Provisionen, die ein Untervertreter von einem Hauptvertreter für die Vermittlung von Krediten erhält, können ebenfalls von der Umsatzsteuerpflicht befreit sein

Kapitalanlagehaftung

Dem EuGH war ein Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts des Landes Brandenburg (Entscheidung vom 23.11.2005) vorgelegt worden. Im Ausgangsverfahren vor dem Finanzgericht ging es um einen Vermögensberater, der als Untervertreter einer Vertriebsgesellschaft (Hauptvertreter) einen Kreditvertrag zwischen einem Kunden und dem Kreditinstitut vermittelt hatte und für die ihm vom Hauptvertreter eine Provision gezahlt worden war. Der Vermögensberater stritt sich mit dem Finanzamt um die Frage, ob diese Untervertreterprovision von der Umsatzsteuerpflicht gem. § 4 Nr. 8 a) des Umsatzsteuergesetzes befreit ist.

Mit der ersten Frage wollte das Finanzgericht wissen, welche der Tätigkeiten des Untervertreters – die Kreditvermittlung oder die Vermögensberatung – für die Beurteilung seiner Leistung im Hinblick auf die Steuerbefreiung den Ausschlag gibt. Der EuGH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass sich aus Artikel 2 Abs. 1 der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ergibt, dass jede Dienstleistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist und dass eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf. Deshalb sei aufzuklären, ob mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung vorliege. Letzteres sei insbesondere dann der Fall, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung sei als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellten, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund sei die Vermittlungsleistung als die Hauptleistung und die Beratung als bloße Nebenleistung anzusehen, weil zum einen eine Vergütung nur dann gezahlt werde, wenn es zum Abschluss eines Kreditvertrages komme, und zum anderen die Vermögensberatung nur in einem vorbereitenden Stadium geleistet werde, die dem Kunden dabei helfen solle, unter verschiedenen Finanzprodukten diejenigen zu wählen, die seiner Situation und seinen Bedürfnissen am besten entsprechen. Die entscheidende Leistung für die Kreditnehmer sei aber die Kreditvermittlung.

Dem entsprechend kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass der Umstand, dass der Vermögensberater eine Analyse der Vermögenssituation des Kunden vornehme, um ihm zu einem Kredit zu verhelfen, die Anerkennung einer von der Steuer befreiten Leistung der Vermittlung von Krediten nicht entgegenstehe.

Mit seiner weiteren Frage wollte das Finanzgericht des Landes Brandenburg wissen, ob die Umsatzsteuerbefreiung für die Vermittlung von Krediten voraussetze, dass zwischen dem Vermittler einerseits und dem Kreditnehmer und/oder dem Kreditgeber andererseits, ein unmittelbares Vertragsverhältnis bestehe und der Vermittler nur mit dem Kreditnehmer, sondern auch mit dem Kreditgeber in Kontakt treten und mit diesem die Einzelheiten des Vertrages selbst aushandeln müsse.

Für die Beantwortung dieser Frage weist der EuGH einleitend darauf hin, dass die Tatbestände, die zu einer Steuerbefreiung führen, eng auszulegen seien, weil die Steuerbefreiung eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz darstelle, dass jede Dienstleistung, die ein steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Des Weiteren weist der EuGH darauf hin, dass die Steuerbefreiungen autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe darstellen, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen.

Weiterhin stellt der EuGH fest, dass der Begriff der Vermittlung in der 6. Richtlinie selbst nicht definiert wird und wiederholt anschließend seine Begriffsbestimmung, die er im Urteil vom 13.12.2001 in der Sache CSC Financial Services gegeben hat. Er präzisiert diese jedoch dahin, dass die von der Steuer befreiten Umsätze durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder den Empfänger der Leistung definiert werden. Geleistete Dienste könnten dann als von der Steuer befreite Umsätze qualifiziert werden, wenn sie einen im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt. Die Vermittlungstätigkeit ist insoweit eine Mittlertätigkeit, die u.a. darin bestehen kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei Zweck dieser Tätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt hat. Daraus ergebe sich – so der EuGH –, dass die Anerkennung einer von der Steuer befreiten Vermittlungstätigkeit nicht unbedingt vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer der Parteien des Kreditvertrages abhänge.

In diesem Zusammenhang weist der EuGH darauf hin, dass sich aus dem bereits genannten Urteil CSC Financial Services nichts anderes ergäbe. Dort sei geprüft worden, ob die Firma CSC mit einem Subunternehmer zu vergleichen sei, dem eine Vertragspartei mit dem Vertrag verbundene schlichte Sachaufgaben anvertraut hatte (die von der Steuerbefreiung nicht erfasst werden) oder ob die Fa. CSC eine eigenständige Dienstleistung erbracht hatte.

Im Ergebnis könne die Steuerbefreiung somit nicht davon abhängen, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer Partei des Kreditvertrages bestehe. Vielmehr sei auf die Art der erbrachten Leistung und ihren Zweck abzustellen.

Schließlich folge aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass die Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein müsste, das Organisationsmodell zu wählen, das ihnen, rein wirtschaftlich betrachtet, am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Umsätze von der vorgesehenen Steuerbefreiung ausgeschlossen werden. Es komme darauf an, dass die vom Dienstleister erbrachte Dienstleistung im Großen und Ganzen ein eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt.

Vor diesem Hintergrund steht auch die Aufteilung einer Dienstleistung der Vermittlung von Krediten in zwei Leistungen, von denen die eine vom Hauptvertreter, die andere vom Untervertreter erbracht wird, einer Steuerbefreiung nicht entgegen. Der Begriff der Vermittlung setze nicht unbedingt voraus, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbarem Kontakt mit beiden Vertragsparteien tritt. Voraussetzung sei allerdings, dass sich seine Tätigkeit nicht auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränke.

Im Ergebnis schließe daher der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger zu keiner der Parteien eines Kreditvertrags, zu dessen Abschluss er beigetragen hat, in einem Vertragsverhältnis steht und mit einer der Parteien nicht unmittelbar in Kontakt tritt, nicht aus, dass er eine von der Steuer befreite Leistung der Vermittlung von Krediten erbringe.

Rechtsprechung zur Besprechung
C-453/05 – Vermögensberatung, Umsatzsteuer, Vermittlung von Krediten