Vorzeitige Beendigung eines Lizenz-/ Franchisevertrages: Anspruch auf Rückzahlung des auf die restliche Vertragslaufzeit entfallenden Teils der Lizenz-/ Eintrittsgebühr

5 U 220/01 Urteil verkündet am 30. Dezember 2002 OLG Hamburg Vorvertragliche Aufklärungspflichten

Oberlandesgericht Hamburg
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

[…]

Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer Lizenzgebühr von der Beklagten. Gegenstand des Unternehmens der Beklagten war der Vertrieb des Systems „[…] 2000“. Dabei handelt es sich um ein EDV gestütztes Buchungs- und Abrechnungssystem für Geschäftsreisen. Dieses war von der […] GmbH entwickelt worden. Die […] GmbH räumte der Beklagten das Recht zur Vermarktung des Systems im Bundesgebiet ein. Dazu bemühte sich die Beklagte ab Mitte des Jahres 1999 durch die Schaltung von überregionalen Anzeigen um die Gewinnung selbstständiger Lizenznehmer, die das Buchungssystem bei Firmenkunden installieren und diese in der Folge regelmäßig betreuen sollten. Als Gegenleistung sollte den Lizenznehmern ein anteiliger Erlös aus den Verkäufen der Reisen zukommen. Im Rahmen der Anzeigenwerbung stellte die Beklagte einen Verdienst von DM 25.000,– monatlich bzw. DM 300.000,– im Jahr in Aussicht. Auf eine dieser Anzeigen hin nahm der Kläger Kontakt zu der Beklagten auf. Am 31.08./02.09.1999 schlossen die Parteien einen Lizenzvertrag. Dem Kläger wurde in der Folgezeit eine Darstellung des Programms „[…] 2000“ überlassen. Mit Schreiben vom 06.03.2000 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten wolle. Dabei vertrat er die Ansicht, der vorgenannte Lizenzvertrag sei ungültig. Er habe von den wesentlichen Vertragsinhalten keine Kenntnis erhalten und könne daher aus dem Vertrag nicht ersehen, welche Leistungen die Beklagte aus dem Vertrag zu erbringen habe. Er begehrte die Rückzahlung der rechtgrundlos geleisteten Lizenzgebühr und bat die Beklagte um eine einvernehmliche Rückabwicklung zum 17.03.2000. Hierauf erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 22.03.2000, sie betrachte den Lizenzvertrag als beendet. Das LG Hamburg hat der Klage auf Rückzahlung der Lizenzgebühr stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

I. … II. 1. Der Kläger hat Anspruch auf Rückzahlung der Lizenzgebühr aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach ist eine Leistung zurückzugewähren, wenn der rechtliche Grund nachträglich entfallen ist. Selbst wenn der Lizenzvertrag wirksam wäre, lägen jedenfalls die Voraussetzungen dieses Anspruchs in Höhe von DM 26.100,– vor. Vorliegend wurde nämlich der von den Parteien auf fünf Jahre geschlossene Lizenzvertrag bereits nach sechs Monaten einvernehmlich beendet (wird ausgeführt). Hieraus folgt, dass die Beklagte lediglich Anspruch auf eine Lizenzgebühr für die Dauer von sechs Monaten und den auf die restliche Vertragslaufzeit entfallenden Teil zurückzugewähren hat, weil insoweit der rechtliche Grund nachträglich entfallen ist. Der Senat folgt der Beurteilung des Landgerichts, dass die nach § 6 Nr. 1 des Vertrages zu entrichtende Gebühr als auf die Dauer des Vertrages von fünf Jahren bezogenes Entgelt für die Einräumung des Nutzungsrechts am System […] 2000 für das vereinbarte Vertriebsgebiet gemäss § 1 des Lizenzvertrages angesehen werden muss. Der vorliegende Lizenzvertrag ist ein sog. Franchisevertrag, der gesetzlich nicht geregelt ist. Ein Franchisevertrag liegt vor, wenn ein Unternehmen (Franchisegeber) einem anderen Unternehmen (Franchisenehmer) für dessen Betriebsführung zur Nutzung gegen Entgelt und Übernahme bestimmter Pflichten Handelswaren oder marken, Warenzeichen, Geschäftsform, Vertriebsmethoden und Erfahrungswissen (Know how) sowie das Recht überlässt, bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu vertreiben (Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., Einf. v. § 581, Rdn. 21). Hier hat die Beklagte dem Kläger das Recht zum Vertrieb des Systems […] 2000 unter Benutzung der geschäftlichen Bezeichnung und der Marke sowie des damit verbundenen technischen Know hows des Buchungssystems gegen Entgelt überlassen. Bei Franchiseverträgen ist es durchaus üblich, dass der Franchisenehmer zu Beginn des Vertrages eine einmalige Summe als „Eintrittsgebühr“ für die Teilnahme am System zu leisten hat. Inwieweit hiermit Vorleistungen des Franchisegebers abgegolten werden – mit der Folge, dass bei vorzeitiger Beendigung des Franchisevertrages die Einmalzahlung ganz oder teilweise nicht zurück zu zahlen ist – oder inwieweit die erst während des Vertrages zu erbringenden Leistungen des Franchisegebers abgegolten werden – mit der Folge einer Rückzahlung des „unverbrauchten“ Teils bei vorzeitiger Vertragsbeendigung – , kann nur im Einzelfall entschieden werden.

Das OLG Frankfurt ist bei einem vergleichbaren Sachverhalt, der ein ebenfalls erst im Aufbau befindliches Paketdienstsystem, das über Franchisenehmer vertrieben werden sollte, betraf, davon ausgegangen, dass die Einstandsgebühr bei vorzeitiger Beendigung des Franchisevertrages zeitanteilig zurückzugewähren sei (NJW RR 95, 1395). So ist – mit dem Landgericht – auch hier zu entscheiden. Zutreffend verweist das Landgericht zunächst auf den Vertragstext in § 1 des Lizenzvertrages, der von § 6 in Bezug genommen wird:

Danach sind die in § 1 genannten Rechte dem Kläger „auf Dauer des Vertrages“ übertragen worden, d. h. die zeitliche Komponente tritt deutlich in den Vordergrund. Weiter handelte es sich bei […] 2000 um ein erst in der Einführung befindliches Geschäftskonzept, sodass der Wert der bloßen Teilhabe an dem Systemgegenüber einem am Markt bereits durchgesetzten und erfolgreichen System nur gering eingeschätzt werden konnte. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in größerem Umfang Vorleistungen erbracht hätte, die mit der Einmalzahlung abgegolten werden sollten. Die Buchungssoftware war nicht von ihr, sondern von der […] GmbH entwickelt und der Beklagten ausweislich des Vertriebsvertrages vom 29.05.1999 unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Bei den übrigen von der Beklagten aufgeführten Kosten i. H. von rund DM 20.000,– für Computerhardware, Kautionszahlung für die Anmietung von Geschäftsräumen, Druckkosten und Teilnahme an Fachseminaren handelt es sich um allgemeine Kosten zur Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs, wie sie jedes neue Unternehmen zu bewältigen hat und die sich auch von der Höhe her im üblichen Rahmen bewegen. Die periodischen Mietzahlungen für das Büro und für eine Standleitung sind ohnehin keine Vorleistung im oben genannten Sinne, sondern laufende Geschäftsunkosten. Auch § 6 Nr. 2 des Lizenzvertrages steht der linearen Verrechnung der Einmalzahlung mit der Vertragslaufzeit nicht entgegen; darauf will die Beklagte offenbar hinaus, wenn sie auf die bei Franchiseverträgen übliche Unterscheidung von Eintritts und laufenden Gebühren hinweist. In § 6 Nr. 2 ist zwar vorgesehen, dass der Lizenznehmer ab dem 12. Monat nach Vertragsschluss zusätzlich eine Systemgebühr von 4 % auf die jeweils erworbenen Provisionsansprüche an den Lizenzgeber zu leisten habe. Wie sich jedoch weiter aus diesem Vertragspassus ergibt, ist die Systemgebühr für die Aktualisierung der Software, die Nutzung der Hotline und die Weiterentwicklung des Systems nach den steuerlichen Richtlinien und die Weiterentwicklung von Schulungskonzepten und material vorgesehen, also nicht für die Überlassung der Rechte nach § 1 des Vertrages. Schließlich sieht auch § 18 des Vertrages, der die Rechtsfolgen der Vertragsbeendigung regelt, keinen Ausschluss des teilweisen Rückforderungsanspruchs unverbrauchter Lizenzgebühren vor. Ausgeschlossen sind nur Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Vertragsverletzungen des Lizenzgebers; hätten die Parteien eine Rückzahlung insoweit ausschließen wollen, hätte es nahe gelegen, dies an dieser Stelle zu tun oder im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung (§ 17 des Lizenzvertrages), also der vorzeitigen Beendigung des Lizenzvertrages. Der Bereicherungsanspruch des Klägers ist nicht im Wege der Saldierung um den Aufwand der Beklagten zu kürzen. Denn sie hat nur allgemeine Kosten für den Aufbau ihres Unternehmens geltend gemacht (s. o.). Bereicherungsmindernd wären aber nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen, die konkret gegenüber dem Kläger erbracht worden wären (BGH DB 95, 1860 = NJW 95, 722, 724). 2. Der Kläger kann die Rückzahlung der einmaligen Lizenzgebühr in voller Höhe ferner beanspruchen, weil die Beklagte ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten schuldhaft verletzt hat.

a) Dem steht nicht bereits entgegen, dass nach der Präambel des Lizenzvertrags der Kläger vor dem Abschluss des Vertrages Gelegenheit hatte, sich mit dem System […] 2000 zu befassen und insbesondere die Angaben der Beklagten zum System und den wirtschaftlichen Grundlagen zu prüfen. Denn ungeachtet dessen, dass mit dieser vertraglichen Klausel die Erfüllung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten durch die Beklagte verdeutlicht werden soll, führt sie nicht zu einem Ausschluss der Haftung, wenn der Lizenzgeber tatsächlich diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist (Flohr, Franchisevertrag, S. 66). Ferner ist die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nicht durch § 18 Ziff. 2 des Lizenzvertrages ausgeschlossen; die dortige Regelung betrifft jedenfalls nicht den Fall eines vorvertraglichen Verschuldens. Dies gilt auch für die Vereinbarung gemäss § 11 des Vertrages. Dass die Beklagte danach nicht für die Rentabilität des von ihr zur Verfügung gestellten Systems haftet, berührt nicht ihre Verpflichtung zur umfassenden und wahrheitsgemäßen Aufklärung des Klägers im Rahmen der Vertragsverhandlungen.

b) Die Beklagte hat die ihr als Franchisegeberin obliegenden Aufklärungspflichten bei den Vertragsverhandlungen nicht erfüllt. Die Beklagte war während der Verhandlungen mit dem Kläger vor dem Abschluss des Lizenzvertrages aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses diesem gegenüber zu besonderer Sorgfalt verpflichtet und hatte den Kläger über sämtliche Umstände aufzuklären, die für dessen Vertragsschluss erkennbar von besonderer Bedeutung waren (OLG München, BB 01, 1759, 1760). Diese Grundsätze über das Verschulden bei Vertragsverhandlungen gelten auch für den Bereich der Franchiseverträge und haben bei diesen wegen der häufig bestehenden geschäftlichen Unerfahrenheit des Franchisenehmers eine gesteigerte Bedeutung (Flohr, a.a.O. (Fn. 4), S. 11; Martinek, Moderne Vertragstypen II, S. 87). Dabei ist allerdings auch zu beachten, dass die Parteien sich grundsätzlich selbst über die Risiken und Vorteile einer geschäftlichen Verbindung informieren und sich ein eigenes Bild von den Marktchancen verschaffen müssen. Jedoch wird der Umfang der Informationspflichten entscheidend dadurch bestimmt, welcher Informationsbedarf besteht und welche Möglichkeiten dem jeweiligen Vertragspartner zur Verfügung stehen, sich über die für den Vertragsschluss entscheidenden Umstände zu informieren. Bei der Verhandlung mit potenziellen Franchisenehmern ist nach § 242 BGB der Franchisegeber als diejenige Partei, die mit dem System und dessen Erfolgsaussichten am Markt weit besser vertraut ist, verpflichtet, den Franchisenehmer umfassend und vollständig aufzuklären (OLG München, BB 01, 1759, 1760). Zwar kann dem Franchisegeber im Rahmen einer angemessenen Risikoverteilung nicht zugemutet werden, gleichsam eine Garantie für den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit des Franchisenehmers zu übernehmen. Jedoch darf er im Rahmen seiner Werbung und bei den konkreten Vertragsverhandlungen nicht sein System als erfolgreicher darstellen, als es tatsächlich der Fall ist (Flohr, a.a.O. (Fn. 4), S. 10) und gegenüber dem Franchisenehmer unzutreffende Vorstellungen über die Rentabilität erwecken, indem er unzutreffende Daten verwendet (OLG Köln, Urteil v. 07.09.2001 – 19 U 83/01, n.v.; vgl. Haager, NJW 02, 1463, 1470) oder solche, die nicht auf einer sorgfältigen Untersuchung des Marktes beruhen und lediglich den Charakter einer Schätzung aufweisen (Martinek, a.a.O. (Fn. 6), S. 88). Diesbezüglich obliegt es der Beklagten, sich im Hinblick auf die vorgeworfene Verletzung der Aufklärungspflicht zu entlasten, da nur sie hinreichend Einblick in die Umstände hat, die zu den dem Kläger mitgeteilten Informationen geführt haben (OLG München, BB 88, 865). Dies ist der Beklagten indes nicht gelungen. Die Beklagte hat in ihrer Werbung Verdienstmöglichkeiten für den Lizenznehmer i. H. von DM 25.000,– monatlich bzw. DM 300.000,– im Jahr in Aussicht gestellt. Noch entscheidender aber ist der Umstand, dass sie die Erreichbarkeit derartiger Provisionseinnahmen auch für den Kläger durch die Einbeziehung einer konkreten sog. „Akquisitionsvorgabe“ für den Vertriebsbereich des Klägers zum Gegenstand des Vertrages gemacht hat; darin wurde für das Jahr 2000 ein Provisionsbetrag i. H. von DM 330.655,– vereinbart. Im Einzelnen sieht diese Akquisitionsvorgabe für jeden Monat ab September 1999 bestimmte Buchungszahlen vor, die sich in durchaus unterschiedlichen Sprüngen von Monat zu Monat allmählich steigern. Gerade vor dem Hintergrund, dass gem. § 17 Nr. 2 des Lizenzvertrages der Beklagten ein Recht zur fristlosen Kündigung des Lizenzvertrages bei Nichterreichen der Akquisitionsvorgabe zustand, durfte der Kläger erwarten, dass die Beklagte sich ein realistisches Bild von den Marktaussichten gerade auch in seinem Vertriebsgebiet gemacht hatte. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls das Zahlenwerk der Akquisitionsvorgabe. In welcher Weise und anhand welchen Datenmaterials die Beklagte zu diesen Vorgaben gelangt ist, erweist sich nach ihrem Vortrag jedoch auch in der Berufungsinstanz als nicht nachvollziehbar (wird ausgeführt). Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, der Kläger habe in Kenntnis der Neuheit des Systems und des Umstands, dass das Erreichen der Vorgaben nur bei entsprechendem Einsatz seiner Arbeitskraft möglich sein würde, den Vertrag geschlossen und sich nicht in der gebotenen Weise betätigt. Denn der Umstand, dass auch weitere Lizenznehmer der Beklagten keine wirtschaftlichen Erfolge erzielen konnten und sämtlich die Zusammenarbeit mit der Beklagten nach kurzer Zeit beendeten, belegt, dass die mangelnde Realisierbarkeit der Vorgaben nicht in der Sphäre des Klägers anzusiedeln ist. Dies wird ferner dadurch bestätigt, dass die Beklagte mittlerweile den Geschäftsbetrieb eingestellt hat und sich in Liquidation befindet. Handelte es sich in der Tat um ein hinreichend geplantes und an den Bedürfnissen des Marktes ausgerichtetes System, so wäre zu erwarten, dass ungeachtet gewisser Schwierigkeiten in der Anfangsphase jedenfalls einige Lizenznehmer in der Lage waren, wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Die nachträgliche Herabsetzung der Akquisitionsvorgaben berührt nicht die zuvor erfolgte schuldhafte Verletzung der Aufklärungspflichten und ist nicht geeignet, diesen Vorwurf zu beseitigen.

Schlagwörter
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