Berechnung des Beginns der Verjährungsfrist in Überleitungsfällen nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB

Handelsvertreterrecht

Nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB finden die seit dem 01.01.2002 geltenden Verjährungsvorschriften auf einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch Anwendung, der an diesem Tag noch nicht verjährt war. Dieser Anspruch unterlag ursprünglich der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. Die Verjährungsfrist begann gem. § 198 S. 1 BGB a.F. mit der Entstehung des Anspruchs, im vorliegenden Fall demnach mit der Rückzahlung des Zwischenfinanzierungsdarlehens im April 1997. Danach wäre die Verjährung erst im Jahre 2027 eingetreten.

Mangels einer Sonderregelung unterfällt der geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Inkrafttreten des neuen Verjährungsrecht am 01.01.2002 der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Da diese Verjährungsfrist kürzer ist, als die bis zum 01.01.2002 geltende Regelverjährung, ist sie gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB von dem 01.01.2003 an zu berechnen, soweit der Verjährungsbeginn nicht gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Folge späterer Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Anspruchsstellers verschoben worden ist.

Für den Beginn der Verjährungsfrist nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB i.V.m. § 195 BGB ist nicht allein der Stichtag des 01.01.2002 maßgeblich, sondern es müssen auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen. In der Instanzenrechtsprechung und der Literatur ist streitig, ob in den von Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB geregelten Übergangsfällen die kenntnisabhängige Dreijahresfrist des § 195 BGB nur dann von dem 01.01.2002 an zu berechnen ist, wenn der Gläubiger in diesem Zeitpunkt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von seinem Anspruch hatte oder diese nur in Folge grober Fahrlässigkeit nicht hatte. Dies wird von der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bejaht.

Der erkennende Senat des BGH hat sich dieser Auffassung mit der Begründung angeschlossen, dass die genannte Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht nur das weitere Schicksal einer bereits laufenden Verjährungsfrist regelt, sondern auch eine Regelung zum Fristbeginn enthält. Denn die kürzere Verjährungsfrist soll danach nicht am Stichtag des 01.01.2002 beginnen, sondern von diesem Tag an „berechnet“ werden. Die Berechnung erfordert eine rechtliche Beurteilung und Entscheidung der Frage des Fristbeginns. Aufgrund dessen sind die Regelungen des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 1 EGBGB nicht widerspruchsfrei.

Der Widerspruch ist in der Weise aufzulösen, dass bei einem Anspruch, der der Regelverjährung unterliegt, in den Fristenvergleich nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB in Bezug auf das neue Recht sowohl die kurze, kenntnisabhängige (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) als auch die längere, kenntnisunabhängige Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 2-4 BGB) einzubeziehen sind; maßgebend ist die im konkreten Fall früher ablaufende Frist. Dabei ist die Höchstfrist stets von dem 01.01.2002 an zu berechnen, während dies für die regelmäßige Frist des § 195 BGB nur dann gilt, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorlagen. Auf diese Weise kann dem Gesamtsystem und den Wertungen des neuen Verjährungsrechts Rechnung getragen werden, das nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB möglichst zügig und umfassend zur Anwendung kommen soll. Dabei wird auch berücksichtigt, dass der Gesetzgeber die Einführung der kurzen Regelverjährungsfrist von drei Jahren deshalb als unbedenklich angesehen hat, weil die Verkürzung der Frist durch den nach dem subjektiven System hinaus gezogenen Fristbeginn kompensiert wird und die Höchstfristen der Gefahr der Verjährung von Ansprüchen, die dem Gläubiger unbekannt sind, auf ein annehmbares Maß reduzieren. Dem Schutzbedürfnis des Gläubigers entspricht es, eine kürzere Verjährungsfrist erst dann anzunehmen, wenn auch alle Voraussetzungen dieser Frist vorliegen. Die Interessen des Schuldners werden durch die Höchstfristen aus § 199 Abs. 2-4 BGB und die Regelung des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB gewahrt.

Diese Auslegung entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu der das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 01.01.1900 begleitenden Überleitungsvorschrift des Art. 69 EGBGB, dem Art. 229 § 6 EGBGB nachgebildet worden ist. Danach sollte in dem Fall, in dem die Verjährungsfrist nach altem Recht länger war als nach neuem Recht, dieses aber an den Beginn der Verjährung strengere Anforderungen stellte, als das alte Recht, die Verjährungsfrist des neuen Rechts erst von dem Zeitpunkt an beginnen, in dem alle Voraussetzungen dieser kürzeren Verjährung erfüllt waren.