Influencer als Handelsvertreter (Voraussetzungen, Rechte und Pflichten)

Rechtstipp Handelsvertreterrecht

In Zeiten der Digitalisierung greifen immer mehr Unternehmen auf das Internet und soziale Medien zurück, um die Reichweite ihrer Angebote zu vergrößern.

Das Internet bietet ständig neue Möglichkeiten, für die eigenen Dienste und Produkte zu werben oder idealerweise gleich Geschäfte abzuschließen.

Unternehmen können mit Hilfe des Internets eine viel größere Kundengruppe erreichen und diese regelmäßig mit einem relativ geringen Aufwand erweitern.

Eine noch junge Erscheinung in diesem Bereich ist die Vermarktung durch sog. Influencer. Als Influencer (von englisch to influence ‚beeinflussen‘) werden seit den 2000er Jahren Personen bezeichnet, die als sog. Multiplikatoren ihre starke Präsenz und ihr Ansehen in sozialen Netzwerken nutzen, um beispielsweise Produkte oder Lebensstile zu bewerben.  

Auch wenn die digitale Welt mit zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten auf den ersten Blick sehr verlockend erscheinen mag, gibt es hier einige Punkte, die sowohl von Unternehmen als auch von Influencern zu beachten sind. Hierzu gehören insbesondere die Rechte und Pflichten, die sich aus einem Handelsvertreterverhältnis ergeben, wenn Influencer als Handelsvertreter einzustufen sind. Die Bewertung, ob diese Rechte und Pflichten auch die Tätigkeit eines Influencers betreffen und in seiner Beziehung zu dem Unternehmen, für das er wirbt, Anwendung finden, kann anhand bestimmter Kriterien festgestellt werden.

Das Gesetz definiert den Begriff des „Handelsvertreters“ wie folgt: Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 HGB).

Im Folgenden werden die wichtigsten Kriterien erläutert, anhand derer festgestellt werden kann, ob eine Influencertätigkeit im Einzelfall als eine Handelsvertretertätigkeit zu qualifizieren ist. Anschließend werden einige Rechte und Pflichten eines Handelsvertreters aufgeführt.

1.    Selbstständigkeit

Damit ein Influencer als Handelsvertreter bewertet werden kann, muss er seine Tätigkeit zunächst selbstständig ausüben.

Nach § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

Charakteristisch für eine selbstständige Tätigkeit sind vor allem das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die freie Gestaltung der eigenen Tätigkeit, Arbeitszeit und des Arbeitsorts.

Ein Angestelltenverhältnis liegt hingegen vor, wenn der Beschäftigte Teil eines fremden Betriebs geworden ist und die Zeit, Dauer, Art und den Ort seiner Tätigkeit nicht frei gestalten kann. Ob jemand abhängig oder selbständig beschäftigt ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Insgesamt lässt sich Folgendes sagen: Ist ein Influencer gleichzeitig für mehrere Unternehmen tätig, bestimmt er seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort selbst und kann er den Inhalt seiner Tätigkeit im Großen und Ganzen selbst gestalten, dann ist dies bereits ein starkes Indiz für seine Selbstständigkeit. Muss er sich dagegen im Wesentlichen an detaillierte Vorgaben des Unternehmers halten, deutet dies auf eine abhängige Beschäftigung hin.

2.    Ständige Betrauung

Der Influencer muss ferner mit seiner Tätigkeit vom Unternehmer ständig betraut sein. Das bedeutet, dass er vom Unternehmer damit beauftragt sein muss, sich dauerhaft um die Vermittlung bzw. den Abschluss von Geschäften zu bemühen (§ 86 Abs. 1 HGB). Den Handelsvertreter trifft eine Tätigkeitspflicht. Im Einzelfall genügt die Betrauung für eine Saison, eine Kampagne oder die Dauer einer Messe bzw. Ausstellung, wenn der Influencer zu der Vermittlung bzw. dem Abschluss einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften verpflichtet ist. Hat er dagegen nur die Berechtigung, genügt dies für einen Handelsvertreter nicht.

3.    Geschäftsvermittlung

Von einer Vermittlungstätigkeit kann gesprochen werden, wenn der Influencer den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer durch Einwirkung auf den Dritten (Kunden) fördert, d.h. den Geschäftsabschluss vorbereitet, ermöglicht oder herbeiführt.

Damit gilt ein Geschäft dann als von dem Influencer vermittelt, wenn ein konkretes Geschäft durch ihn gefördert wird. Es reicht also nicht aus, wenn der Influencer für einen Unternehmer oder dessen Produkte nur allgemein Werbung macht oder etwa durch Anpreisung eines Produkts lediglich Kaufanreize hervorruft, ohne auf einen konkreten Geschäftsabschluss hinzuwirken.

Das Influencer-Marketing erfolgt bekanntlich auf verschiedenen Wegen. Hierzu gehören das Teilen von Posts, Stories, die Vorstellung von Produkten vor laufender Kamera, das Teilen von Rabatt-Codes etc. Unabhängig davon, wie der Influencer sein Marketing ausübt, liegt eine Geschäftsvermittlung ausschließlich dann vor, wenn durch die Tätigkeit des Influencers ein konkretes Geschäft zustande kommt bzw. zustande kommen soll.    

Nachdem man anhand der obigen Kriterien festgestellt hat, ob die Influencertätigkeit im konkreten Fall als eine Handelsvertretertätigkeit zu bewerten ist, stellt sich die Frage, welche Rechte und Pflichten den Influencer bzw. den Unternehmer treffen, wenn ein Handelsvertreterverhältnis vorliegt.

Die Rechte und Pflichten des Handelsvertreters sind insbesondere in den §§ 86 und 87c HGB geregelt. Weitere Pflichten finden sich z. B. in § 90 HGB oder §§ 665 ff. BGB.

Rechte und Pflichten des Handelsvertreters:

  • § 86 Abs. 1 HGB regelt die Vermittlungspflicht des Handelsvertreters.
  • § 86 Abs. 2 HGB regelt die Informations- und Berichtspflicht des Handelsvertreters.
  • Aus § 665 BGB lässt sich die Weisungsbefolgungspflicht des Handelsvertreters herleiten (die Weisungen dürfen allerdings die rechtliche Selbstständigkeit des Handelsvertreters nicht übermäßig einschränken).
  • § 86 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB regelt die Interessenwahrnehmungspflicht des Handelsvertreters (dazu zählt insbesondere ein Wettbewerbsverbot während der Vertragsdauer).
  • § 87c Abs. 1 HGB regelt das Recht des Handelsvertreters auf monatliche, mindestens jedoch vierteljährliche Abrechnung seiner Provisionen.
  • § 87c Abs. 2 HGB regelt das Recht des Handelsvertreters auf Buchauszug zur Überprüfung der Provisionsabrechnungen.  
  • § 90 HGB regelt die Verschwiegenheitspflicht des Handelsvertreters.
  • § 667 BGB i. V. m. § 86a HGB regelt die Herausgabepflicht des Handelsvertreters.

Rechte und Pflichten des Unternehmers finden sich vor allem in § 86a HGB, im Einzelnen:

  • § 86a Abs. 1 HGB regelt die Pflicht des Unternehmers, seinem Handelsvertreter Unterlagen, Muster etc. kostenlos zur Verfügung zu stellen.
  • § 86a Abs. 2 HGB regelt die Informations- und Unterrichtungspflicht des Unternehmers (dies umfasst etwa Informationen über Annahme oder Ablehnung von vermittelten Geschäften, Lieferfähigkeit, Lieferzeiten, neue Produkte, technische Änderungen, Preisänderungen, Betriebsveräußerung, Betriebseinstellung etc.).
  • § 86a HGB regelt zugleich die Treuepflicht des Unternehmers. Demnach ist der Unternehmer gehalten, alles zu unterlassen, was die Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters beeinträchtigt.

Im Übrigen ist zu beachten, dass §§ 87ff. HGB die Provisionszahlungspflicht des Unternehmers an seinen Handelsvertreters regeln.  

Die obige Aufzählung soll lediglich einen kurzen Überblick über die Rechte und Pflichte aus einem Handelsvertreterverhältnis geben. Ausführliche Informationen zu den jeweiligen Rechten und Pflichten finden Sie auf unserer Homepage.

Zusammenfassung

Dieser Artikel soll dem Zweck dienen, einen groben Überblick über die relevanten Punkte hinsichtlich der Bewertung der Tätigkeit eines Influencers als Handelsvertreter zu verschaffen. Eine genaue Bewertung der oben genannten Merkmale sowie die Beantwortung zahlreicher weiterer Fragen benötigt eine individuelle Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Vertriebssystem bzw. mit der konkreten Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen einem Influencer und einem Unternehmen.

Die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten, die soziale Medien den Influencern für ihre Tätigkeit anbieten, stellen Influencer und Unternehmer vor immer mehr weitreichende Fragen, deren Antwort in der Regel von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt.