Leistungsstörung beim Bezirksvertreter – Was passiert bei Untätigkeit?
Rechtstipp Pflichten des Handelsvertreters, ProvisionsanspruchWas ist unter einer Leistungsstörung beim Bezirksvertreter zu verstehen?
Eine Leistungsstörung liegt vor, wenn der Bezirksvertreter seine vertraglichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt. Im Handelsvertreterrecht betrifft das insbesondere die Frage, ob bei Untätigkeit des Bezirksvertreters weiterhin ein Provisionsanspruch besteht – und wenn ja, in welchem Umfang.
Bezirksvertreter haben gemäß § 87 Abs. 2 HGB einen Anspruch auf Provision für alle im zugewiesenen Bezirk geschlossenen Geschäfte – auch ohne eigene Mitwirkung. Doch was gilt, wenn der Vertreter über längere Zeit keine Aktivitäten zeigt?
Welche Ursachen für Untätigkeit sind relevant?
Untätigkeit kann vielfältige Ursachen haben, z. B.:
- Vorübergehende oder dauerhafte Erkrankung
- Arbeitsunfähigkeit aus privaten oder beruflichen Gründen
- Bewusste Pflichtverletzung oder fehlende Motivation
- Situationen, in denen ein Kunde ausdrücklich keine Betreuung durch den Handelsvertreter wünscht
In all diesen Fällen stellt sich die Frage: Darf das Unternehmen die Bezirksprovision kürzen oder verweigern?
Bleibt der Provisionsanspruch bei Untätigkeit bestehen?
Grundsätzlich ja – solange das Handelsvertreterverhältnis nicht gekündigt wurde, bleibt der Anspruch auf die Bezirksprovision bestehen. Das gilt auch bei längerer Erkrankung oder temporärer Arbeitsunfähigkeit.
Der Provisionsanspruch folgt aus der vertraglichen Verpflichtung zur allgemeinen Betreuung des Bezirks. Er ist nicht direkt an die aktive Mitwirkung an einem einzelnen Geschäft gebunden, sondern eine Vergütung für die Gesamttätigkeit im Bezirk.
Können Regelungen des allgemeinen Schuldrechts zur Leistungsverweigerung angewendet werden?
In der juristischen Praxis ist umstritten, ob die allgemeinen Vorschriften des BGB über Leistungsstörungen bei gegenseitigen Verträgen (z. B. §§ 323 ff. BGB) auf Handelsvertreterverhältnisse anwendbar sind.
Teilweise wird argumentiert, dass Handelsvertreterverträge eigene Sonderregeln beinhalten – insbesondere durch die Möglichkeiten zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung – und daher andere Leistungsstörungsrechte verdrängt werden.
Weite Teile der Praxis und Literatur hingegen erkennen die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln an, insbesondere bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen. Es kommt auf den Einzelfall und die Schwere der Störung an.
Was passiert, wenn ein Kunde den Bezirksvertreter ablehnt?
Nicht selten kommt es vor, dass ein Kunde sich weigert, mit dem Bezirksvertreter zusammenzuarbeiten, und stattdessen direkt Kontakt mit dem Unternehmen aufnimmt.
Entscheidend ist in diesem Fall:
Der Anspruch auf Bezirksprovision entfällt nicht allein deshalb, weil der Kunde die Zusammenarbeit verweigert. Denn der Provisionsanspruch ist an die allgemeine Betreuung des Bezirks geknüpft – nicht an die Betreuung einzelner Kunden.
Einzelne Kundenwünsche oder persönliche Vorbehalte gegenüber dem Handelsvertreter berühren den vertraglich geschuldeten Anspruch nicht, solange der Vertreter seinen Bezirk insgesamt gewissenhaft bearbeitet.
Wann kann das Unternehmen die Zahlung der Bezirksprovision verweigern?
Ein Leistungsverweigerungsrecht kann nur in Ausnahmefällen entstehen – etwa wenn der Bezirksvertreter:
- seine Tätigkeit dauerhaft einstellt,
- seine Mitwirkung schuldhaft und ohne berechtigten Grund verweigert,
- die Arbeit arglistig vermeidet oder auf das Unternehmen abwälzt,
- den gesamten Bezirk vernachlässigt, nicht nur einzelne Kunden.
Eine bloße zeitweise Einschränkung der Tätigkeit – etwa durch Krankheit oder Reisetätigkeit – reicht nicht aus, um die Provision zu verweigern.
Was gilt, wenn der Kunde den Vertreter aus persönlichen Gründen ablehnt?
Selbst wenn die Ablehnung des Vertreters durch den Kunden auf früheren geschäftlichen oder persönlichen Spannungen beruht (z. B. aus einer vorherigen Zusammenarbeit), bleibt der Provisionsanspruch bestehen.
Nur wenn der Vertreter bewusst Tatsachen verschwiegen hat, etwa bestehende Streitigkeiten mit einem wichtigen Kunden des Unternehmens, kann unter Umständen von einem Verstoß gegen Aufklärungspflichten ausgegangen werden. Ein solcher Fall kann Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis haben – nicht aber automatisch auf die Bezirksprovision.
Wie kann das Unternehmen auf eine Störung reagieren?
Tipp: Änderungskündigung als pragmatische Lösung
Wenn sich einzelne Kunden dauerhaft nicht vom Bezirksvertreter betreuen lassen möchten, kann das Unternehmen eine Änderungskündigung aussprechen. Diese kann vorsehen:
- den Bezirk weiterhin zu übertragen – mit Ausnahme des betreffenden Kunden,
- oder den Vertrag auf einen reinen Kundenschutzvertrag umzustellen.
Dabei ist darauf zu achten, dass der Handelsvertreter durch die Änderung nicht einseitig benachteiligt wird. Es empfiehlt sich, dem Vertreter gleichzeitig Vorteile oder Ausgleichsmöglichkeiten einzuräumen – etwa durch andere Kunden oder angepasste Vergütungsregelungen.
Was muss bei der Änderungskündigung beachtet werden?
Lehnt der Handelsvertreter das Änderungsangebot ab, kann er unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleichsanspruch geltend machen. Hier kommt insbesondere § 89b HGB in Betracht, wenn die Änderung dazu führt, dass dem Vertreter erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen – etwa durch Wegfall eines umsatzstarken Kunden.
Unternehmen sollten daher im Vorfeld prüfen:
- Ist die Änderung sachlich gerechtfertigt?
- Besteht ein berechtigtes Interesse an der Umstrukturierung?
- Wird der Vertreter wirtschaftlich unzumutbar benachteiligt?
Fazit: Was gilt bei Untätigkeit des Bezirksvertreters?
- Der Bezirksvertreter hat auch ohne unmittelbare Mitwirkung an Geschäften einen Provisionsanspruch, solange er seinen Bezirk allgemein betreut.
- Ein einzelner ablehnender Kunde ändert daran nichts.
- Nur bei schuldhafter oder dauerhafter Pflichtverletzung kann der Anspruch eingeschränkt oder entzogen werden.
- Änderungskündigungen können sinnvoll sein, müssen aber interessenwahrend und rechtssicher umgesetzt werden.