Betriebseinstellung und ihre Folgen für die Handelsvertreterrechte

Rechtstipp Handelsvertreterrecht, Kündigung des Handelsvertretervertrags

Entscheidet sich ein Unternehmer für eine Betriebseinstellung und möchte beispielsweise seine Gesellschaft liquidieren, lautet eine häufige Frage, die den Unternehmer in diesem Fall beschäftigt, wie er idealerweise die Verträge mit seinen Handelsvertretern beenden kann, und ob er ggf. Schadensersatz und/oder einen Ausgleichsanspruch zahlen muss.

Im Folgenden werden wir uns den Punkten widmen, auf die Unternehmer bei einer Betriebseinstellung hinsichtlich der Handelsvertreterrechte achten sollten:  

1. Außerordentliche Kündigung

Als erstes stellt sich die Frage, ob der Unternehmer außerordentlich kündigen kann.

Hierzu ist zu erläutern, dass nach der Rechtsprechung der Umstand, dass ein Unternehmer seinen Betrieb einstellt, durchaus eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Allerdings hat der BGH entschieden, dass selbst die finanzielle Notlage eines Unternehmens, dessen Fortführung mit dem Risiko verbunden ist, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen zu müssen, für sich allein grundsätzlich nicht zur außerordentlichen Kündigung bestehender Verträge berechtigt (vgl. BGH, Urteil vom 7.10.2004, Az. I ZR 18/02, juris). Trotz dieser grundsätzlichen Entscheidung macht der BGH jedoch eine Ausnahme explizit für Handelsvertreterverträge. Zur Begründung führt das Gericht aus, insoweit bestehe ein besonders enges Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem in seinen Vertrieb eingebundenen Handelsvertreter sowie eine enge Bindung an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmers. Der mögliche wirtschaftliche Niedergang des Unternehmens liege deshalb nicht nur allein in dessen Risikosphäre, sondern auch in der des mit ihm vertraglich verbundenen Handelsvertreters (BGH, Urteil vom 20.02.1958, Az. II ZR 20/57, juris).

In obergerichtlichen Entscheidungen wurden auf Basis dieser BGH-Urteile aus dem Jahr 1958 bzw. 2004 unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Während das OLG Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1997, Az. 35 U 33/96, juris) unter zusätzlichem Verweis darauf, dass der Unternehmer ihm vom Handelsvertreter vermittelte Aufträge generell auch ohne Begründung ablehnen könne, die außerordentliche Kündigung im Fall der Betriebseinstellung bejaht hat, wurde sie vom OLG München in einem konkreten Fall (OLG München, Urteil vom 18.07.2007, Az. 7 U 2055/06, juris) verneint. 

Auch in der Kommentarliteratur gehen die Meinungen diesbezüglich auseinander.  

Im Ergebnis wird man wohl sagen müssen, dass die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung in einem solchen Fall davon abhängt, was konkret den Unternehmer zur Betriebseinstellung veranlasst, ob dies aus seinem alleinigen Verantwortungsbereich stammt oder eher „höherer Gewalt“ geschuldet ist und ob es auch den Unternehmer relativ unvermittelt getroffen hat oder ihm die Situation schon länger bekannt war, so dass er vielleicht auch noch einige Monate warten kann, bis die Handelsvertreterverträge ordentlich gekündigt sind. 

Aus den genannten Gründen kann die Frage der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung bei einer bevorstehenden Betriebseinstellung nicht pauschal beantwortet werden. Über diese Frage ist vielmehr nach einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei kommt nicht nur eine außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung, sondern auch eine solche mit einer Auslauffrist, bspw. auf den Tag der Betriebseinstellung in Betracht.  

Kommt ein Gericht später allerdings zum Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam war, besteht für den Unternehmer das Risiko, dass er seinem Handelsvertreter für die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist Schadensersatz leisten muss.

2. Ordentliche Kündigung

Die typische Möglichkeit, den Handelsvertretervertrag zu beenden wäre, ihn ordentlich zu kündigen. Dann läuft der Vertrag bis zum Ende der Kündigungsfrist noch „ganz normal“ weiter. Dies kann angesichts der bevorstehenden Betriebseinstellung allerdings seine „Tücken“ haben.

Dies soll im Folgenden zur besseren Anschauung anhand eines Beispiels aus der Textilbranche verdeutlicht werden:

Angenommen, der Unternehmer hätte für eine ordentliche Kündigung eine Frist von 6 Monaten einzuhalten und für den Fall, dass die Kündigung vor dem 30.06.2022 bei dem Handelsvertreter zugestellt worden wäre, hätte der Vertrag zum 31.12.2022 beendet werden können. Hier würden an sich von Juli bis September die Aufträge der Kunden für die Saison Frühjahr/Sommer 2023 vermittelt werden. Diese will der Unternehmer aber aufgrund der Betriebseinstellung gar nicht mehr bedienen, so dass er die Auftragsvermittlung unterbindet.

In diesem Beispiel würde dem Handelsvertreter, der in der Textilbranche tätig ist, eine Saison, nämlich die Saison Frühjahr/Sommer 2023 entgehen.

Wie das obige Beispiel zeigt, stellt sich die Zeit zwischen dem Ausspruch der ordentlichen Kündigung und dem Vertragsende in der Regel als äußerst problematisch dar, wenn in dieser Zeit die Betriebseinstellung bereits umgesetzt wird. Da der Vertrag während der Kündigungsfrist noch besteht, ist der Handelsvertreter weiterhin an das ihm obliegende Wettbewerbsverbot gebunden und kann auch nicht so einfach eine Ersatzvertretung übernehmen. Der Handelsvertreter ist im obigen Beispiel quasi für eine Saison gesperrt und könnte deshalb einen Schadensersatzanspruch –  in dem obigen Beispiel etwa wegen der ihm entgangene Saison Frühjahr/Sommer 2023 – oder eine Freistellungsvergütung geltend machen. Er müsste sich jedoch eventuell anderweitig erzielten bzw. erzielbaren Verdienst und ersparte Kosten anrechnen lassen.  

Als Lösung für dieses Problem kommen verschiedene Ansätze in Betracht.

Denkbar wäre zunächst eine förmliche Freistellung. Diese Lösung hätte jedoch in jedem Fall eine entsprechende Freistellungsvergütung zur Folge. Die Bemessung dieser Freistellungsvergütung erfolgt üblicherweise anhand von Durchschnittsbeträgen, die aus der Vergangenheit ermittelt werden. Ob man bei einer Freistellungsvergütung einen Abzug für ersparte Kosten machen kann, wenn dies nicht vertraglich vereinbart ist, ist zweifelhaft. Über eine Freistellungsvergütung könnte der Handelsvertreter also möglicherweise den höchsten Betrag verlangen. 

Als weitere Möglichkeit könnte der Unternehmer seinem Handelsvertreter für die Zeit bis zum Vertragsende die Lagerbestände zur Geschäftsvermittlung zur Verfügung stellen, vorausgesetzt die Produkte sind „zeitlos“ und lassen sich genauso gut vertreiben wie die Ware, die der Unternehmer dem Handelsvertreter eigentlich zur Verfügung stellen müsste. Auf diese Weise könnte der Unternehmer das Entstehen eines Schadens bei seinem Handelsvertreter verhindern oder zumindest dessen Höhe gering halten.

Schließlich könnte der Unternehmer zwar ordentlich kündigen, zugleich aber darauf verzichten, auf der Einhaltung des Wettbewerbsverbots zu bestehen. In diesem Fall hat der Handelsvertreter die Möglichkeit, eine andere Vertretung zu übernehmen und kann sich ggf. nicht auf einen entgangenen Gewinn berufen.

3. Ausgleichsanspruch

Völlig losgelöst von der Art der Beendigung des Handelsvertretervertrages und einem möglichen Schadensersatzanspruch ist die Frage des Ausgleichs gemäß § 89b HGB zu beantworten. Grundsätzlich würde die Kündigung des Unternehmers einen Ausgleich auslösen, im vorliegenden Fall auch eine außerordentliche. 

Allerdings ist ein Ausgleichsanspruch nicht zu zahlen, wenn der Unternehmer den Kundenstamm nicht weiter nutzt, weil er seinen Geschäftsbetrieb einstellt. Dies setzt aber voraus, dass der Kundenstamm tatsächlich „links liegen“ gelassen und nicht doch noch auf irgendeine andere Weise „zu Geld“ gemacht wird. 

Würde das Unternehmen beispielsweise verkauft, so würde die Rechtsprechung wohl davon ausgehen, dass die Höhe des Entgelts, dass der Unternehmer erzielt, positiv von dem Vorhandensein eines stabilen Kundenstamms beeinflusst wird. Dafür aber wiederum wäre die Aufbauleistung des Handelsvertreters mitursächlich, so dass deswegen ein Ausgleichsanspruch zu zahlen wäre.

Die Berechnung der Höhe des Ausgleichs müsste allerdings in allen diesen Fällen den konkreten Besonderheiten und Gegebenheiten Rechnung tragen. Eine „Standard-Berechnung“ wird nicht möglich sein.

Dieser Beitrag behandelt den Fall, dass der Unternehmer seinen Betrieb selbst einstellen möchte. Etwas anderes gilt, wenn der Unternehmer seine Firma nicht liquidieren möchte, sondern Insolvenz anmelden muss. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet ein Handelsvertretervertrag automatisch von Gesetzes wegen. Die Frage der Kündigung bzw. der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung würde sich dann per se nicht stellen. Schadensersatzansprüche wären ausgeschlossen und auch sonstige Forderungen aus dem beendeten Handelsvertretervertrag wären lediglich Insolvenzforderungen.

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