Versicherungsmaklervertrag; leistungsbezogene Nebenpflichten; Schutz- und Sorgfaltspflichten; objektive Pflichtwidrigkeit

8 U 49/09 Urteil verkündet am 1. April 2010 OLG Braunschweig Haftungsrisiken im Versicherungsmaklerrecht

Oberlandesgericht Braunschweig
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

[..]

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch [..] auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2010

Tenor

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 18. Februar 2009 – 8 O 405/07 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1. bis 3. gesamtschuldnerisch haftend, verpflichtet sind, der Klägerin den im Falle des Eintritts der Berufsunfähigkeit entstehenden Schaden aufgrund der Kündigung der bei der [..] Versicherungen Lebensversicherung AG abgeschlossenen Lebensversicherung einschließlich Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, Versicherungsschein-Nr. [..], zu ersetzen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf die Wertstufe bis 16.000,00 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Feststellung, dass diese ihr zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet sind, welcher der Klägerin im Falle des Eintritts der Berufsunfähigkeit aufgrund der Kündigung des im Tenor näher bezeichneten Lebensversicherungsvertrages nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung voraussichtlich entstehen wird. Der Klägerin steht im Falle ihrer Berufsunfähigkeit gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282, 241 Abs. 2 BGB aufgrund einer den Beklagten zurechenbaren Pflichtverletzung des Streitverkündeten […] ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) zu, für dessen Erfüllung die Beklagten zu 2) und 3) als Gesellschafter der Beklagten zu 1) entsprechend § 128 HGB persönlich haften.

1. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1), vertreten durch den Streitverkündeten, ist ein Versicherungsmaklervertrag (§ 93 HGB) zustande gekommen, aus dem sich leistungsbezogene Nebenpflichten ergaben (§ 241 Abs. 2 BGB).

Zwar ist zwischen den Parteien streitig, ob der Zeuge […] (Streitverkündeter) für die Beklagte zu 1) als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter aufgetreten ist. Insoweit ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Klägerin die ihr günstigen Angaben des Zeugen […] im Rahmen seiner Vernehmung durch das Landgericht Braunschweig zu Eigen gemacht hat, wonach sein Auftrag darin bestanden habe, die bestehenden Versicherungsverträge der Eheleute […] zu optimieren, indem Versicherungen mit günstigeren Beiträgen abgeschlossen werden sollten (vgl. Sitzungsniederschrift des Landgerichts Braunschweig vom 27.05.2008, Seite 7, Bl. 96 d.A.). Nach allgemeinem Grundsatz macht sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen (vgl. BGH MDR 2010, 227). Dafür, dass die Klägerin sich dieses für sie günstige Beweisergebnis nicht wenigstens hilfsweise zu Eigen gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten zu 1) ist sie im Streitfall nicht als Versicherungsvertreterin, sondern als Versicherungsmaklerin tätig geworden.

a) Eine für ein Schuldverhältnis erforderliche Sonderverbindung mit dem Versicherungsnehmer, aufgrund derer er selbst haftet, begründet nur der Versicherungsmakler, nicht der Versicherungsvertreter (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.08.2007 – 18 U 162/06 – Rdn. 37, veröffentlicht in juris). Der Versicherungsvertreter steht in einem Vertragsverhältnis zum Versicherer (vgl. BGH NJW 1988, 60 ff. Rdn. 15). Der Versicherungsmakler ist mit dem Versicherungsnehmer durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag, den Maklervertrag, verbunden, durch den er verpflichtet wird, als treuhänderischer Sachwalter die Interessen des Versicherungsnehmers bestmöglich wahrzunehmen. Gegenüber dem Versicherer ist er unabhängig und nicht dessen Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rdn. 38; vgl. auch die jetzige Legaldefinition in § 59 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23.11.2007). Der Versicherungsvertreter oder Versicherungsagent ist demgegenüber ständig damit betraut, für einen oder mehrere Versicherer Verträge zu vermitteln, gegebenenfalls abzuschließen und bei deren Verwaltung und Erfüllung mitzuwirken. Aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages, des Agenturvertrages, ist er verpflichtet, sich um den Abschluss von Versicherungsgeschäften zu bemühen; er erhält in diesem Fall eine Provision. Auch wenn der Versicherungsvertreter nur mit der Vermittlung von Verträgen betraut ist, steht er „im Lager“ des Versicherers, der für ihn gemäß § 278 BGB einzustehen hat. Für eine fehlerhafte Beratung durch einen Versicherungsagenten haftet daher nicht dieser selbst, sondern der Versicherer (vgl. BGH NJW 1988, 60 ff. Rdn. 15; OLG Hamm, a.a.O., Rdn. 39 und 40 und die jetzige Legaldefinition in § 59 Abs. 2 VVG n.F.).

b) Zwar hat die Beklagte zu 1) vorgetragen, sie habe seinerzeit den Status einer Mehrfachgeneralagentin inne gehabt Sie hat damit für sich in Anspruch genommen, Versicherungsvertreterin und nicht Versicherungsmaklerin gewesen zu sein. Auch ein Versicherungsvertreter schließt jedoch einen Versicherungsmaklervertrag ab, wenn er dem Kunden gegenüber wie ein Versicherungsmakler auftritt und mit ihm Leistungen eines Versicherungsmaklers vereinbart. Dass die Erklärungen des Vermittlers als Angebot auf Abschluss eines Versicherungsmaklervertrages auszulegen sind, kann sich aus dem auf die Betreuung und Beratung des Kunden gerichteten Verhalten des Vermittlers im Vorfeld der Beantragung des Versicherungsschutzes ergeben. Abzustellen ist insoweit auf den objektiven Empfängerhorizont des Versicherungsnehmers, §§ 133, 157 BGB (vgl. BGH NJW 1988, 60 ff. Rdn. 19; OLG Hamm, Urteil vom 08.10.2009 – I-18 U 26/08, Rdn. 42 f., veröffentlicht in juris, m.w.N.). Geriert sich der Vermittler als Versicherungsmakler, kommt regelmäßig ein Versicherungsmaklervertrag zustande, sobald der Vermittler den Auftrag ausführt oder der Versicherungsnehmer das Wirken des Vermittlers ohne Widerspruch entgegennimmt oder ausnutzt. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer den vom Vermittler vorgeschlagenen Versicherungsschutz beantragt (sogenannter Pseudomakler, vgl. Münkel in: juris PR-VersR 1/2010 Anm. 6). Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG n.F., der auf das vorliegende Vertragsverhältnis jedoch noch keine Anwendung findet, muss sich ein Versicherungsvertreter, der dem Kunden gegenüber mitteilt, (auch) als Makler tätig zu sein, oder dem Kunden gegenüber den Anschein erweckt, auf der Grundlage einer objektiven Untersuchung zu beraten und damit als unabhängiger Interessenvertreter zu agieren, als Makler behandeln lassen und damit sowohl den Beratungs- und Informationspflichten gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG n.F. als auch dem weitergehenden umfassenden Pflichtenkreis des Maklers genügen (vgl. dazu Böckmann/Ostendorf, VersR 2009, 154, 157). Diese Grundsätze finden auch auf Rechtsbeziehungen Anwendung, die vor dem Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23.11.2007 am 01.01.2008 begründet wurden (vgl. BGH VersR 2009, 1224). Danach ist von einem Versicherungsmaklervertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) auszugehen.

Mit Schriftsatz vom 13.03.2008 (Bl. 54 d.A.) hat die Klägerin vorgetragen, der Zeuge […] habe sich Ende des Jahres 2004 telefonisch bei ihr und ihrem damaligen Ehemann, dem Zeugen […], gemeldet und diesen das Angebot unterbreitet, nach Sichtung sämtlicher bestehender Versicherungsverträge den Versicherungsschutz zu optimieren. Der Zeuge […] hat dies im Rahmen seiner Vernehmung durch das Landgericht bestätigt (vgl. Sitzungsniederschrift vom 27.05.2008, Seite 4, bl. 93 d.A.). Der von den Beklagten benannte Zeuge […] hat ausgesagt, er habe sich mit dem Ehepaar […] getroffen, um Verträge zu vergleichen und zu optimieren. Die Familie […] habe finanzielle Schwierigkeiten gehabt und es hätten Einsparpotentiale gefunden werden sollen. Es sei darum gegangen, Versicherungsverträge mit günstigeren Beiträgen abzuschließen (vgl. Sitzungsniederschrift des Landgerichts Braunschweig vom 27.05.2008, Seite 7, Bl. 96 d.A.). Dass der Zeuge […] dabei lediglich als Agent für die von der Beklagten zu 1) vertriebenen Versicherungen aufgetreten ist, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen nicht. Vielmehr ließen die Erklärungen des Zeugen darauf schließen, dass er die Klägerin und ihren früheren Ehemann betreuen und beraten wollte. Diese für sie günstige Aussage des Zeugen […] hat sich die Klägerin zumindest hilfsweise zu Eigen gemacht. Es ist daher ein Versicherungsmaklervertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) zustande gekommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt ein Versicherungsmaklervertrag dann zustande, wenn der Vermittler damit beauftragt wird, die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Vertragsgestaltung und der Prämiensätze der vorhandenen Versicherungen zu überprüfen. Er wird damit zu einer umfassenden Betreuung aller Versicherungsinteressen des Kunden und zu einer entsprechenden Beratung in Bezug auf den von ihm vermittelten Versicherungsvertrag verpflichtet. Dies schließt die Zweckmäßigkeit des geplanten Versicherungswechsels ein (vgl. BGH VersR 2009, 1224 Rdn. 6).

Soweit sich der Zeuge […] nicht an etwaige Beschränkungen seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis zu den Beklagten gehalten haben sollte, so wäre dieses Risiko von den Beklagten zu tragen. Das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht trägt grundsätzlich der Vertretene (vgl. BGH NJW 1999, 2883). Anhaltspunkte für einen Vollmachtsmissbrauch lagen aus Sicht der Klägerin nicht vor.

2. Die Beklagte zu 1) hat die ihr aufgrund des Versicherungsmaklervertrages obliegenden Schutz- und Sorgfaltspflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB verletzt, indem sie die bestehende Lebensversicherung mit Berufungsunfähigkeitszusatzversicherung bei der […] Versicherungen Lebensversicherung AG gekündigt hat, bevor die Zusage einer anderen Versicherung zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit der Klägerin vorlag. Dabei muss sich die Beklagte zu 1) das pflichtwidrige Handeln des Zeugen […] zurechnen lassen (§ 278 BGB), der das von ihm selbst entworfene und der Klägerin zur Unterschrift vorgelegte Kündigungsschreiben vom 20.12.2004 (Anlage K 2, Bl. 10 d.A.) an die […] Versicherungen Lebensversicherung AG abgesandt hat, ohne den Abschluss einer Anschlussversicherung sicherzustellen.

Die Betreuungs- und Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers gehen sehr weit. Er hat als Vertrauter und Berater dem Versicherungsnehmer individuellen Versicherungsschutz zu besorgen. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (vgl. BGH VersR 2007, 1127 ff. Rdn. 10). Dabei ist er insbesondere verpflichtet, bei einem drohenden Auslaufen des Versicherungsschutzes den Versicherungsnehmer klar und eindeutig darauf hinzuweisen, dass er in wenigen Wochen ohne Versicherung sein werde und er umgehend für die Erhaltung und Sicherung des Versicherungsschutzes Sorge tragen müsse (vgl. BGH VersR 2000, 846 f.). Dem steht der Fall gleich, dass der Versicherungsmakler die bestehende, aus seiner Sicht ungünstige Versicherung kündigt, ohne den Abschluss einer das versicherte Risiko umfassenden Anschlussversicherung sichergestellt zu haben.

Vorliegend hat der Zeuge […] das aus der Anlage K 2 (Bl. 10 d.A.) ersichtliche Kündigungsschreiben entworfen und der Klägerin zur Unterschrift vorgelegt. Anschließend hat er das von der Klägerin unterzeichnete Schreiben an die […] Versicherungen Lebensversicherung AG abgesandt, ohne darauf zu warten, ob der Antrag der Klägerin auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung vom […] angenommen wird. Insoweit ist unerheblich, ob der Zeuge […] bei Übergabe des Kündigungsschreibens durch die Klägerin gesagt hat, man müsse ‚mal schauen‘, ob die neuen Verträge angenommen würden. Es kann als wahr unterstellt werden, dass der Zeuge […] diese Aussage gegenüber der Klägerin getätigt hat. Sie entlastet die Beklagten jedoch nicht. Zum einen war der Hinweis des Zeugen nicht ausreichend deutlich, weil die Klägerin daraus nicht zwangsläufig den Schluss ziehen musste, dass sie bei Nichtannahme des Versicherungsantrages den Versicherungsschutz bei der […] Versicherungen Lebensversicherung AG verlieren würde, ohne eine adäquate neue Versicherung zu haben. Der Versicherungsnehmer kann dabei vielfältigen Fehlvorstellungen unterliegen, etwa dass die bisherige Versicherung wieder auflebe oder ohne Probleme wieder hergestellt werden könne. Die eher beiläufige Erwähnung erfüllt nicht die vom Bundesgerichtshof geforderte Warnfunktion durch eine klare und eindeutige, auf die Folgen einer vorzeitigen Kündigung hinweisenden Beratung. Zum anderen musste die Klägerin bei Übergabe des Kündigungsschreibens an den Zeugen […] nicht damit rechnen, dass dieser das Kündigungsschreiben sofort abschickt, ohne dass der Abschluss einer Anschlussversicherung sichergestellt ist. Als Sachwalterin der Klägerin war die Beklagte zu 1), vertreten durch den Zeugen […], vielmehr verpflichtet, die Kündigung erst abzuschicken, wenn der Anschlussversicherungsschutz sichergestellt war. Von einer Anweisung der Klägerin, die Kündigung sofort abzuschicken, hat weder der Zeuge […] noch der Zeuge […] berichtet.

Eine solche Anweisung würde die Beklagten auch nur dann entlasten, wenn der Zeuge […] die Klägerin zuvor ausreichend deutlich auf die möglichen Konsequenzen einer sofortigen Absendung des Kündigungsschreibens hingewiesen hätte. Dazu haben die Beklagten jedoch nichts vorgetragen. Insoweit waren sie jedoch darlegungs- und beweisbelastet. Zwar hat der Geschädigte diejenigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Pflichtverletzung des Schädigers ergibt. Diese sind vorliegend jedoch unstreitig. Der Zeuge […] hat das Kündigungsschreiben abgeschickt, bevor das Zustandekommen einer Anschlussversicherung gesichert war. Für Umstände, die ausnahmsweise der Annahme einer Pflichtverletzung entgegenstehen, hier die ordnungsgernäße Aufklärung über die Risiken einer vorzeitigen Absendung des Kündigungsschreibens, ist nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet (so für den Makler, der für ein auf den ersten Blick in seinem Verantwortungsbereich liegendes Fehlverhalten einen Entlastungstatbestand anführt, der möglicherweise nicht erst sein Verschulden, sondern sogar – im Sinne einer ausnahmsweisen Rechtfertigung – die objektive Pflichtwidrigkeit entfallen lässt: BGH NJW-RR 2000, 432 f., vgl. auch Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., Rdn. 47 und Alpmann in juris PK-BGB, 4. Aufl. 2008, § 280 Rdn. 53).

3. Die Pflichtverletzung der Beklagten ist im Falle des Eintritts der Berufsunfähigkeit der Klägerin auch ursächlich für den dadurch voraussichtlich entstehenden Schaden. Dieser besteht darin, dass die Klägerin keine Leistungen mehr aus der gekündigten Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, Versicherungsschein-Nr. […], bei der […] Versicherungen Lebensversicherung AG in Anspruch nehmen kann, weil die Versicherung die Kündigung angenommen und die Fortführung des bisherigen Versicherungsvertrages abgelehnt hat.

a) Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ein Schaden könne deshalb nicht eintreten, weil die […] Versicherungen Lebensversicherung AG den Versicherungsvertrag mit der Klägerin wegen falscher Angaben in dem Versicherungsantrag anfechten könne. Die Beklagten, die sich insoweit auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen, haben Tatsachen, aus denen sich Anhaltspunkte für Falschangaben der Klägerin ergeben, nicht vorgetragen. Behauptet der Versicherungsmakler, der Schaden wäre auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten, so ist er hierfür darlegungs- und beweisbelastet (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 08.10.2009 -I-18 U 26/08 -, a.a.O., Rdn. 57). Die Behauptung, die Klägerin habe bereits bei ihrer Antragstellung bei der […] Versicherungen Lebensversicherung AG am 28.05.2001 wahrheitswidrig eine Bluthochdruckerkrankung verschwiegen, ist als Behauptung „ins Blaue hinein“ prozessual unbeachtlich. Die Beklagten haben trotz Hinweises durch den Senat mit Verfügung vom 05.10.2009 (Bl. 197 d.A.) nicht mitgeteilt, aufgrund welcher Tatsachen sie davon ausgehen, dass die Beklagte bereits am 28.05.2001 an einer Bluthochdruckerkrankung gelitten habe. Die Klägerin hat das Bestehen einer solchen Erkrankung bei Antragstellung am 28.05.2001 bestritten und angegeben, diese sei erst anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes der Klägerin im Juni 2004 erstmals festgestellt worden. Die Richtigkeit dieses Sachvortrags wird durch die von der Klägerin zu den Akten gereichte Stellungnahme des sie behandelnden Arztes Dr. med. […] vom 16.07.2008 (Bl. 131 d.A.) bestätigt. Darin führt Dr. […] aus, dass der arterielle Hypertonus während eines stationären Aufenthaltes der Klägerin im Krankenhaus Herzberg vom 02.06.2004 bis 11.06.2004 diagnostiziert worden sei. Er selbst habe diesen am 05.07.2004 erstmalig festgestellt. Vor dem 02.06.2004 sei kein arterieller Hypertonus bei der Klägerin bekannt gewesen. Angesichts dessen reicht die pauschale Behauptung der Beklagten, die Bluthochdruckerkrankung habe bereits im Mai 2001 vorgelegen und sei der Klägerin auch bekannt gewesen, nicht aus. Dem diesbezüglichen Beweisangebot der Beklagten vom 18.08.2008 (Zeugnis Dr. med […], Bl. 137 d.A.) brauchte deshalb nicht weiter nachgegangen zu werden. Dieses ist auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kommt es auch nicht darauf an, ob der […] und die […] Lebensversicherungs-AG den Abschluss der beantragten Berufsunfähigkeitsversicherung wegen falscher Angaben der Klägerin zu weiteren schwerwiegenden Vorerkrankungen abgelehnt haben. Auf die Gründe für deren Ablehnung kommt es nicht an, da diese für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden sind. Hätte der Zeuge […] die bestehende Versicherung bei der […] Versicherungen Lebensversicherung AG nicht vorzeitig gekündigt, so hätte sich die behauptete Obliegenheitsverletzung der Klägerin nicht ausgewirkt, weil sie in diesem Fall über die „alte“ Versicherung weiter versichert gewesen wäre. Die mit Schriftsätzen vom 09.01.2008 (Seite 6, Bl. 41 d.A.) und vom 29.04.2008 (Seite 3, Bl. 68 d.A.) angebotenen Beweise waren daher nicht zu erheben.

c) Die Beklagten haben auch nicht bewiesen, dass die streitgegenständliche Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung von der Klägerin auch dann gekündigt worden wäre, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass sie keine Anschlussversicherung erhalten kann. Die Aussage des Zeugen […] vor dem Landgericht ist insoweit widersprüchlich. Zwar hat der Zeuge den Vortrag der Beklagten bestätigt, „dass die Beutels die Berufsunfähigkeitsversicherungsverträge auf jeden Fall kündigen wollten (…)“ (vgl. Sitzungsniederschrift des Landgerichts Braunschweig vom 27.05.2008, Seite 8, Bl. 97 d.A.). Diese Aussage kann jedoch deshalb nicht nachvollzogen werden, weil der Zeuge […] zu Beginn seiner Vernehmung angegeben hatte, dass die monatlichen Beiträge bei den von ihm angebotenen Versicherungen nicht sehr viel billiger gewesen seien als bei den alten Verträgen. Andererseits hat sich die Klägerin um eine neue Berufungsunfähigkeitsversicherung bemüht, wie ihr Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung vom 20.12.2004 bei dem Volkswohlbund (Anlage B 1, Bl. 47 f. d.A.) zeigt. Diese Umstände sprechen gegen die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen […], die Klägerin habe die Versicherung bei der […] Versicherungen Lebensversicherung AG in jedem Fall kündigen wollen, auch wenn keine Anschlussversicherung zustande kommt. Darüber hinaus hat der Zeuge […] angegeben, dass es ihm und der Klägerin bei der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung um die Beitragshöhe eigentlich nicht gegangen sei; diese sei bei anderen Versicherungen, wie der Hausratversicherung, wichtiger gewesen. Der Zeuge […] habe jedoch gesagt, dass sie im Falle einer Berufsunfähigkeit aus den bestehenden Versicherungsverträgen „nichts kriegen“ würden (vgl. Sitzungsniederschrift des Landgerichts Braunschweig vom 27.05.2008, Seite 5, Bl. 94 d.A.). Vor diesem Hintergrund versteht sich die im Anschluss protokollierte Äußerung des Zeugen […]: „Wenn ich gefragt werde, ob wir die alten Versicherungen auf jeden Fall kündigen wollten, unabhängig davon, ob wir eine neue Versicherung bekommen würden, so nehme ich an, dass sich das im Gespräch so ergeben hat, dass wir die alten Versicherungen kündigen wollten.“. Hintergrund war, dass die Klägerin und der Zeuge […] nach der Beratung durch den Zeugen […] der Meinung waren, die bestehenden Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherungen seien für sie wertlos. Ein – nicht durch eine Falschberatung beeinflusster – Wille der Klägerin, die Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in jedem Falle zu kündigen, auch wenn eine Anschlussversicherung nicht zustande kommt, kann deshalb nicht festgestellt werden.

Die Beklagte zu 1) hat im Hinblick auf die vorzeitige Absendung des Kündigungsschreibens durch den Zeugen […] auch schuldhaft gehandelt. Sie muss sich das Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Bei pflichtgemäßer Wahrnehmung der Interessen der Klägerin hätte das Kündigungsschreiben vom 20.12.2004 erst nach Abschluss einer neuen Berufsunfähigkeitsversicherung, frühestens jedoch nach einer verbindlichen Zusage der neuen Versicherung, abgesendet werden dürfen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Kündigung bereits zum 01.01.2005 erklärt wurde. Eine nicht fristgemäß eingegangene Kündigung wirkt grundsätzlich zum nächstmöglichen Kündigungstermin.

Die Beklagten zu 2) und 3) haften für den Schaden entsprechend § 128 HGB analog (vgl. zur persönlichen Haftung der Gesellschafter einer GbR für Gesellschaftsschulden BGH Z 146, 341 ff.).

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 24.03.2010 bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO. Die in diesem Schriftsatz enthaltenen Einwendungen gegen die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch den Senat waren bereits Gegenstand der Erörterungen im Termin.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Soweit der Klageantrag nach Hinweis des Senates auf den „im Falle des Eintritts der Berufsunfähigkeit eintretenden Schaden“ bezogen wurde, liegt lediglich eine Klarstellung, jedoch keine Teilrücknahme vor. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO findet insoweit keine Anwendung.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren liegt § 3 ZPO zugrunde.

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