Zur Neukundenwerbung und Stammkundeneigenschaft, Anforderungen an die Schlüssigkeit und Erheblichkeit des Vortrags zum Ausgleichsanspruch durch den Handelsvertreter
HandelsvertreterrechtEin Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt oder den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Solches kann allenfalls dann bedeutsam werden, wenn der Gegenvortrag dazu Anlass bietet. Das bedeutet aber nicht, dass derjenige, der ein Recht beansprucht, schon deshalb, weil der Gegner bestreitet, gezwungen ist, den behaupteten Sachverhalten in allen Einzelheiten wiederzugeben.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste der Kläger nicht näher ausführen, wie und wann und auf welche Art und Weise er die einzelnen Kunden geworben hatte, die er der Ausgleichsberechnung zugrunde gelegt hatte. Ebenso bedurfte es keines detaillierteren als des gehaltenen Vortrags zur Stammkundeneigenschaft. Der Kläger hatte vorgetragen, er habe 43 im Einzelnen benannte Kunden neu geworben und für jeden der 43 Kunden einen Zeugen benannt. Ferner hatte der Kläger vorgetragen, in der betroffenen Branche (Werkzeugmaschinen), in der die Abschreibungsdauer sowie die Lebensdauer einer Maschine acht Jahre betrage, gebe es keine Laufkundschaft, zumal sich die Kunden auch während der Betriebszeit bei Problemen mit dem beklagten Unternehmen auseinandersetzen müssten. Dies wurde vom Kläger unter Sachverständigenbeweis gestellt.
Der Vortrag des klagenden Handelsvertreters zu den neu geworbenen Stammkunden ist nach Auffassung des BGH schlüssig, denn aus ihm ergeben sich die Anspruchsvoraussetzungen nach § 89 b Abs. 1 HGB. Dass der Kläger nur bezüglich 18 der 43 behaupteten Neukunden ein oder mehrere dem Erstgeschäft folgende Geschäfte benannt hat, stehe der Schlüssigkeit seines Vortrags im Hinblick auf die Stammkundeneigenschaft aller Neukunden nicht entgegen. Zwar werde bei langlebigen Wirtschaftsgütern mit einem längeren Nachbestellungsintervall die Stammkundeneigenschaft durch einen Zweitkauf begründet. Ein solcher Zweitkauf während der Dauer des Handelsvertretervertrages sei jedoch nicht zwingende Voraussetzung für die Qualifikation eines Kunden als Stammkunden. Bei langlebigen Wirtschaftsgütern sei anerkannt, dass auch Kunden, die bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erst einmal gekauft haben, als Stammkunden behandelt werden können, wenn und soweit unter Berücksichtigung spezifischer Besonderheiten aufgrund einer Schätzprognose innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach Vertragsende Wiederholungskäufe zu erwarten sind (so genannte potentielle Stammkunden). Der Kläger hatte dazu vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass bei den hier gegebenen Investitionsgütern schon aufgrund ihres Preises ein Geschäftsabschluss nur zustande komme, wenn der Kunde Vertrauen aufgebaut hat.
Dass die Beklagte bezüglich 20 der 43 Kunden eine Werbung durch den Kläger und bezüglich 18 der 43 Kunden die Neukundeneigenschaft bestritten hatte, führe nicht dazu, dass der Tatsachenvortrag des Klägers, er habe sämtliche genannten Kunden als Stammkunden neu geworben, unklar würde. Auch die Frage, ob die Darstellung des Klägers wahrscheinlich sei, spiele für die Substantiierungsanforderung keine Rolle. Es sei vielmehr Aufgabe des Tatrichters bei der Beweisaufnahme, die benannten Zeugen nach Einzelheiten zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen. Auch bezüglich der potentiellen Stammkunden habe hinreichender Vortrag vorgelegen, der im Wege der Beweisaufnahme erforderlichenfalls durch Erhebung des angetretenen Sachverständigenbeweises zur Kundenbindung nachzugehen gewesen wäre.