Bestimmung des zulässigen Rechtsweges bei Einfirmen-Handelsvertretern

Versicherungsvertreterrecht

ArbGG § 5 Abs. 3 Satz 1; HGB § 92 a Abs. 1 Satz 1

Der in einem Handelsvertretervertrag enthaltenen Bestimmung „Frau F. ist als selbständiger Bausparkassen-/ Versicherungsvertreter/-in nach § 92 i.V.m. §§ 84 ff. HGB im Hauptberuf ständig damit betraut, ausschließlich für die P. und ihre Produktpartner Bauspar-, Finanzierungs- und Vermögensaufbauprodukte zu vermitteln“ ist ein vertragliches Tätigkeitsverbot im Sinne von § 92 a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB zu entnehmen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – VII ZB 16/14, ZVertriebsR 2015, 117).

BGH, Beschluss vom 21.10.2015 – VII ZB 8/15 (KG Berlin) Anmerkung von Dr. Michael Hallermann-Christoph

1. Problembeschreibung

Der BGH hatte einen Streit über den zulässigen Rechtsweg zu entscheiden. Die Klägerin, die über ein bundesweites Netz von Handelsvertretern Bauspar-, Finanzierungs- und Vermögensaufbauprodukte vertreibt, forderte von der beklagten Handelsvertreterin die Rückzahlung vorschüssig gezahlter, ihrer Ansicht nach jedoch nicht verdienter Provisionen zurück.

Das Landgericht hatte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt, das Beschwerdegericht wollte den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verweisen. Der BGH hob den Beschluss des Beschwerdegerichts auf und verwies die Sache nach dort zurück.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG können ausnahmsweise auch für Rechtsstreitigkeiten mit selbständigen Handelsvertretern die Arbeitsgerichte zuständig sein, wenn diese zu dem in § 92 a HGB definierten Personenkreis gehören und während der letzten 6 Monaten des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als € 1.000 aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben.

Der BGH hatte zum einen die Frage zu prüfen, ob es sich bei der Beklagten um eine sog. Einfirmenvertreterin im Sinne von § 92 a Abs. 1 HGB handelte. Die Vorschrift gilt sowohl für Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (Einfirmenvertreter kraft Vertrages) als auch für Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (Einfirmenvertreter kraft Weisung).

Der Vertretervertrag der Parteien sah hierzu vor, dass die Beklagte als selbständige Vertreterin im Hauptberuf ständig damit betraut war, ausschließlich für die Klägerin Produkte der vereinbarten Art zu vermitteln.

Zum anderen stritten die Parteien über die Frage, ob die Beklagte in den letzten 6 Monaten des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt mehr als € 1.000 pro Monat verdient hatte.

2. Rechtliche Wertung

Zur ersten Frage knüpfte der BGH an seine Entscheidung vom 16.10.2014 an (Az. VII ZB 16/14). Dort hatte er unter Hinweis auf den besonderen sozialen Schutz des Einfirmen-vertreters i.S.v. § 92 a Abs. 1 HGB bereits festgestellt, dass ein Handelsvertreter als Einfirmenvertreter kraft Vertrages einzustufen ist, wenn ihm auferlegt wird, hauptberuflich ausschließlich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat. Auch wenn einem solchen Handelsvertreter eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist, sei er bei der gebotenen typisierenden Betrachtung einem Angestellten ähnlich angenähert, wie ein Handelsvertreter, dem es vertraglich vollständig untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden (BGH, Beschluss vom 16.10.2014, Az. VII ZB 16/14 m.w.N.).

Dies wurde vom BGH noch einmal bestätigt, so dass unabhängig davon, ob man die Wertungen des BGH teilt, von einer gefestigten Rechtsprechung hierzu auszugehen ist.

Interessanter sind daher die Ausführungen des BGH zu der Frage, wie die monatliche Durchschnittsprovision eines Handelsvertreters im Hinblick auf die € 1.000-Grenze zu berechnen ist. Hier verweist der BGH auf den von ihm bereits mehrfach bestätigten Grundsatz, dass alle unbedingt entstandenen Ansprüche des Handelsvertreters unabhängig davon zu berücksichtigen sind, ob und auf welche Weise sie vom Unternehmer erfüllt wurden, während lediglich als vorläufige Zahlungen gewährte Vorschüsse, die dem Handelsvertreter nicht auf Dauer verbleiben, grundsätzlich keine Vergütung i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2011, Az. VIII ZB 91/10). Werden die im maßgeblichen Zeitraum gewährten Vorschüsse allerdings nachträglich durch entsprechende unbedingt entstandene Provisionsansprüche ins Verdienen gebracht, so sollen sie doch in die Ermittlung der durchschnittlichen Monatsprovision einfließen (BGH, a.a.O.).

Diese Berechnungsweise ergänzt der BGH dahingehend, dass in dem Fall, dass Provisionsvorschüsse in den letzten 6 Monaten des Vertragsverhältnisses gezahlt und später dann ins Verdienen gebracht wurden, am Ende wieder außer Betracht bleiben, wenn die an sich verdienten Provisionen durch Stornierung der vermittelten Verträge nachträglich wieder entfallen.

Was auf den ersten Blick konsequent erscheint, stellt für eine zuverlässige Feststellung des richtigen Rechtsweges ein erhebliches Problem dar. Hierzu muss man wissen, dass im Bereich der Vermittlung von Versicherungs-, Bauspar- und Finanzprodukten die Provision in aller Regel bei Abschluss des vermittelten Vertrages als Vorschuss gezahlt wird. Verdient wird die Provision gemäß § 92 Abs. 4 HGB in Abhängigkeit von den vom Kunden zu zahlenden Beiträgen. Insoweit werden sog. Stornohaftungszeiten vereinbart, die verstreichen müssen, bis ein Provisionsvorschuss endgültig verdient ist. Diese Storno¬haftungszeiten können mehrere Jahre betragen.

Zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Streit zwischen Handelsvertreter und Unternehmer entsteht, lässt sich damit häufig noch gar nicht absehen, in welchem Umfang die in den letzten 6 Monaten gezahlten Vorschüsse am Ende ins Verdienen gebracht werden und überdies nicht durch Stornierung der vermittelten Verträge – rechtswirksam – wieder entfallen. Die Provisionsabrechnungen erfolgen in der Regel monatlich, so dass sich nach den vom BGH festgelegten Berechnungsgrundsätzen der maßgebliche Monatsdurchschnitt gem. § 5 Abs. 3 ArbGG ständig ändert.

Zu diesem Problem verweist der BGH auf § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG, wonach die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird. Etwaige Veränderungen nach Rechtshängigkeit, durch die ein zunächst unzuständiges Gericht zuständig wird, seien hingegen beachtlich. Der Grundsatz der Fortdauer der Zulässigkeit des Rechtswegs gilt grundsätzlich nur rechtswegerhaltend, lässt mithin deren nachträgliche Begründung – vor rechtskräftiger Verweisung in einen anderen Gerichtszweig – zu (BGH, Beschluss vom 11.01.2001, Az. V ZB 40/99; Zöller, § 17 GVG, Rn. 1 f. ).

3. Praktische Folgen

Die Entscheidung des BGH wirft für die Praxis in allen Fällen, in denen sich die durchschnittliche Monatsprovision eines Handelsvertreters, insbesondere im Bereich der Versicherungs-, Bauspar- und Finanzprodukte, in der Größenordnung von € 1.000 bewegt, erhebliche Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten auf. Gerade dann, wenn der Handelsvertreter in den letzten Monaten zum Vertragsende hin seinen Einsatz für den Unternehmer bereits reduziert, ist es nicht selten, dass die durchschnittliche Monatsprovision um € 1.000 liegt.

Kommt es zu einer Klage – sei es des Unternehmers, sei es des Handelsvertreters –, muss auf den Punkt genau die durchschnittliche Monatsprovision für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ermittelt werden. Das bedeutet, es sind alle an den Vertreter geleisteten Zahlungen zu prüfen und – soweit es sich um Vorschüsse handelt – ist zu klären, ob diese zwischenzeitlich ins Verdienen gebracht wurden bzw. anschließend aufgrund von Stornierungen der vermittelten Verträge wieder entfallen sind.

Etwaige Rechenfehler oder spätere Veränderungen sind nur dann unschädlich, wenn der zulässige Rechtsweg bereits rechtskräftig vom Gericht festgestellt worden ist oder dazu führen, dass sich der zunächst fälschlich eingeschlagene Rechtsweg nachträglich – und rechtzeitig – als richtig erweist.
Da es außerdem in zahlreichen Fällen Streit zwischen Vertreter und Unternehmer darüber gibt, inwieweit eine Provisionsrückbelastung unter Beachtung der zwingenden provisions-schützenden Regelungen in § 87 a Abs. 3 HGB überhaupt zulässig ist, dürften die Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechtsweges zunehmen und nicht immer einfach zu lösen sein. Der weitere Hinweis des BGH in seinem Beschluss vom 21.10.2015, dass bei sog. „doppelrelevanten Tatsachen“ für die Frage des Rechtswegs die Richtigkeit des Klagevortrags zu unterstellen ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27.10.2009, Az. VIII ZB 42/08), hilft dabei nur begrenzt.

gez. RA Dr. Hallermann-Christoph

Rechtsprechung zur Besprechung
VII ZB 8/15 – Bestimmung des zulässigen Rechtsweges bei Einfirmen-Handelsvertretern