Sachwalterhaftung des Versicherungsmaklers bei Vermittlung eines ungeeigneten Lebensversicherungsvertrags an eine Studentin

10 O 99/02 Urteil verkündet am 8. April 2003 LG Aachen Haftungsrisiken im Versicherungsmaklerrecht

Landgericht Aachen
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

[…]

Die Klägerin betreibt eine Wirtschaftsberatung. Sie schloss mit der Beklagten am 13.01.1998 eine „Vermittlungsgebührenvereinbarung“. Ausweislich dieser Vermittlungsgebührenvereinbarung verpflichtete sich die Beklagte für die Vermittlung eines Versicherungsvertrags zur Zahlung einer Vermittlungsgebühr. In Ziff. 1 des Vertrags hieß es: Für die Vermittlung des nachfolgend aufgeführten Versicherungsvertrags erhält der Handelsmakler vom Kunden eine Vermittlungsgebühr. Der Handelsmakler erhält vom Versicherungsunternehmen für die Vermittlung des Versicherungsvertrags keine Vergütung. Die vom Handelsmakler zu erbringende Leistung ist auf die Vermittlung des Versicherungsvertrags beschränkt. Eine über die Vermittlung des Versicherungsvertrags hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler nicht geschuldet. Aufgrund der Vermittlung der Klägerin kam ein Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Versicherungsunternehmen zustande. Es handelt sich dabei um einen fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag mit einer Beitragssumme von 661.989,24 DM, einer Vertrags- bzw. Zahlungsdauer von 30 Jahren sowie einen in den ersten drei Versicherungsjahren monatlich zu zahlenden Versicherungsbeitrag von 566,79 DM bzw. ab dem vierten Versicherungsjahr monatlich zu zahlenden Versicherungsbeitrag von jeweils 1.980,20 DM. Sowohl der Versicherungsvertrag als auch die Vermittlungsgebührenvereinbarung kamen aufgrund von Verhandlungen mit H., einem Mitarbeiter der Klägerin, zustande. Die Beklagte ist noch jung. Sie war seinerzeit Studentin. Die monatlich fälligen Raten wurden vom Konto ihres Vaters mit dessen Einverständnis abgebucht. Die Raten wurden bis einschließlich Februar 1999 gezahlt. Der Versicherungsvertrag wurde daraufhin wegen Verzugs mit der Zahlung der Folgeprämien gekündigt. Die Klägerin verlangte mit der vorliegenden Klage die Zahlung der Vermittlungsprovision entsprechend der Vermittlungsgebührenvereinbarung vom 13.01.1998 für die ersten drei Jahre in Höhe von 18.840,53 Euro. Das LG wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Maklerlohn aus § 652 BGB zu. Zwar ist aufgrund der Vermittlungsgebührenvereinbarung vom 13.01.1998 ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Maklerlohn entstanden. Gleichzeitig steht der Beklagten gegen die Klägerin jedoch ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des Maklervertrags zu, der die Beklagte gem. § 249 BGB berechtigt, so gestellt zu werden, als wäre der Versicherungsvertrag nicht zustande gekommen. Das bedeutet, gem. § 652 BGB wäre dann die Maklerprovision wegen Nichtzustandekommens des Hauptvertrags nicht angefallen, sodass die Beklagte damit Befreiung von der Provisionspflicht verlangen kann. Ausgangspunkt für das Bestehen des Schadensersatzanspruchs der Beklagten ist der Pflichtenkreis, den die Rechtsprechung dem Versicherungsmakler auferlegt (vgl. grundlegend: BGHZ 94, 345 = VersR 85, 930 [Sachwalter]): Der Versicherungsmakler ist danach treuhänderisch Sachwalter des VN. Er hat als Vertrauter und Berater den passenden Versicherungsvertrag auszuwählen und den VN umfassend zu beraten (vgl. auch OLG München VersR 01, 459; OLG Hamm VersR 01, 583, 584; OLG Düsseldorf VersR 00, 54; Römer/Langheid, VVG § 43 Rdnr. 3; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. Anh. zu §§ 43 48 Rdnr. 4 f.; Benkel/Reusch VersR 92, 1302, 1306 f.).

Voraussetzung für die Anlegung dieses Haftungsmaßstabs ist, dass die Klägerin als Versicherungsmakler anzusehen ist. Unter Verweis auf Ziff. 1 der Vermittlungsgebührenvereinbarung meint die Klägerin, sie sei nur „Handelsmakler“. Das vermag im Ergebnis allerdings nichts an der rechtlichen Einordnung des Vertrags als Versicherungsmaklervertrag zu ändern. Der Versicherungsmakler ist nämlich Handelsmakler i. S. d. §§ 93 ff. HGB (vgl. v. Hoyningen Huene in Münch. Komm. zum HGB § 93 Rdnr. 9; Kollhosser a.a.O. Rdnr. 1; Benkel/Reusch VersR 92, 1302, 1304). Die Abgrenzung erfolgt nicht zwischen dem Versicherungsmakler und dem Handelsmakler, sondern entweder zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherungsagenten oder innerhalb des Kreises der Versicherungsmakler zwischen dem Handelsmakler einerseits und dem Zivilmakler andererseits (vgl. BGHZ 94, 356, 359 = VersR 85, 930 f.; Kollhosser a.a.O. Rdnr. 1; v. Hoyningen Huene a.a.O.; Benkel/Reusch VersR 92, 1302, 1303 f.). Wenn die Klägerin also unstreitig Handelsmakler ist und Gegenstand des Vertrags ebenfalls unstreitig die Vermittlung von Versicherungsverträgen ist, ist sie notwendigerweise Versicherungsmakler. Allerdings handelt es sich vorliegend nicht um das typische Versicherungsmaklerverhältnis, das durch eine dauerhafte Betreuung gekennzeichnet ist. Aus der erwähnten Rechtsprechung und Literatur wird jedoch deutlich, dass der Ausgangspunkt für die „Sachwalterhaftung“ zwar der Charakter des Geschäftsbesorgungsvertrags ist (vgl. Benkel/Reusch VersR 92, 1302, 1305 m.w.N.), die Haftung des Versicherungsmaklers wird gleichwohl an dessen Stellung als solche geknüpft, also ohne dass im Einzelfall zusätzliche Merkmale, insbesondere eine dauernde Betreuung, als tatbestandliche Voraussetzung erfüllt sein müsste (Zinnert VersR 00, 399, 401 nimmt sogar einen Fall von Richterrecht an). Das bedeutet, die Klägerin kann sich nicht darauf stützen, dass der Vertrag nur auf einmalige Vermittlung gerichtet war. Jedenfalls bei der Vermittlung des hier in Rede stehenden Vertrags musste die Klägerin die typischen Pflichten des Versicherungsmaklers erfüllen. Von einer Pflichtverletzung – die allerdings die Beklagte nachzuweisen hat (vgl. OLG Hamm VersR 01, 583, 584; NJW RR 99, 217, 218 f.; a. A. Zinnert VersR 00, 399, 401) – ist hier auszugehen. Der Versicherungsvertrag war für die Beklagte nämlich objektiv ungeeignet. Sie war Studentin und verfügte nur über ein geringes Monatseinkommen. Sie war nicht in der Lage, die monatlich fälligen Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.000,– DM aus eigenen Einkünften zu leisten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Abschluss einer Lebensversicherung über 661.989,24 DM in irgendeiner Weise den Verhältnissen der Beklagten gerecht wurde. Die Klägerin bestreitet zwar halbherzig den Vortrag der Beklagten zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, das ist hier aber zu pauschal und damit im Ergebnis unwirksam. Wenn nach materiellem Recht die Pflicht besteht, den individuell bestehenden Versicherungsschutz zu besorgen, muss die Klägerin auch die Vermögensverhältnisse der Beklagten kennen. Dann ist aber prozessual ein qualifiziertes Bestreiten erforderlich. Die Beklagte hat im Einzelnen zu ihrem Einkommen vorgetragen; die Klägerin hätte nun ihrerseits darlegen müssen, welches denn nun nach ihren Kenntnissen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten sein sollen. Das hat die Klägerin nicht getan. Der Vortrag der Klägerin zur Erfüllung der Beratungspflicht ist unzureichend. Es genügt gerade nicht, auf die Höhe der Versicherungsleistungen und der Verpflichtungen des VN hinzuweisen. Die Klägerin hätte vielmehr die Beklagte vor dem Abschluss des Vertrags warnen müssen. Sie hätte darauf hinweisen müssen, dass der Versicherungsvertrag im Hinblick auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse für die Beklagte völlig ungeeignet ist. Die Klägerin kann auch nicht der Umstand entlasten, dass die Beklagte lediglich als Strohfrau vorgeschoben wurde und im Hintergrund der Vater und der Onkel standen, die zahlen sollten. Aufgrund dieser Umstände hätte erst recht vor den Gefahren gewarnt werden müssen. Steht die Pflichtverletzung – wie vorliegend – fest, ist es Sache des Versicherungsmaklers nachzuweisen, dass sich der Kunde trotz ordnungsgemäßer Beratung über den Rat hinweggesetzt hätte (vgl. OLG Hamm VersR 01, 583, 584; BGHZ 94, 356, 363 = VersR 85, 930, 931 f.). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen. Die Haftung der Klägerin ist auch nicht durch die Regelung in Ziff. 1 der Vermittlungsgebührenvereinbarung ausgeschlossen. S. 4 der vertraglichen Bestimmung („eine über die Vermittlung des Versicherungsvertrags hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler nicht geschuldet“) ist keine Leistungsbeschreibung i. S. v. § 8 AGBG, die einer Inhaltskontrolle nicht unterworfen wäre. Die Beratungspflicht ist vielmehr dem Vertrag ohne weiteres immanent. Die Klausel läuft daher auf eine völlige Freizeichnung von der Haftung für Falschberatung hinaus. Das ist in jedem Fall ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, da es sich bei den Beratungspflichten um so genannte Kardinalpflichten handelt (vgl. Werber VersR 96, 917, 922; Kollhosser a.a.O. Anh. zu §§ 43 48 Rdnr. 11; Benkel/Reusch VersR 92, 1302, 1318).

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