Eine Abmahnung und anschließende fristlose Kündigung sind ausnahmsweise auch erst mehrere Monate nach Kenntniserlangung von der vertragswidrigen Konkurrenztätigkeit möglich

Vertragshändlerrecht

Ein Händler (H) war vom Unternehmer (U) abgemahnt worden, weil er vertragswidrig Wettbewerbsprodukte veräußert hatte. Die Parteien einigten sich abschließend darauf, dass der Händler die Restbestände der Wettbewerbsprodukte noch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufen dürfe. Anschließend musste der U jedoch feststellen, dass der H den Verkauf der Wettbewerbsprodukte auf seinem Betriebsgrundstück fortgesetzt hat. Erst drei Monate nach dieser Feststellung forderte der U den H unter Fristsetzung und Androhung einer außerordentlichen Kündigung auf, die vertragswidrige Wettbewerbstätigkeit zu unterlassen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist erklärte der U die fristlose Kündigung. Der H hat daraufhin Klage auf Feststellung erhoben, dass sein Vertragsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des H hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und festgestellt, dass der Händlervertrag nicht durch die fristlose Kündigung des U mit sofortiger Wirkung beendet worden sei, sondern noch bis zum nächstmöglichen ordentlichen Beendigungstermin fortbestehe. Begründet hat das OLG seine Auffassung mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH, wonach der U bei hinreichend sicherer Kenntnis von den die Kündigung aus wichtigem Grund begründeten Umständen ohne schuldhaftes Zögern kündigen müsse. Ein zweimonatiges Zuwarten sei in der Regel nicht mehr als angemessene Zeitspanne zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur Überlegung der Folgerungen hierauf anzusehen, weil es darauf hindeute, dass der Kündigende das beanstandete Verhalten selbst als nicht so schwerwiegend empfunden habe, dass es eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar sei.

Der BGH hat die Feststellung des Berufungsgerichts, dass eine außerordentliche Kündigung eines Händlervertrages innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis von dem Kündigungsgrund ausgesprochen werden müsse, grundsätzlich bestätigt. Der vorliegende Fall sei aber deshalb anders zu beurteilen, weil es sich bei dem vertragswidrigen Verhalten um ein Dauerverhalten handelt. Das Berufungsgericht habe übersehen, dass der wesentliche Grund für die vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung, ein zweimonatiges Zuwarten führe im Regelfall zum Verlust des Kündigungsrechts, darin liege, dass ein solches Zuwarten darauf hindeutet, dass der Kündigende das beanstandete Verhalten selbst als nicht so schwerwiegend empfunden habe, dass eine weitere Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung unzumutbar wäre. Maßgeblich sei mithin das mit zunehmender Dauer der Nichtbeanstandung des Vertragsverstoßes steigende Vertrauen des Vertragspartners auf den Fortbestand des Vertrages. Ein solches Vertrauen des H war hier jedoch schon deshalb nicht berechtigt, weil ihm bekannt war, dass der U die im Vorjahr begangenen, gleichartigen Verstöße gegen das Konkurrenzverbot nicht hingenommen, sondern eine Abmahnung ausgesprochen und eine fristlose Kündigung des Händlervertrages angedroht hatte.
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf stelle die Fortsetzung des Wettbewerbsverstoßes nach der Abmahnung am 21.09.2005 einen neuen, selbständigen Kündigungsgrund dar. Schon deshalb stehe der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung nicht entgegen, dass die Beklagte bereits im Juni 2005 Kenntnis von dem Verstoß der Klägerin gegen das Konkurrenzverbot erlangt habe. Die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hätte zur Folge, dass der Unternehmer ein fortgesetztes vertragswidriges Verhalten auf Dauer – bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – hinnehmen müsste, wenn er auf den ersten ihm zur Kenntnis gelangten Verstoß nicht innerhalb angemessener Frist die außerordentliche Kündigung erklärt. Das Oberlandesgerichts Düsseldorf verkennt dabei, dass ein dauerhaftes vertragswidriges Verhalten durch ein Zuwarten des Unternehmers nicht zu einem vertragsgemäßen Verhalten wird. Der Unternehmer bleibt damit berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen und eine gleichwohl erfolgte Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung des Vertragshändlervertrages zu nehmen.

Rechtsprechung zur Besprechung
VIII ZR 212/08 – Außerordentliche Kündigung eines Handelsvertreters nach Abmahnung wegen Konkurrenztätigkeit