Zu den Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nach § 89 b HGB.

35 U 39/02 Urteil verkündet am 14. März 2003 OLG Hamm Handelsvertreterrecht

Oberlandesgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger als Handelsvertreter für den Beklagten tätig war und ob ihm nach der Beendigung des Vertrages ein Anspruch auf einen Handelsvertreterausgleich zusteht.

Der Kläger war Eigentümer einer Druckerei, die er Ende März 1997 aus Altersgründen aufgab. Er veräußerte die Maschinen und den Warenbestand. Den Warenbestand verkaufte er an den Beklagten, den Inhaber der S. Druckerei, mit dem er am 23.03.1997 auch eine als Kooperationsvertrag bezeichnete Vereinbarung abschloss. Der Kläger verpflichtete sich, in Zukunft alle Druckaufträge seiner Kunden gegen die Zahlung einer vom Umsatz abhängigen Provision über den Beklagten abzuwickeln, der sich seinerseits verpflichtete, alle Aufträge auszuführen. Die Abwicklung der Aufträge sollte durch den Kläger erfolgen, die Durchführung, Lieferung und Fakturierung durch den Beklagten. Der Kläger sollte den Beklagten bei seinen Kunden vorstellen, damit diese bei Vertragsbeendigung einen Ansprechpartner hatten. Beim Vertragsende sollten nämlich die Kunden gegen die Zahlung von 6.000,– DM auf den Beklagten übergehen.

Ende März 2001 lief der Vertrag aus. Der Kläger stellte den Beklagten nicht wie vorgesehen bei seinen Kunden vor. Er setzt sein Geschäft fort und arbeitet mit einer anderen Druckerei zusammen. Davon unterrichtete er seine Kunden mit Schreiben vom 01.04.2001.

Der Kläger verlangte vom Beklagten die Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs mit der Begründung, es sei ein Handelsvertretervertrag abgeschlossen worden. Außerdem verlangte er die Bezahlung des Kaufpreises für den 1997 an den Beklagten veräußerten Warenbestand. Nachdem der Beklagte nicht zahlte, erhob er Klage, mit der er einen Ausgleichsanspruch i. H. v. 87.158,19 DM geltend machte. Der Kläger hat den Anspruch nach dem Höchstbetrag gem. § 89 b Abs. 2 HGB berechnet und vorgetragen, der billige Ausgleich gem. § 89 b Abs. 1 HGB sei noch höher. Die im Vertrag vereinbarte geringere Ausgleichszahlung verstoße gegen das Gesetz und sei deshalb unwirksam. Außerdem hat der Kläger als Kaufpreis für den Warenbestand 10.509,06 DM eingeklagt, die das LG durch rechtskräftiges Teilurteil zuerkannt hat. Gegen den Ausgleichsanspruch hat der Beklagte eingewandt, die Klage sei unbegründet, weil kein Handelsvertretervertrag abgeschlossen worden sei. Der Kläger habe seinen Kundenstamm verkauft und als Gegenleistung für eine Übergangszeit einen in die Form einer Provision gekleideten Kaufpreis erhalten.

Das LG hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen M. und V., die als Steuerberater der Parteien an den Vertragsverhandlungen beteiligt waren. Sodann hat es dem Beklagten als Ausgleich die im Vertrag vereinbarten 6.000,– DM = 3.067,75 Euro zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der überzeugenden Aussage des Zeugen V. stehe fest, dass kein Handelsvertretervertrag, sondern ein Kaufvertrag über den Kundenstamm abgeschlossen worden sei. Dafür spreche auch, dass der Vertrag zeitlich befristet gewesen sei, dass der Kundenstamm bei Vertragsende automatisch auf den Beklagten habe übergehen sollen und dass die Provision höher gewesen sei als bei im Druckereibereich tätigen Handelsvertretern üblich.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er den Anspruch auf Handelsvertreterausgleich weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, nach dem Inhalt des schriftlichen Vertrages habe er als Handelsvertreter tätig werden sollen. Dass die Parteien eine vom schriftlichen Vertrag abweichende Vereinbarung hätten treffen wollen, müsse der Beklagte beweisen. Dazu sei die Aussage des Zeugen V., des Steuerberaters des Beklagten, nicht geeignet, da sie unglaubhaft und der Zeuge unglaubwürdig sei. Der Kläger trägt außerdem weiter zur Höhe des Ausgleichsanspruchs vor.
Die Berufung des Klägers war nicht begründet.

Entscheidungsgründe

Die Frage, ob die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung als Kaufvertrag oder als Handelsvertretervertrag anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn der Kläger wie er vorträgt als Handelsvertreter für den Beklagten tätig gewesen sein sollte, steht ihm der geltend gemachte Anspruch auf Handelsvertreterausgleich nicht zu. Der Kläger hat nämlich zu den Voraussetzungen des § 89 b HGB nicht schlüssig vorgetragen.

Ausgangspunkt für die Ermittlung des billigen Ausgleichs gem. § 87 b Abs. 1 HGB sind die Vorteile des Unternehmers, die diesem auch nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages verbleiben, und die daraus folgenden Nachteile des Handelsvertreters. Basis für die Ermittlung dieser Position sind die vom Handelsvertreter in den letzten 12 Monaten erzielten Provisionen. Der Kläger behauptet zwar, in der Zeit vom 01.04.2000 bis zum 31.03.2001 habe er 78.828,78 DM an Provisionen erhalten. Das reicht aber nicht aus. Maßgeblich ist nämlich nicht die gezahlte, sondern die in diesem Zeitraum erwirtschaftete Provision. Bei den 8 Zahlungen über 8.120,– DM, die in der Gesamtsumme enthalten sind, handelt es sich um die im Vertrag vereinbarte Provisionsvorauszahlung von monatlich 7.000,– DM zzgl. Mehrwertsteuer. Inwieweit diesen Provisionsvorauszahlungen durch Geschäftsabschlüsse verdiente Provisionen gegenüberstehen, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Auch der verbleibende Betrag von 13.868,78 DM, bei dem es sich offenbar um Provisionen für konkrete Geschäfte handelt, kann nicht zur Grundlage der Ermittlung des Handelsvertreterausgleichs gemacht werden. In die Ausgleichsberechnung einzubeziehen sind nur die mit Stammkunden erwirtschafteten Umsätze. Zu dieser Frage hat der Kläger ebenfalls nicht vorgetragen. Dabei steht fest, dass voraussichtlich nicht alle vom Kläger vermittelten Geschäfte mit Stammkunden abgeschlossen worden sind. Der Kläger hat nämlich für die Beklagte nicht nur Geschäfte mit den bereits mitgebrachten von ihm geworbenen Kunden vermittelt. Er hat – wie er bei seiner Anhörung durch den Senat noch einmal bestätigt hat – auch Neukunden geworben. Dass diese Kunden auch Stammkunden geworden sind, hätte der Kläger vortragen müssen. Dazu wäre erforderlich gewesen, dass dargelegt worden wäre, wann diese Kunden geworben worden sind und wie oft sie wann Aufträge erteilt haben. Da das nicht geschehen ist, ist der Sachvortrag des Klägers insoweit unsubstantiiert mit der Folge, dass die auf diese Kunden entfallende Provision herausgerechnet werden müsste. Das ist aber nicht möglich, weil die auf diese Kunden entfallenden Provisionsanteile nicht dargelegt worden sind. Damit wird der Vortrag zur Provision des letzten Jahres insgesamt unsubstantiiert.

Der Kläger hat auch aus einem weiteren Grund nicht schlüssig zu dem geltend gemachten Handelsvertreterausgleichsanspruch vorgetragen. Voraussetzung für den Anspruch auf Handelsvertreterausgleich ist es, dass aus der Sicht zum Ende des Vertrages davon auszugehen ist, dass vom Handelsvertreter geworbene Kunden auch nach dem Ausscheiden des Handelsvertreters beim Unternehmer bleiben, der Unternehmer aus dem Kundenstamm also weiterhin Vorteile ziehen kann (BGH NJW 98, 75). Deshalb entfällt der Ausgleichsanspruch, wenn feststeht, dass der Handelsvertreter die Kunden mitnimmt, dem Unternehmer also aus der Tätigkeit des Handelsvertreters nach dessen Ausscheiden keine Vorteile zufließen (BGH WM 75, 856; BGH BB 60, 605). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Kontakte zu den Kunden hat allein der Kläger gehabt. Eine Kundenbindung ist bei dieser Vertragsgestaltung und Vertragshandhabung zwischen den Kunden und dem Unternehmen, also dem Beklagten, nicht entstanden. Das hat dazu geführt, dass der Kläger – der nach der Beendigung des Vertrages mit der Beklagten seine Tätigkeit fortgesetzt hat – die Kunden mitgenommen hat, was voraussehbar war. Diese Entwicklung ist durch die Angaben der Parteien im Senatstermin bestätigt worden. Bei der Beklagten ist offenbar nur die Firma R. verblieben. Ein Unternehmensvorteil könnte damit allenfalls hinsichtlich des Kunden R. zu bejahen sein. Dieser Unternehmensvorteil kann aber nicht ermittelt werden, weil der Kläger wie oben bereits ausgeführt – zu den mit den einzelnen Kunden erzielten Umsätzen nicht vorgetragen hat. Welcher Umsatz mit der Firma R. im letzten Vertragsjahr erzielt worden ist, wird von dem insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Kläger nicht vorgetragen und ist auch nicht erkennbar.

Die Berufung kann damit keinen Erfolg haben.

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