Zur Berechnung eines Ausgleichsanspruchs eines Handelsvertreters, der zusätzliche werbende Anzeigen für ein Branchenfernsprechbuch vermittelt, insbesondere zum Billigkeitsaspekt der „Sogwirkung der Marke“
36 O 165/07 Teilurteil verkündet am 5. Oktober 2009 LG Düsseldorf Ausgleichsanspruch, ProvisionsanspruchLandgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Teilurteil
Beachte: Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 25.06.2010 (Az. 16/ U 191/09) das Urteil des LG Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst. In dem Rechtsstreit
[…]
hat die 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19.05.2009 durch […]
Tenor
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 240,18 € zu zahlen sowie weitere 9.059,91 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2008 in Höhe von 33.418,12 € wird die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin war aufgrund schriftlichen Vertrages vom 03.05.1993 ab diesem Tag als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig. Mit Schreiben vom 26.11.2005 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis aus Altersgründen fristgemäß zum 31.05.2006. Im November 2005 vollendete die Klägerin ihr 65. Lebensjahr.
Mit Schreiben vom 24.01.2007 machten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB geltend. Die Beklagte überreichte mit Schreiben vom 16.03.2007 einen Buchauszug, den die Klägerin als ordnungsgemäß akzeptiert hat (Anlagenkonvolut K 5).
Mit der Klage macht die Klägerin Provisionsansprüche geltend darauf beruhend, dass die Beklagte Provisionskürzungen wegen angeblicher Stornofälle vorgenommen hat. Diese beziffert die Klägerin mit insgesamt 7.035,20 € (Bl. 36 GA).
Außerdem macht die Klägerin den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB geltend, den sie mit der Klage in Höhe von 42.478,03 € unter Berücksichtigung eines 20 %-igen Abzugs für Kundenabwanderung und 10 % Abzinsung mit 42.478,03 € errechnet hat (Bl. 40).
Zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte die Positionen 38, 55 bis 58, 68 u. 78 in Gesamthöhe von 201,83 € zuzüglich darauf entfallender Mehrwertsteuer in Höhe von 16 %, als den Betrag von 234,13 € zu zahlen hat. Mit Schriftsatz vom 28.04.2008 hat die Klägerin einen Ausgleichsbetrag von brutto 24.484,24 € geltend gemacht (Bl. 198) und sich den von der Beklagten errechneten Ausgleichsbetrag in Höhe von 6.653,19 € zuzüglich Mehrwertsteuer als Beklagtenvortrag hilfsweise zu eigen gemacht.
Mit Schriftsatz vom 14.08.2008 hat die Klägerin den Rohausgleichsbetrag mit 45.299,57 € bzw. 43.099,54 € berechnet (Bl. 269).
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe Stornierungen zu Unrecht vorgenommen. Die Stornierungen seien von der Klägerin nicht zu vertreten gewesen. Es hätte der Beklagten oblegen auf Vertragseinhaltung zu bestehen. Die Beklagte sei ohne rechtliche Not Stornierungwünschen der Beklagten nachgekommen. Hinsichtlich des Ausgleichsanspruch hat die Klägerin mit Anlage K 17 a die nach ihrer Ansicht nach ausgleichspflichtigen Kunden (Bl. 267 GA)bezeichnet. Soweit die Beklagte die Kunden […], Königshofen, […] und […] sowie […] als nicht ausgleichspflichtig bestritten hat, hat die die Klägerin hingenommen. Streitig sind zwischen den Parteien die Kunden […] GmbH, […] und […] (Bl. 267). Insoweit behauptet die Klägerin, diese Kunden neu geworben zu haben. Unstreitig entfallen auf diese Kunden Provisionen in Höhe von 482,30 € netto.
Die Klägerin meint, es sei ein 6-jähriger Prognosezeitraum für Berechnung des Rohausgleichs zugrunde zu legen. Bei der Kundenabwanderung sei von 9 % auszugehen (Bl. 268 GA). Ein Abzug unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit und dabei wegen „angeblicher Sogwirkung der Marke“ sei nicht vorzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 49.513,23 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagtenvertreter stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen (Bl. 288 GA).
Die Beklagte behauptet, die von ihr vorgenommenen Stornierungen seien gerechtfertigt gewesen. Im Einzelnen wird auf den Vortrag in der Klageerwiderung Bezug genommen. Bezüglich des Ausgleichsanspruchs sei die Rechnung der Klägerin falsch, weil die Klägerin jeweils 2-Jahresverträge zugrunde gelegt habe. Es sei falsch, diese 2-Jahresaufträge auf jedes der kommenden vier Jahre zu prognostizieren.
Die Abwanderungsquote betrage auch nicht 9 % (Bl. 258 GA). Vielmehr betrage sie nach der Feststellung der Beklagten 24,04 %, was sich aus der Anlage B 4 zum Schriftsatz vom 23. Juni 2009 (Bl. 327/336 GA) ergebe. Der Prognosezeitraum sei auch auf maximal 3 Jahre zu begrenzen.
Schließlich entspreche es dem Gesichtspunkt der Sogwirkung der Marke unter Billigkeitsgründen 20 % abzuziehen. Insoweit nimmt die Beklagte Bezug auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 31.10.2006 – 14 U 69/06 -.
Vor diesem Hintergrund errechnet die Beklagte einen Ausgleichsanspruch von netto 6.577,01 € und unter Berücksichtigung einer Abzinsung von 5 % einen Rohausgleichsbetrag von 6.095,73 € (Bl. 341).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Die Kammer hat es für sachdienlich erachtet, durch Teilurteil zu entscheiden, § 301 ZPO. Der Rechtsstreit ist teilweise zur Entscheidung reif, im Übrigen bedarf er noch umfangreicher Aufklärung.
1. Die Klägerin hat Anspruch auf rückständige Provisionen aus dem Handelsvertretervertrag der Parteien in Höhe von 201,83 € netto für die Provisionsfälle (gemäß Nummerierung in der Klageschrift und Klageerwiderung) 38, 55 bis 58, 68 und 78 in Höhe von 12,02 €, 3 x 51,19 € = 155,73 €, 16,59 € und für den Fall 78 in Höhe von 17,49 €. Darauf entfallen die zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen 16 % Umsatzsteuer, so dass ein Betrag von 240,18 € sich ergibt. Aus Gründen der Klarheit hat die Kammer diesen Betrag gesondert in den Tenor aufgenommen.
2. Die Klägerin hat ferner Anspruch gemäß § 89 b Abs. 1, Abs. 2 HGB. Über den grundsätzlichen Anspruch der Klägerin besteht zwischen den Parteien kein Streitpunkt.
Die Höhe des Anspruchs ist von der Beklagten im Wesentlichen in ihrem letzten Schriftsatz vom 23. Juni 2009 berechnet worden und unter Berücksichtigung der Anlage K 17 a der Klägerin.
Zwischen den Parteien sind streitig, ob die Kunden […] GmbH, […] und […] Kunden oder Neukunden sind.
Tatsächlich hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.03.2008, Anlagenkonvolut B 4, Anlage Nr. 1, 2 und 4, den Nachweis geführt, dass die Kunden Altkunden waren, weil die entsprechenden Provisionsverträge aus 1993 stammen (Bl. 330 GA). Folglich sind die Umsätze für diese Kunden mit € 482,30 aus der Anlage K 17 a herauszurechnen.
Ferner hat die Beklagte zutreffend beanstandet, dass die Kunden […] und […] mit Beträgen von 792,20 € zu Unrecht in die Anlage K 17 a eingestellt worden sind (Bl. 330 GA). Denn es handelt sich um nachvertragliche Provisionen, die bei der Berechnung des Basisbetrages keine Berücksichtigung finden. Maßgebend für den Ausgleichsanspruch ist nämlich der Zeitraum bis 30.05.2006, da die Klägerin selbst den Zeitraum beginnend mit 01.06.2005 annimmt.
Damit ist der von der Klägerin in der Anlage K 17 a genannte Basisvertrag um weitere 792,20 € zu kürzen.
Zutreffend hat die Beklagte auch ausgeführt, dass die Provisionsberechnung für die […] GmbH um 421,08 € zu kürzen ist.
Ferner sind Kürzungen vorzunehmen, weil die Klägerin Provisionen für 2-Jahresverträge zugrunde gelegt hat.
Dabei kann die Zugrundelegung von 2-Jahresaufträgen für das Jahr 2007 nicht richtig sein, weil diese nicht den Ausgleichszeitraum betreffen.
Zutreffend hat die Beklagte nämlich dargelegt, dass die 2-Jahresaufträge für den vorliegenden Ausgleichsanspruch nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie für das erste Jahr 2006 anfallen.
Gemäß der zutreffenden und nicht angegriffenen Berechnung der Beklagten ist daher der Basisbetrag der Klägerin um weitere 3.603,10 € zu kürzen. Daraus ergibt sich ein Ausgangsbetrag von 4.632,02 €.
Bei der Abwanderungsquote gilt, dass die Beklagte diesen durch die Aufstellung mit Schriftsatz vom 23.06.2009 mit 24,04 % in einzelnen errechnet und belegt hat. Andere Erkenntnisquellen sind von der Klägerin nicht dargelegt.
Daraus ergibt sich, ein Rohausgleich für das Jahr 2007 in Höhe von 4.632,02 € abzüglich 24,04 % = 3.581,48 €. Dieser Betrag ist für 2008 zugrunde zu legen und eine weitere Abwanderungsquote von 24,04 % abzuziehen, so dass sich 2.672,64 € ergeben. Für das Folgejahr 2009 ergibt sich weiter ein um 24,04 % verkürzter letztgenannter Betrag, woraus sich 2.030,14 € ergeben. Die Summe der Provisionsliste errechnet sich deshalb entsprechend der Berechnung der Beklagten mit 8.221,26 €.
Davon sind unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht 20 % abzuziehen wegen der Sogwirkung der Marke.
Die Kammer teilt nicht die Rechtsauffassung des Kammergerichts, die die Beklagte im Schriftsatz vom 23. Juni 2009 dargelegt hat. Das Kammergericht meint, dass „angesichts des Bekanntheitsgrades des von der Beklagten vertriebenen Branchenfernsprechbuches und dessen allgemein bekannter, wichtiger Werbewirkung gerade für die erste Geschäftsanbahnung ein Abschlag von 20 angemessen“ ist. Weil das Branchenfernsprechbuch auch in Form einer CD-Rom herausgegeben wird, sei auch nicht wegen der Zunahme elektronischer Werbeträger von einem geringeren Billigkeitsabschlag auszugehen.
Diese Ausführungen beruhen auf einem nicht aktuellen Verständnis elektronischer Werbeträger. Nach Auffassung der Kammer kann kein Zweifel bestehen, dass Auskunftsdateien von Mikrosoft und insbesondere Google weitaus mehr Interessenten ansprechen als die Gelben Seiten des altherkömmlichen – Telefonbuchs. Die Kammer hat dabei auf die Einholung eines Gutachtens verzichtet. Es ist allgemein bekannt, § 291 ZPO, und damit für jeden offenkundig, dass etwa Auskunftsseiten wie Google weltweit und in der Bundesrepublik und vor allem regional von jedem Computer und von vielen anderen Kommunikationsmitteln wie Handys etc. zugänglich sind und Auskünfte jeder Art, insbesondere auch zu Gewerbetreibenden, bieten, die den Auskünften und Informationen der gelben Seiten entsprechen.
Unter diesen Umständen kann nur nach einem überholten und überkommenen Verständnis von einer Sogwirkung der gelben Bücher der Beklagten gesprochen werden. Auf der Grundlage der Verbreitung von PC, Laptops, Handys oder anderen Kommunikationsgeräten in fast jedem Haushalt ist das Gewicht von Auskunftsseiten etwa wie von Google ungleich größer als der von herkömmlichen gelben Seiten.
Hinzu kommt, dass die Nutzung z. B. von Google oder anderen Auskunftsteilen im Internet überall und jederzeit möglich ist, soweit nur entsprechende elektronische Geräte wie Handys, PC, Laptops u. a. verfügbar sind. Nach dem Verständnis der Kammer ist deshalb von einer Sogwirkung der von der Beklagten angebotenen Erzeugnisse in Papierform nicht mehr gegeben. Eine entsprechende Rechtsauffassung erscheint der Kammer überholt. Damit bleibt es bei dem Betrag von 8.221,26 €.
Dieser ist auch in Anbetracht der Dauer des Rechtsstreits abzuzinsen (BGH BB 91, 368). Bei einer geschätzten Abzinsung gemäß § 287 ZPO von 411,00 € (5 %) ergibt sich daraus ein Rohausgleich von 7.810,26 €. Darauf hat die Beklagte 16 % Mehrwertsteuer zu zahlen (damals geltender Umsatzsteuersatz). Dies sind 1.249,65 €. Daraus ergibt sich ein Gesamtrohausgleich von 9.059,83 €.
Der weitergehende Anspruch aus dem Antrag in der Klageschrift (49.513,23 – 7.035,20 = 42.478,03 – 9.059,91 = 33.418,12) ist unbegründet.
Die Entscheidung über den Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 2 BGB.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Streitwert dieses Teilurteils: bis 43.000,00 €.