Wettbewerbsverstoß als vertraglich vereinbarter wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung, Erfordernis einer Abmahnung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung

Versicherungsvertreterrecht

Das Berufungsgericht hatte nach Auffassung des BGH das Vorliegen eines wichtigen Grundes rechtsfehlerfrei verneint, weil es die dem Handelsvertreter vorzuwerfenden Wettbewerbsverstöße unter Würdigung aller Umstände und Abwägung der beiderseitigen Interessen als so geringfügig angesehen hatte, dass sie einen grundlegenden Vertrauensverlust nicht herbeiführen und deshalb ein fristloses Kündigungsrecht des beklagten Unternehmers – zumindest ohne vorherige Abmahnung – nicht begründen konnten. Das Berufungsgericht sei trotz der vertraglichen Vereinbarungen, wonach ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt, nicht gehindert gewesen, eine Zumutbarkeitsprüfung durchzuführen. Es habe zutreffend bei der Beurteilung eines wichtigen Grundes die entsprechende Regelung im Handelsvertretervertrag so verstanden, wie er in § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB definiert ist und auf dieser Grundlage die Bestimmung im Agenturvertrag nach §§ 133, 157 BGB rechtsfehlerfrei dahingehend ausgelegt, dass Wettbewerbsverstöße, die so geringfügig sind, dass sie einen grundlegenden Vertrauensverlust zwischen Unternehmer und Handelsvertreter nicht herbeiführen können, keinen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne dieser Vertragsbestimmung darstellen. Gegen diese Vertragsauslegung wendete sich die Revision vergeblich. Da die Auslegung von Vertragsbestimmungen in erster Linie dem Tatrichter obliegt, konnte sie vom BGH nur daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt wurden oder ob es sich um eine Formularklausel handelte, deren Auslegung durch den Tatrichter der eingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt.

Das Berufungsgericht hat laut BGH nicht verkannt, dass nach seiner Rechtsprechung die Benennung von wichtigen Kündigungsgründen im Handelsvertretervertrag die ansonsten gebotene Zumutbarkeitsprüfung einschränken oder ganz ausschließen kann. Es nahm aber mit Recht an, dass es eine Frage der Auslegung des Handelsvertretervertrages ist, ob und inwieweit die Benennung bestimmter Pflichtverstöße als wichtiger Kündigungsgrund eine am Einzelfall orientierte Interessenabwägung von vornherein ausschließt. Der BGH hat nicht entschieden, dass Wettbewerbsverstöße, die sich bei Würdigung aller Umstände als geringfügig darstellen, jedenfalls zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen würden, wenn der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot im Vertrag als Beispiel für einen wichtigen Kündigungsgrund genannt ist. In seinem Urteil vom 20.10.1955 wurde vom II. Zivilsenat vielmehr ausgeführt, dass es bei einer vertraglichen Festlegung, nach der eine Verletzung des Wettbewerbsverbots zur fristlosen Kündigung berechtigen soll, grundsätzlich keiner umfassenden Zumutbarkeitsprüfung bedarf, dass aber gleichwohl zu prüfen ist, ob der Unternehmer gegen Treu und Glauben handelt, wenn er sich auf das vertraglich vereinbarte Kündigungsrecht beruft. Danach können die Vertragsparteien nicht jedes geringfügige Vorkommnis von vornherein als einen wichtigen Kündigungsgrund gelten lassen. Vielmehr muss trotz Vorliegens einer derartigen Vereinbarung festgestellt werden, ob der Vorfall so schwer wiegt, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei ist es für die Beurteilung der Zumutbarkeit allerdings von Bedeutung, dass die Parteien durch die Hervorhebung bestimmter Tatbestände zu erkennen gegeben haben, dass sie einen besonderen Wert auf einen Nichteintritt dieses Tatbestands legen.

Rechtsprechung zur Besprechung
VIII ZR 327/09 – Wettbewerbsverstoß als vertraglich vereinbarter wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung; Erfordernis einer Abmahnung