Zur Ausgleichsberechnung bei einem Automobil-Vertragshändler

12 O 297/05 Urteil verkündet am 11. Mai 2006 LG Bremen Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 89 b HGB

Landgericht Bremen
Im Namen des Volkes
Urteil

in Sachen
[..]
hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2006 durch [..] für Recht erkannt:

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 46.267,37 € nebst 5 % Zinsen für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 10.08.2005 und in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2005 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 84 % und die Klägerin 16 %.

Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht als ehemalige Vertragshändlerin der Beklagten den Ausgleichsanspruch entsprechend § 89b HGB geltend.

Die Klägerin war seit 1994 als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig, zuletzt auf der Grundlage des Händlervertrages vom 10.10./25.11.1996 (Anlage K 1). Als [..]-Händler verkaufte sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die von der Beklagten angebotenen Neufahrzeuge sowie Ersatzteile. Für sämtliche Vertragswaren hatte sie ein Lager zu unterhalten und Kundendienst zu leisten. Nach § 15 Ziff. 2 u. 3 des Händlervertrages bestand eine Berichtspflicht der Klägerin über Marktlage, Verkaufs- und Werkstattergebnisse, Lagerbestände und Bedarfsschätzungen und ein Auskunfts- und Einsichtnahmerecht der Beklagten über die vertragsbezogenen geschäftlichen Verhältnisse der Klägerin. Außerdem wurden in § 19 des Vertrages die Verkaufs- Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten und ihre Händlerkonditionen (Anlage B 1, Bl. 61 ff. d.A.) zum Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien gemacht. Nach Ziff. 7.1. dieser Konditionen war die Klägerin verpflichtet, der Beklagten zum Zwecke der Durchführung von verkaufsfördernden Maßnahmen alle Kundendaten und Fahrzeugdaten zu übermitteln.

Die Beklagte kündigte den Vertrag fristgemäß zum 30.09.2003. Mit Schreiben vom 17.02.2004 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach geltend. Die Klägerin ist seitdem als autorisierte Werkstatt für die Beklagte tätig, gehört aber nicht mehr zum Vertriebsnetz der Beklagten.

Die Klägerin meint, ihr stehe ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB analog zu, weil sie in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert und verpflichtet gewesen sei, der Beklagten bei Beendigung des Vertrages ihren Kundenstamm zu überlassen, was sich insbesondere aus Ziff. 7.1 der Händlerkonditionen ergebe.

Die Klägerin behauptet, sie habe im letzten Vertragsjahr (01.10.2002 – 30.09.2003) 63 Neufahrzeuge der Marke […] mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von insgesamt netto 1.370.458,02 € verkauft, wovon auf die Mehrfachkunden ein Betrag von 117.138,35 € (entsprechend 8,55 %) entfalte. Die Neufahrzeuge habe sie zu Einkaufspreisen von insgesamt 1.148.631,96 € netto bei der Beklagten erworben. Darin sei ein Betrag von 97.659,69 € für Fahrzeuge enthalten, die die Klägerin an Mehrfachkunden veräußert habe. Unstreitig erwarb die Klägerin eins der an Mehrfachkunden veräußerten Fahrzeuge nicht direkt bei der Beklagten, sondern von einem anderen – autorisierten – Vertragshändler der Beklagten zum Händlereinkaufspreis. Die Neufahrzeuge habe sie zu einem Gesamtverkaufspreis von netto 1.235.574,09 € an Endkunden weiterverkauft, davon zu insgesamt 109.819,20 € an Mehrfachkunden. Ferner habe sie an Prämien, Boni und sonstigen Verkaufshilfen 45.173,23 € erhalten, wovon insgesamt 18.793,72 € mit Mehrfachkunden erzielt worden seien.

Im vorletzten Vertragsjahr (01.10.2001 – 30.09.2002) habe sie 46 Neufahrzeuge der Marke [..] mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von insgesamt netto 911.540,72 € verkauft, wovon auf die Mehrfachkunden ein Betrag von 102.011,25 € (entsprechend 11,19 %) entfalle. Die Neufahrzeuge habe sie zu Einkaufspreisen von insgesamt 762.372,49 € netto bei der Beklagten erworben. Darin sei ein Betrag von 82.815,36 € für Fahrzeuge enthalten, die die Klägerin an Mehrfachkunden veräußert habe. Die Neufahrzeuge habe sie zu einem Gesamtverkaufspreis von netto 822.966,36 € an Endkunden weiterverkauft, davon zu insgesamt 94.225,26 € an Mehrfachkunden. Hierzu gehöre – zu Recht – auch ein Fahrzeug mit sog. Tageszulassung (Nr. 134 der Tabelle, Anlage K 8), das am 21.03.2002 erstmals zugelassen und nach der Bestellung des Kunden vom 23.03.2002 am 04.04.2002 auf diesen umgeschrieben worden sei. Ferner habe sie an Prämien, Boni und sonstigen Verkaufshilfen 60.874,14 € erhalten, wovon insgesamt 5.949,82 € mit Mehrfachkunden erzielt worden seien.

Im drittletzten Vertragsjahr (01.10.2000 – 30.09.2001) habe sie 26 Neufahrzeuge der Marke [..] mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von insgesamt netto 369.220,38 € verkauft, wovon auf die Mehrfachkunden ein Betrag von 71.676,31 € (entsprechend 19,41 %) entfalle. Die Neufahrzeuge habe sie zu Einkaufspreisen von insgesamt 302.373,75 € netto bei der Beklagten erworben. Darin sei ein Betrag von 59.302,49 € für Fahrzeuge enthalten, die die Klägerin an Mehrfachkunden veräußert habe. Die Neufahrzeuge habe sie zu einem Gesamtverkaufspreis von netto 343.608,36 € an Endkunden weiterverkauft, davon zu insgesamt 70.762,89 € an Mehrfachkunden. Hierzu gehöre – zu Recht – auch ein Fahrzeug mit sog. Tageszulassung (Nr. 113 der Tabelle, Anlage K 10), das am 22.06.2001 erstmals zugelassen und nach der Bestellung des Kunden vom 26.06.2001 am 03.07.2001 auf diesen umgeschrieben worden sei. Ferner habe sie an Prämien, Boni und sonstigen Verkaufshilfen 18.049,13 € erhalten, wovon insgesamt 2.866,54 € mit Mehrfachkunden erzielt worden seien.

Im viertletzten Vertragsjahr (01.10.1999 – 30.09.2000) habe sie 55 Neufahrzeuge der Marke [..] mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von insgesamt netto 466.350,81 € verkauft, wovon auf die Mehrfachkunden ein Betrag von 26.811,09 € (entsprechend 5,75 %) entfalte. Die Neufahrzeuge habe sie zu Einkaufspreisen von insgesamt 386.850,06 € netto bei der Beklagten erworben. Darin sei ein Betrag von 15.664,40 € für Fahrzeuge enthalten, die die Klägerin an Mehrfachkunden veräußert habe. Die Neufahrzeuge habe sie zu einem Gesamtverkaufspreis von netto 431.059,21 € an Endkunden weiterverkauft, davon zu insgesamt 24.359,74 € an Mehrfachkunden. Ferner habe sie an Prämien, Boni und sonstigen Verkaufshilfen 25.819,93 € erhalten, wovon insgesamt 494,16 € mit Mehrfachkunden erzielt worden seien.

Im fünftletzten Vertragsjahr (01.10.1998 – 30.09.1999) habe sie 34 Neufahrzeuge der Marke [..] mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von insgesamt netto 435.300,20 € verkauft, wovon auf die Mehrfachkunden ein Betrag von 95.822,65 € (entsprechend 22,01 %) entfalle. Die Neufahrzeuge habe sie zu Einkaufspreisen von insgesamt 357.476,13 € netto bei der Beklagten erworben. Darin sei ein Betrag von 75.480,14 € für Fahrzeuge enthalten, die die Klägerin an Mehrfachkunden veräußert habe. Die Neufahrzeuge habe sie zu einem Gesamtverkaufspreis von netto 410.945,69 € an Endkunden weiterverkauft, davon zu insgesamt 79.949,57 € an Mehrfachkunden. Ferner habe sie an Prämien, Boni und sonstigen Verkaufshilfen 18.686,42 € erhalten, wovon insgesamt 5.825,44 € mit Mehrfachkunden erzielt worden seien.

Wegen der Einzelheiten dieser Verkaufsfälle wird auf die für die einzelnen Vertragsjahre aufgestellten Tabellen (S. 7 – 12 der Klageschrift, Anlagen K 8, K 10, K 12, K 14 und die dazugehörigen Belege (Anlagen K 7, K 9, K 11, K 13, K 15) verwiesen.

Bei der Bestimmung des der Berechnung zugrunde zulegenden Umsatzes sei von der unverbindlichen Preisempfehlung (UPE) der Beklagten auszugehen, weil diese auch Bemessungsgrundlage für den dem Händler vom Hersteller eingeräumten Rabatt sei. Weiterhin sei die sog. Rohertragsmethode (Differenz zwischen Händlereinkaufspreis und Einnahmen) heranzuziehen, wobei die dem Vertragshändler eingeräumten Zusatzrabatte, Prämien und Boni ertragserhöhend zu berücksichtigen seien.

Demgegenüber sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH für sog. „verwaltende Tätigkeiten“ ein Abzug von max. 2,5 % gerechtfertigt. Die Inzahlungnahme von Gebrauchtfahrzeugen habe sich nicht ertragsmindernd ausgewirkt; jedenfalls habe die Beklagte nicht konkret dargetan, dass die Klägerin derartige Fahrzeuge zu überhöhten Preisen in Zahlung genommen habe.

Die Zuerkennung eines Ausgleichsanspruches entspreche auch der Billigkeit i. S. v. § 89 Abs. 1 Nr. 3 HGB, denn nach der Gesetzeslage sei diese zu vermuten, wenn dem Unternehmer mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses und der Übertragung des Kundenstammes Vorteile entstünden und der Händler dadurch Verlust erleide. Wegen der geringen Prestigewirkung der Marke „[…]“, die erst seit 1993 auf dem deutschen Markt vertreten sei, erscheine ein Abzug für die sog. „Sogwirkung der Marke“ nicht gerechtfertigt, vorsorglich sei die Klägerin aber bereit, insoweit einen Billigkeitsabschlag von 5 % hinzunehmen.

Die Klägerin berechnet die Ausgleichsforderung nach dem Rohertrag, nämlich der Summe der auf die letzten fünf Vertragsjahre auf die Mehrfachkunden entfallenen Einnahmen und weiteren Prämien der Beklagten unter Abzug eines Rabattanteils von 2,5 % (bez. auf UPE) für verwaltende Kosten und eines Billigkeitsabschlages von 5 % (Sogwirkung der Marke).

Nach Abzinsung und Hinzurechnung der MWSt. errechnet sich die Klägerin danach einen Ausgleichsanspruch von 54.942,50 €.

Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Ausgleichsanspruches wird im Übrigen auf die Ausführungen in der Klagschrift S. 25 – 35 (Bl. 26-36 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 54.942,50 € nebst 5 % Zinsen für die Zeit vom 01.10.2003 bis Rechtshängigkeit, d.i. der 10.08.2005, und in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass überhaupt ein Ausgleichsanspruch bestehe. Es fehle an den Voraussetzungen der Analogie, denn sie könne sich die evtl. vorhandenen Vorteile eines Kundenstammes nicht zueilten machen, weil sie ggf. vorhandene Daten dazu nach dem BDSG vernichten müsse (Ziff. 7.2 der Händlerkonditionen), im übrigen könne sie die Daten auch deswegen nicht nutzen, weil diese nicht systematisch erfasst seien.

Schließlich sei der Klägerin nach der Novellierung der Gruppenfreistellungsverordnung die markenübergreifende Vermittlung von Neufahrzeugen möglich, was ebenfalls die analoge Anwendung des § 89 b HGB ausschließe.

Die Beklagte erhebt weitere Einwände gegen die klägerische Berechnung des Anspruches. Sie trägt vor, bei einigen Geschäften handele es sich wegen der im Zeitpunkt des Verkaufs an den Endkunden vorhandenen erhöhten Laufleistung der Fahrzeuge nicht um Neuwagenkäufe. Die Geschäfte, bei denen (unstreitig) ein Querbezug vorliege, seien nicht ausgleichspflichtig. Die Klägerin habe durch die Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen verdeckte Preisnachlässe gewährt, die ihren Rohertrag geschmälert hätten. Soweit die Klägerin Fahrzeuge an Leasingunternehmen verkauft habe, handele es sich nicht um einen Verkauf an Endabnehmer. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin in ihrer Berechnung die enthaltenen Abzüge für Überführungs- und Zulassungskosten zutreffend wiedergegeben habe. Der von der Klägerin angesetzte Verwaltungskostenanteil sei zu niedrig. Es seien insbesondere anteilige Kosten für Produktwerbung, Vorführwagen, Personalkosten etc., zu berücksichtigen. Die Beklagte verweist auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie zur Kostenstruktur (Anlage B 2, Bl. 65 -110 d.A.). Danach müsse der Abzug mindestens 50 % betragen. Schließlich sei auch der von der Klägerin vorgenommene Billigkeitsabschlag zu niedrig. Dieser müsse wegen der Sogwirkung der Marke min. 50 % betragen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 49.159,08 € gem. § 89b Alt. 1 HGB analog zu.

1. Die analoge Anwendbarkeit des § 89 b HGB im Vertragshändlerverhältnis setzt neben einer Einbindung des Vertragshändlers in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten voraus, dass der Vertragshändler verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, d. h. seine Kundendaten zu übermitteln, so dass dieser sich bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGH NJW 96, 2159 m.w.N.). Dabei genügt eine Verpflichtung zur laufenden Unterrichtung des Herstellers oder Lieferanten über Namen und Adressen der Kunden während der Vertragszeit (BGH NJW 00, 1413; BGHZ 135, 14, 17 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Klägerin war wie ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Händlervertrages. Danach war die Klägerin auf ein bestimmtes Vertragsgebiet festgelegt, für das sie von der Beklagten Gebietsschutz beanspruchen konnte (§ 4); sie war zur Werbung und zur Unterstützung aller von der Beklagten eingeleiteten Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen verpflichtet (§ 14), hatte den Geschäftsbetrieb in bestimmter Weise zu gestatten (§ 13), Kundendienstleistungen zu erbringen (§ 9) und der Beklagten regelmäßig Bericht zu erstatten und ihr Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren (§ 15).
Die Klägerin war auch verpflichtet, der Beklagten ihren Kundenstamm zu überlassen. Nach Ziff. 7.1 der Händlerkonditionen war die Klägerin verpflichtet, alle Kundenadressen und Fahrzeugdaten an die Beklagte zu übermitteln. Darauf, dass diese Verpflichtung „zum Zwecke der Durchführung von verkaufsfördernden Maßnahmen“ begründet wurde, kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob die Beklagte – was sie bestreitet – die ihr mitgeteilten Kundendaten wirklich nutzt (BGH NJW 97, 1503, 1504 – Renault). Die Möglichkeit der Nutzung reicht aus.

Die Beklagte war imstande, sich die ihr übermittelten Daten der Kunden der Klägerin während und auch nach der Vertragszeit nutzbar zu machen. Sie war daran nicht durch ihre in Ziff. 7.2 der Händlerkonditionen hervorgehobene Verpflichtung zur Einhaltung der Vorschriften des Datenschutzgesetzes gehindert. Insbesondere ist die Beklagte nicht verpflichtet, die ihr überlassenen Daten nach § 35 Abs. 2 Nr. 3 BDSG zu löschen. Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die Erfüllung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Zweck der Speicherung war aber nicht allein eine Verkaufsförderung für die Klägerin im Rahmen des Händlervertrages sondern auch die Nutzung für eigene verkaufsfördernde Maßnahmen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Ziff. 7.2 der Händlerkonditionen, wonach sich die Beklagte verpflichtet, die übermittelten Daten ausschließlich im Auftrag des Händlers und/oder der Beklagten zu verarbeiten. Vertraglicher Zweck der Datenübermittlung (und -speicherung) waren demnach auch eigene verkaufsfördernde Maßnahmen der Beklagten. Diese dienen aber der Förderung des eigentlichen Unternehmensziels der Beklagten, nämlich des Absatzes der von ihr hergestellten Kraftfahrzeuge, und bestehen demnach auch über das Ende der Vertragsbeziehung mit dem Kläger hinaus.

Der Ausgleichsanspruch entfällt schließlich auch nicht deshalb, weil die Klägerin als autorisierte Werkstatt jedenfalls teilweise im Vertriebssystem der Beklagten verbleibt. Unstreitig wurde der zwischen den Parteien bestehende Händlervertrag durch Kündigung beendet. Der neue Vertrag klammert aber gerade den Geschäftsbereich aus, der für den Ausgleichsanspruch überhaupt nur relevant ist (vgl. BGH NJW-RR 88, 42). Die Klägerin darf nämlich keinen autorisierten Handel mit Neufahrzeugen der Beklagten mehr betreiben. Im Übrigen löst auch bereits eine Änderungskündigung, z. B. bei einer Gebietsverkleinerung, den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters aus (vgl. BGH NJW 00, 515, 517).

2. Der Ausgleichsanspruch des § 89b HGB soll dem Handelsvertreter eine Gegenleistung dafür gewähren, dass er mit der Schaffung des Kundenstammes dem Unternehmer eine Leistung erbracht hat, die während der bisherigen Vertragszeit noch nicht abgegolten ist und wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergütet wird. Abgeltungsfähig sind allerdings nur die Umsätze mit den Stammkunden für Neufahrzeuge, weil nur aus diesen Geschäften dem Unternehmer auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Vorteil entstehen kann (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB).

a)

aa) Der Eigenhändler bezieht keine vertraglich mit dem Unternehmer vereinbarte Provision. Wirtschaftlich betrachtet entsprechen die Rabatte, die die Klägerin auf den Listenpreis der Beklagten erhält, den Provisionen des Handelsvertreters (vgl. BGH NJW 96, 2302 – Fiat/Lancia). Einzubeziehen sind dabei auch die der Klägerin gewährten Boni und Prämien. Diese allgemein gewährten Zusatzleistungen der Beklagten dienen nämlich ebenso wie der Händlerrabatt dazu, dem Händler eine ausreichende Handelsspanne zu sichern.

Ausgangspunkt für die Berechnung des Händlerrabatts sind die unverbindlichen Preisempfehlungen (UPE) der Beklagten. Soweit die Klägerin die Fahrzeuge tatsächlich zu niedrigeren Preisen verkauft, ihren Kunden also Rabatte gewährt hat, minderte dies zwar ihren Gewinn, nicht aber den Vorteil, den die Beklagte aus dem übertragenen Kundenstamm hatte. Ob eine Verringerung des Rohertrages durch verdeckte Preisnachlässe bei der Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen anzunehmen ist, kann dahingestellt bleiben. Des Gericht geht davon aus (§ 287 ZPO), dass dies per Saldo jedenfalls keine Veränderung des Ertrages zur Folge hatte, weil die Klägerin bei der Abwicklung (also beim Wiederverkauf der Gebrauchtfahrzeuge) auch Gewinne erzielt haben dürfte, die einzelne Verluste ausgeglichen haben dürften.

Um eine Vergleichbarkeit mit den Provisionen des Handelsvertreters zu erzielen, sind jedoch diejenigen Teile des Rabatts herauszurechnen, die der Vertragshändler aufgrund seiner vom Handelsvertreter abweichenden Stellung für Leistungen erhält, die der Handelsvertreter üblicherweise nicht zu erbringen hat (BGH NJW 96, 2298, 2300), z. B. für verwaltende Tätigkeiten. Den Anteil für verwaltende Tätigkeiten hat die Klägerin mit maximal 2,5 % angegeben. Die für einen höheren Anteil darlegungspflichtige Beklagte (vgl. BGH NJW 96, 2298, 2300) hat einen höheren Anteil nicht konkret dargelegt. Soweit sie sich dafür eine von ihr in Auftrag gegebene Musterkosten- und Ertragsrechnung des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) beruft (Anlage B 2), ist diese für eine Konkretisierung schon deswegen nicht geeignet, weil sie sich nicht auf den hier zwischen den Parteien vereinbarten Händlervertrag bezieht, sondern auf denjenigen Vertrag, den die Beklagte ab dem 01.10.2003 mit Ihren Vertragshändlern abgeschlossen hat. Dieser sieht aber eine Umstrukturierung des Margensystems vor. Warum bei dem hier geltenden Margensystem Gleiches gelten soll, hat die Beklagte dagegen nicht vorgetragen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind zudem die Rabattanteile, die die Klägerin für Produktwerbung, Halten von Vorführwagen und der Unterhaltung von Ausstellungsräumen erhielt, nicht abzuziehen. Sie beziehen sich nämlich auf das, was gerade auch die wesentliche Aufgabe des Handelsvertreters ist, nämlich seine werbende Tätigkeit, die schließlich zum Abschluss von Neuwagengeschäften und damit auch zur Schaffung eines Kundenstamms führt (vgl. BGH NJW 98, 88, 69). Es ist auch kein weiterer Abzug für das allein händlertypische Absatzrisiko vorzunehmen, weil sich dieses durch individuell gewährte Preisnachlässe und Skonti verwirklicht, die bereits zu einer Schmälerung des Rohertrages führen (vgl. BGH NJW 96, 2302, 2303). Schließlich gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei Leasing- oder Kreditgeschäften eine zu Lasten ihres Ertrages gehenden Zuschuss zu den Leasing- bzw. Kreditkosten gewährt hat.

bb) Ausgehend von diesen Erwägungen ist für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs von den von der Klägerin dargelegten Umsatzzahlen der letzten fünf Vertragsjahre auszugehen.

Die von der Klägerin im Einzelnen in den Tabellen aufgeführten Verkäufe an Mehrfachkunden sind Neuwagengeschäfte. Das Bestreiten der Beklagten richtet sich weitgehend auf Fahrzeuge, die die Klägerin nicht an Mehrfachkunden veräußert hat. Dies wirkt sich aber auf die ausgleichspflichtigen Erträge der Klägerin nicht aus. Bei den Verkäufen an Mehrfachkunden ist auch das von der Klägerin für das vorletzte Vertragsjahr in der Tabelle (Anlage K 8) unter Nr. 134 aufgeführte Geschäft ein Neuwagenverkauf. Das Fahrzeug wurde bereits zwei Tage nach der Zulassung auf die Klägerin vom Kunden bestellt und weitere zwölf Tage später an diesen ausgeliefert. Derartige Verkäufe, bei denen das Fahrzeug für eine kurze Zeit auf den Händler und erst dann auf den Kunden zugelassen wird (sog. Tageszulassungen), sind eine besondere Form des Neuwagengeschäfts und grundsätzlich bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen (BGH NJW 96, 2302, 2304 – Fiat/Lancia). Die nur geringfügige Laufleistung von 25 km beruht offensichtlich – wie bei Neuwagen üblich – auf Be-, Um- und Abladungsvorgängen auf dem Transport des Neufahrzeuges aus dem Herstellungsland nach Deutschland und zur Klägerin und nicht auf einer Nutzung des Fahrzeuges durch die Klägerin in der Zeit der Zulassung des Fahrzeuges auf sie.

Dieselben Erwägungen gelten für das von der Klägerin für das drittletzte Vertragsjahr in der Tabelle (Anlage K 10) unter Nr. 113 aufgeführte Geschäft.

Auch soweit die Fahrzeuge unstreitig im Zeitpunkt der Übergabe auf den Endkunden eine (geringe) Laufleistung aufwiesen, ist eine solche – wie oben dargelegt – bei Neuwagen durchaus üblich und ändert an der Neuwageneigenschaft des Fahrzeuges nichts (vgl. OLG Stuttgart MDR 00, 1315).

Bei den Neuwagenumsätzen ist schließlich auch das Fahrzeug einzubeziehen, das die Klägerin nicht direkt bei der Beklagten, sondern über einen anderen – autorisierten – Vertragshändler der Beklagten erworben hatte (sog. mittelbarer Bezug). Da die Klägerin dieses Fahrzeug mit Händlerrabatt erworben hatte, ist ihr insoweit dieser Rabatt zuzurechnen (vgl. BGH NJW 96, 2298, 2301). Das Bestreiten der zutreffenden Berechnung von Überführungs- und Zulassungskosten ist angesichts der von der Klägerin vollständig vorgelegten Belege (insbesondere der Einkaufs- und Verkaufsrechnungen) unsubstantiiert.

b) Diese Mehrfachkundenumsätze der Klägerin in den letzten fünf Vertragsjahre sind Grundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs. Der Umsatzanteil der Klägerin mit Mehrfachkunden am gesamten Neuwagenumsatz weist in diesen Jahren erhebliche Unterschiede auf. Angesichts der Sprünge zwischen den einzelnen Jahren kann auch nicht von einer einheitlichen Tendenz ausgegangen werden. Das Gericht folgt deshalb der Klägerin darin, dass die künftige Entwicklung deswegen durch eine Multiplikation des Ergebnisses des letzten Vertragsjahres mit dem Prognosezeitraum nicht zutreffend wiedergegeben wird (vgl. dazu BGH NJW 97, 1503, 1504, 1505 – Renault). Diese wird durch die von der Klägerin vorgenommene Addition der Ergebnisse der letzten fünf Vertragsjahre besser erfasst. Das Ergebnis entspricht der Hochrechnung des durchschnittlichen Ergebnisses der letzten fünf Vertragsjahre auf den Prognosezeitraum von fünf Jahren.

Da diese Berechnung nicht nur ein Vertragsjahr, sondern die letzten fünf Jahre mit dem in diesem langen Zeitraum stattgefundenen Zu- und Abgang von Stammkunden erfasst, ist eine Korrektur dieses Ergebnisses durch eine Abwanderungsquote nicht notwendig.
c) Die Gewährung eines Ausgleichs entspricht auch der Billigkeit (§ 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB). Ein im Rahmen der Billigkeitsabwägung danach vorzunehmender Abschlag führt zu dessen Herabsetzung um 20 %.

Den Einfluss der Marke („Sogwirkung“) schätzt das Gericht mit 10 %. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin fast 10 Jahren für die Beklagte tätig war und über diesen langen Zeitraum ihrerseits viel für eine Kundenzufriedenheit tun konnte, die neben der Marke erheblich dazu beiträgt, eine Stammkundschaft zu schaffen. Die Beklagte hat zudem nicht dargelegt, dass dem Markennamen [..] eine größere Bedeutung als „[..]“ zukommt, bei der ein Abschlag von 10 % als angemessen angesehen wurde (BGH NJW 96, 2298, 2301).

Das Gericht erhöht den Abzug um weitere 10 %, weil die Klägerin nunmehr als autorisierte Werkstatt für die Beklagte tätig ist, in dieser Stellung ist sie in der Lage, sich als langjährige am Ort ansässige Autohändlerin weiterhin an ihren bisherigen Kundenstamm zu wenden und Neuwagengeschäfte zu vermitteln. Der Abzug ist jedoch nicht höher zu bemessen, weil die Klägerin nunmehr ohne Gebietsschutz in der Konkurrenz zu anderen Vertragshändlern der Beklagten steht und ohne die Unterstützung eines Autoherstellers nicht in der Lage sein wird, Neuwagen am Markt so zu präsentieren (Ausstellungsfläche, Vorführwagen etc.) wie dies die Vertragshändler können.

d) Diese Erwägungen führen unter Befolgung des unter Ziff. 2 b) angegebenen Berechnungsmethode zur folgenden Berechnung des Ausgleichsanspruchs:

Rohertrag der Klägerin bezogen auf die
Mehrfachkunden (unter Berücksichtigung von Prämien
und Boni) im letzten Vertragsjahr
(109.819,20 € ./. 97.859,69 € + 3.657,76 €) 15.617,27 €

Rohertrag der Klägerin bezogen auf die
Mehrfachkunden (unter Berücksichtigung von Prämien
und Boni) im vorletzten Vertragsjahr
(94.225,26 € ./. 82.815,36 € + 5.949,82 €) 17.359,72 €

Rohertrag der Klägerin bezogen auf die
Mehrfachkunden (unter Berücksichtigung von Prämien
und Boni) im drittletzten Vertragsjahr
(70.762,89./. 59.302,49 € + 2.866,54 €) 14.326,94 €

Rohertrag der Klägerin bezogen auf die
Mehrfachkunden (unter Berücksichtigung von Prämien
und Boni) im viertletzten Vertragsjahr
(24.359,74 ./. 15.664,40 € + 494,16 €) 9.189,50 €

Rohertrag der Klägerin bezogen auf die
Mehrfachkunden (unter Berücksichtigung von Prämien
und Boni) im fünftletzten Vertragsjahr
(79,949,57 ./. 75.480,14 € + 5.825,44 €) 10.294,87 €

Summe der Roherträge der Klägerin in den letzten fünf
Vertragsjahren 66.788,30 €

abzüglich Verwaltungskostenanteil
(2.5 % des UPE 413.456,65 €) 10.336,42 €
56.451,18 €

abzüglich Billigkeitsabschlag (20 %) 11.290,38 €
= Basisbetrag 45.161,50 €

abgezinst nach Gillardon (Zinssatz 5 %)
(Basisbetrag/60 x 52,9907) 39.885,66 €

zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer 6.381,71 €

= Ausgleichsanspruch 46.267,37 €

Der Ausgleichsbetrag liegt, wie die Klägerin zutreffend ausgerechnet hat (Klagschrift, S. 37 – 39) unter der Höchstbetragsgrenze nach § 89b Abs. 2 HGB.

3. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 352, 353 HGB und für die Zeit ab 11.08.2005 auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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Schlagwörter
KIA (1) KFZ-Vertragshändler (18) Ausgleichsanspruch (86)