Vorschriften über Bezirksprovision des Handelsvertreters sind abdingbar

Handelsvertreterrecht

HGB § 87 Abs. 2

Die gesetzlichen Regelungen über die Bezirksprovision sind in den allgemeinen Grenzen dispositiv. Aus Art. 7 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. EG Nr. L 382 S. 17) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

BGH, Beschluss vom 24.04.2014 – VII ZR 163/13 (OLG Nürnberg), Anmerkung von RA Dr. Hallermann-Christoph

1. Problembeschreibung

Der BGH hatte im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde darüber zu entscheiden, ob es zulässig ist, einem Handelsvertreter einen bestimmten Tätigkeitbezirk zuzuweisen und zugleich mit ihm zu vereinbaren, dass er nur für die von ihm selbst mit Kunden im Vertragsgebiet vermittelten Geschäfte eine Provision erhält, während für Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung zwischen dem Unternehmer und Kunden im Vertretungsgebiet zustande kommen, kein Provisionsanspruch entsteht.

Im konkreten Fall war die Klägerin als Handelsvertreterin für eine Verlagsgesellschaft (Beklagte) tätig und damit beauftragt worden, in einem festgelegten Bezirk Anzeigen und Werbebeilagen für bestimmte Anzeigenblätter zu akquirieren. Eine Provision sah der Vertrag aber nur für die von ihr mit Kunden in ihrem Bereich ordnungsgemäß abgeschlossenen Geschäfte vor. Geschäfte zwischen dem Verlag und bezirksansässigen Kunden, die ohne Mitwirkung der Klägerin zustande kamen, sollten nicht provisionspflichtig sein.

Dies hielt die Klägerin für unzulässig und sie verlangte von der Beklagten Provision auch für nicht von ihr selbst vermittelte Geschäfte. Sie berief sich dabei auf Art. 7 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (im Folgenden: Handelsvertreter-Richtlinie).

Der hier einschlägige Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie wurde in Deutschland durch § 87 Abs. 2 HGB umgesetzt. Der einschlägige Passus in Art. 7 Abs. 2 lautet: „Für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft hat der Handelsvertreter ebenfalls Anspruch auf Provision, wenn ihm ein bestimmter Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen ist … und sofern das Geschäft mit einem Kunden abgeschlossen worden ist, der diesem Bezirk oder dieser Gruppe angehört.“ Dem entspricht die Regelung in § 87 Abs. 2 HGB.

Obwohl weder Art. 7 der Handelsvertreter-Richtlinie, noch § 87 HGB eine Bestimmung enthalten, wonach die dortigen Vorschriften zwingender Natur wären, wurde in der Literatur von einigen Autoren aus dem Urteil des EuGH vom 12.12.1996 (Az. C-104/95 – Kontogeorgas) der Schluss gezogen, dass die so genannte Bezirksprovision nicht vertraglich dahingehend abänderbar sei, dass ein Handelsvertreter, dem ein bestimmter Bezirk zugewiesen wurde, Provision nur für selbstvermittelte Geschäfte erhält (vgl. z. B. die Nachweise bei Baumbach/Hopt, Kommentar zum HGB, § 87 HGB, Rn. 48).

2. Rechtliche Wertung

Der BGH bestätigte die herrschende Meinung, nach der § 87 Abs. 2 HGB insoweit dispositiv ist, als für den Provisionsanspruch eines Bezirksvertreters zusätzlich seine Mitwirkung für den Abschluss eines provisionspflichtigen Geschäfts vorausgesetzt werden kann. Dies sei auch mit Blick auf Art. 7 der Handelsvertreter-Richtlinie nicht weiter klärungsbedürftig.

Das Ergebnis des BGH überzeugt. Er weist zutreffend darauf hin, dass es sowohl mit den Gesetzesmaterialien des deutschen Gesetzgebers, als auch mit der Entstehungsgeschichte der Handelsvertreter-Richtlinie im Einklang steht. Das Handelsvertreterrecht des HGB und auch die Vorschriften der Handelsvertreter-Richtlinie sehen zwar zum Teil zwingende Regelungen vor. Dies ist dann in der entsprechenden Norm aber ausdrücklich so festgelegt (z. B. § 86, § 86 a, § 87 a, § 87 c oder § 89 b HGB oder Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 3, Art. 12 Abs. 3 oder Art. 19 der Handelsvertreter-Richtlinie).

Für § 87 HGB ist eine zwingende Ausgestaltung jedoch gerade nicht vorgesehen. Gleiches gilt für Art. 7 der Handelsvertreter-Richtlinie, obwohl ein früherer Vorschlag noch vorgesehen hatte, dass auch die Bestimmungen zur Bezirksprovision unabdingbar sein sollten. Dies ist in die Endfassung der Handelsvertreter-Richtlinie aber gerade nicht übernommen worden und die Regelungen zur Bezirksprovision in Österreich und Italien sehen sogar ausdrücklich vor, dass abweichende Vereinbarungen der Parteien zulässig sind.

Schließlich setzt sich der BGH mit dem oben erwähnten Urteil des EuGH von 12.12.1996 in der Sache Kontogeorgas auseinander und weist zutreffend darauf hin, dass sich diesem nichts Abweichendes entnehmen lässt. Im damaligen Fall ging es schlicht um die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Handelsvertreter-Richtlinie. Die Parteien hatten sich auf eine Bezirksvertretung geeinigt, ohne zusätzliche Regelungen im Hinblick auf die Bezirksprovision des Handelsvertreters zu treffen. Für diesen Fall hatte der EuGH klargestellt, dass sich sowohl aus dem Wortlaut, als auch aus der Struktur des Art. 7 der Handelsvertreter-Richtlinie (gleiches gilt für § 87 HGB) ergibt, dass die gesetzlich normierte Bezirksprovision keine Mitwirkung des Handelsvertreters für einen Provisionsanspruch voraussetzt, sondern schlicht alle Geschäfte des Unternehmers mit bezirksansässigen Kunden provisionspflichtig sind. Mit der Frage, ob eine abweichende vertragliche Regelung zulässig ist, hat sich der EuGH nicht auseinandergesetzt.

In Anbetracht einer solchen klaren Sach- und Rechtslage hielt es der BGH richtigerweise nicht für veranlasst, den EuGH anzurufen.

3. Praktische Folgen

Der Beschluss des BGH schafft für die Praxis Klarheit. Die Parteien eines Handelsvertretervertrages dürfen vereinbaren, dass dem Handelsvertreter nur eine Provision für selbst vermittelte Geschäfte zusteht, auch wenn ihm ein bestimmter (Tätigkeits-) Bezirk zugewiesen wird. Die von einer Mindermeinung hieran geäußerten Zweifel dürften sich erledigt haben.

Es bleibt damit den Parteien überlassen, ob sie die gesetzliche Regelung zur Anwendung bringen wollen, nach der dem Bezirksvertreter unabhängig von seiner Mitwirkung ein Provisionsanspruch für alle Geschäfte des Unternehmers mit bezirksansässigen Kunden, die seiner Vermittlungsbefugnis unterfallen, zusteht oder ob sie eine davon abweichende Regelung treffen wollen.

Nicht abschließend entschieden hat der BGH, ob eine solche Vereinbarung auch im Rahmen eines Formularvertrages getroffen werden kann. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum eine AGB-rechtliche Beurteilung – von Ausnahmefällen abgesehen – anders ausfallen sollte. Sofern der Handelsvertretervertrag klar und deutlich formuliert, dass der Vertreter zwar nur in einem bestimmten Gebiet tätig werden soll, er aber dennoch Provision nur für Geschäfte erhält, an denen er mitgewirkt hat, liegt darin nicht per se eine unangemessene Benachteiligung. Anders könnte es z.B. sein, wenn der Vertreter aufgrund der Regelungen des Vertrages zunächst von einer „echten“ Bezirksvertretung ausgehen muss und sich erst an späterer Stelle mehr oder weniger versteckt die Einschränkung findet, dass der Provisionsanspruch eine Mitwirkung des Handelsvertreters an dem Geschäft voraussetzt (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.07.1971, Az. 8 U 104/71).

Dr. Hallermann-Christoph ist Rechtsanwalt und Partner der ausschließlich auf dem Gebiet des Vertriebsrechts tätigen Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel in Göttingen.

Rechtsprechung zur Besprechung
VII ZR 163/13 – Vorschriften über Bezirksprovision des Handelsvertreters sind abdingbar