Schadensersatzanspruch des Unternehmens wegen Verletzung der Bemühenspflichten des Handelsvertreters
Pflichten des HandelsvertretersOLG Köln, Urteil vom 22.09.2023, 19 U 150/22
Das OLG hat einem Finanzdienstleistungsunternehmen einen von diesem widerklagend geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen einen im Nebenberuf tätigen Handelsvertreter wegen Verletzung seiner Bemühenspflichten zugesprochen.
Aufgrund des unstreitigen Vortrags des Unternehmens, namentlich zum Einbruch der Umsatzergebnisse des Handelsvertreters nach seiner Kündigung vom 01.08.2020, ergebe sich, dass dieser seine Tätigkeit nicht mehr in einem den ihm obliegenden Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag entsprechenden Umfang ausübte. Zwar treffe den Handelsvertreter keine Abschlusspflicht, sondern lediglich eine Bemühenspflicht. Der erhebliche Umsatzeinbruch im Vergleich zu den erreichten Abschlüssen in den Vergleichszeiträumen der Vorjahre stelle jedoch ein ausreichendes Anzeichen für eine Verletzung der Bemühenspflichten dar.
Es hätte danach dem Handelsvertreter oblegen, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu anderen Umständen vorzutragen, die zu dem Umsatzrückgang geführt haben sollen.
Den pauschalen Verweis des Handelsvertreters auf die Corona-Pandemie hat das OLG als unbehelflich angesehen. Der strenge Lockdown sei vielmehr gerade in den Vergleichszeitraum vor Ausspruch der Kündigung gefallen sei. Im fraglichen Zeitraum selbst hätten keine strengen Kontaktbeschränkungen bestanden. Auch mit dem Einwand, er habe sich neben der Vermittlung auch um die Schulung ihm unterstellter Mitarbeiter sowie die Rettung notleidend gewordener Verträge kümmern müssen, konnte der HV nicht gehört werden, da diese Tätigkeiten auch im Vergleichszeitraum angefallen sein müssten. Überdies hatte der Handelsvertreter selbst vorgetragen, in den letzten sechs Monaten vor Vertragsende insgesamt lediglich 13 Kunden zwecks Bedarfsermittlung aufgesucht zu haben, was letztlich eine Verletzung der Bemühenspflichten belege.
Der Schadensersatzanspruch könne allerdings der Höhe nicht ohne weiteres auf Grundlage der Differenz zwischen den Umsatzergebnissen im Vergleichszeiträumen der Vorjahre einerseits und der Zeit nach Ausspruch der Kündigung andererseits geschätzt werden. Eine Pflichtverletzung des Handelsvertreters könne nicht bereits dann angenommen werden kann, wenn es in einzelnen Zeiträumen zu abweichenden Vermittlungserfolgen komme. Der zur ordnungsgemäßen Pflichterfüllung aufzuwendende Tätigkeitsumfang könne nicht starr festgelegt werden, sondern bewege sich in einer gewissen Bandbreite. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die früheren Umsatzergebnisse einem überobligatorischen Einsatz oder – zumindest teilweise – glücklichen Umständen geschuldet sind. Bei der Feststellung einer Pflichtverletzung könne deshalb nicht jede negative Abweichung beim Vermittlungserfolg einen Schaden des Unternehmers darstellen. Aufgrund der bestehenden Schwankungsbreite hat das OLG deshalb im Rahmen der Schadensschätzung einen Abzug von 30 % vorgenommen.