Zur Anwendung des Kartellverbots auf Handelsvertreterverträge

Handelsvertreterrecht

Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsgesuch des obersten spanischen Gerichts (Tribunal Supremo, Entscheidung vom 03.03.2005) zu entscheiden. Das spanische Gericht wollte wissen, ob die Artikel 10-13 der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 über die Anwendung von Artikel 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen auch auf Alleinvertriebsverträge zwischen Mineralölunternehmen und Tankstellenhaltern Anwendung finden, die als Kommissions- oder Handelsvertreterverträge bezeichnet werden und die den Tankstellenhalter verpflichten, ausschließlich Kraft- und Treibstoffe des Lieferanten zu den von diesem festgesetzten Verkaufspreisen zu verkaufen, wobei der Tankstellenhalter die Gefahr für die Waren von dem Zeitpunkt an übernimmt, zu dem sie in seine Tanks eingebracht werden und der Tankstellenhalter verpflichtet ist, diese so aufzubewahren, dass Verlust oder Verschlechterung auszuschließen ist und bei denen der Tankstellenhalter schließlich unter bestimmten Bedingungen die Kraft- und Treibstoffe zu bezahlen hat.

Nachdem der EuGH sich für zuständig und die Vorabentscheidungsfrage für zulässig erklärt hat, weist ihr FAB darauf hin, dass eine Gruppen-Freistellungsverordnung nur dann Anwendung finden kann, wenn die betreffenden Vereinbarung überhaupt vom Kartellverbot erfasst werden. Deshalb sei vorab die Frage zu prüfen, ob die streitgegenständlichen Vereinbarungen unter das Kartellverbot fallen.

Zur Beantwortung dieser Frage stellt der EuGH erneut klar, dass das Kartellverbot nur auf Vereinbarungen zwischen zwei Unternehmen Anwendung findet und es insoweit nicht auf die Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeiten ankommt, sondern vielmehr darauf, ob sich beide Gesellschaften auf dem Markt einheitlich verhalten. Bilden die betroffenen Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit, die auch aus rechtlich mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet werden kann, so ist das Kartellverbot unanwendbar.

Ein Absatzmittler könne insoweit seine Eigenschaft als selbständiger Wirtschaftsteilnehmer nur verlieren, wenn er keines der Risiken aus den für den Geschäftsherrn vermittelten Geschäften trägt und als Hilfsorgan in sein Unternehmen eingegliedert ist.

Von Bedeutung ist insoweit die Unterscheidung des EuGH zwischen Verpflichtungen, die dem Absatzmittler im Rahmen des Verkaufs der Waren an Dritte für Rechnung des Geschäftsherrn auferlegt werden, und den Verpflichtungen, die unmittelbar die Beziehungen zwischen dem Handelsvertreter und dem Geschäftsherrn selbst betreffen. In der Beziehung zwischen Handelsvertreter und Geschäftsherr sei der Handelsvertreter grundsätzlich unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer, so dass Ausschließlichkeits- und Wettbewerbsverbotsklauseln gegen das Kartellverbot verstoßen könnten, wenn sie zu einer Abschottung des betreffenden Marktes führen.

Sofern es um die Verpflichtungen im Rahmen des Verkaufs der Waren an Dritte geht, bleibt der EuGH seiner bisherigen Rechtsprechung treu, nach der es für die Frage, ob eine wirtschaftliche Einheit zwischen Absatzmittler und dem Unternehmer darauf ankommt, ob der Absatzmittler die finanziellen und kommerziellen Risiken des Absatzes oder der Abwicklung der mit Kunden geschlossenen Verträgen zu tragen hat.

Da im vorliegenden Fall der dem EuGH vorgetragene Sachverhalt für eine abschließende Beurteilung nicht ausreichte, hat der EuGH dem vorlegenden spanischen Gericht Beurteilungshinweise gegeben. Dabei komme es nicht nur auf die vertraglichen Regelungen, sondern auch auf die wirtschaftliche Realität an. Bei der mit dem Absatz der Waren verbundenen Risiken komme es u.a. darauf an, ob die Gefahren auf den Absatzmittler übergehen, wenn er Besitzer oder sogar Eigentümer der Waren wird. Ferner sei zu prüfen, ob der Absatzmittler unmittelbar oder mittelbar die mit dem Vertrieb der Waren verbundenen Kosten, z.B. Beförderungskosten zu tragen habe und ob ein etwaiges Lager auf eigene Kosten des Absatzmittlers unterhalten werde. Weiter wäre zu prüfen, wer die Haftung für eventuelle Schäden an den Waren, bei Verlust oder Verschlechterung zu tragen hat und schließlich, ob das Forderungsausfallrisiko beim Absatzmittler liege. Die Übernahme derartiger Risiken und Kosten spreche für eine Eigenständigkeit des Absatzmittlers.

Des Weiteren seien die marktspezifischen Investitionen zu berücksichtigen, die der Absatzmittler übernehme. Hat der Absatzmittler im Zusammenhang mit dem Absatz der Waren, z.B. für die Räumlichkeiten oder die Ausstattung – im vorliegenden Fall z.B. für den Kraftstofftank – Investitionen zu tätigen oder ist er verpflichtet, in Werbeaktionen zu investieren, würde auch dies dafür sprechen, dass der Absatzmittler als selbständiger Unternehmer mit der Folge anzusehen sei, dass das Kartellverbot Anwendung finde.