricht indes dem Grundsatz einer für beide Seiten interessengerechten Auslegung des Vertrages. Der Senat kann die Auslegung des Vertrages selbst vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind (Senatsurteil vom 13. Juli 2005 – VIII ZR 255/04, NJW 05, 2620, unter II 1 m.w.Nachw.).

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien mit der zweiten Alternative von § 4 HV („alle sonstigen vermittelten Aufträge“) Vergütungsansprüche des Klägers auf Geschäfte mit den von der Beklagten genannten Kunden beschränken wollten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15. Februar 1971 – VII ZR 122/69, WM 71, 563) hat ein Bezirksvertreter (§ 87 Abs. 2 HGB), der – wie hier – mit Zustimmung des Unternehmers außerhalb seines Bezirks bzw. des ihm zugewiesenen Kundenkreises tätig wird, in der Regel auch für solche Geschäfte den vollen vertraglichen Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 HGB. Gründe, die die Parteien veranlasst haben könnten, im vorliegenden Fall etwas anderes zu vereinbaren, sind nicht erkennbar. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass es dem Interesse des Unternehmers entspricht, vom Handelsvertreter möglichst viele Angebote vermittelt zu bekommen. Der Unternehmer wird dadurch zu nichts verpflichtet; er kann frei entscheiden, ob und zu welchem Preis er – unter Berücksichtigung einer dadurch ausgelösten Provisionspflicht – den Auftrag annimmt. Die vom Berufungsgericht befürchtete uferlose Vergütungspflicht der Beklagten ist deshalb nicht zu besorgen. Es lag vielmehr einerseits im Interesse der Beklagten, dass ihr der Kläger auch sonstige Geschäfte, jedenfalls aus dem Bereich von F., vermittelte, die nicht von dem Alleinvertretungsrecht nach § 1 HV umfasst waren, und andererseits im Interesse des Klägers, auch für solche Geschäfte die vertraglich vereinbarte Vergütung zu erhalten.

cc) Jedenfalls haben unter Berücksichtigung der oben geschilderten Interessenlage die Parteien den Handelsvertretervertrag vom 1. August 1994 nachträglich stillschweigend erweitert. Das Berufungsgericht hat von der Beklagten unbeanstandet festgestellt, dass der Kläger langfristig und intensiv daran beteiligt war, dieser die streitigen Prototypaufträge zu verschaffen. Die Beklagte hat die Leistungen des Klägers nicht nur angenommen, sondern ihn auf vielfältige Weise aktiv in den Verhandlungsprozess eingebunden, indem sie beispielsweise Anfragen seitens F. an ihn weitergeleitet, seine Hilfe und seine Informationen bei der Preiskalkulation in Anspruch genommen und ihn wegen der ausbleibenden Bestellung von Prototypen durch F. und Ma. unmittelbar um Unterstützung gebeten hat. Dieses Verhalten konnten und durften die Parteien wegen des Fehlens abweichender Äußerungen wechselseitig nur dahin verstehen (§§ 133, 157 BGB), dass die Vermittlung der Prototypaufträge der F. Company und von Ma. durch den Kläger in den zwischen den Parteien bereits bestehenden Handelsvertretervertrag einbezogen werden sollten.

b) Die Lieferungen der Beklagten für den Prototyp des […]-Motorprojekts sind auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers zurückzuführen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB). Dazu genügt jede Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Handelsvertreters, wenn sie das Zustandekommen gerade dieses Geschäfts im Ergebnis gefördert und dadurch mitbewirkt hat (MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 87 Rdnr. 31 m.w.Nachw.). Das hat das Berufungsgericht, wie ausgeführt, ohne Rechtsfehler festgestellt.

2. Die Revision der Beklagten ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, unbegründet. Auf die Zulassungsfrage der analogen Anwendbarkeit von § 354 HGB auf den nicht im Handelsregister eingetragenen Kleingewerbetreibenden kommt es dafür nicht an.

III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben und ist auf die Revision des Klägers aufzuheben, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 40.966,91 €, nämlich eine Nettoprovision von 35.316,30 € nebst 16 % Mehrwertsteuer. Lieferungen an die F. AG in K., für die die Beklagte dem Kläger bereits Provision entrichtet hat, sind von der Klage nicht umfasst. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch des Klägers auch durch die im Januar 2001 erfolgte Zahlung von pauschal 10.000,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer für Lieferungen an Ma. nicht teilweise erfüllt worden (§ 362 Abs. 1 BGB). Nach den Feststellungen im landgerichtlichen Urteil, auf dessen Begründung das Berufungsgericht Bezug genommen hat, sind mit der Pauschalzahlung nur Umsätze mit Ma. aus dem Jahr 2000 abgegolten, für die der Kläger Provisionen im vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend macht. Die Beklagte hat diese Feststellung nach der Wiedergabe ihrer Berufungsbegründung im Tatbestand des Berufungsurteils nicht angegriffen; dass das Berufungsgericht dabei Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, hat sie in der Revisionsinstanz nicht geltend gemacht.

Der Zinsanspruch ist nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Oktober 2002 gerechtfertigt (§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F., Art. 229 §§ 1 Abs. 1 Satz 3, 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB). § 288 Abs. 2 BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I, 3138), der bei Rechtsgeschäften, an denen – wie hier – Verbraucher nicht beteiligt sind, für Entgeltforderungen einen Zinssatz von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vorsieht, ist nicht anwendbar (Art. 229 § 5 EGBGB), weil das Handelsvertreterverhältnis der Parteien vor dem 1. Januar 2002 begründet worden und der Anspruch auf Verzugszinsen vor dem 1. Januar 2003 entstanden ist (Senatsurteil vom 16. März 2005 – VIII ZR 35/04, VersorgW 05, 228 unter II 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

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