Kein Anspruch des Handelsvertreters auf Provision für die Nichtkündigung des Kunden bei von ihm vermittelten Dauerverträgen

Provisionsanspruch

OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2023, I-16 U 147/22

Der Handelsvertreter hatte für den Unternehmer Mobilfunkverträge vermittelt. Nach den vertraglichen Vereinbarungen erhielt er für jeden während der Laufzeit des Vertriebsvertrages von ihm erfolgreich neu vermittelten Endkundenvertrag sowie für eine von ihm vermittelte Vertragsverlängerung eine Provision. Endkundenverträge, die erst nach Beendigung des Vertriebsvertrages geschlossen werden, sollten nicht provisionspflichtig sein. Mit „Vertragsverlängerung“ war der Neuabschluss eines Vertrages mit einem bereits bestehenden Kunden gemeint, der an die Stelle des vorhergehenden Vertrages tritt.

Nachdem der Unternehmer den nach Auffassung des OLG berechtigten Verdacht hatte, dass es bei der Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, wurde dieser vom Unternehmer bis zur erbetenen Klärung mit einer teilweisen Sperre belegt, die zur Folge hatte, dass dem Handelsvertreter bestimmte Geschäftsvermittlungen nicht mehr möglich waren. Der Handelsvertreter hielt dies für unberechtigt und erklärte die außerordentliche Kündigung, an der er auch nach entsprechender Aufforderung des Unternehmers, sich zu distanzieren, festhielt. Daraufhin kündigte der Unternehmer seinerseits das Vertragsverhältnis fristlos.

Das OLG stellte fest, dass die besagte Sperre gerechtfertigt war, weil der Handelsvertreter den schwerwiegenden Verdacht, in einer erheblichen Anzahl von Fällen Vertragsabschlüsse nicht ausreichend dokumentiert und Hardware ohne entsprechende Quittung an Kunden herausgegeben zu haben, nicht ausgeräumt hatte.

Das OLG erinnerte daran, dass der Unternehmer in seinen geschäftlichen Dispositionen grundsätzlich frei ist und die in diesem Bereich anfallenden Entscheidungen in eigener Verantwortung und so zu treffen hat, wie es ihm am zweckmäßigsten erscheint. Zwar trifft ihn die Verpflichtung zur Unterstützung und Rücksichtnahme gegenüber seinen Handelsvertretern. Dies gilt aber nur solange und soweit nicht sein Recht auf freie Entscheidung über die Art und Weise der Führung seines Geschäftsbetriebes betroffen ist und Vorrang genießt. Nicht erlaubt ist es dem Unternehmer, sich willkürlich und ohne einen vertretbaren Grund über schutzwürdige Belange des Handelsvertreters hinwegzusetzen.

Im vorliegenden Fall hatte der Unternehmer diese Grenzen gewahrt. Das OLG hob hervor, dass ein Unternehmer nicht dazu verpflichtet ist, sich sehenden Auges der Gefahr von in der Summe jedenfalls gravierenden Vermögensschäden infolge massenhaft nicht ausreichend dokumentierter Vertragsabschlüsse und
-abwicklungen auszusetzen. Als ordentlicher Kaufmann dürfe und müsse er solche Geschäfte von vornherein unterbinden. Die offenbar fehlenden Dokumentationen durch den Handelsvertreter wertete das OLG als wiederholte schwerwiegende Pflichtverletzung, die den Unternehmer auch sofort zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte.

Vor diesem Hintergrund erwies sich die außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters als unberechtigt. In diesem Zusammenhang stellte das OLG klar, dass die unberechtigte fristlose Kündigung eines Vertragspartners nicht automatisch ein sofortiges fristloses Kündigungsrecht des anderen Vertragspartners auslöst. Es sei vielmehr eine Frage der Umstände des Einzelfalls, ob es nicht zuvor noch einer Abmahnung bedarf. Diese war im zu entscheidenden Fall allerdings dadurch erfolgt, dass der Unternehmer den Handelsvertreter zur Erklärung aufgefordert hatte, aus seiner Kündigung keine Rechte abzuleiten.

Des Weiteren hat das OLG klargestellt, dass die Nichtkündigung eines vom Handelsvertreter vermittelten Dauervertrages durch den Kunden grundsätzlich keinen Provisionsanspruch des Handelsvertreters auslöst. Im Anschluss an das Urteil des BGH vom 21.10.2009 (Az. VIII ZR 286/07) wies das OLG darauf hin, dass mit dem ungenutzten Ablauf eines Kündigungstermins nach der Verkehrsanschauung schon kein neuer Geschäftsabschluss eines Dauerschuldverhältnisses verbunden ist. Eine vertragliche Regelung, nach der der Handelsvertreter nur für von ihm vermittelte Neuverträge bzw. „Vertragsverlängerungen“ im obigen Sinn eine Provision erhält, verstoße somit auch nicht gegen § 87 a Abs. 3 HGB.

Dementsprechend musste der Unternehmer keinen Buchauszug über faktische Vertragsverlängerungen durch Nichtkündigung erteilen.

Gleiches stellte das OLG für Folgevertragsabschlüsse mit vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenverbindungen nach  Beendigung des Handelsvertretervertrages fest. § 87 Abs. 1 HGB sei insoweit nicht einschlägig, da danach nur ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft provisionspflichtig ist. Zwar sehe § 87 Abs. 3 HGB unter bestimmten Umständen auch für ein erst nach Vertragsende abgeschlossenes Geschäft eine Provision vor. Diese Bestimmung sei jedoch abdingbar und von dieser Möglichkeit hatten die Parteien nach Auffassung des OLG durch ihre Provisionsregelungen wirksam Gebrauch gemacht.

Erfreulich ist vor allem, dass das OLG mit dieser Entscheidung klargestellt hat, dass die Interpretation der Hinweise desselben Senats in einem Schreiben vom 31.01.2020 in einem anderen Verfahren (Az. I-16 U 6/19), wie sie durch einige Vertriebsrechtler erfolgt ist, fehl geht. Aus den besagten Hinweisen war teilweise abgeleitet worden, dass einem Handelsvertreter, der Dauerschuldverhältnisse vermittelt, grundsätzlich ein Provisionsanspruch auch für die Vertragsverlängerung durch Nichtkündigung des Kunden sowie für Anschlussverträge mit dem Kunden über das Ende des Handelsvertretervertrages hinaus zustehen würde. Es handelte sich aber offenbar um eine Einzelfallentscheidung, die auf den vertraglichen Regelungen im konkreten Fall beruhte. Tatsächlich erscheint die geäußerte Interpretation auch allgemein nicht haltbar. Jeder Provisionsanspruch setzt den Abschluss eines (provisionspflichtigen) Geschäfts während des Vertragsverhältnisses voraus, wie sich unmittelbar aus § 87 Abs. 1 HGB ergibt. Die Nichtkündigung eines Dauerschuldverhältnisses und die daraus resultierende Vertragsverlängerung stellt aber keinen (Folge-) Geschäftsabschluss dar, wie der BGH schon 2009 klargestellt hat. Geschäftsabschlüsse nach Beendigung des Handelsvertretervertrages können nach dem Gesetz nur unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 HGB provisionspflichtig sein. Um zu weitergehenden – oder auch eingeschränkten – Provisionsansprüchen zu gelangen, müssen die Parteien also entsprechende vertragliche Vereinbarungen treffen.

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